Verwundert rieben sich die Fans von Isabelle Huppert die Augen, als sie im Frühjahr 2023 ihr Idol wieder einmal auf der Leinwand sahen. Huppert als Gewerkschaftssekretärin? Im französischen Atomunternehmen Areva? Und dessen Chefs haben womöglich einen brutalen Überfall auf ihre eigene Belegschaftsvertreterin zu verantworten?! Doch der Thriller „La Syndicaliste“ ist keine Fiktion. Er beruht auf jahrelangen Recherchen der Investigativjournalistin Caroline Michel-Aguirre. Sie hat den Leidensweg, den die CFDT-Funktionärin Maureen Kearney zurücklegen musste, nachdem sie der Nuklearelite Frankreichs auf die Füße getreten war, minutiös dokumentiert. Akteurinnen und Akteure des Dramas werden mit Klarnamen genannt, ohne dass jene versucht hätten, die Gerichte zu bemühen. Jetzt unternimmt ein junger Verlag ein Crowdfunding, um das Buch der Journalistin auf deutsch herauszubringen.
Wenn es hierzulande erscheint, so ist das weniger ein Akt der Genugtuung über unseren Atomausstieg, vielmehr ein Lehrstück über die fatale Situation eines industriellen Aushängeschilds unserer Nachbarn. Frankreich, Großbritannien und die USA verfolgten vor zehn Jahren hochfliegende Pläne, um mit chinesischen Nuklearunternehmen ins Geschäft zu kommen. Die fernöstlichen Partner wiederum kauften Atomkraftwerke, adaptierten die westliche Technologie zu eigenen, billigeren Modellen und wollten damit auf dem europäischen Energiemarkt Fuß fassen. In Frankreich war der Reaktorbauer Areva zu klein für diese Dimensionen. Der Energieriese EdF drängte mit all seiner Macht danach, diese Rolle an Arevas Stelle zu übernehmen. Unterstützt wurde er dabei von der Pariser Politik: französische Technologie teuer zu verkaufen und im Gegenzug chinesische Atomkraftwerke günstig zu beziehen, schien eine Lösung für das Problem der viel zu teuren Atomenergie zu bieten.
Maureen Kearney erkannte, dass die Arbeitsplätze von Areva dabei auf der Strecke bleiben würden. Sie gab Dokumente über geheime Absprachen zwischen EdF und chinesischen Atomkonzernen, die ihr zugespielt worden waren, an die Presse. Dafür sollte sie nach Art der Mafia bestraft werden. Doch die Täter, Anstifter und Auftraggeber des Verbrechens konnten bis zum heutigen Tag nicht vor Gericht gestellt werden.
Das ist eine schwere Hypothek der französischen Nuklearwirtschaft, die sich erhofft, ihre in der Zwischenzeit nicht geringer gewordenen Probleme mit europäischen Mitteln zu lösen. Derweil wartet Kearney auf Gerechtigkeit.
Die edition einwurf ist eine Neugründung von Verleger:innen, die in der Vergangenheit mit Sportbüchern beachtliche Erfolge erzielt haben. Knowhow über die Auseinandersetzungen um Atomenergie ist bei ihnen ebenfalls vorhanden, eine interessante Kombination. Im Folgenden das Exposé des Verlags zu diesem Projekt.
Das Buch: Caroline Michel Aguirre: La syndicaliste. 280 Seiten
Das 2019 in Frankreich erschienene Buch erzählt in spannender Romanform die wahren Erlebnisse der Gewerkschafterin Maureen Kearney. Sie wurde Opfer eines furchtbaren Überfalls und einer anschließenden Schmutzkampagne, als sie die Machenschaften der französischen Atomindustrie aufdecken wollte.
Kearney erfährt im Jahr 2012 als Sprecherin der Gewerkschaften beim französischen Energiekonzern Areva, dass beim Bau von Atomkraftwerken künftig mit einem chinesischen Energieunternehmen zusammengearbeitet werden soll. Sie befürchtet einen Technologietransfer nach China sowie den Wegfall von 50.000 Arbeitsplätzen und bringt die geheimen Pläne an die Öffentlichkeit. Es beginnt eine Kampagne gegen sie, in die möglicherweise höchste politische Kreise eingeweiht sind. Kurz bevor sie den damaligen französischen Präsidenten Francois Hollande treffen soll, wird sie in ihrer Wohnung in Paris Opfer eines sexuellen Übergriffs. Sie wird an einen Stuhl gefesselt und bekommt mit einem Messer ein „A“ auf den Bauch geritzt. Die Polizei schenkt ihren Berichten keinen Glauben. Ihr wird öffentlich unterstellt, den Überfall inszeniert zu haben. In den Wochen danach gibt es telefonische Morddrohungen gegen Kearney; ihre Tochter beobachtet, dass sie von Unbekannten verfolgt wird.
Schwer traumatisiert und entgegen dem wahren Sachverhalt, erklärt Kearney schließlich, die Tat vorgetäuscht zu haben. Sie wird zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Nach einer erfolgreichen psychiatrischen Behandlung legt sie Berufung gegen das Urteil ein, wobei sie von ihrer Gewerkschaft unterstützt wird. Aufgrund neuer, von ihrem Anwalt ermittelten Indizien gewinnt sie den Berufungsprozess. Die wirklichen Schuldigen werden nicht gefunden. Es wäre international nicht der erste Fall, bei dem die Atomindustrie sich der Mithilfe der organisierten Kriminalität bedient.
Der Roman gab den Anstoß für Fernseh- und Radiodokumentationen über den Fall, ebenso lieferte er die Vorlage für den gleichnamigen Spielfilm von Jean-Paul Salomé. Darin spielt Isabelle Huppert die Hauptrolle. Der Film lief 2022 auf den Internationalen Filmfestspielen von Venedig und kam anschließend in die Kinos, auch in deutscher Synchronisation.
Das Buch war in Frankreich ein Bestseller. Es soll in die deutsche Sprache übersetzt und im Frühjahr 2025 veröffentlicht werden.
Die Autorin: Caroline Michel Aguirre arbeitet als Investigativjournalistin für das renommierte Nachrichtenmagazin „Nouvel Observateur“. Mit ihrem japanischen Kollegen Tomohiko Suzuki recherchierte sie nach dem GAU von Fukushima über das Gebaren der dortigen Atomkonzerne (Inside Fukushima). Für das Buch La syndicaliste arbeitete sie eng mit der Protagonistin Maureen Kearney zusammen.
Der Verlag: Die edition einwurf befindet sich momentan in Gründung. Die Gründer:innen sind sieben Menschen, die als Autoren, Lektoren oder Verlagskaufleute über längere Branchenerfahrung verfügen, u.a. beim Verlag Die Werkstatt. Einige von ihnen waren lange Zeit in der Bewegung gegen Atomenergie aktiv. Die edition einwurf hat das Buchprogramm der gemeinnützigen Körber-Stiftung übernommen und will dieses unabhängig von der Stiftung, aber nach ihrem erklärten Motto fortführen: „Gesellschaft besser machen“. Geplant sind weiterhin Bücher, die relevante politische Probleme aufgreifen und dazu Position beziehen.
Das Crowdfunding: Als neuer, unabhängiger Verlag übersteigen die für das Buchprojekt notwendigen Vorausleistungen unsere Möglichkeiten. Dies gilt insbesondere für den Aufwand für Erwerb der Buchlizenz sowie die Übersetzung des Textes. Die dafür notwendigen Kosten wollen wir zum Teil per Crowdfunding besorgen. Die Zielsumme beträgt 4.000 Euro.
Jeder Betrag ab 100 Euro ist willkommen. Die zur Verfügung gestellten Beträge werden erst aufgerufen, wenn die Zielsumme erreicht und der Linzenzvertrag abgeschlossen ist. Sofern das Buch danach aufgrund unvorhergesehener Ereignisse doch nicht erscheinen kann, werden die Beträge erstattet. Ebenso werden die Beträge zurückgezahlt, sobald die verkaufte deutschsprachige Auflage 5.000 Exemplare überschreitet.
Jede:r Beteiligte erhält als kleines Dankeschön neben einem Exemplar der deutschen Ausgabe noch das großformatige, reich bebilderte Buch „Atomkraft Nein danke – 50 Jahre Anti-AKW-Bewegung“ (erschienen im ökobuch-Verlag)
edition einwurf gmbh
Königstraße 43 // 26180 Rastede // Tel. 04402 – 9263-12
Email: Christoph.Schottes@werkstatt-auslieferung.de
Konto Raiffeisenbank Rastede, IBAN: DE47 2806 2165 0104 7507 00 Stichwort für Crowdfunding-Überweisungen: Die Gewerkschafterin
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