Für welche Freiheit willst du stimmen?

Freiheit als Wahlkampfthema gestern (eine Landtagswahl 1947) und heute (Titelseite des Magazins der grünen Bundestagsfraktion).

Mal als demonstratives, lautes Leitthema, mal untergründig als Subtext – Freiheit ist auch im Superwahljahr 2021 immer dabei. „Freiheit statt“ ist die große Erzählung der Mitte-Rechts-Parteien. In der Gassenhauer-Variante heißt sie gerade „Freiheit statt Baerbock“. Aber sie funktioniert auch als Freiheit statt Staat, Freiheit statt Gleichstellung, Freiheit statt Klima- und Artenschutz, Freiheit statt Tempolimit. Das Freiheit-statt-Tamtam zu hinterfragen und ein alternatives Verständnis von Freiheit zu entfalten, nimmt sich bruchstücke für den Bundestagswahlkampf 2021 vor. Wer dazu beitragen mag, ist eingeladen, die Frage zu beantworten: Für welche Freiheit willst du stimmen?

„Freiheit statt Sozialismus“ diente den Unionsparteien 1976 als Wahlkampfslogan gegen SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Ein halbes Jahrhundert später gibt es diese Parole noch im AfD-Fanshop als Aufkleber. „Freiheit statt“ steht auf der großen Leinwand, vor der die Wahlkämpfer:innen ihre Wortgefechte austragen und ihre Versprechungen verkünden. Wahlkämpfe sind auch Festivals gezielter Irreführung und strategischer Verführung. Im Großhandel für Sinnstiftung gehört Freiheit zu den Bestsellern. In welchem Sinn Freiheit angeboten und angenommen wird, entscheidet zum Beispiel darüber, ob Rücksichts- und Verantwortungslosigkeit als Unabhängigkeit und Selbstbestimmung feil geboten werden können, ob Allgemeininteresse und Solidarität nur als Klotz am Bein der Selbstverwirklichung und des privaten Erfolgs in Erscheinung treten dürfen. Ob Klimaschutz als Freiheitsfessel erlebt wird, ob die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit als Gefahr für das Recht auf Freiheit zurückgewiesen und als ein Ausdruck von Neid abgetan werden kann.

Die Abschaffung der Sklaverei war Freiheitsberaubung – für Sklavenhalter und -händler. Weibliche Emanzipation erleben Männer, nicht alle, als Verlust an Freiheiten. In welcher Vorstellungswelt ist dieses große Freiheit-statt-Tamtam angesiedelt? Wer und was wird hier hochgehalten, wer oder was wird hier ausgespielt gegen eine andere, aber bislang chancenarme Vorstellung von Freiheit, die man mit Lorenz Lorenz-Meyer so charakterisieren kann: „Größtmögliche persönliche Entfaltung im Rahmen einer souveränen Bindung ans Gemeinwohl“.

Kritik kann schöpferische Kraft entfalten, wenn sie sowohl klare, nachvollziehbare Analysen vorlegt als auch attraktive Alternativen aufzeigt. Wir sind so frei: Das Freiheit-statt-Tamtam auf den Prüfstein zu stellen und ein anderes Verständnis von Freiheit zu diskutieren. Für welche Freiheiten wollen Sie Ihre Wahlfreiheit verwenden?

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1 Kommentar

  1. Was heißt schon Freiheit? Sie ist verwoben in das Netz von Abhängigkeiten, das jeden von uns umgibt, trägt, formt. Wir sind abhängig von der Fairness der Nachbarn, Arbeit- oder Auftraggeberinnen, Weltenlenkern und sonstigen Einflussnehmerinnen. Von Wasser, Luft und all diesen Lebensgrundlagen, die man nicht kaufen kann. Eine ausführlichere Aufzählung ist nicht nötig. Es gibt Konflikte, Zwickmühlen und immer neue Erkenntnisse. Wie also Freiheit definieren? Sicherlich steht sie gut in dem Rahmen, der da heißt: Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu. Wo dieses Gebot übertreten wird, schneidet man sich ins eigene Fleisch.

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