Söders Erziehungsdefizit oder Nachtreten verboten

Was muss ein Staatenlenker sein? Was muss er können? Was darf er nicht sein? Müssen Staatenlenker so weitsichtig sein wie die drei Bundesverkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer? So vergesslich wie der bayrische Ministerpräsident Söder, der die DDR- Erziehungsministerin Honecker mit der grünen Umweltministerin Lemke verwechselte, sie als „grüne Margot Honecker“ bezeichnete; muss er muskulös wie der Kanzler sein, struppig wie Boris Johnson, muss er nach kleinen Jungs gucken, wie nach unsicherer Erzählung ein Premier von der Insel, eher nach ganz, ganz jungen Frauen Ausschau halten wie ein ital… ach das lass ich jetzt.

Ein Staatenlenker sollte jedenfalls eins nicht tun: Anderen Ländern und Gesellschaften empfehlen, wen sie wählen und wen sie nicht wählen sollten; etwa aus Altersgründen, beziehungsweise weil der Betreffende sich mitunter an Namen nicht mehr erinnert. Das hat nun der erwähnte Bayer getan. Im sogenannten „Sommerinterview“ des ZDF.

Das Psycho-Muster, das dem zugrunde liegt, ist simpel. Man tritt auf oder gegen jemanden, den man schon am Boden liegend wähnt. Das deutet auf ein Erziehungsdefizit hin, denn in der Regel lernt Mensch früh, dass gegen vermeintlich Schwächere nachtreten verboten ist. Lernt Mensch auch in Mittelfranken.

Der Mensch, dem Söder empfahl, sich was anderes zu suchen als eine erneute Präsidentschaft, heißt Joseph („Joe“) Biden. Er ist über achtzig, er ist als Präsident innen- und wirtschafts- sowie sozialpolitisch durchaus erfolgreich. Auch außenpolitisch. Er hat während der vergangenen Woche einen dreitägigen NATO- Diskussionsmarathon tadellos absolviert, er hat manchmal reparable Aussetzer, er tut offenkundig seinen „Job“ als Präsident, ermüdet freilich früher als Jüngere.

Das war es auch schon. Bleibt noch zu erwähnen, dass Verlässlichkeit, Besonnenheit wichtig sind, Großmäuligkeit nicht, dass wir alle unaufhaltsam älter werden und wir den Jüngeren, die an uns Alten zweifeln und mäkeln, sagen sollen: Hey, Jungspund, now and not tomorrow is the first day of he rest of your life.

Foto: Michael Lucan auf wikimedia commons

Klaus Vater
Klaus Vater arbeitet als Kommunikationsberater und Autor. Er war stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, zuvor Pressesprecher des Gesundheitsministeriums sowie des Arbeitsministeriums. Seinen Jugend-Kriminalroman "Sohn eines Dealers" wählte die Kinderjury des Literaturpreises "Emil" 2002 zum Kinderkrimi des Jahres.

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