Das Auto als Waffe der Leistungsgesellschaft

„Die derzeit populären Sport Utility Vehicles sind randvoll aufgeladen mit Ideologie. Sie sind die Ikonen des neoliberalen Zeitalters, des hemmungslosen Egozentrismus, des grenzenlosen Hedonismus. ‚No Future!‘ vereint den Weltkriegsbunker mit der ‚Gated Community‘ mit den neuzeitlichen zivilen Lifestyle Panzerfahrzeugen, deren Ursprünge ohnehin im militärischen Bereich liegen“, erläutert das Künstlerpaar Folke Köbberling und Martin Kaltwasser seine Skulptur „SUV 2008“ aus Fundholz http://www.martinkaltwasser.de/suv-2008.html

Stellt BMW seine SUV-Werbung in Frage? „Wir werden Ihr Schreiben daher zum Anlass nehmen, die Aussagen in unserer Werbung entsprechend zu prüfen“, teilt der „Leiter Markt Deutschland“ der BMW Group den Autoren eines offenen Briefes mit, in dem ein Zusammenhang gesehen wird zwischen schwersten innerstädtischen Unfällen und der aggressiven Werbung für SUVs.

Die Vorgeschichte: Drei Bürger, Radfahrer und Fahrer bescheidener Autos, haben vor Monaten auf der Plattform von campact eine Petition gestartet: SUV`s raus aus unseren Städten. Es haben zwar nicht so viele `Mit-BürgerInnen` unterschrieben, wie erhofft; und campact sah sich nach Testläufen übrigens außerstande, diese Petition über die Routine hinaus zu unterstützen, weil in ihren Kreisen eine solche Forderung vor allem in Pandemiezeiten nicht so goutiert werde, so der Bescheid. Aber immerhin wurde das Ziel erreicht: Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wird sich bald mit dem Thema beschäftigen. Immerhin.

Nun haben sich diese drei Bürger Ende November auch noch mit einem offenen Brief an den Autohersteller BMW gewandt. Der Grund: Es gab am 21. November im Frankfurter Ostend einen sehr schweren Unfall, bei dem der Fahrer eines BMW X6 die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte: zwei Tote, ein schwer verletzter Mensch. Als wir uns aus diesem Anlass einmal die Werbung von BMW für diesen besonders provozierend gestalteten SUV anschauten, wunderten wir uns über nichts mehr: Sie soll wohl gerade aggressive und triebhafte Fahrer besonders ansprechen.

Das Gleiche machte die Tageszeitung taz ein paar Tage später, als Anfang Dezember ein Amokfahrer mit einem Landrover durch die Trierer Innenstadt raste und dabei fünf Menschen tötete und 24 Menschen verletzte. Der taz-Autor schauderte, als er in der Werbung für den Landrover hörte, das Fahrzeug überwinde jedes Hindernis und sei einfach „unstoppable„.

Die Initiatoren wandten sich mit ihrem Brief an den Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens, an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates und an die Zweite Vorsitzende der IG Metall, die die Gewerkschaft im Aufsichtsrat vertritt; zur Kenntnis übermittelten sie den Brief auch an die SKion GmbH, die Beteiligungsgesellschaft der Industriellen-Erbin Susanne Klatten, Mehrheitsaktionärin bei BMW. Weder der Manager, noch die Gewerkschaft, noch der Betriebsrat, noch die Aktionärin haben geantwortet. Die Antwort des „Leiters Markt Deutschland“ der BWW Group ist hier im Wortlaut nachzulesen.

„Sich durch nichts aufhalten lassen“

„Das Gesicht des neuen BMW 4er sieht aus, als wollte er uns zermalmen“ schreibt dazu das Fairkehr-Magazin.

Im Folgenden der offene Brief. Und niemand hat etwas gegen seine Verbreitung.

An den Vorsitzenden des Vorstandes                                          Frankfurt, 27. 11. 2020
der BMW AG
Herrn Oliver Zipse

An den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats
der BMW AG
Herrn Manfred Schoch

z.K. Frau Christiane Benner, Zweite Vorsitzende IG Metall, Mitglied des Aufsichtsrates

Betr. Ihr Marketing

Sehr geehrter Herr Zipse, sehr geehrter Herr Schoch,

wir Drei, siehe die Unterzeichner, sind Bürger in Frankfurt und Offenbach und haben vor vielen Monaten eine Petition initiiert, über die Sie sich unter diesem eingefügten Link informieren können.

Wir hatten vor wenigen Tagen in der Frankfurter Innenstadt einen schrecklichen Unfall, bei dem bisherigen Erkenntnissen zufolge ein jugendlicher Raser die Kontrolle über seinen tonnenschweren SUV verlor. Zwei Menschen starben, ein weiterer Mensch liegt schwer verletzt im Krankenhaus.

Dieser Mann fuhr eines Ihrer Autos, einen BMW X6.

Wir werden uns sicher nicht in der Frage einigen, wie verheerend es ist, dass solche Autos in für Menschen vorgesehenen Innenstädten überhaupt zugelassen werden. Welche Ängste sie auslösen, allein aufgrund ihres martialischen Designs, als seien sie dazu gemacht, „alle anderen“, Fußgänger, Radfahrer, Fahrer von normalen bescheideneren Autos, als Störfälle aus dem Weg zu räumen.
Natürlich trifft Sie, juristisch gesehen, keine Verantwortung an diesem Unfall. Wir wollen Sie beide jedoch auf das Vokabular aufmerksam machen, mit dem Sie Ihre Produkte bewerben.

Für den BMW X6 mit den Worten:

Dominantes Design. Echte Muskelpakete. Pure Ausstrahlungskraft. Durchtrainierte Ästhetik. Attribute eines Alphatieres. Idealer Leitwolf auf jedem Terrain. Geschaffen um anzuführen.

Für Ihren 4er wird so geworben:

Grenzen verschieben, eigenen Regeln folgen, sich durch nichts aufhalten lassen: Das neue BMW4er Coupe setzt sich mit progressivem Design über bestehende Konventionen hinweg. 

Auch Ihr Clip dazu ist unseres Erachtens indiskutabel. 

Das sind Auszüge aus Ihrer offiziellen Werbung, vermutlich auch von Ihnen, Herr Zipse, verantwortlich genehmigt. Wenn Sie Freude am Fahren so verstehen, dann können normale Menschen vor Ihren Autos nur noch in Deckung gehen.
Was verkaufen Sie? Maschinen auf vier Rädern, um sich zivilisiert fortzubewegen? Oder Waffen, um sich in einer Leistungsgesellschaft möglichst rücksichtslos durchzusetzen? Ein Autor schrieb jüngst im Magazin des Verkehrsclub Deutschland, immer öfter rasten „fahrbare Kriegserklärungen“ auf den Straßen. 

Sehr geehrter Herr Zipse, sehr geehrter Herr Schoch, eine solche Werbung appelliert an primitive Urinstinkte. Sie animiert viele, vor allem junge Männer, zu einem rücksichtslosen Verhalten im Straßenverkehr, wie dies täglich leider oft der Fall ist.
Sie, Herr Zipse, sind für diese Werbung verantwortlich.

Aber es ist auch Ihre Werbung, Herr Schoch, sind Sie doch als Arbeitnehmervertreter und IG Metall direkt im BMW-Aufsichtsrat vertreten. Und Sie haben, wie in den Medien oft zu lesen ist, Macht und Einfluss im Unternehmen. 

Wie gesagt: Wir und Sie werden uns nicht über die Frage einigen, welche Rolle das Auto in dieser Gesellschaft, vor allem in unseren bereits überfüllten Städten, vor allem in Anbetracht der Klima-Katastrophe, sinnvoll überhaupt noch spielen kann.
Gleichwohl wäre es ein Fortschritt, wenn wir uns an dieser Stelle träfen: bei der Rückkehr Ihrer Werbung, ob in Worten oder via Film, zu Zivilität, Achtsamkeit, Rücksichtnahme und Menschlichkeit.

Es würde uns freuen, wenn Sie auf unseren offenen Brief auch antworten.

Wir planen, ihn an unsere 15.000 Unterzeichnerinnen weiterzuleiten und eventuell darüber hinaus zu verbreiten. Wir werden dies, wenn Sie das wünschen, selbstverständlich auch mit Ihren Stellungnahmen machen.

Wir erlauben uns, dieses Schreiben auch an Christiane Benner, Vertreterin der IG Metall in Ihrem Aufsichtsrat, mit der Bitte um Stellungnahme weiterzuleiten.

Für Ihre Aufmerksamkeit bedanken wir uns

Dr. Wolfgang Storz
Claus Fokke Wermann
Detlef zum Winkel

VERKEHRSERZIEHUNG definiert Wikipedia als „pädagogische Einwirkung auf Kinder und Jugendliche mit dem Ziel, sie beim Aufbau von angemessenen Einstellungen und Verhaltensweisen im Straßenverkehr zu unterstützen„. Kinder und Jugendliche scheinen allerdings nicht die einzigen mit unangemessenen Einstellungen zum Straßenverkehr zu sein. Trotzdem und gerade deshalb: Das Spiel ist eine Königsdisziplin der Erziehung. Das Angebot an Verkehrs-Spielen ist riesengroß, nostalgische Beispiele gibt es im Wirtschaftswundermuseum. Ein aktuelles SUV-Spiel gibt es hier:

SUV – Spiel für Umwelt und Verkehr

„Serious Games“ sind Spiele, die sich um wichtige gesellschaftliche Themen drehen. Im (Karten-) Spiel für Umwelt und Verkehr (SUV) dreht sich alles um Mobilität in der Stadt, um Tempo und Energieverbrauch, um die Vielfalt der Fahrzeuge, um Gefahr und Sicherheit. SUV kombiniert Lernen, erlebte oder erfundene Geschichten und eine glückliche Hand. Mehr Informationen und die Möglichkeit das SUV-Spiel zu erwerben unter: https://alivetoplay.weebly.com/suv.html

Wolfgang Storz
Dr. Wolfgang Storz (sto), (*1954), arbeitet als Publizist, Kommunikationsberater und Coach, zuvor tätig bei Badische Zeitung, IG Metall und Frankfurter Rundschau. Das Foto gibt eine jüngere Ausgabe der Person wieder.

1 Kommentar

  1. BMW zeigt ein gespaltenes Gesicht: einerseits diese Boliden, die aggressive und machthungrige Männer mit entsprechendem Budget ansprechen sollen, und andererseits ein Vorreiter und Vorzeige-PKW, den i3, der in vielerlei Hinsicht ökologisch und vernünftig konzipiert wurde und gefertigt wird. Kapitalismus hat keine Moral, das denkt man bei diesen SUVs, mit denen BMW gut verdienen will. Andererseits gibt es da doch offenbar auch noch andere Antriebe. Die müssten gestärkt werden, fragt sich nur wie.

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