DLF-Wirtschaftsjournalismus: Freude schöner Wachstumsraten in Zeiten der Klimakatastrophe

Haben Sie ein bisschen Zeit? Haben Sie Mittagspause? Interessieren Sie sich für Aktien, Unternehmen, Börse, BMW, Türkei, China und Waldbrände? Dann nichts wie rein in „Wirtschaft am Mittag“ im Deutschlandfunk, dem täglichen öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsmagazin. Heute, Dienstag, 3. August 2021, 13.35 Uhr, mit Moderator Günter Hetzke und seinem eloquent-optimistischen Sound einer ständig wachstumsfreudigen sozialen Marktwirtschaft in der Stimme: Wie geht es dem Digital-Unternehmen Teamviewer? Was? Hhm, die Gewinne halbiert, da geht es aber sieben Prozent in die Tiefe! Gehen wir zu BMW und unserem Münchner Landeskorrespondenten, wie geht es dem Autobauer in München? Was sagt der Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse?

Was sagt Zipse? Der Autobauer verdient wieder prächtig. Die Münchener melden für das zweite Quartal einen Betriebsgewinn von mehr als fünf Milliarden Euro. Der Aktienkurs seit Anfang des Jahres um 14 Prozent gestiegen. Die Marge in der Pkw-Sparte liegt bei stolzen 16 Prozent. Der Umsatz im ersten Halbjahr schoss auf 55,4 Milliarden Euro in die Höhe – ein Zuwachs von mehr als 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Übrigens: BMW, das ist der Konzern, der unter anderem diese BMW X6 herstellt, die von dem Unternehmen so beworben werden: „Dominantes Design. Echte Muskelpakete. Pure Ausstrahlungskraft. Durchtrainierte Ästhetik. Attribute eines Alphatieres. Idealer Leitwolf auf jedem Terrain. Geschaffen um anzuführen.“
Aber für solche Hinweise bleibt keine Zeit.

Was natürlich ganz toll ist: Bei BMW nimmt auch der Absatz der E-Autos zu. So nebenbei: Wegen der energieintensiven und klimaschädlichen Batterieproduktion schadet jedes E-Auto vermutlich die ersten fünf bis zehn Jahre erst einmal der Umwelt enorm, vielleicht gibt es nach zehn, 20 Jahren mal einen positiven Effekt.
Aber für solche Hinweise bleibt natürlich dem öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsjournalismus keine Zeit.

Denn Günter Hetzke führt uns nach China: Da haben die deutschen Autobauer im Prinzip, so der Korrespondent und seine Gesprächspartner, ganz schlechte Karten, weil es inzwischen viele gute chinesische Unternehmen gibt, die ebenfalls ein E-Auto nach dem anderen bauen und das auch noch viel billiger. Und Tesla ist sowieso überall das Vorbild! So produzieren weltweit in einem ruinösen Wettbewerb immer mehr Autobauer immer mehr Autos.
Aber für solche Hinweise bleibt natürlich keine Zeit.

Denn wir gehen mit Günter Hetzke in die Türkei: Waldbrände auch in Antalya, verkohlte Bäume, zerstörte Häuser, evakuierte Hotels. Aber, Gott sei Dank, es werden erste Hotels bereits re-evaku(r)iert. Also für die Tourismusbranche kein direkter Schaden. Prächtige BMW-Zahlen, ruinöser Wettbewerb auf Automarkt China, Waldbrände Türkei (Sizilien, Griechenland, Kanada, USA) — gibt es da einen Zusammenhang?
Buchstäblich keine Frage und keine Zeit bei Wirtschaft am Mittag, Deutschlandfunk. Denn jetzt kommt um 14.10h Kollege Sowieso. Durch „Wirtschaft am Mittag“ des Deutschlandfunks, deren Redaktion wieder einmal auf der Höhe der Klimakatastrophe war, führte Sie heute — Ihr …. !

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Wolfgang Storz
Dr. Wolfgang Storz (sto), (*1954), arbeitet als Publizist, Kommunikationsberater und Coach, zuvor tätig bei Badische Zeitung, IG Metall und Frankfurter Rundschau. Das Foto gibt eine jüngere Ausgabe der Person wieder.

3 Kommentare

  1. Einerseits gut beobachtet. Dieser stets trotz aller Krisen & Katastrophen optimistische Anleger-Ton fällt mir bei “Wirtschaft am Mittag” auch immer auf, wenn ich da mal reinhöre. Andererseits: Würde es dem Klima besser gehen, wenn es BMW und anderen Unternehmen und Aktiengesellschaften schlechter ginge? Was wäre dann mit den Arbeitsplätzen dort? Sie haben ja auch mal für die IG Metall geschrieben. Dass die Batterieautos das Klima nicht retten und die Umwelt eher be- als entlasten, ist leider keine neue Erkenntnis. Die Autokonzerne freuen sich über die Milliarden-Subventionen des Staates dafür. Denn die erhöhen noch ihre Extraprofite durch die sog. E-Mobilitätswende. Die natürlich, wie Sie zurecht schreiben, keine ist. Da die Verbrenner nur durch teurere, mindestestens ebenso große und schwere E-Autos ersetzt werden. Was tun? Schlüssel abziehen und wegwerfen, wie Greenpeace neulich? Wohl auch keine Lösung

    1. Lieber Ludwig Greven,
      danke für die Intervention. Das ist in der Tat keine Lösung, den Schlüssel wegwerfen. Mir ging es bei dem kurzen Beitrag jedoch weniger darum, ob eine Entwicklung schlecht oder gut ist; ich habe eben die problematischen Punkte angeführt, weil sie meiner Meinung entsprechen. Mir ging es um die Art des Wirtschaftsjournalismus (WJ), die zumindest in dieser Ausgabe des Wirtschaftsmagazines betrieben wurde: einfach Informationen in die Welt blasen, ohne Zusammenhänge herzustellen. So gehört doch zu den blendenden BMW-Zahlen auch ein Satz zu deren Folgen: Wie entwickeln sich die Zahl der Arbeitsplätze und der Löhne? Brauchen diese Unternehmen mit diesen Gewinnen (seit vielen Jahren) auch noch Unterstützung vom Steuerzahler? Und dann eben die Auswirkung auf die Umwelt… . Also: Betreibe ich in einem Hörfunkmagazin, es ist ja keine reine Nachrichtensendung, einen inhaltlich ganzheitlichen WJ oder einen eindimensionalen. Eindimensional, wie einst zu Zeiten des Booms der Finanzmärkte in den Jahren 2000 bis 2008, in denen der Wirtschaftsjournalismus deren Wachstum bejubelte, ohne jegliche kritische Gesamteinschätzung. Und daraus sollte der WJ doch gelernt haben.

  2. Sehr geehrte Damen und Herren!
    Mein Beitrag kommt natürlich viel zu spät, trotzdem:
    Jahrelang war für mich 13:35 Deutschlandfunk ein „Muss“ und ich habe mich jedes Mal gefreut, wenn wieder Günter Hetzke auf Sendung war.
    Ich vermisse diesen stets trotz aller Krisen & Katastrophen optimistische Anleger-Ton (Zitat aus dem Blog „bruchstücke“); ich vermisse ihn sehr.
    Hetzke strahlte eine Zuversicht aus, die ansteckend war.
    Helmut Thiele

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