Notenbanken machen Reiche zu Superreichen und enteignen Sparer

Die Geprellten der steil gestiegenen Immobilienpreise sind Mieterinnen und Mieter. 
Screenshot: dwenteignen.de/

Es findet eine der grössten Umverteilungen der Geschichte statt, ohne dass Parlament oder Volk etwas zu sagen haben. Sparen bringt seit Jahren keinen Zins mehr. Mit Negativzinsen und Gebühren wird das Gesparte kleiner Leute häppchenweise enteignet. Gleichzeitig sind die Preise von Immobilien und Aktien in masslose Höhen geschossen. Die Besitzenden werden ohne eigene Leistung zu Multimillionären und Milliardären, während unzählige Mieter und Mieterinnen keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden.
Diese Umverteilung von Vermögen wurde nicht demokratisch beschlossen. Sie ist das Resultat einer eigenmächtigen Politik der Notenbanken, namentlich der Europäischen Zentralbank EZB, der Bank of England, der US-Notenbank FED und der Schweizerischen Nationalbank SNB.

Die gewaltige Umverteilung als Folge der Politik der Notenbanken ist noch nicht alles: In den USA und in EU-Staaten führen stark steigende Preise zu einer sinkenden Kaufkraft der Bevölkerung. Die Inflation enteignet Rentner, Lohnabhängige und Menschen, die von Erspartem leben. Infosperber geht in einem zweiten Teil auf die Folgen der Inflation ein.

Eigentlich wäre es Aufgabe der Notenbanken, den Wert und die Kaufkraft des Geldes dauerhaft zu sichern. Stattdessen finanzieren sie seit Jahren zusätzliche Schulden von eigentlich bereits zahlungsunfähigen Staaten. Und sie helfen schwachen Unternehmen und Banken, weiterhin Gewinne zu machen. Mit dieser abgestimmten Geldpolitik hebeln die Notenbanken den effizienten Wettbewerb aus, manipulieren selbstherrlich die Marktwirtschaft und nehmen das unwägbare Risiko eines gewaltigen Crashs in Kauf.

Kein Standard-Lehrbuch…

Die Marktwirtschaft werde «teilweise ausgehebelt», stellte NZZ-Wirtschaftsredaktor Michael Ferber am 7. Oktober 2021 fest. Die von den Notenbanken verursachte Geldschwemme ist seit längerem so gross, dass Banken das viele Geld ihrer Kunden nicht mehr verzinsen. Noch schlimmer: Banken lehnen Bareinlagen auf ihren Konten sogar ab oder verlangen Strafzinsen und Zusatzgebühren.

Was die Notenbanken auf den Finanzmärkten anstellten und anstellen, ist auch wissenschaftlich in keiner Weise abgestützt:

  • Kein Standard-Lehrbuch der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften geht davon aus, dass Notenbanken die Zinssätze auf null oder unter null drücken.
  • Kein Standard-Lehrbuch geht davon aus, dass Notenbanken die Zinssätze derart manipulieren, dass die Zinsen ihre Preisfunktion auf den Kapitalmärkten nicht mehr erfüllen.
  • Kein Standard-Lehrbuch geht davon aus, dass sich insolvente Staaten und Grossbanken mit Hilfe der Notenbanken fast beliebig weiter verschulden können.
  • Kein Standard-Lehrbuch beschreibt die enormen Risiken von spekulativen Derivat-Geschäften, welche 2008 zur Finanzkrise geführt haben.

Die Geprellten zeigen sich wenig alarmiert

Die Interventionen der Notenbanken sind so gigantisch, dass die Zahlen emotional nicht mehr erfassbar sind und die Öffentlichkeit deshalb nicht aufrütteln. Der weltweite Schuldenberg von Staaten, Unternehmen und Privaten erreichte Mitte 2021 den Wert von 296 Billionen Dollar. Zählt man noch die Verschuldung des Finanzsektors (Banken, Blackrock, Vanguard, Hedge Funds etc.) dazu, erreichte der Schuldenberg Mitte 2021 rund 365 Prozent sämtlicher geldwerten Güter und Dienstleistungen, die auf unserem Planeten innerhalb eines Jahres hergestellt werden (Quelle: Institute of International Finance IIF).

Allein die EZB kaufte an den Börsen Euro-Obligationen im Wert von fast 5 Billionen Euro. Darunter haufenweise Staatsanleihen überschuldeter Länder. Ohne die EZB-Käufe hätten diese Staatsobligationen risiko- und marktgerecht mit 5 bis 10 Prozent verzinst werden müssen. Doch solche Zinsen hätten überschuldete Staaten nicht zahlen können. Mit ihren Käufen von Staatsanleihen finanziert die EZB Staatsdefizite, was ihr eigentlich verboten ist.

Nur dank der EZB konnte beispielsweise Italien – obwohl bereits bis über den Hals verschuldet – dieses Jahr Staatsanleihen mit einer langen zehnjährigen Laufzeit zu einem lächerlichen Zins von jährlich 1 Prozent aufnehmen. Mit solchem Billiggeld ersetzte Italien nicht nur auslaufende Staatsobligationen, die zurückzuzahlen waren, sondern erhöhte die Staatsverschuldung auf rund 160 Prozent des jährlichen Bruttoinlandprodukts.

Wer sichere Staatsanleihen der wenig verschuldeten Schweiz im Depot hat, bekommt am Ende der Laufzeiten weniger Geld zurück, als er für sie bezahlte – Negativzins nennt sich das. Die Verschuldung wird für den Staat sogar zum Geschäft.

Von der waghalsigen Tiefzins-Politik der eigenmächtigen Notenbanken profitieren kurzfristig die ausgabefreudigen Regierenden sowie alle Unternehmen, Banken, Vermögensverwaltungskonzerne und Privaten, die sich verschuldet haben. Die Notenbanken retten diese Überschuldeten, anstatt den Fokus auf den Werterhalt des Geldes zu legen. Allerdings gehen sie damit gewaltige Systemrisiken ein, ohne dafür demokratisch legitimiert zu sein.

Geprellt werden bereits seit Jahren

  • alle, die für ihre Wohnungen und Büros ständig steigende Mietzinsen zahlen müssen;
  • alle Sparer, die Geld auf Konten liegen haben;
  • alle Besitzlosen, die über keine Immobilien, keine Aktien und keine Edelmetalle verfügen.

Dem Vermögenszuwachs mit verschränkten Armen zusehen

Weil Geldanlagen keine Erträge mehr bringen, fliessen Milliarden in Materielles wie Immobilien und Aktien von Unternehmen, deren Werte steil gestiegen sind. Konkret: Die Kosten von Wohneigentum und anderen Immobilien verdoppelten sich in den USA und in der Schweiz innerhalb von nur zwanzig Jahren. In grossen Städten stiegen ihre Preise sogar um 130 bis 200 Prozent. Die Besitzenden konnten mit verschränkten Armen zusehen, wie ihre Vermögen anschwollen.

Das Gleiche gilt für Besitzende von Aktienpaketen: Deren Preise – gemessen am Dow-Jones- und DAX-Index – haben sich seit dem Tief der Finanzkrise von 2009 sogar mehr als verdreifacht – ganz abgehoben von der realen wirtschaftlichen Entwicklung.
Zudem investierten viele Unternehmen das bei Banken erhältliche Gratisgeld sowie Gewinne nur zum kleineren Teil in die reale Wirtschaft. Vielmehr spekulierten sie damit an den Börsen. Sie kauften sogar Milliardenpakete eigener Aktien auf. Allein Konzerne, die an deutschen Börsen kotiert sind, kauften seit 2009 für weit über 50 Milliarden Euro eigene Aktien. Damit entzogen sie eigene Aktien dem Markt, was die Kurse der restlichen Aktien ihres Unternehmens zusätzlich in die Höhe trieb. Solche Aktienrückkäufe seien «zuweilen nichts anderes als legaler Betrug, weil sie den Aktienkurs pushen, die Vergütung des Managements treiben und keinen messbaren Beitrag zur Zukunft der Firma leisten», kommentierte Finanzjournalist Gabor Steingart in seinem «Morning Briefing».

Wenn die Menschen das Bank- und Geldsystem verstehen würden, gäbe es vermutlich eine Revolution noch vor morgen früh.

Das Zitat wird Henry Ford zugeschrieben

Selbst Zinssätze, die nur mässig steigen, könnten noch eine andere, oft übersehene Spekulations- und Schuldenblase zum Platzen bringen: Bei der Spekulation mit Derivaten, die häufig auf Kredit erfolgt, geht es in der Schweiz um Kontraktwerte von mehreren Millionen Milliarden (Millionen Milliarden) Franken. Das meiste sind Wetten auf Schwankungen der Aktienkurse. Wenn eine Gegenpartei ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann, könnte «diese riesige Menge an Derivaten eine unkontrollierbare Kettenreaktion erzeugen», warnte Finanzprofessor Marc Chesney von der Universität Zürich.

Wettrisiken sind Systemrisiken

In der Schweiz wird wie andernorts mit Finanzprodukten gewettet. Nach Angaben von Finanzprofessor Marc Chesney erreichen diese sogenannten Derivate einen Nominalwert, der im Oktober 2020 nach Angaben der SIX-Gruppe dem rund 27’000-Fachen des Schweizer Bruttoinlandprodukts entsprach. Die Fluktuation ist enorm, aber der Nominalwert der Derivate lag kürzlich immer noch beim 4’000-Fachen des Schweizer BIP. Einem CS-Jahresbericht war zu entnehmen, dass bei dieser Bank nur 0,1 Prozent der Derivate nützliche Absicherungsgeschäfte sind. Bei den restlichen 99,9 Prozent der Derivate handelt es sich um reine Wettgeschäftebei denen auf Ausfälle und den Bankrott von Firmen und Staaten gewettet wird.
Die mit diesen Wetten eingegangenen Risiken umschreibt Chesney wie folgt: «Wenn wir heute eine Wette von 100 Franken darüber abschliessen, wie das Wetter morgen sein wird, besteht kein Systemrisiko. Wenn aber auf Ausfälle von Finanzinstituten gewettet wird, können Millionen Menschen ihre Arbeit und ihre Wohnung verlieren, wie der Bankrott von Lehman Brothers gezeigt hat.»

Billion um Billion

Das Resultat der Billigzins- und Geldschwemme-Politik der Notenbanken ist eine gigantische Umverteilung von Vermögen von unten nach oben. Gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Forbes» nahm das Vermögen der rund 2600 Milliardäre auf dieser Erde im Jahr 2020 um 1,9 Billionen Dollar zu und im laufenden Jahr um weitere 1,6 Billionen Dollar. Auch Millionäre mit Immobilien- und Aktienbesitz konnten einer wundersamen Vermehrung ihrer Werte nur zusehen. In Deutschland stieg die Zahl der Millionäre allein im Jahr 2020 um 70’000 auf 1’535’000. Steuern zahlen viele am steuergünstigen oder pauschalbesteuerten Zweit- oder Drittwohnsitz. Im Todesfall geht das ganze Vermögen an die Erben. In der Schweiz gibt es für direkte Erben keine Erbschaftssteuer. Das allerdings hat das Volk in einer Abstimmung demokratisch so entschieden.

Politiker namentlich der Rechtsparteien, welche die soziale Umverteilung des Staates mittels Steuern und Sozialleistungen gerne kritisieren, müssten eigentlich die viel grössere Umverteilung anprangern, welche die Geldpolitik der Notenbanken verursacht. Doch Umverteilung ist nicht gleich Umverteilung. Von dieser Umverteilung profitieren diejenigen, die schon reich sind und die bevorzugt Parteien des rechten Spektrums wählen.

Foto: Goldorfe auf Pixabay

Im Falle eines Crashs kommen Reiche und Superreiche am besten weg

Ohne eine Umkehr der heutigen Finanz- und Wirtschaftspolitik wird das unberechenbare Risiko eingegangen, dass die gigantische Finanzblase eines Tages fürchterlich platzt. Den Crash werden Reiche und Superreiche am besten überleben, weil sie mit einem genügenden Puffer und genügend Besitz vorgesorgt haben. Das Elend wird die anderen treffen, die von Erwerbsarbeit und Renten abhängig sind.

Deshalb sind es diese sozial und wirtschaftlich Schwachen, die an einem zwar unbequemen, aber geordneten Ausstieg aus dem laufenden Hochrisikopoker, den die Notenbanken veranstalten, am meisten interessiert sein müssten.

Die Notenbanken, Regierungen und alle Profiteure der gegenwärtigen Umverteilung versuchen derweil, Warner als Pessimisten hinzustellen. Sie verweisen auf «moderne» Ökonomen, nach denen das Schuldenmachen dank dem fast zinslosen Geld noch lange problemlos möglich sei. Ein Vertreter dieser «Modern Monetary Theory» ist der zum extremen Keynesianer mutierten Professor und «New York Times»-Kolumnist Paul Krugman: Staaten müssten sich nicht gross um die Schulden kümmern, solange eine grössere Inflation nur kurze Zeit anhalte. Dies werde in den USA der Fall sein, weil kurzfristige Faktoren wie höhere Erdöl- und Erdgaspreise sowie Lieferengpässe an der Inflation schuld seien. Am 23. Dezember räumte Krugman erstmals ein, dass er vielleicht falsch liege: «Jeder Tag bringt Überraschungen», schrieb er in der «New York Times».

Für die neue Theorie sind Gewerkschaften und Linke anfällig, weil ein Ausstieg aus der Hochrisiko-Politik auch Arbeitsplätze gefährden würde. Nur mit dieser Angst ist es zu erklären, dass weder Gewerkschaften noch Sozialdemokraten gegen die schon seit Jahren anhaltende Umverteilung gewaltiger Vermögen von unten nach oben Sturm laufen.

Viele Ökonomen befürchten, dass die Wirtschaft desto stärker zusammenbricht, je länger die Notenbanken mit der Politik des billigen Geldes, der Finanzierung von Staatsdefiziten und der Rettung von beinahe bankrotten, hoch verschuldeten Banken und Unternehmen fortfahren. Die Wirtschaftsgeschichte gibt diesen Warnern bisher recht: Extreme Geldentwertungen und megahohe Schuldenberge endeten stets mit verheerenden Wirtschafts- und Sozialkrisen.

Die heutige Generation in den hochentwickelten Ländern hat sich nicht etwa derart riskant verschuldet, um kommenden Generationen eine tolle Infrastruktur und einen aufgeräumten Planeten zu hinterlassen, auf dem es ausser den Schulden keine weiteren Altlasten gibt. Im Gegenteil: Es wird heisser auf der Erde, es gibt immer weniger Tier- und Pflanzenarten, die Weltmeere werden noch stärker geplündert und verschmutzt. Unersetzbare Urwälder werden weiter dezimiert. Den liegengelassenen hochradioaktiven Atommüll müssen künftige Generationen noch für Hundertausende von Jahren sicher lagern.

Traum vom ewigen Wirtschaftswachstum

Wie oben dargestellt, wären die Volkswirtschaften praktisch aller Industriestaaten der OECD bereits seit über zwanzig Jahren nicht mehr gewachsen, wenn sie sich nicht in ähnlichem Mass zusätzlich hätten verschulden können.

Bereits vor zehn Jahren stellte Hanspeter Guggenbühl fest: «Eine wachsende Wirtschaft, so würde man meinen, nutzt ihr Wachstum, um die Schulden zu senken. Doch die Realität ist umgekehrt. Die Staaten nehmen zunehmende Verschuldung in Kauf, um das Wachstum der Wirtschaft zu fördern … In den meisten Industriestaaten wuchsen die Staatsschulden prozentual – zum Teil sogar absolut – stärker als das Bruttoinlandprodukt. Mit anderen Worten: Das Wachstum basiert auf Pump, auf Verschuldung. Ohne die massive Staatsverschuldung würde die Wirtschaft in vielen Industriestaaten schon seit langem nicht mehr wachsen.»

Diese Entwicklung setzt sich bis heute fort: Ohne neue Schulden gab und gibt es kein flächendeckendes Wirtschaftswachstum mehr. Eine neue Wirtschaftspolitik, die nicht mehr darauf angewiesen ist, dass das Bruttoinlandprodukt BIP weiterwächst, wurde trotz aller Krisen nicht eingeleitet. Allerdings werden Wege dazu an Universitäten auch nicht gelehrt.

Mit Defiziten und Schulden Krisen überwinden, aber …

Notenbanken und Regierungen haben mit bemerkenswertem kurzfristigem Erfolg versucht, die Krisen der jüngsten Jahrzehnte – von der Finanz-, Internetblasen- und Euro- bis zur Coronaviruskrise – mit gewaltigen Finanzspritzen zu überwinden. Die verursachten Defizite waren auch gemäss traditioneller Wirtschafts- und Finanztheorie zweckmässig. Doch jetzt folgt das grosse Aber: Der Notfall wurde zum Dauerzustand. Notenbanken und Regierungen unterliessen es, die aufgetürmten Schulden jeweils wieder abzubauen. Ein neuer Schuldenberg vergrösserte jeweils den bereits angehäuften. Regierungen und Parlamente reden sich ein, dass nichts passieren könne.

Das hat seinen Grund: Ein Abbau von Schulden würde unpopuläre Massnahmen erfordern. Um sich vor solchen zu drücken, behaupten Notenbanken und Regierungen, dass die Verschuldungsquote automatisch wieder abnehmen werde, sobald die Wirtschaft wieder schneller wachse als die Schulden.
Was sie dabei stets unter den Tisch kehren: Seit über zwanzig Jahren ist das Bruttoinlandprodukt in keinem grossen Industriestaat mehr schneller gewachsen als der prozentuale Anstieg des staatlichen und privaten Schuldenberges.

Foto: thibaultjugain auf Pixabay

Es drohen Arbeitslosigkeit und Elend

Auf dem Kapitalmarkt galt die Regel: Je höher die Schulden und je höher das Ausfallrisiko, desto höher sind die jährlichen Zinsen für diese Schulden. Doch mit ihrer Niedrigzinspolitik haben die Notenbanken diese Regel ausgehebelt: In den vergangenen Jahren konnte mit Milliarden in grosse unmessbare Risiken investiert werden, ohne als Risikoprämie höhere Zinsen dafür zahlen zu müssen. Besonders deutlich wird dies bei der EU, weil Krisenländer nicht den adäquaten Risikozins für ihre Schuldenlast tragen müssen.

Sobald die Nationalbanken die Zinsen erhöhen, drohen Zahlungsausfälle und eine allgemeine Währungs-, Euro- und Wirtschaftskrise. Ein Crash würde zwar auch Reiche und Superreiche treffen. Aber den sozial und wirtschaftlich Schwächsten erginge es mit Abstand am schlechtesten: Es würde sie hohe Arbeitslosigkeit und Elend erwarten. Es käme zu unwägbaren sozialen und politischen Verwerfungen.
Aus diesen Gründen versuchen die Notenbanken, ihre Leitzinsen nur in homöopathischen Schritten zu erhöhen. Ob dies jedoch reicht, um den riskanten Schuldenberg ohne hohe Inflation abzubauen, ist äusserst zweifelhaft.

Ein Ausweg aus der Sackgasse wären geordnete und gestaffelte Schuldenschnitte und eine geordnete Abkehr von einer Wirtschaftspolitik, welche die Probleme der reichen Industriestaaten mit noch mehr Wirtschaftswachstum, also noch mehr Energie, Rohstoffen, Erwerbsarbeit, Konsum und Abfall zu lösen sucht – und auch mit noch mehr Schulden, falls es nötig ist. Ein möglichst starkes BIP-Wachstum als oberstes Ziel der Wirtschaftspolitik gehört in die Mottenkiste des vergangenen Jahrhunderts.

Warnende Stimmen bleiben ungehört

Das Festhalten am Prinzip Hoffnung, also unbeirrtes Warten und Vertrösten auf ein Wachstum, das nicht mit Schulden zustandekommt, sowie ein weiteres Durchwursteln mit Billiggeld untergraben das Vertrauen in den Wert des Geldes und erhöhen das Systemrisiko. «Kommende Weltwirtschaftskrise wird schlimmer als die von 1929», prophezeit Finanzexperte und Buchautor Marc Friedrich. Das «reinigende Gewitter» erwartet er «spätestens 2023».

«Nur ein Narr kann glauben, dass die superexpansive Geldpolitik [der Notenbanken] endlos weitergeführt werden kann», schrieb Ernst Baltensperger, emeritierter Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Bern, in der NZZ vom 1. Dezember 2021. Der Ökonom warnt davor, das Inflationsrisiko auf die leichte Schulter zu nehmen: «Fundamental ist die Situation heute sogar viel explosiver als damals [hohe Inflation nach dem Ölpreisschock von 1973]. Ein Ausstieg aus der superexpansiven Geldpolitik wird bei der enormen Verschuldung von Staat und Privatsektor politisch noch weit schwieriger sein.»

Davut Cöl, Autor des Buches «Verstehen Sie Geld? – Zusammenhänge verständlich erklärt», kam 2017 zum Schluss, das Wirtschaften auf Pump könne «die Stunde der Wahrheit nur hinauszögern». Die anhaltende Politik der Geldschwemme «übertüncht und vergrössert die Gefahr einer neuen grossen Finanzkrise».

Die EZB muss handeln, um einen Crash zu verhindern

Titel in der NZZ vom 19.11.2021

Schlagzeilen wie jene der NZZ vom 19. November 2021 können auch Politikerinnen und Politiker nicht mehr übersehen: «Die EZB muss handeln, um einen Crash zu verhindern.» Zehn Tage vorher las man in der NZZ: «Die US-Zentralbank FED warnt vor enormen Risiken an den Finanzmärkten.» Die NZZ ergänzte: «Das Feuer hat sie aber selber gelegt.» Mit dem Feuer war die herbeigeführte Geldschwemme gemeint. Deshalb würden heute in den USA «viele lieber auf steigende Vermögenspreise spekulieren statt einer normalen Arbeit nachgehen».

Welches der Auslöser des drohenden Kollapses sein wird, kann niemand voraussagen. Aber ohne einen geordneten Ausstieg aus der Geld- und Überschuldungskrise scheint ein Crash unvermeidlich.

Der Beitrag erschien zuerst auf Infosperber

Urs Paul Gasche
Urs Paul Gasche ist Schweizer Journalist, Publizist und ehemaliger Fernsehmoderator. Von 1982 bis 1985 war er Chefredakteur der Berner Zeitung. Er ist Präsident der Schweizerischen Stiftung zur Förderung unabhängiger Information (SSUI).

3 Kommentare

  1. Dieser Kommentar ist aus einer strikt wirtschaftsliberalen Perspektive geschrieben, was für diesen Blog eher ungewöhnlich ist. Fest steht, dass es entgegen der These des Autors keine effizienten Finanzmärkte gibt und die expansive Geldpolitik der großen Zentralbanken auch darauf zielt, einen Zusammenbruch der Finanzmärkte zu vermeiden. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, weil die Nationalstaaten bis heute nicht in der Lage sind, die Finanzmärkte mit Finanzmarkttransaktionssteuern so politisch zu regulieren, dass viele Transaktionen nicht mehr profitabel sind. Auch ist die öffentliche Kreditaufnahme kein Problem, sofern sie in eigener Währung, also über die eigene Zentralbank erfolgt. Diese schöpft Geld ohne technische Begrenzung, also aus dem Nichts. Faktisch sind die Staaten bei sich selbst verschuldet. Da sich der westliche Kapitalismus in nahezu allen Ländern in einer Phase der Stagnation befindet, ist diese Form der öffentlichen Kreditaufnahme auch makroökonomisch notwendig. Es gibt zu viel anlagesuchendes Kapital und zu wenig Nachfrage. Daher sind die Staaten die einzigen relevanten Akteure, die Kapital nachfragen können und sie sollten das auch tun. Dass die ökonomischen Lehrbücher diese Handlungen nicht vorsehen, liegt daran, dass sie schon lange nicht mehr auf dem Stand der geld- und fiskalpolitischen Praxis sind und nur dogmatisch längst überholte Tugendregeln des sparsamen Wirtschaftens predigen. Was die Ungleichheit, die durch die Geldpolitik vergrößert wird, betrifft, so ist hier folgendes zu berücksichtigen. Niedrige Zinsen entlasten Schuldner und belasten Gläubiger. In Deutschland sind die untersten 2 Zehntel der Haushalte verschuldet, die höchsten Zehntel, die kreditgehebelt Wertpapiere und Immobilien erwerben, bezahlen dafür überhöhte Preise. Wäre die Geldpolitik nicht expansiv, wäre die Arbeitslosigkeit deutlich höher und arbeitslos werden zunächst die Beschäftigten mit niedrigen Einkommen und geringer Qualifikation. Die Verteilungsbilanz sieht daher anders aus, als in dem Beitrag skizziert. Vermutlich war der verteilungspolitische Alarmismus von Gasche der Grund, dass die Bruchstücke-Redaktion einen so einseitig wirtschaftsliberalen Artikel veröffentlicht. Was die Verteilungspolitik betrifft, so sind auch hier die Nationalstaaten und nicht die Notenbanken zuständig. Wer für die Versäumnisse der Politik die Notenbanken kritisiert, argumentiert nicht seriös.

  2. Ich finde es im Gegensatz zur eben formulierten Kritik richtig, dass dieser Beitrag auf dem Blog veröffentlicht wird – und zwar nicht nur aus Pluralitätsgründen, sondern weil die gegenwärtige Geldpolitik schon jetzt extreme Folgen hat: Das nach Anlagen suchende Kapital treibt Realwerte – und zwar in erster Linie die Immobilienpreise in extreme Höhen: Konsequenz Unbezahlbarkeit des Wohnens bald überall! (Und übrigens auch bald über die landwirtschaftliche Bodenspekulation auch im Ernährungssektor). Und die Konfrontation liegt nicht nur zwischen Superreichen und dem Rest, sondern hat eine Konfliktgrenze quer durch die Mehrheitsgesellschaft von Erben und Nichterben.
    Natürlich kann es keine klassische Lösung mehr geben (Einfach nur höhere Zinsen und staatliche Sparpolitik.) Sondern es wird zum gesellschaftlichen Friedensprojekt, ob eine als sachlich und fair wahrgenommene Umverteilungspolitik gelingt. Mit „sachlich“ meine ich eine, die nicht auf die Befriedigung linksradikaler Emotionalität („Knete rüber, damit jede ein leistungsloses Grundeinkommen von 1500 Euro abgreifen kann“) sondern sich eher am Lastenausgleich von 1952 orientiert, der mit dem Argument von Chancen auch für die Leidtragenden des Krieges eine theoretisch 50%ige Vermögensabgabe auf Sachvermögen durchsetzte und damit vielen Millionen Kriegsopfern einen Neuanfang ermöglichte.

    1. Meine Kritik zielt nicht darauf, dass dieser Beitrag publiziert wurde, sondern darauf, dass ich ihn in der Sache für falsch halte und er ökonomietheoretisch eher aus der Ecke des Monetarismus kommt. In der Sache ist er zweifach falsch. Einmal sind die niedrigen Zinsen nur zum Teil eine Folge der expansiven Geldpolitik, sondern zum größeren Teil eine Folge von Marktprozessen. 40 Jahre Politik der Austerität haben die Ungleichheiten in der Vermögens- und Einkommenspolitik so stark ansteigen lassen, dass die Nachfrage nach Kapital stark zurückgegangen ist und in der Folge die Zinsen entsprechend sinken. Das sind Marktprozesse, die von den Zentralbanken nur begleitet werden. Zweitens ist die Umverteilung differenziert, weil für Aktien und Immobilien die nominalen Werte steigen, sie sind aber realwirtschaftlich nicht gedeckt und werden sich in der nächsten Finanzkrise wieder korrigieren, wie das 2008 auch der Fall war. Wäre die Geldpolitik nicht expansiv, sondern restriktiv gewesen, wären die Ungleichheiten noch größer geworden, weil eine steigende Arbeitslosigkeit die Bezieher niedriger Einkommen noch härter getroffen hätte. Die EZB hat auf eine falsche „ordoliberal“ motivierte Fiskalpolitik, mit der Deutschland und andere ordoliberal denkende Regierungen die EU in die Krise gefahren haben, reagieren müssen und hat durch ihre Käufe von Staatsanleihen die Südländer in der EU finanziell handlungsfähig gehalten. Das sehe ich als enormen Fortschritt bei der Steuerung makroökonomischer Prozesse. Meine Kritik zielt darüber hinaus auf die politische Linke, weil diese die moderne oder unkonventionelle Geldpolitik der Zentralbanken, die theoretisch eher Keynes folgt (dem Keynes der Treatise on Money), bis heute nicht verstanden hat und instinktiv monetaristisch denkt. Auf die Verteilungseffekte der Geldpolitik müssen die Nationalstaaten auf der EU-Ebene koordiniert fiskalpolitisch reagieren, indem hohe Vermögen besteuert und bestimmte Finanztransaktionen eingeschränkt, ebenfalls besteuert und damit reguliert werden. Nicht die Zentralbanken sind schuld, sondern die Staaten, hier in erster Linie Deutschland mit schwarzer Null und Schuldenbremse.

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