Dieser Premierminister, der vierte in zwei Jahren, hat es vorerst geschafft: François Bayrou überstand in den letzten Tagen in der französischen Nationalversammlung drei Mißtrauensvoten der linken „Unbeugsamen“ (Insoumis), der Kommunisten und der Ökologen. 60 von 66 der Sozialisten stimmten „aus Verantwortung für Frankreich“ nicht mit dem Bündnis der Neuen Volksfront und auch die Rechtsextremen vom Rassemblement National ließen den Haushalt für das Jahr 2025 und das Gesetz für die Sozialversicherung passieren. Bayrou, der Mann der Mitte ohne eine eigene Mehrheit im Palais Bourbon, setzte wieder einmal den Verfassungsparagraphen 49.3 ein, mit dem er am Parlament vorbei Budget und das Sozialgesetz durchdrücken kann. Aber damit Mißtrauensvoten provoziert.
Es dürften nicht die letzten in diesem Jahr sein. Ein zentrales Zugeständnis an die Sozialisten, eine einmalige Profit-und Vermögenssteuer für die rund 440 „grands patrons“ wie Bernard Arnault oder die 24.000 Superreichen, könnte in wenigen Wochen der Verfassungsrat wegen zu viel Politik im Haushaltsrecht kassieren. Dann bleibt den Sozialisten nur noch als Erfolg, die Streichung von 4.000 Lehrerstellen verhindert zu haben. Die PS bewegt sich mit ihrer Duldung der Regierung Bayrou auf einem sehr dünnen Eis: Der linksextreme Volkstribun Jean-Luc Mélenchon von den Unbeugsamen treibt sie mit „Verrat an der Volksfront“ vor sich her, die immer noch breite Basis von Bürgermeistern und Lokalpolitikerinnen setzte das Politbüro der PS massiv unter Druck, den Stillstand im Haushalt und der Sozialversicherung zu beenden: Im kommenden Jahr stehen wichtige, für die PS entscheidende Kommunalwahlen an.
Die Wut des Mélenchon, die jetzt über die Sozialisten niederprasselt, hat einen fadenscheinigen Grund: Mélenchon hoffte, wie im Dezember die Regierung Michel Barnier nach vier Monaten jetzt die Regierung Bayrou nach acht Wochen stürzen zu können. Zusammen mit den Rechtsextremen der Marine Le Pen setzte er dann auf die politische Sackgasse, aus der Staatspräsident Emmanuel Macron nur durch Rücktritt und vorgezogene Präsidentenwahlen herauskommen könnte. Und so sah sich der alternde Volkstribun schon in der Stichwahl: Mélenchon gegen Le Pen. Doch die letztere bedroht ein Bestechungs-und Bereicherungsprozess, in dem es um eine jahrelange millionenschwere Veruntreuung von EU‑Geldern geht. Ende März urteilt das Gericht, wie weit Marine Le Pen (mit)schuldig ist und ob sie überhaupt noch kandidieren darf. So heißt es nach diesen lauten Tagen im Palais Bourbon: Abwarten. Die nächsten Turbulenzen kündigen sich schon an.