„Zölle korrigieren das Handelsdefizit jedenfalls nicht“

Foto: Syadthabigo auf wikimedia commons

Die zweite Amtszeit des US-Präsidenten Trump werde eine erhebliche Schieflage für die US-Wirtschaft bedeuten und eine tiefgreifende Veränderung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen mit sich bringen, „denn alle Industrieländer werden tendenziell Handel und Auslandsinvestitionen einschränken“, sagt der spanische Wirtschaftswissenschaftler Rafael Myro im Gespräch mit Klaus West, der auch die Übersetzung aus dem Spanischen besorgte. Die Unkenntnis des Unternehmers Trump in Wirtschaftsfragen sei sehr groß, betont Myro. „Erstens ermöglicht die unternehmerische Tätigkeit keinen vollständigen Überblick über das Verhalten einer Wirtschaft und die Wechselbeziehungen zwischen ihren verschiedenen Bereichen und Akteuren. Zweitens hat sich Trumps Praxis als Unternehmer auf das Baugewerbe und Spekulationsgeschäfte beschränkt. Drittens hört er seinen Beratern nicht besonders aufmerksam zu. Und viertens sind einige von ihnen nicht besonders brillant.“

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Stürzt bei der FR auch noch der Säulenheilige?

Karl Gerold (Screenshot FR |Fotograf: Kurt Weinerundatiert © FR / Kurt Weiner)

Interessieren Sie sich (ein bisschen) für links- oder sozialliberalen Journalismus, dessen Elend und Glanz, für seine Gefäße wie taz, konkret, Freitag, Neues Deutschland, Frankfurter Rundschau (FR) — dann lesen Sie weiter, droht doch bei der Frankfurter Tageszeitung — wenige Tage vor den Feierlichkeiten zum heutigen 80.Geburtstag — bisher erfolgreich Verdrängtes ans Tageslicht zu dringen. Muss die Geschichte der FR, ganz ohne Tagebücher, in Teilen neu … . Die letzten 25 Jahre war meist die Gegenwart dieser Zeitung turbulent, und jetzt die Vergangenheit… . Alles eben zu seiner Zeit.

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Das Buch der Triaden

Wie Scharfsinn und analytische Kraft in sprudelnden Ideen ertrinken und mit uferlosem Schreiben zugeschüttet werden, dafür hat „Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität“ 2011 ein 780seitiges Beispiel geliefert. Im Deutschlandfunk bescheinigte Ariadne von Schirach den Autoren Markus Metz und Georg Seeßlen, „die obszöne Totalität einer blödmaschinenenvermittelten Wirklichkeit“ verleite sie „zu einem ebenfalls obszönen Exzess an Kritik“. Thomas Neumann schrieb, problematisch werde das Buch nur, „wenn die brillante Analyse in undifferenziertes Geschwätz übergeht“. Inzwischen ist „Blödmaschinen II. Die Fabrikation der politischen Paranoia“ erschienen. Nicht halb so dick, genau so gestrickt. Den Verdacht, dass Verblödungs- und Verschwörungserzählungen verwandt sein könnten, hat Hans Magnus Enzensberger schon vor rund 40 Jahren formuliert. Schauen wir genauer hin.

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Eine Ideengeschichte des Grundeinkommens trifft viele alte Bekannte

Ein garantiertes soziales Grundeinkommen zur Abwendung von Notlagen ist in Deutschland als Sozialhilfe, als Arbeitslosengeld II bzw. neuerdings Bürgergeld oder als Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit als fester Bestandteil der sozialen Daseinsvorsorge etabliert. Es gibt Debatten über die Höhe, die Gestaltung und die Konditionalität des sozialen Grundeinkommens. Aber dass man so etwas in einer entwickelten Gesellschaft braucht, ist unumstritten. Das ist nicht überall so. In Italien etwa wurde ein garantiertes „Bürgereinkommen“ erst 2019 eingeführt. Bis dahin waren Menschen in Not auf private Netzwerke und ihre Familien angewiesen, um Hilfe zu bekommen. In Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien ist die finanzielle Grundsicherung noch ein relativ neues Thema. Aber es gibt hier durchaus schon eine Reihe von Erfolgsgeschichten, etwa die „Bolsa Familia“, die in Brasilien 2004 in der ersten Amtsperiode des Präsidenten Lula da Silva eingeführt worden war. Selbst in Entwicklungsländern mit niedriger Wirtschaftskraft gibt es inzwischen eine Reihe von Ansätzen für eine Mindestsicherung. Im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015, in denen die Bekämpfung von Armut höchste Priorität hat, haben Überlegungen in diese Richtung weltweit neuen Schub bekommen.

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Aufschrei in der französischen Küche: Wir wollen ernähren, nicht vergiften

Das grenzt an eine Revolution in Frankreich: 400 Köchinnen und Köche der Spitzengastronomie gehen gegen ein Gesetz auf die Barrikaden, das die mächtige Lobby der Agrarindustrie auf abenteuerliche Weise durch den Senat und die Nationalversammlung gedrückt hat. Das Gesetz trägt den Namen des konservativen Senators Laurent Duplomb und es erfüllt die Wünsche des Bauernverbandes FSNEA nach riesigen Wasserbecken zum Berieseln der Maisfelder und Lockerungen im Umweltschutz: Zwei seit sieben Jahren zur „Erholung von Biodiversität, Natur und Landschaft“ verbotene Pestizide sollen wieder auf Rübenpflanzen wie Kirsch-, Apfel-und Haselnussbäume gesprüht werden dürfen (Acetamiprid und Flupyradifurone), obwohl sie für Bienen, Bestäuber und die menschliche Gesundheit gefährlich sind.

Das treibt die Gastronomen um: „Wir machen unser Metier, um zu ernähren, nicht um zu vergiften“, klagen sie in einem Aufruf an, den Le Monde veröffentlichte. Als direkte Partner wüssten sie sehr wohl, unter welchem Druck die französischen Landwirte stünden, immer mehr zu immer niedrigeren Preisen zu produzieren. Das Gesetz Duplomb aber sei die falsche Antwort auf die Probleme. Sie fordern, das Gesetz zurückzuziehen und ein Moratorium, um einen Plan für eine umweltgerechte Landwirtschaft und Ernährung zu entwickeln.
Die Spitzengastronomen sind mit ihrem Appell nicht allein: Zwei Tage nach der Verabschiedung des Gesetzes im Parlament am 8. Juli startete die 23jährige Studentin Eléonore Pattery eine in der Verfassung vorgesehene Petition gegen diesen „wissenschaftlichen, ethischen, ökologischen und gesundheitlichen Fehltritt“. Und löste eine ungeahnte Protestwelle aus: Bis zum 29. Juli unterschrieben 2, 047438 Millionen Französinnen und Franzosen. Damit muss sich das Parlament erneut mit diesem Gesetz befassen. Ohnehin liegen Dutzende von Beschwerden beim Verfassungsrat, denn dieses Gesetz des Lobbyisten Duplomb wurde vom Senat ins Parlament eingebracht, dort aber nicht beraten, sondern mit den Stimmen der Konservativen und Rechtsextremen in einen Vermittlungsausschuss mit konservativer Mehrheit geschoben und verabschiedet. Und jetzt: Spitzenköche gegen Bauernverband, zwei Millionen gegen die Agrarlobby. Allons enfants de la patrie…

Gebt mir, gebt mir ein Leitbild

Um Kärnten zumindest topografisch von slawischen Ursprüngen abzugrenzen, gibt es die Karawanken. Dahinter, so die Befürchtung, könnte in Slowenien das kärntnerischste Kärnten sein. Die Slowenen wiederum werden von einigen im Vielvölkerland Jugoslawien als piefige ›Deutsche‹ verunglimpft. Weiter südlich wird es auf dem Balkan gänzlich unübersichtlich Für Nichteingeweihte. Aus dem Schmelztiegel Jugoslawien ist seit dem Tod des Staatsgründers Tito (wieder) ein Pulverfass unterschiedlichster Identitäts- und Nationalitätsvorstellungen geworden. Da hilft nur noch Kunst, um die festgelegten Weltbilder gänzlich zu irritieren. Für Aufsehen und Hören sorgt seit Anfang der 80er Jahre die Rockband ›Laibach‹ als lautstarker Kern des Künstlerinnenkollektivs »Neue Slowenische Kunst« (NSK).

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Tickt der ländliche Raum weitrechts?

Die letzten Wahlergebnisse der AfD belegten nicht nur deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch ein signifikantes Gefälle zwischen Großstädten und der Provinz. In ländlich geprägten, weit von den Ballungsgebieten entfernt liegenden Regionen sind extrem konservative oder gar rechtsextreme Einstellungen sowie die dahinter steckenden autoritären Haltungen offenbar weiter verbreitet. Das gilt auch für das Thema Antifeminismus: Althergebrachte patriarchale Geschlechterbilder und festgelegte Rollenzuschreibungen passen perfekt zur Romantisierung der guten alten Zeit und eines harmonischen Landlebens – einer Welt, die (scheinbar) noch in Ordnung ist. Johanna Niendorf, Fiona Kalkstein, Henriette Rodemerk und Charlotte Höcker arbeiten gemeinsam am Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig. Mit ihrem Sammelband, an dem zahlreiche weitere Autor*innen beteiligt waren, gehen die Wissenschaftlerinnen einen Überblick über ein bislang wenig untersuchtes Forschungsfeld: Wie hängen Autoritarismus und Provinzialität zusammen?

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»Wir verändern die Erde auf zehntausende Jahre hinaus«

Waldbrand in der Gohrische Heide, von Glaubitz aus gesehen
(Foto, 3. Juli 2025: Mosbatho auf wikimedia commons)

Wo stehen wir? Es werden extreme Temperaturen in aller Welt registriert. Laut ECMWF (European Center for Medium-Range Weather Forecasts) war der Juni 2025 global der drittwärmste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – knapp ein halbes Grad wärmer als der Monatsdurchschnitt der Jahre 1991bis 2020 und etwa 1,3 Grad Celsius wärmer als der geschätzte vorindustrielle Juni-Durchschnitt von 1850 bis 1900. Vierzehn der letzten 24 Monate lagen deutlich über 1,5 Grad darüber. Die jüngste Hitzewelle in Westeuropa ist nach einer Studie des Imperial College London um bis zu vier Grad heißer ausgefallen und hat so auch die Zahl der Hitzetoten erheblich ansteigen lassen. „Über 50 Grad Celsius. Türkei meldet Hitzerekord.“

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Olivgrün im Vormarsch

Foto: Kürschner auf wikimedia commons

2023 fanden in Deutschland die “Invictus Games” statt. Das Sportereignis, gesponsert vom Flugzeugbauer Boeing, verfolgte auch ein durchaus honoriges Ziel: Mit Hilfe der ausgetragenen Wettbewerbe sollte sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Leid von Kriegsversehrten richten. Darüber berichtete auch das Aktuelle Sportstudio im Zweiten Deutschen Fernsehen. Eingeladen waren der gediente Verteidigungsminister Boris Pistorius sowie der britische Prinz Harry, der einst im Irak seinen Militärdienst absolvierte. Zwei weitere Ex-Soldaten traten auf: Der eine hatte bei seinem Einsatz in Afghanistan beide Beine verloren, der andere berichtete über seine andauernde posttraumatische Belastungsstörung.

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Die Sozialpolitik braucht dringend neue Impulse

„Soziales Unternehmertums“ stärker zu beachten und besser zu fördern, wird als probates Mittel zur Überwindung der Innovationsschwäche und der oft enttäuschenden Wirksamkeit der Sozialpolitik empfohlen. Seit den späteren 1990er Jahren gab es eine Vielzahl von Initiativen auf europäischer wie auf nationaler Ebene, unternehmerische Elemente im Bereich sozialer Interventionen im weiteren Sinne zu entwickeln, nicht nur im Bereich staatlich programmierter und finanzierter sozialer Praxis, sondern auch im Bereich zivilgesellschaftlichen Engagements und sozial verantwortlicher Unternehmensführung in der Wirtschaft. Die Literatur zum sozialen Unternehmertum in Wissenschaft und sozialpolitischer Praxis ist inzwischen nur noch schwer zu überschauen. Das Handbuch „Social Entrepreneurship in Deutschland“ gibt einen guten Überblick über konzeptionelle Ansätze, den fachlichen Entwicklungsstand und Problemfelder bei der Umsetzung sozialunternehmerischer Initiativen.

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„Das BVerfG ist kein verlängerter Biertisch der Nation“

Foto: Evilboy auf wikimedia commons

„Einen Kommentar zur derzeit schwebenden Wahl eines Richters und zweier Richterinnen an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abzugeben, fällt mir nicht leicht, weil man sich den Betroffenen fachlich wie menschlich verbunden fühlt. Der beschämende Umgang mit dem Wahlvorgang und zwei fachlich offenkundig hervorragend geeigneten Kolleginnen hat viele empört – auch mich. Empörung ist aber nie ein guter Ratgeber. Die Causa bietet jedoch einen Anlass, sich die rechtliche Funktion des Wahlverfahrens, dessen ungeschriebene Voraussetzungen und damit die Gelingensbedingungen von überzeugenden Richterwahlen näher anzusehen“, schreibt Klaus Ferdinand Gärditz auf dem Verfassungsblog. Bruchstücke dokumentiert seinen Beitrag

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Katholische Kulturkämpfer in Hochform

Katholische Pfarrkirche St. Martinus, Nottuln, Kreuzwegstation aus der Zeit des Kulturkampfs im 19. Jahrhundert mit dem Portrait Bismarcks als römischer Soldat, 3. v. l. (Bild: Westerdam auf wikimedia commons)

Das Drama oder Trauerspiel der gescheiterten Wahl neuer Verfassungsrichter im Deutschen Bundestag hat viele Aspekte. Es zeigt ein eklatantes Führungsversagen der Fraktionsspitze von CDU/CSU. Es offenbart auch die Einflussnahme von Repräsentanten der katholischen Kirche in einer Intensität, die schon lange nicht mehr erlebt wurde, und öffnet das Verfahren der Richterwahl zu einem Feld gesellschaftspolitischer, kulturkämpferischer Auseinandersetzung. Die aktuellen Interventionen der Kirche sind in Ton und Form ungewöhnlich und erheben einen Anspruch, der verkennt, so der Verfassungsrechtler Alexander Thiele, dass „das Grundgesetz keine ‚christliche’ Verfassung“ ist.

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Aggressor Putin hart entgegentreten, Daddy Trump beschwichtigen?

Der klassische Appeasement-Fall, das Münchner Abkommen
(Foto, 29. September 1938: Unbekannt auf wikimedia commons)

Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine warnen Politiker, Experten, Journalisten und bekehrte Friedensaktivisten davor, Putin zu appeasen. Sie argumentieren, dass autoritäre Führer nicht mit netten Worten oder Zugeständnissen gestoppt werden können, sondern nur mit dem klaren Willen zum Widerstand. Gewalt müsse mit Gewalt beantwortet werden. Während Richtung Putin viel von Appeasement gesprochen wird, wo es keins gibt, ist kaum ein Wort von Beschwichtigungspolitik zu hören, wo sie, Richtung Trump, stattfindet.

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Auschwitzprozess: Eine Spurensuche im historischen Saal

Teil der Gedenkinstallation am Frankfurter Saalbau Gallus an die Auschwitz-Prozesse, entworfen von Michael Sander
(Foto, 2021: Spitzahorn auf wikimedia commons)

Vor sechzig Jahren endete in Frankfurt der Auschwitzprozess, den der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer initiiert hatte. Gegen 20 Angeklagte wurden am 19. und 20. August 1965 die Urteile verkündet. An diesen Einschnitt in der bundesdeutschen Justizgeschichte erinnerte jetzt der Förderverein Fritz Bauer Institut e.V. am historischen Ort, dem Frankfurter Saalbau Gallus. „Gelungene Aufarbeitung?“ hieß die Veranstaltung, die Dieter Wesp für den Förderverein organisiert hat. Mit ihm und dem Zeitzeugen Peter Kalb, der als junger Frankfurter Student die Zeugen, Überlebende der Vernichtung in Auschwitz, betreut hatte, sprach Jutta Roitsch.

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Eine hundertjährige Blödmaschine

Am 18. Juli 1925 erschien die Erstauflage von Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“. Bis heute ist es das meisterverkaufte Buch deutscher Sprache. Nach dem Krieg wurde der Nachdruck verboten. Heute findet sich eine kommentierte digitale Fassung im Internet. „Als glückliche Bestimmung gilt es mir heute, dass das Schicksal mir zum Geburtsort gerade Braunau am Inn zuwies. Liegt doch dieses Städtchen an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint!” So beginnt „Mein Kampf“.

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bruchstücke