Warum kennt ihr mich nicht? Frauen im Widerstand

Wenig Text und verschwommene Bilder – das entspricht der Erinnerung an und dem Wissen über Frauen des Widerstands. Seit einigen Jahren haben widerständige Frauen zwar mehr Beachtung gefunden, einige Namen sind bekannt, es gibt sogar ein paar Plaketten und Stolpersteine. Ernst Vollands Dokumentation gibt den Frauen im Widerstand ein Gesicht. Er schreibt dazu: „An diesem Projekt arbeite ich inzwischen seit über drei Jahren. Ich habe es bereits drei Mal bei Kulturförderungen professionell eingereicht. Jedes Mal bin ich abgelehnt worden.“

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Der Metaller lernte erstmal Bäcker

Tarifkampf-Kontrahenten 1971: Willi Bleicher (l.), IG Metall, und Hanns Martin Schleyer (r.), der 1973 zum Arbeitgeberpräsidenten gewählt, 1977 von der RAF entführt und ermordet wurde, mit Moderator Klaus Ullrich im SDR-Studio. (Foto: SDR/Sammlung Abmayr)

Der in Bad Cannstatt geborene Willi Bleicher war eine der prägenden Figuren der deutschen Gewerkschaftsbewegung nach dem Krieg. In einem großen Dokumentenband präsentiert der Journalist und Bleicher-Biograf Hermann G. Abmayr nun ein Nachschlagewerk, das neue und unerwartete Einsichten bietet. „Bleicher war eine Figur mit Ecken und Kanten, ein schwäbischer Dickkopf, der viele Blessuren erlitt, aber immer wieder aufgestanden ist. Und der bei allen Fehlern aber immer authentisch blieb“, sagt Abmayr.

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Blühende Geschäfte mit atomarem Overkill

Bild: GDJ auf Pixabay

Die Atommächte horten Nuklearwaffen mit einer Sprengkraft von rund 146.000 Hiroshima-Atombomben. Und rüsten weiter auf. In ihrem aktuellen Bericht „Hidden Costs: Nuclear Weapons Spending in 2024“ schätzt die «Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen» (Ican), wie viel Geld die neun Atomwaffen-Staaten allein im Jahr 2024 für Atomwaffen ausgegeben haben: rund 190.000 Dollar pro Minute bzw. 274 Millionen pro Tag. Im Jahr 2021 waren es 138.700 Dollar pro Minute (Infosperber berichtete).

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Was ist ein „gerechter Krieg“ (II): Kosovo, Afghanistan, Irak und kein Ende

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die us-amerikanische Aggression gegen Demokratie und Rechtsstaat, die Eskalationen des Nahostkonflikts – Haltepunkte und Orientierungslinien zivilisierten Zusammenlebens befinden sich in globaler Auflösung wie lange nicht. Ludger Volmers Reflexionen, die Bruchstücke in zwei Teilen veröffentlicht (Teil I: Über humanitäre Normen und inhumane Realitäten), wollen für den politischen Diskurs Ankerpunkte einer Friedenspolitik in globaler Verantwortung fixieren. (at)

Wo rangieren in der Systematik von Legalität, Legitimität und Effizienz die „nationalen Interessen“? Sie stehen nicht darüber, sondern haben sich einzuordnen. Nationale Interessen sind dem Legalitätsprinzip unterworfen; sie können einen Aspekt von Legitimität ausmachen; sie geben nicht die geringste Auskunft über die Effizienz einer Intervention. Im Folgenden nun sollen beispielhaft einige Interventionen bewertet werden. Dabei wird historisches Wissen über Hintergründe und Verlauf der Ereignisse weitgehend vorausgesetzt.

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Was ist ein „gerechter Krieg“ (I): Über humanitäre Normen und inhumane Realitäten

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die us-amerikanische Aggression gegen Demokratie und Rechtsstaat, die Eskalationen des Nahostkonflikts – Haltepunkte und Orientierungslinien zivilisierten Zusammenlebens befinden sich in globaler Auflösung wie lange nicht. Ludger Volmers Reflexionen, die Bruchstücke in zwei Teilen veröffentlicht, wollen für den politischen Diskurs Ankerpunkte einer Friedenspolitik in globaler Verantwortung fixieren. (at)

Wenn immer eine demokratische Regierung erwägt, in einen eskalierenden Konflikt „out of area“ einzugreifen, entbrennt eine öffentliche Diskussion über das Für und Wider. Hoch im Kurs steht dabei der Gebrauch von Adjektiven. Die Intervention sei geboten, klug, richtig, unvermeidbar, angemessen, erfolgversprechend oder auch das Gegenteil von allem. Sie sei eine Frage der politischen Moral, des nationalen Interesses, der Bündnissolidarität, der historischen Verantwortung, der Gunst der Stunde oder aber ein Ausweis von Verantwortungslosigkeit, Überschätzung, Leichtsinn, Vasallentreue, Landesverrat.

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Nachrichten über „Drecksarbeit“

Screenshot: Website

Amal ist eine Internetplattform mit Nachrichten auf Arabisch, Ukrainisch und Farsi/Dari. Männer und Frauen aus vielen Ländern, mit unterschiedlichen Religionen, politischen Überzeugungen und Persönlichkeiten arbeiten zusammen. Gegründet wurde das Projekt 2016 in Berlin. Dort arbeiten inzwischen 14 Exil-Journalist:innen zusammen, 2019 entstand in Hamburg eine weitere Amal-Redaktion, später auch in Frankfurt. Bruchstücke dokumentiert den aktuellen Beitrag „Keine Nachrichten mehr aus Teheran„. Friedrich Merz nennt es „die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle“. Die Amal-Redaktion schreibt: „Zu unseren Leser:innen der Dari/Farsi-Seiten von Amal zählen viele, die sich ganz aktuell Sorgen um ihre Liebsten machen. Viele Iraner:innen in Deutschland versuchen verzweifelt, mit ihren Verwandten in Teheran im Kontakt zu bleiben. Auch viele Afghan:innen haben Angehörige im Iran, denn der Iran ist für viele Flüchtlinge aus Afghanistan die erste Station. Unsere Kollegin Maryam Mardani hat in den letzten Stunden zahlreiche Abschiedsposts von Freund:innen auf Social Media gefunden. Sie hat folgenden Kommentar über ihre Gefühlslage geschrieben.“

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Ein Fall von Gesinnungsjournalismus

Screenshot: Focus online

Das Manifest mit dem Titel „Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“ sorgte nicht nur in Partei und Bundesregierung für aufgeregte Debatten über verantwortungsvolle Friedenspolitik, sondern auch in den Medien. Während der Inhalt je nach Medium in Bruchstücken vermittelt wird, findet sowohl durch die Auswahl der beteiligten Genannten als auch der Aspekte aus den vielfältigen Themen bereits Framing – also Perspektivgebung – statt. Interessant sind die Meldungen und die Berichterstattung, um zu prüfen, inwiefern dort Nahelegungen angeboten werden, obwohl man neutral informieren will.

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Ländliche Räume verlieren – ihre Jugend und ihre Zukunft

Foto: DidiWeidmann auf wikimedia commons

Deutschland- und europaweit leiden viele ländliche Räume unter sehr starken Verlusterfahrungen: „Arbeit ist verloren gegangen, die Bewohner müssen pendeln; öffentliche Infrastruktur, also die Grundschule, das Freibad oder die öffentliche Bibliothek – ist verloren gegangen und damit auch konkrete Lebensqualität; und – sehr wichtig – die jungen Leute sind sukzessive abhandengekommen. Wohl auf Generationen. Und damit auch die Zukunft“, erläutert Berthold Vogel, Geschäftsführender Direktor des Göttinger Instituts für Sozialforschung. Zum dritten Mal1 überprüft Jutta Roitsch im Gespräch mit ihm Befunde und Einsichten des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ). 2020 gegründet mit elf Standorten, acht Universitäten und drei außeruniversitären Forschungseinrichtungen, erforschen hier rund 200 Sozialwissenschaftler:innen, wie es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie in Deutschland bestellt ist.

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Sind Sicherheitsgefühle bezahlbar?

Bild: geralt auf Pixabay

Die sicherheitspolitische Debatte kennt aktuell zwei unanfechtbare Glaubensbekenntnisse: Die Bedrohungslage ist zu hoch, die Verteidigungsfähigkeit zu niedrig. Als Stellgröße, die beides verbessern kann, gilt der Prozentanteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Nur über diese Prozentzahl darf gestritten werden, eine offene Diskussion über die Bedrohungslage und wie man sich in dieser Lage verteidigen kann, wird weitgehend verweigert. Ein bestimmter Prozentsatz vom BIP wird zum Gradmesser für Verteidigungsfähigkeit, wobei der Rüstungswettlauf auch das Bedrohungsgefühl nach oben schaukelt. Rechenkünste und Irrationalitäten marschieren im Gleichschritt.

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Ein kleiner, aber verhängnisvoller Wegweiser

Screenshot: SPD Website

Es ist bemerkenswert und abgründig, dass einige führende SPD-Politiker, deren Wort in der SPD Gewicht hat, im direkten Vorfeld des SPD-Parteitages ein „Manifest“ vorlegen, das Gespräche mit Russland und Abrüstung fordert, einen völligen Kurswechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und wohl auch Europas. Wer nach den vielen Verhandlungs- und Gesprächsinitiativen von mehreren Seiten, nach den fortgesetzten Vernichtungsangriffen Russlands auf die Ukraine die „militärische Alarmrethorik“ und „riesige Aufrüstungsprogramme“ in europäischen Staaten – Russland ist wohl ausgenommen – kritisiert, gibt zu erkennen, dass er für die Ukraine Befriedung statt Frieden, Unterwerfung statt Autonomie in Kauf nimmt und für Deutschland und Europa eine von Russland dominierte Sicherheits- und Befriedungs-Ordnung will.

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Diametrale Differenzen

Bild: geralt auf Pixaby

Man kann die Absichten der Verfasser und Verfasserinnen des nun bekannt gewordenen Manifestes über Krieg und Frieden in Europa drehen und wenden wie man will: Stellt sich der ordentliche Parteitag der SPD vom 27. bis 29. Juni in Berlin hinter dieses Manifest, wird das Ende der neuen schwarz-roten Koalition eingeläutet. Das würde kein Ende von jetzt auf gleich sein, obgleich sofort ein ziemliches öffentliches Gedöns einsetzen würde; aber ein Ende in Etappen wäre vorgezeichnet.

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Die weiße Vorherrschaft heiligt alle Mittel

Raising the Flag on Iwo Jima (Foto: Joe Rosenthal auf wikimedia commons)

In Los Angeles deutet die us-amerikanische Rechtsaußen-Regierung mit dem Einsatz der Nationalgarde an, wozu sie innenpolitisch willens ist. Nicht nur im öffentlichen Leben, auch in den Archiven will sie Anzeichen von Vielfalt, Gleichheit und Inklusion eliminieren. „Da man die multiethnische US-Gesellschaft selbst durch massenhafte Abschiebung und Zurückweisung kulturell nicht mehr „entdiversifizieren“ kann, verordnen die rechtsradikalen Machthaber eine seit Jahrhunderten geübte Praxis der „damnatio memoriae“: die symbolische Negation eines Namens und die Klitterung der Geschichte, ein Verfahren, das autoritäre und totalitäre Regime auf ihre Gegner anwenden und das anzeigt, wohin die Reise offenbar auch in den USA gehen soll.“ Das schreibt Claus Leggewie unter dem Titel „Eine Vergangenheit, die vergehen soll. DEI or Die. Die Geschichte von Ira Hayes“ in Geschichte der Gegenwart. Wir danken dem Autor, dass er seinen Text für Bruchstücke freigegeben hat. [at]

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„Kolossales ethisches Scheitern“

Es gibt Wörter, die in den Kopf eindringen, sich festsetzen und unerbittlich herausfordern: das eigene Gewissen, die eigene Haltung. Die Wortverbindung „selektive Empathie“ gehört dazu. Diesen Vorwurf an uns, die Deutschen wie die westlichen Europäer, erhob die italienische Schriftstellerin Francesca Melandri, die für ihre politische Literatur in Wien den Bruno Kreisky-Preis der Karl Renner Stiftung erhielt.

Auf Europas selektive Empathie setzten buddhistische Diktatoren im fernen Buthan, wenn sie mit brutalen ethnischen Säuberungen Hindus aus dem Land vertrieben; mit westlicher Gleichgültigkeit rechneten machthungrige Warlords im Sudan oder der Demokratischen Republik Kongo. Die bittere Erkenntnis für die engagierte Schriftstellerin lautet: Es gibt Kriege, ethnische Säuberungen und Völkermorde, die für unsere westlichen Gesellschaften, für Medien wie Politik „populärer“ sind als andere. Für Melandri ist diese Art des Selektierens von Empathie und Aufmerksamkeit ein Resultat der Geschichte, der Geopolitik, der hegemonialen Interessen und Gewohnheiten. Und sie untermauert ihren Vorwurf mit zwei Daten: dem 24. Februar 2022, dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, und dem 7. Oktober 2023, dem beispiellosen Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel und der militärischen Antwort des jüdischen Staates in Gaza.
Eine „selektive Empathie“ beobachtet sie vor allem in der europäischen Linken, die sich über die Brutalität und Gewalt der israelischen Armee im Gazastreifen empörten, Israel des Genozids an den Palästinensern bezichtigten, aber kein Wort zu Kriegsverbrechen Putins in der Ukraine verlören: kein Wort zu den nach Russland verschleppten Zehntausenden von ukrainischen Kindern, zu der völligen Zerstörung Mariupols, zu den Verbrechen in Butscha. Ausgeblendet bliebe in der europäischen, insbesondere der italienischen und französischen Linken, in der immer noch alles Übel der Welt von den USA ausginge, der einstige sowjetische, heute russische Imperialismus (in ihrem jüngsten Buch „Kalte Füße“ rechnet sie mit dieser Geschichte ab).
Umgekehrt bestürzt Melandri in Berlin, wo sie sechs Monate im Jahr lebt, die Scheu der Deutschen, den Vernichtungskrieg Israels in Gaza beim Namen zu nennen: Große Solidarität mit der Ukraine und Schweigen über Gaza. Francesca Melandri findet die Erklärung für diese „selektive Empathie“ zwar in der deutschen Geschichte, sie reicht ihr aber als Begründung nicht mehr. Ein solcher doppelter Standard bedeute ein „kolossales ethisches Scheitern“. So redete sie ohne jedes pathetische Beschwören westlicher Werte oder der Unantastbarkeit der Menschenwürde am 7. Mai den Europäern ins Gewissen. Verfügbar ist ihre bemerkenswerte, auf Englisch gehaltene Rede bis heute nicht auf der Seite der Stifter. Fühlten sie sich getroffen? Eric Chapsal übersetzte sie ins Französische. Le Monde druckte sie am 29./30. Mai: Eine Mahnung an Gewissen und Haltung.

Mutige Frau, brutale Atommafia

Eva Stegen hat das Buch aus dem Französischen übersetzt. Siehe auch „Eine Whistleblowerin, die mit Gewalt mundtot gemacht werden sollte

Die gebürtige Irin Maureen Kearney lebt seit mehr als 30 Jahren in Frankreich. Sie arbeitete erst als Sprach-Lehrerin für den halbstaatlichen französischen Atomkonzern Areva, tratt bald der Gewerkschaft CFDT bei und wurde Vorsitzende des europäischen Konzern-Betriebsrates. Die linksliberale Schweizer Wochenzeitung WOZ schreibt in einem Porträt: „Es ist die Geschichte einer Gewerkschafterin, die sich mit den Mächtigen des französischen Atom- und Energiesektors anlegte und nach einem brutalen Angriff vom Opfer zur Verdächtigen wurde“. Und: „Kearneys Geschichte hat alle Elemente eines Thrillers. Man könnte sie für überzogen halten, wäre sie nicht wahr.“ Eva Stegen thematisiert im Interview mit Wolfgang Storz den „riesigen blinden Fleck“ der Berichterstattung über das Buch und den Film: „Es ging nie um die Interessen und Triebkräfte der Atomindustrie. Dabei liegt hier ein wichtiger Schlüssel, um diese Ereignisse zu verstehen.“ Die Geschichte habe begonnen, „als sich im Umfeld des inzwischen wegen Bestechlichkeit verurteilten Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy eine Schatten-Regierung gebildet hatte, eine korrupte Clique von Geschäftemachern und Politikern.“

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Vorschlag für die SPD: Mehr Realität statt mehr Vision

Tim Klüssendorf
(Foto: Antonwww23 auf wikimedia commons)

Das lateinische Tätigkeitswort videre hat unterschiedliche Bedeutungen. Im Navigium-Wörterbuch ist zu lesen: Sehen, anschauen, zuschauen, erblicken, besuchen, aufsuchen, merken, begreifen, wahrnehmen, erblicken, erkennen, überlegen, erwägen, sich kümmern um, darauf achten,   besorgen, zusehen, wiedersehen, beabsichtigen und last but not least: nach etwas streben. Unser Begriff Vision geht auf dieses videre zurück. Von der Vision war zuletzt wieder öfter zu lesen, weil der neue Generalsekretär der SPD, der Bundestagsabgeordnete Tim Klüssendorf, immer wieder erzählte, die SPD strebe eine Vision an. Er versicherte am 2. Juni in Berlin, die SPD stehe vor einem grundlegenden Erneuerungsprozess, in welchem eine Vision wohl eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben soll. Im Rahmen dieses Prozesses, so Klüssendorf, solle kein Stein auf dem anderen bleiben. Das berichten jedenfalls die FAZ („SPD will sich erneuern“, in der FAZ am 3. Juni, Seite 4) und der Vorwärts gleichermaßen.

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