„Grim-Grom“ und die schwer erträglichen Hängepartien

Bild: Russische Post auf wikimedia commons

Vielleicht sitzt Wladimir Wladimirowitsch heute im Kreis seiner Getreuen, reibt sich die Hände, sagt in die Runde: Gut gemacht. Die Deutschen streiten sich. Er lässt die Füßchen vor lauter Freude ein wenig baumeln. Denn er hat die Schuhe abgestreift, die mit den high Heels für Männer, so dass er mit seinen 163 Zentimetern den Boden nicht mehr erreichen kann. Sogar die Profs kritisieren nun den Olaf, sagt er in die Runde. Professoren, fragt jemand? Ja, Professoren, antwortet Wladimir, hast Du das nicht mitbekommen? Er schüttelt den Kopf. Ein Glück, dass die bei uns nichts zu sagen haben, was? Man reicht ihm den Ausriss aus einem deutschen Blog, in welchem zu lesen ist: „Der Afghanistan-Moment in der westlichen Unterstützung der Ukraine ist erreicht.“ Man nickt in die Runde. Ja, ja. Dann werden wir unsere Ziele wohl erreichen, sickert als Botschaft in die Köpfe der Männerrunde.

Manchmal spielt sich etwas tatsächlich zwei Mal ab. Ein früher bekannter, sowjetischer Politiker sagte einmal, die Deutschen könnten hängende Partien nicht gut ertragen. Wer das sagte, verrat ich nicht. Jetzt noch nicht.

Die hängende Partie. Die bezeichnete zur Lebenszeit des erwähnten Politikers eine Schachpartie, die nach stundenlangen Zugfolgen abgebrochen wurde, um sie später wieder aufzunehmen. Dabei mussten die beiden Spieler den nächsten beabsichtigten, aber noch nicht vollzogenen Zug verborgen notieren – und nach dem Wiederbeginn mit dem wieder beginnen, was sie notiert hatten. So sollte Spannung in ein langweilig gewordenes Schachspiel gebracht werden. Der Mann, um den es hier geht, starb 1989. Fünf Tage nach seinem Tod gab die UdSSR auf einer Tagung des Warschauer Paktes in Bukarest die Lehre von der begrenzten Souveränität der Staaten des Realsozialismus auf, die sogenannte Breschnew- Doktrin. Der Mann war Botschafter in London zu der Zeit, also die von John le Carre gewürdigten und von „Karla“ installierten Spitzenspione der UdSSR ihre Hochform hatten. Er war anschließend viele Jahre Minister der Sowjetunion, war mit allen „roten Wassern“ der Politik gewaschen. Offenbar traute er den deutschen kein großes Durchhaltevermögen zu.

PR-sprudelnde Promi-Meetings

Hat die sowjetische Führungsschicht insgesamt so gedacht wie er? Lagen darin deren Lebenserfahrungen? Denken die Leute aus der Führungsschicht um Putin so wie die damals? Weil sie ähnlich sozialisiert wurden wie die frühere Sowjet-Nomenklatura? So dass sie stur an ihren Doktrinen festhalten und westliche Beweglichkeit als Weichheit und Wankelmütigkeit einordnen? Sind sie stets bereit, Gewalt anzuwenden? Immer den doppelten Boden in Sinn und Konzept? Oder waren und sind sie allesamt in erster Linie Show Maker, Eigentümer einer „Tankstelle mit Atomwaffen“, wie der verstorbene Senator von Arizona, John McCain, meinte.  

Natürlich steckt in außenpolitischen Beziehungen, ebenfalls in den Treffen der Staatsmänner (es waren ja fast immer nur Burschen) auch ordentlich Show. Willy Brandt traf mit viel Trara den Leonid Iljitsch Breschnew. Berühmt wurde ein Foto von Brandt und Breschnew aus dem Jahr 1971: Beide sitzen nebeneinander auf einem Schiff, haben die Sonnenbrillen aufgesetzt, Breschnew erklärt dem Besucher aus dem Westen mit ausgestrecktem Arm die Schönheit der Strände auf der Krim, während Brandt eine Hand auf den Bootsrand gelegt hat; so als wolle er sich „erden“. Friedensfreunde in einem Boot.

Die Ehepaare Kohl und Gorbatschow trafen sich PR-sprudelnd. Schröder und Putin taten auf Treffen so, als seien sie ein Herz und eine Seele, als hätten sie bereits im Sandkasten die Blech-Eimer  getauscht. Putin traf auch Angela Merkel. Er ließ seine Labrador Hündin Koni umherlaufen. „Der wusste, dass ich Angst vor Hunden hatte“, erklärte die Kanzlerin.

Fast närrisch ist an vielen dieser Geschichten ein schon pathologisches Interesse von Führenden auf beiden Seiten aneinander. Nicht bei allen, aber manchen. Gut Wetter mit Moskau, sagte man, sichere in Deutschland Existenz, Wachstum und Wohlergehen. Bis auf den heutigen Tag ist´s bei manchen so. Der parteilose Bürgermeister von Prenzlau, Hendrik Sommer, sagte in einem ganzseitigen Interview mit der FAZ („Das sind unsere Probleme“, FAZ vom 26.März 2024 Seite 11) durchaus distanziert, die ukrainischen Flüchtlinge würden “in der Prenzlauer Stadtgesellschaft grundsätzlich positiver gesehen“. Grundsätzlich positiver als allein einreisende Männer aus fernen Ländern. Zuwendung, Empathie für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hört sich anders an.

Sommer griff auch in die Geschichtskiste, in die ganz große Kiste. „Wenn Donald Trump die amerikanische Wahl gewinnen sollte“, orakelte er, „wird er einen Deal aushandeln.“ Auf die erstaunte Frage des FAZ-Journalisten, dass Verhandlungen das völkerrechtswidrige Vorgehen Putins legitimieren würde, sagte er: „Das gab es in der Weltgeschichte ja durchaus schon öfter…“ Leider hat der Journalist nicht einfach nachgefragt: „Darf der das denn?“

Wie durch eine Laterna Magica

Auf eine mir selbst seltsam scheinende Weise geht mir die Geschichte mit den „hängenden Partien“ nicht aus dem Kopf, wenn ich solche Interviews lese. Es  ging mir auch so, als ich den diesjährigen Aufruf zu den Ostermärschen in der TAZ las. „Die Welt steht buchstäblich in Flammen“, heißt es da.

Fliegerhorst Büchel (Foto, 2008: Buroll auf wikimedia commons)

Die Wortführer der Ostermärsche fordern den Abzug aller US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland und Verzicht der Bundesrepublik auf die nukleare Teilhabe in der NATO. Ja, es ist richtig. Auch in Deutschland gibt es Atomwaffen. Sie werden gebunkert in Büchel aufbewahrt, im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel. Die Stiftung Wissenschaft und Politik schrieb dazu in einer Studie: „Soll es zu einem Einsatz amerikanischer, in Deutschland und anderen Nato-Staaten gelagerter Bomben durch atomwaffenfähige Flugzeuge kommen, müsste der US-Präsident die Bomben freigeben und das jeweilige Stationierungsland dem Einsatz durch eigene Flugzeuge zustimmen. Die allgemeine Erwartung scheint zu sein, dass eine solche Einsatzentscheidung nach Konsultation mit allen Nato-Mitgliedern getroffen würde… .“

Ab 2018 verlegten russische Streitkräfte atomwaffenfähige Raketen in der Nähe Kaliningrads. Eine entsprechende „Gegenrüstung“, ein Äquivalent hierzu gab und gibt es auf NATO-Seite in Europa und in Deutschland nicht. Es ist also keine der Nachrüstungsdebatte zu Beginn der achtziger Jahre vergleichbare Situation. Die Raketen von Kaliningrad sind Angriffswaffen. Sie sind Allwetter-Waffen, beweglich, binnen sehr, sehr kurzer Zeit einsatzfähig. Sie sind an keine lange Abstimmungs- Kette gebunden. Deren Einsatz hängt vom Willen eines einzigen Mannes an der Spitze des russischen Staates ab. Sie wurden mit konventionellem Sprengstoff beladen bereits im Krieg Russlands gegen Georgien und nun gegen die Ukraine eingesetzt. Sie würden atomar geladen von der Reichweite her gesehen Warschau und Vilnius zerstören, Berlin beispielsweise binnen acht bis neun Minuten treffen können. Seit dem 24. Februar 2022, seit Beginn des Vernichtungskriegs gegen die Ukraine ist die mit diesen Raketen verbundene Drohung größer, ja gewalttätiger und belastender geworden.

Kaliningrad hieß während der jahrhundertelangen preußischen Herrschaft Königsberg, es liegt an der Ostsee zwischen Polen und Litauen (Foto, 2017: A. Savin auf wikimedia commons)

Wir haben eine merkwürdige Einstellung zu diesen Waffen. Wie zu einer schlimmen Krankheit, von der ich weiß, dass sie mich ergreifen kann, an die ich aber so lange nicht oder nur beiläufig denke, bis sie mich gepackt hat. Nehme ich die einäugige Position der Ostermarsch- Generale zum Maßstab, dann sind russische Atomraketen wie eine Projektion in einer Laterna Magica zu sehen; amerikanische Atomwaffen hingegen als Bedrohung.

Manche lernten, über Atomwaffen nachzudenken, nachdem sie Anfang der 80er Jahre Raymond Briggs Comic „When the Wind blows“ gelesen hatten. Briggs, bekannt durch seinen Weihnachtsmann-Comic „Father Christmas“ und „Gentleman Jim“ ist 2022 gestorben. Er beschrieb in „When the Wind blows“ die Vorbereitung auf einen Atomschlag und dessen langsam, quälend beginnende Wirkungen bis zum Tod. Seine Zeichnungen sind so eindrücklich und zu Herzen gehend, weil sie ein biederes, liebevoll- vertrautes Paar mit seinen Marotten und in seiner Naivität darstellen. Der Comic ist aus der Mitte der Gesellschaft gezeichnet und geschrieben. Der Titelsong der filmischen Adaption stammt von David Bowie.

Wie beschrieben, „ticken“ wir etwas anders. Das liegt daran, dass in Großbritannien wie anderswo auch Atomwaffen Teil staatlicher Gewalt, Teil von Wirtschaft und Gesellschaft sind. Besitz und Verfügungsgewalt ergreifen fast alle Bereiche, sie wirken in die Funktionseliten hinein, in die zivile Ordnung, den Schulstoff, in die Ingenieurausbildung, die Wissenschaften; sie prägen Staatsdienst, usurpieren Industrieproduktion, schaffen geheime Räume. Sie beeinflussen die nationalen Narrative.

Ich kann mir das nicht vorstellen

Zwar haben Atomwaffengegner und Atomwaffengegnerinnen über die Jahre in Deutschland eine starke Position gehabt. Am 24. März 2010 hatte beispielsweise der Deutsche Bundestag einen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung aufforderte, sich für den Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen einzusetzen. Das solle im Zusammenhang mit einer neuen Strategie der NATO geschehen, wurde gesagt. Die „Drucksache 17/1159“ trägt für die verschiedenen Fraktionen die Unterschriften von Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Dr. Frank-Walter Steinmeier, Birgit Homburger und Renate Künast sowie Jürgen Trittin. Einer der entschiedensten Befürworter war der damalige Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der 2016 verstorben ist.

Erfolgreich waren diese Mühen aber nicht. Die NATO-Staaten lehnten einen Abzug der Atomwaffen ab. Auch die Bundesregierungen folgte dem Beschluss nicht. Bis Anfang des jetzigen Jahrzehnts gab es Anstöße namhafter politischer Persönlichkeiten, Atomwaffen in Europa und in Deutschland abzuschaffen. Die noch aus dem kalten Krieg herrührende Idee der Abschreckung habe endgültig ausgedient, hieß es.

Es ist eigenartig, dass faktisch in all den friedenspolitischen Botschaften und offenen Briefen zum Krieg Russlands gegen Land und Leute der Ukraine, seien sie von Frau Wagenknecht, von Söhnen Willy Brandts oder von Veteranen der Naturschutzfreunde verfasst, nie gefordert wurde, die Kaliningrader Raketen weg zu schaffen. Es ist so, als seien die mit einer Art natürlichen Anspruchs dort disloziert worden. 

Können Sie sich vorstellen, dass die Regierungen Großbritanniens oder Frankreichs gegen sich und ihre Bevölkerung augenscheinlich gerichtete, atomar ausgestattete Raketen in der Nähe Hannovers, Leipzigs oder Düsseldorfs akzeptieren würden? Ich kann mir das nicht vorstellen. Gäbe es eine Friedensbotschaft aus diesen Ländern ohne Forderung, diese Raketen weg zu schaffen? Glaubt das jemand ernsthaft? Ich gebe zu, dass es an Unredlichkeit grenzen kann, aus der Breite des etablierten und verfestigten Geflechts der wechselseitigen kulturellen, ökonomischen, politischen, zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Russland und Westeuropa die Rüstungsfrage allein hoch hinaus zu heben. Sie aber wie durch eine Laterna Magica zu sehen, ist gewiss nicht redlich.

Aber all das einschließlich der Professoren- Kritik in diesen Tagen und der quälenden Diskussion über das „Einfrieren“ von Konflikten habe ich für mich auf die „hinteren Plätze“ verwiesen. Das liegt an Folgendem:
Während meiner Jahre in Berlin ging ich zu einem Frisör auf der Brückenstraße, die zur Jannowitzbrücke führt. Wir redeten miteinander, tranken Kaffee oder Tee. Er war Kurde, der mit seiner Familie aus dem Irak ausgewandert beziehungsweise geflohen war. Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe aus der Gegend um die Stadt Halabdscha. Er erzählte, dass er auf seinem Weg aus dem Irak nach Deutschland viele schlimme Dinge erlebt habe. Auf meine Frage, warum er nach Deutschland gewollt habe, antwortete er bedächtig, weil seine Familie, vor allem die Kinder ohne Furcht und sicher aufwachsen sollten.

In Sicherheit

Wir reden und reden und reden und streiten, während Millionen Menschen in der Ukraine um ihr physisches und soziales Überleben kämpfen. Diesen Kampf bestreiten sie alleine. Umso wichtiger ist doch, dass sie wissen, Frauen und Kinder aus ihrem Land sind in unserem Land, im Westen in Sicherheit. Vor allem in Deutschland. 1,2 Millionen mittlerweile. Während sich hierzulande die notorischen Bedenkenträger und Mäkler regen, die unvermeidlichen, weil ein zu geringer Prozentsatz der Kriegsflüchtlinge zu wenig tue, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wie sie anmerken, sind die mittelbar und unmittelbar im Krieg stehenden Menschen in der Ukraine heilfroh, dass ihre Liebsten in Sicherheit sind. Bei uns in Sicherheit. Könnten wir nicht einmal unsere Besserwisserei bei Seite lassen, um ein wenig stolz darauf zu sein, dass wir der Ukraine auf eine für deren Überleben so wichtige Weise helfen? Wir sind nicht die „fünfte Kolonne“ Putins. Und wir sollten uns auf ein weiteres besinnen.

In Saul Friedländers jüngstem Buch „Blick in den Abgrund“ über die aktuelle Politik der israelischen Regierung beschreibt  er, dass er trotz aller Fehler und Risiken und Fehlentwicklungen einschließlich der Verbrechen überzeugter Bürger Israels sei. Das sei sein Land, in dem er gelebt habe und leben wolle. Ein wenig von dieser Haltung täte uns gut. Nur ein wenig.

Habe ich etwas vergessen? Ja, den Mann mit den hängenden Partien. Das war Andrey Gromyko, von 1957 bis 1985 sowjetischer Außenminister: „Grim-Grom“ nannte man ihn, teils veräppelnd, teils verwundert gemeint.

Klaus Vater
Klaus Vater arbeitet als Kommunikationsberater und Autor. Er war stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, zuvor Pressesprecher des Gesundheitsministeriums sowie des Arbeitsministeriums. Seinen Jugend-Kriminalroman "Sohn eines Dealers" wählte die Kinderjury des Literaturpreises "Emil" 2002 zum Kinderkrimi des Jahres.

6 Kommentare

  1. Sie wissen natürlich, warum auf den Ostermärschen und ähnlichen Veranstaltungen häufiger gegen die eigene Rüstung als gegen die potentieller Kriegsgegner gewettert wird: die hören nicht zu.

    Demonstrationen in deutschen Städten werden von deutschen Medien verstärkt und von deutschen Politikern gehört.

    Bei Wagenknecht und Schwarzer mag das anders sein, aber ich glaube nicht, dass Putin nicht adressiert wird, weil man vor ihm weniger Angst hätte als vor der eigenen Regierung. Man weiß nur über die eingeschränkte eigene Reichweite Bescheid.

    Ihre Verwunderung über die Pazifisten ist daher vermutlich gespielt und etwas heuchlerisch.

    1. Sehr geehrter Herr, meine Darstellung hat bezogen auf die Ostermarschierer und Ostermarschiererinnen nichts Heuchlerisches im Sinne. Ich achte manche von denen, die daran teilnehmen. Deren Engagement schätze ich nicht gering. Allerdings halte ich die Doktrinen der Chefs und Chefinnen der Märsche, wie ich es dargestellt habe, für grottenfalsch. Ich verstehe nicht, weshalb Atomwaffen, die von Demokratien aufgestellt wurden – und mit denen die Bundesrepublik verbunden ist, mich bedrohen sollen, aber Atomwaffen einer faktischen Diktatur nicht. Die einzige Erklärung, die ich finde, lautet: Diese Diktatur soll irgendetwas an sich haben, das mit linken Positionen zu tun hat. Hat sie aber nicht, nicht im Geringsten. Putin in irgendeiner Weise unter Fortschritt und Emanzipation zu subsumieren, ist albern. Bleibt nur noch Moskau, also der Ort. Und das ist ebenso blödsinnig wie die Auffassung: Man könne Trump positiv sehen, weil er im Sonnenstaat Florida wohnt.

  2. Der Begriff „Atomwaffen“ bezeichnet mittlerweile ein breites Spektrum von Waffen, deren Zerstörungswirkung auf kerntechnischen Explosionen beruht. Kommunikationslogisch gesehen assoziiert das Publikum dabei häufig Atomwaffen mit Atombomben, was aus der Sicht eines politischen Kommentars eher belanglos scheint, aus militärischer Perspektive jedoch einen erheblichen Unterschied macht.
    Bei den in Büchel stationierten Atomwaffen handelt es sich allerdings nicht um Atombomben, sondern um Wasserstoffbomben. Eindeutig „defensiv“ würde ich sagen, also ganz im Sinne des Grundgesetzes, oder?
    Es handelt sich in Büchel um diejenigen Waffen, deren Entwicklung Oppenheimer ausdrücklich abgelehnt hat, wenn wir uns nochmal kurz an den mit Oscars überhäuften Film erinnern wollen.

  3. Sehr geehrter Herr zum Winkel, die in Büchel aufbewahrten Waffen haben sowohl den Charakter einer Atomverschmelzung – „klassische Atomwaffe“, als auch den einer Kernfusion – Wasserstoffbombe. Der erste Teil fungiert als Zünder. Es hat sich in allen möglichen Darstellungen eingebürgert, diese Waffen als Atomwaffen zu bezeichnen. Ich habe auf die Gewohnheit vertraut. Das Grundgesetz sagt in Artikel 26 nichts über die Zulassung oder das Verbot einer Waffengattung aus. Das wäre auch schwierig, weil die Bundesrepublik Mitglied der NATO geworden ist. Der Staat hier bei uns verfügt über keine (!!) Befugnis, Kernwaffen zu nutzen. 1990 wurde dieser Verzicht anlässlich der deutschen Einheit festgeklopft. Der Atomwaffensperrvertrag gilt bei uns, der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) nicht. Daher können auch NATO-Waffen dieser Art in der Bundesrepublik aufbewahrt werden.

  4. Ja, ich weiß, was sich eingebürgert hat. Deshalb, nämlich aus Gründen einer gedankenlosen Kommunikation, habe ich jene Zeilen geschrieben. Die Büchel-Bomben sind vom Typ B61. Sie werden aktuell (oder wurden kürzlich) durch modernisierte B61-12 ersetzt. Wikipedia: „Die B61 ist eine Wasserstoffbombe.“
    Die Funktionsweise einer Wasserstoffbombe als Rechtfertigung für das verbreitete Unwissen über den Waffentyp, der in Büchel stationiert ist, zu benutzen, finde ich mit Verlaub nicht überzeugend.
    Ob die Stationierung fremder Atomwaffen, deren Modernisierung stets eine Steigerung ihrer Offensivfähigkeiten bedeutet, mit dem Grundgesetz und mit dem Atomwaffensperrvertrag, vereinbar ist, kann man nicht mit zwei, drei Sätzen abtun. Hier schlummert ein Problem. Immerhin scheint es im Bundeskanzleramt ein wenn auch schwaches Bewusstsein dafür zu geben. Nicht so im Parlament.

  5. Sehr geehrter Herr zum Winkel, mit Blick auf Ihren letzten Hinweis, das Grundgesetz, habe ich am Wochenende ein wenig aufwändiger recherchiert. In keinem offiziellen Dokument – ein Beleg ist die Entschließung des Bundestages vom 26.03.2010, Drucksache 17/1159 – finde ich eine Ihrer Auffassung nach gegebene beziehungsweise notwendige Verknüpfung. Im Artikel 26 zwei des Grundgesetzes heißt es lediglich: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen….. .“ Und zuvor wird festgehalten: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Mehr nicht. Sorry, aber hier liegen Sie wohl falsch. Ihre kritische Argumentation bezogen auf eine undifferenzierte Verwendung des Wortes „Atomwaffen“ vermag ich nachzuvollziehen; ich befinde mich aber gewiss nicht in isolierter Gesellschaft, denn auch im Offiziellen stehen stets und immer wieder wiederholt z.B. „Atomwaffen“, „Atomwaffensperrvertrag“, atomare Abschreckung etc und eben nicht Wasserstoffwaffen- Nichtweiterverbreitung. Wir sollten uns hier nicht „um des Kaisers Bart“ streiten.

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