Satire? Hartgesottener Zynismus

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Wer oder was ist ein „Comedian“? Nach der Häufigkeit der Nennung des Wortes während der vergangenen Tage kommen Comedians bezogen auf ihre Bedeutung kurz hinter Trump und Kamala Harris. Noch vor Papst Franziskus. Comedians sind Leute! Leutselig sind sie deshalb aber noch lange nicht. Sie kennen das Wort leutselig noch? Wird nicht mehr häufig in den Mund genommen. Wer andere Menschen freundlichen Gesichts auf sich zukommen lässt und ebenso freundlich auf andere zugeht, der ist leutselig. Das tun Comedians nicht. Comedians sagen, sie wollten Spaß machen. So viel Spaß machen, dass der ansteckend wirkt. Auf andere, die keine Comedians sind. Der Duden beschreibt Comedians als  „humoristische Unterhaltungskünstler“. Darin stecken drei Zuschreibungen, die ich nicht teile. Comedians sind nicht humoristisch aufgelegt. Sie unterhalten auch nicht, es sei denn man ist Masochist. Und drittens hat der Duden Kunst durch Dreistigkeit ersetzt.

Am besten guckt man sich deren Treiben mal an. Die drei „Comedians“, um die es mir geht, setzen sich einfach um einen Tisch herum zusammen, reden miteinander. Deren Rederei wird elektronisch aufgezeichnet, damit andere dies aufspielen und angucken können. Da sitzen die drei, nageln Behauptungen in die Luft, lachen, johlen, erzählen allerlei Sachen, die allesamt keinerlei Belang haben. Sie sagen dazu: Wir reißen Witze.  

Reißen ist die Hauptsache. Man will Masken von Gesichtern reißen, im übertragenen Sinn Klamotten vom Körper, jemandem – wiederum im übertragenen Sinn – die Hosen runterziehen/reißen et cetera. Dann lacht der flotte Dreier.  Die Comedians sagen dazu: Das sei ihr Humor.

Das Wort Humor kommt bei Comedians an sich selten vor. Das Wort Spaß öfter. Und am öftesten? In einem Podcast wie dem der drei „Comedians“, den ich angeschaut und angehört habe, lautet es: „Ey“. Nahezu jeder Satz von zweien der Drei wurde mit dem Wort „Ey“ eingeleitet. Ey, was meinst Du damit? Ey, das glaubst Du doch selber nicht! Ey, was sagst du da! Was „ey“ bedeutet, wird nicht klar. Wie ey geschrieben wird auch nicht. In der Familie und im Bekanntenkreis höre ich kein „ey“. Google bietet für „ey“ als Erklärung eine Organisation namens „Building a better working World“ an. Das kann aber nicht sein.  

Widerwärtiges Geschäftsmodell

Geht etwas wegen irgendetwas bei/von Comedians schief, dann berufen die sich auf einen Mann namens Kurt Tucholsky. Der war Autor, Schriftsteller, Journalist. Auf ihn gehen die „10 Gebote“ dieser Leute zurück. Er hatte unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel 1919 in einer Zeitung namens Berliner Tageblatt einen Aufsatz geschrieben, der die Überschrift hatte: „Was darf die Satire?“ Der Aufsatz endet mit der Frage: „Was darf die Satire? Alles.“

Das ist ein bisschen wie beim Schulaufsatz: Darunter steht auch eine Note. Manche lesen leider nur die Note, den Text aber nicht. Noten sind, wie wir alle wissen, oft ungerecht. Der Kurt-Ignaz hatte wohlwissend um die Leute, die nur auf Noten schauen, für diese Leute aufgeschrieben:

  • „Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.“
  • „Satire ist eine durchaus positive Sache.“
  • „Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist…“
  • Satire: „Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird.“
  • „Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren…,  wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein.“

Positiv. Wahrheit. Guter Witz. Das im Kopf habe ich diesen Podcast gehört und geschaut. Der Podcast wurde wegen geschmackloser Äußerungen über körperlich und geistig eingeschränkte, behinderte Menschen angegriffen. Wer unbedingt wissen will, wie es um Comedians tatsächlich steht, der sollte ebenfalls hineingucken. Ab der 41. Minute bis zur 48. Minute. Das reicht. Zuvor hatte ich gedacht, im Prinzip seien die drei irgendwelche Burschen, die irgendwie in ihrer Adoleszenz-Zeit stehen geblieben seien. Das soll es ja geben. Mit grundanständigen Eltern wie beispielsweise im Fall des Luke Mockridge.

Stimmt nicht. Es sind hartgesottene Zyniker mit einem abartigen Verständnis des Zusammenlebens und vom Willen beseelt, ihr widerwärtiges Geschäftsmodell zu ihrem eigenen materiellen Vorteil stur voran zu treiben. https://www.youtube.com/watch?v=GQaCoyn-afM Bei uns daheim gab´s für solche ein Vier-Buchstabenwort: Pack.

Damit könnte meine Geschichte zu Ende sein. Ist sie aber nicht. Vorgestern Abend, am 9. September wurde in der  ARD die Reportage „Die große Angst. Zukunft in Ostdeutschland“ gesendet. Zwischen 20 Uhr 15 und 21 Uhr. In der Reportage gibt es einen kurzen Mitschnitt, in welchem eine Frau erzählt – mit Blick auf ihren behinderten Sohn: Rechtsradikale riefen, wenn sie den Jungen sähen: Vergasen! Im Mai dieses Jahres war auf einem Stein zu lesen, der im Westen des Landes auf ein Haus der Lebenshilfe geworfen worden war: Euthanasie ist die Lösung. Und der stärkste Mann der Thüringer AfD, der ehemalige Geschichtslehrer Höcke empfahl 2023 im Mitteldeutschen Rundfunk: Gesunde Schulen mit gesunden Kindern.

Deswegen hört der Spaß da auf, wo Mockridges und andere ihr Tagewerk Unwesen beginnen.

Klaus Vater
Klaus Vater arbeitet als Kommunikationsberater und Autor. Er war stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, zuvor Pressesprecher des Gesundheitsministeriums sowie des Arbeitsministeriums. Seinen Jugend-Kriminalroman "Sohn eines Dealers" wählte die Kinderjury des Literaturpreises "Emil" 2002 zum Kinderkrimi des Jahres.

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