Trumps Fußtritte für Völker- und Menschenrecht

Bild, KI generiert

Die innen- und weltpolitischen Änderungen überschlagen einander. An manchen Tagen stockt einem der Atem. Das war so am 29. Januar 2025, als Friedrich Merz mit seinem Wort- und Tabubruch der AfD, einer in großen Teilen rechtsextremen Partei, die Gelegenheit zur Abstimmung mit der Christen-Union und zu parlamentarischem Jubel verschaffte. Das war am 12. Februar 2025 so, als Donald Trump in seinem Telefonat mit Wladimir Putin – nach allem, was wir wissen – der regelbasierten Weltordnung, die auf Völkerrecht und Menschenrechte setzt, einen Fußtritt versetzte. Und der amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegseth beim Treffen mit seinen NATO-Kollegen schon vor dem Beginn jeglicher Verhandlung mögliche Eckpunkte des Verhandlungsergebnisses verkündete.

Zu diesen Eckpunkten gehören: Keine territoriale Integrität der Ukraine, keine Nato-Mitgliedschaft und keine Beteiligung amerikanischer Streitkräfte an einer möglichen militärischen Schutzmacht. Die über Jahre hinweg vereinbarte Ächtung von Putin wegen dessen wiederholten Bruchs des Völkerrechts – angefangen von der Annektierung der Krim bis hin zum Angriffskrieg vom Februar 2022 auf die gesamte Ukraine. Alles keiner Rede Wert – Russland ist, so Trump, neben China und den USA die dritte Großmacht, Wladimir Putin zurückgekehrt in den Kreis der Mächtigen, in den Kreis derer, für die Macht und Gewalt vor Recht und Ordnung gehen.

Globales Hohngelächter?

Es ist nur die bizarre Spitze des politischen Zynismus, dass das erste Treffen zwischen Trump und Putin in Saudi-Arabien stattfinden soll, einem Land, in dem 2024 im Durchschnitt fast täglich ein Mensch hingerichtet wurde und dessen tatsächlicher Machthaber einen unliebsamen Journalisten im türkischen Konsulat töten und die Leiche zum Abtransport mit einer Kettensäge zerstückeln ließ. Aber das ist die logische Konsequenz aus dem Verhalten eines Präsidenten Trump, den bei der Sicherung der Rohstoffbedarfs der USA im Falle Grönland, der Handelsinteressen im Falle Panama, der Immobilieninteressen im Fall des Gazastreifens, Völker- und Menschenrecht einen Dreck scheren. Eine Abstimmung oder Vorabberatung mit Europa? Trump ist nicht nur zielgenau dabei, die Gewaltenteilung und damit die wesentliche Grundlage der liberalen Demokratie in den USA zu zerstören. Er zerstört auch das wertebasierte westliche Bündnis, weil das pulverisiert ist, wofür die Länder der EU über drei Jahre doch weitgehend geschlossen eingetreten sind, die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine zu sichern und zumindest vorab keine territorialen oder sicherheitspolitischen Zugeständnis, schon gar nicht über den Kopf der Ukraine hinweg zu machen. Jeder, der jetzt das westliche Bündnis als Wertegemeinschaft für Menschenrecht und Völkerrechte, für Demokratie und regelbasierte Ordnung sieht, muss sich einem globalen Hohngelächter stellen.

Das Recht des Stärkeren und die Gier nach Geld und Macht (Bild, KI generiert)

In der der Tat, wenn das Ende des Angriffskrieges in die Richtung geht, die sich jetzt andeutet, dann sind abertausende Menschen umsonst gestorben, verwundet und verletzt worden, Material vernichtet, Städte und Dörfer verwüstet worden. Es ist bitter, dass jene vor allem auf der extrem rechten Seite, aber zum Teil auch auf der linken Seite des politischen Spektrums recht behalten, die den Abwehrkampf der Ukraine und die Unterstützung des Westens dafür immer schon für falsch, eine wertebasierte Ordnung für überholt und die Ansprüche Putins auf einen Schutzraum um das Territorium Russlands herum für berechtigt gehalten haben. Sie können sich darüber freuen, eine Person an ihrer Seite zu haben, die das Recht des Stärkeren und die Gier nach Geld und Macht zur Richtschnur des politischen Handelns macht. Und sie können stolz darauf sein, mit ihren Einflüssen zu diesem beschämenden Weg beigetragen zu haben. Das, was von ihrer Seite als Gründe und Rechtfertigungen für eine gewisse Nachgiebigkeit gegen Putin angeführt wurde, die atomare Bedrohung durch Russland und die noch stärkere Militarisierung Europas, ist nicht verschwunden, sondern steht mit nie dagewesener Wucht erst Recht auf der Tagesordnung. Russland ist mächtiger denn je, Europa wird weiter rüsten müssen, wenn es der Ukraine Schutz bieten soll und nicht zerrissen und schutzlos dastehen will, wie nie zuvor seit der Implosion des Sowjetimperiums.

Wie werden sich Scholz und Merz positionieren?

Europa spielt nur noch eine Statistenrolle in der Weltordnung der Zukunft und wird sich nicht einmal darüber einig sein, ob es für einen oder mehrere Statisten mit unterschiedlichen Rollen reicht. Sicher ist, den Scherbenhaufen dieser Politik werden die europäischen Länder, allen voran Deutschland, zusammenkehren müssen: Mit der Versorgung der Flüchtlinge, deren Zahl nicht so schnell abnehmen, vielleicht sogar zunehmen wird, mit der Beteiligung an einer militärischen Schutztruppe, die der Rest- und Rumpfukraine Sicherheit garantieren soll und vermutlich auch mit großen Beiträgen zur Wiederaufbauhilfe, es sei denn dieses Geschäft reißt sich Trump unter den Nagel, um es sich mit Rohstoffen und seltenen Erden aus der Ukraine teuer bezahlen zu lassen.

US-Vizepräsident JD Vance: »There is a new sheriff in town.«
(Screenshot: Münchner Sicherheitskonferenz 14.02.2025, 14.50h)

Der 12. Februar wird auch Spuren in der Schlussphase des Bundestags-Wahlkampfes hinterlassen. Werden jene gewinnen, wie die AfD und das BSW, die sich durch das Handeln Trumps im vollen Umfang bestätigt sehen können? Oder wird ein vielleicht wachsender Widerstandsgeist gegen diese dystopische Zerstörung von Werten auch in der internationalen Politik den Grünen zugutekommen? Wie werden sich Olaf Scholz und Friedrich Merz positionieren? Wird Scholz seine deutliche Kritik, die er im Zusammenhang mit Grönland und dem Panamakanal am Vorgehen Trumps geäußert hat, auch auf dessen Russland- und Ukraine-Politik ausweiten oder sich in seiner vorsichtig-zögerlichen Haltung in der Umsetzung neuer Politik der von ihm selbst verkündeten Zeitenwende bestätigt sehen? Und bleibt Merz bei dieser Haltung, nichts wird so heiß gegessen wie gekocht , oder kann er, der vehement die Unterstützung der Ukraine gefordert hat und Putin mit der Taurus-Lieferung unter Druck setzen wollte, mit gleicher Entschiedenheit Kritik an Trump formulieren, dem er vielleicht bald als Bundeskanzler begegnen wird?

Wer immer gewinnen mag, die Verlierer stehen fest: An allererster Stelle die Ukraine und ihre Bewohner, schließlich die Länder der Europäischen Union, allen voran Polen, die baltischen Staaten, von Moldau ganz zu schweigen. Und, besonders bitter, nicht zuletzt Deutschland, das mit seinen richtigen Ansätzen einer wertebasierten Außenpolitik nach deren Desavouierung durch Gewalt und Geld wie ein begossener Pudel auf der Weltbühne steht. Der Widerstand in den USA gegen Trumps und Musks Machenschaften ist bislang eher gering. Wird sich Europa seiner Traditionen einer liberalen und sozialen Demokratie besinnen und sich nicht mit dem Platz am Katzentisch zufrieden geben?

Klaus Lang
Dr. Klaus Lang studierte Katholische Theologie, Psychologie und Politik. Er war zunächst Pressesprecher des Vorstandes der IG Metall, 1981 wurde er Leiter der Abteilung Tarifpolitik, später leitete er die Abteilung des 1. Vorsitzenden und war Geschäftsführer der Otto-Brenner-Stiftung, 2003 wurde er Arbeitsdirektor der Georgsmarienhütte Holding GmbH. Er ist Mitglied im Rat der Stiftung Menschenrechte, der Förderstiftung von Amnesty International und im Sozialethischen Arbeitskreis Kirchen und Gewerkschaften.

2 Kommentare

  1. Eine anregende Frage am Schluß des Beitrags von Klaus Lang! Es könnte hilfreich sein, sich die Zeit vor der Verabschiedung der UN-Charta zu vergegenwärtigen. Welche Erfahrungen brachten die Staaten damals dazu, die Charta zu diskutieren und zu unterzeichnen? Sind diese Erfahrungen heute möglicherweise verblasst?
    Mir erscheint es als sicher, dass Herr Trump, seine Angestellten und Berater einen Instinkt für die Schwächen der regelbasierten Weltordnung und ihre Partizipationspraxis haben; also komplizierte und lang dauernde Verständigungsverhältnisse und Abstimmungsmechnismen. Sie wissen genau, wie sie aus der gegebenen Situation ihren Vorteil ziehen zu können. Ein Verständnis demokratischer Ordnung benötigen sie allerdings nicht. Ebenso muss ein Boxer seinen Gegner nicht verstehen, sondern nur genau wissen, wo er ihn treffen muss.
    Und die gegenwärtige Situation Europas zu den USA? Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Erlebnis, das ich kürzlich an einem Samstag vormittag auf einem Fussballplatz hatte. Eine Mannschaft des Jahrgangs 2015 spielte gegen ein Team des Jahrgangs 2014. Europa schien dem Jahrgang 2015 zu entsprechen, die USA dem Jahrgang 2014. Die etwas Älteren besaßen etwas mehr körperliche Kraft und Schnelligkeit, vor allem aber hatten sie Trainingsvorteile und waren eingespielter. Den 2015igern fehlte es in allen diesen Belangen. Aber im Laufe des Spiel holten die Jüngeren auf und brachten den scheinbar übermächtigen Gegner immer häufiger in Verlegenheit. Der begann vorsichtiger zu werden und Fehler zu machen. Entscheidend schien mir zu sein, dass die 2014er nach den ersten Toren nicht anfingen, zu lamentieren und sich zu streiten, sondern sich einmal schüttelten und sich auf ihre Fähigkeiten besannen.

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

bruchstücke