- AfD: Die Henne oder das faule Ei?
- Don’t stop here now: Corona-Impfbus non grata
- Elon Musk zieht den Publikumsjoker
- Die Feigheit der Allmächtigen
AfD: Die Henne oder das faule Ei?
Wir müssen reden. Wir müssen darüber reden, dass wir offenbar weniger miteinander reden, weil wir mit mehr Menschen nichts zu tun haben wollen.
Ein AfD-Wähler, der einen SUV fährt, Jäger ist und einen Hund hat – mit dem möchte in Deutschland außerhalb seines Familienkreises so gut wie niemand etwas zu tun haben. Vor der Pandemie nicht und in der Pandemie erst recht nicht.
Es kommt selten vor, dass AfD-Wähler auch noch Klimaaktivisten und Flüchtlinge sind. Wären sie es, würden noch mehr Menschen noch weniger mit ihnen zu tun haben wollen.
Unter dem Titel „Politische Polarisierung in Deutschland“ hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer Stiftung gerade eine repräsentative Studie zum Zusammenhalt in der Gesellschaft veröffentlicht.
Worauf gründet sich sozialer Zusammenhalt? Zuerst und vor allem auf gegenseitige Anerkennung. Vielleicht schreibe ich einmal eine Anleitung zum Unglücklichmachen. Das erste Kapitel wird davon handeln, wie man anderen die Anerkennung entzieht. Anerkennung ist der soziale Sauerstoff. Wenn er knapp wird, geht den Menschen die Luft aus. Wird in Deutschland die Luft knapp?
Mit „Is mir egal“, der Grundhaltung der gewöhnlichen Großstädter, fängt es an. Weiter geht es mit Leuten, die bei Verkehrsunfällen mit Verletzten nicht anhalten oder, wenn sie stehen bleiben, dann um zu filmen und zu fotografieren. Nun ist die Coronakrise kein Unfall, aber Kranke, Schwerkranke und hunderttausend Tote allein in Deutschland pflastern ihren Weg. Rund die Hälfte aller Befragten erlebt das Verhalten ihrer Mitmenschen in der Pandemie als rücksichtslos, es macht ihnen sogar Angst.
Man kann darüber streiten, was den Hahn für sozialen Sauerstoff weiter zudreht, die Gleichgültigkeit „Is mir egal“ oder die Ablehnung „Das regt mich total auf“. Also ich persönlich rege mich nie auf, es sind immer nur die anderen, die mich aufregen. Und worüber regen die anderen sich auf, wo sind die Konfliktherde?
Das ist schon interessant: Starke oder sehr starke Konflikte zwischen Männern und Frauen sehen 20 Prozent, also jeder fünfte. Dagegen schätzen fast 70 Prozent die Konflikte zwischen Arm und Reich besonders hoch ein. Fast genauso konfliktbeladen wird das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern erlebt.
Die Polarisierung nimmt zu, sagt die Studie, aber nicht wegen der Pandemie.
Offensichtlich bergab geht es mit der politischen Kultur, seit die AfD mitmischt. Die AfD kann Demokratie nicht und will Demokratie nicht. Aber auch wir selbsternannten oder tatsächlichen Demokraten können mit AfD-Mitgliedern und -Wählern nicht umgehen. Wir empören uns lieber und meiden den Umgang mit ihnen. Selbst auf Datingportalen liest man die Aufforderung an AfD-Sympathisanten: „Please swipe left!“ Soll heißen: Bitte bloß nicht liken!
AfD-Wähler sind in Deutschland die Menschen, mit denen andere Menschen am wenigsten zu tun haben wollen; mit großem Abstand gefolgt von Klimaaktivisten, SUV-Fahrern, Jägern und Flüchtlingen.
Aber die große Frage der politischen Polarisierung in Deutschland kann auch die Studie nicht beantworten: Ist die AfD mehr Ursache oder mehr Folge, ist die AfD die Henne oder ein faules Ei.
Don’t stop here now: Corona-Impfbus non grata
Wenn keine Nachrichtensendung vergeht, ohne dass über Wirtschaftswachstum und Gewinne berichtet wird, wenn neben modernsten Industrieanlagen die Kühe weiden, wenn an fast jeder Haus- und Hofeinfahrt ein Schild hängt, auf dem, je nach Landesteil, privat, privé oder privato steht – dann bist du in der Schweiz.
Die Eidgenossen sind ein bisschen das Kleinbonum Europas. Sie haben zwar keinen Zaubertrank, aber sie haben Goldesel, die sie landesweit in ihren Banken füttern. Das Futter kommt aus allen Erdteilen. Ohne ein Schweizer Konto können die Reichen und Superreichen dieser Welt nicht ruhig schlafen.
Angeführt von Roche, dem weltweit größten Pharmakonzern, wächst und blüht in Basel am Rhein die Arzneimittelindustrie. Aber der Impfbus mit Arznei gegen Covid 19 an Bord darf im Bergdorf Alpthal, am Fuße des Großen Mythen im Kanton Schwyz – nicht Halt machen. Durchfahrt wird dem Bus gewährt – bringt aber nix, weil hinter dem Dorf zwar die Landschaft weiter geht, aber nicht die Straße. Gemeindepräsident Adelbert Inderbitzin, übrigens geimpft, sagt es so: „Es gibt in Alpthal kein Bedürfnis nach Impfungen.“
Der siebenköpfige Gemeinderat von Alpthal hatte den 600 Einwohnern nach seiner Oktobersitzung mitgeteilt: Keine Meldung, soll heißen, wir haben keine wichtigen Beschlüsse gefasst.
Anfang November berichtete allerdings die Regionalzeitung „Urbote der Schweiz“, dass doch eine Entscheidung getroffen wurde. Diese Entscheidung hat inzwischen weit über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus Widerhall gefunden: Der weiß-orange Impfbus mit der blauen Aufschrift „Notruf 144“, der im Rahmen einer nationalen Impfwoche durch den Kanton tourte, durfte in Alpthal nicht stehen bleiben. „Der Impfbus würde stundenlang in unserem Dorf stehen, ohne dass ihn jemand aufsuchen würde“, erläutert der Gemeindepräsident. Das heißt, wer in Alpthal lebt und jetzt noch geimpft werden möchte, tut gut daran, es in weiter entfernten Gegenden zu versuchen. Und das am besten heimlich und unerkannt.
Fahrendes medizinisches Personal hatte es ja auch schon in früheren Zeiten nicht leicht. Geschäftstüchtig neigte es dazu, Wunderheilungen zu versprechen und riskierte dabei, der Hexerei bezichtigt und vertrieben zu werden oder schlimmstenfalls am Galgen oder auf dem Scheiterhaufen zu enden.
Die Bewohner von Alpthal sind seit jeher ein wehrhaftes Volk. Sie entführten auch schon mal Mönche aus dem Kloster Einsiedeln und behielten sie als Geiseln. Deshalb wurden sie zwar vom Papst exkommuniziert, aber das stört ja keinen großen Geist.
Zurück in die Gegenwart. Den Kanton Schwyz zeichnet eine unterdurchschnittliche Impfbereitschaft aus bei aktuell überdurchschnittlich vielen Krankheitsfällen und steigenden Hospitalisierungen im Zusammenhang mit Covid-19. Ein Schweizer Nachrichtenportal hat vor Ort in Alpthal recherchiert und bei den Einwohnern viel Zustimmung zu dem Impfbus-Halteverbot gefunden. Unter der Reportage hagelt es Kommentare.
Solche: „Bravo! Gut gemacht! Ohne solche Entscheide wäre die Schweiz schon längst an die EU verscherbelt.“
Und solche: „Die Alpthaler wollen das Virus mit Kuhglocken, Kafiträsch und Motzen bekämpfen, träumen immer noch vom Tell, den es gar nicht gab.“ Kafiträsch, das ist übrigens Kaffee mit Schnaps. Ein Schnaps am Morgen, meint ein Alpthaler Naturbursche, ist die beste Medizin. Na dann Prost!
Elon Musk zieht den Publikumsjoker
Unter den Goldgräbern der Digitalisierung ist Elon Musk die schillerndste Figur, ausgestattet mit allem, was zu einem Superstar des Silicon Valley gehört: weltweite Aufmerksamkeit für jedes öffentliche Wort, dreistelliges Milliardenvermögen, jubelnde Fans, massenhaft Follower und Mitarbeiter, die ihn anhimmeln oder verteufeln. Der 50jährige ist schon heute eine Legende mit Bestseller-Biografie und Porträts zwischen Egomane und Erlöser. Also eine Kultfigur, auf die jeder seine Träume und Albträume projizieren kann.
Musk ist Mitbegründer von PayPal, sein Geld und seine Ideen stecken im privaten Weltraumunternehmen Space X, dem Energie-Unternehmen Solar-City, dem Hochgeschwindigkeits-Transportsystem „Hyperloop“ und dem Tunnelbau-Unternehmen „The Boring Company“, das Los Angeles von seinem chronischen Verkehrschaos befreien soll. Und er ist, das wissen nicht nur alle Menschen in Brandenburg, CEO des Elektro-Autobauers Tesla.
Elon Musk gilt gegenwärtig als der reichste Mensch der Welt. Der deutsche Bundeshaushalt verzeichnete im Jahr 2020 Einnahmen in Höhe von 310 Milliarden Euro. Musk hat mehr Geld. Sein Vermögen wird auf rund 320 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das ist mehr als der gesamte Inlandsumsatz der US-Pharmaindustrie in einem Jahr. Mit dem Vermögen des Technoking of Tesla geht es in einer Nacht mal um 36 Milliarden Dollar nach oben, dann, wie diese Woche, um 50 Milliarden nach unten.
In seiner Person kommt der ganze Wahnsinn des Finanzsystems zum Ausdruck: Wettkönige spekulieren und jonglieren in Höchstgeschwindigkeit mit Milliardensummen. Optionen, Futures, Swaps – wer nennt die Namen, zählt die undurchsichtigen Geschäfte -, in der Sache kommen sie über Stammtischniveau nicht hinaus: Es sind einfach nur Wetten auf die Zukunft, so etwas wie „Wetten dass“ für Milliardäre.
Und die Zukunft ist das, was für Musk einzig und allein zählt. Die Gegenwart interessiert ihn nur als Quelle für Gelegenheiten, die er nicht versäumen will. Das Geschäft mit der Zukunft ist ein Showgeschäft, das wissen alle Silicon-Valley-Visionäre und Elon Musk weiß es am besten.
Wie jetzt gerade wieder, als er in einer spektakulären Aktion den Publikumsjoker gezogen und seine Twitter-Follower gefragt hat, ob er zehn Prozent seiner Tesla-Aktien verkaufen soll. Zehn Prozent zum aktuellen Kurs, da reden wir über 21 Milliarden US-Dollar.
Wer bei Wetten das Verlustrisiko klein halten will, spielt am besten ein abgekartetes Spiel. Die Twitter-Umfrage löste natürlich Kursverluste der Tesla-Aktie aus. Kimbal Musk, der Bruder von Elon Musk, verkaufte einen beachtlichen Anteil seiner Tesla-Aktien genau einen Handelstag vorher. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nur zwei Tage später hätte er 18 Millionen Dollar weniger bekommen.
Elon Musk hat nach seiner aufsehenerregenden Twitter-Abstimmung tatsächlich einige Aktien verkauft – das erste mal seit 2016. Aber – auch hier gibt es wieder ein ABER – aus einer Mitteilung der US-Börsenaufsicht geht hervor, dass dieser Verkauf bereits über zwei Monate vor dieser Abstimmung geplant war.
Welches Spiel Elon Musk mit der Abstimmungs-Show und dem anschließenden Aktien-Verkauf im Wert von 5 Milliarden tatsächlich treibt, – er wird es schon wissen. Hat es etwas mit den Plänen der regierenden Demokraten zu tun, die auch den Besitz und nicht nur den Verkauf von Aktien besteuern wollen? Von außen blickt selbst der Spiegel nicht durch: „Was Musk mit der Abstimmung letztlich bezwecken wollte und inwieweit er ohnehin vorhatte, Aktien zu verkaufen, darüber kann bislang nur spekuliert werden.“
Vielleicht ist es so einfach wie die Popgruppe Abba singt: “Money, money, money, Must be funny In the rich man’s world”.
Die Feigheit der Allmächtigen
197 Nationen verhandeln im schottischen Glasgow über die Zukunft des Klimas auf unserem Planeten. Wissenschaftliche Stimmen warnen, dass die Erde auf eine Erwärmung von 2,7 Grad zusteuert – mit allen fürchterlichen Folgen für die Lebens- und Überlebenschancen von Pflanzen, Tieren und Menschen. Der UNO-Generalsekretär spricht von einem drohenden „massiven Verlust von Menschenleben“. Pflanzen und Tiere sterben schon jetzt in Massen aus.
197 Staaten beraten sich auf der 26. Weltklimakonferenz, einige Staatschefs fehlen. Die aus Andorra und Liechtenstein? Nein. Aus Russland Wladimir Putin und aus China Xi Jinping. China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern hat den mit Abstand höchsten CO2-Ausstoß, rund 30 Prozent der globalen Emissionen gehen auf Chinas Konto. Dahinter folgen die USA, Indien und Russland.
Die bloße Teilnahme an der Konferenz muss nichts bedeuten; es kann, wie Greta zu Recht befürchtet, auch nur Blabla herauskommen. Aber nicht teilzunehmen, sagt etwas aus: Die Flucht vor Öffentlichkeiten, die sie nicht unter Kontrolle haben, ist für große Führer typisch.
Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob eine kritische Öffentlichkeit die Mächtigen kontrolliert, oder ob die Machthaber die Öffentlichkeit kontrollieren. „Diktatorenschweine“ gibt es eben nicht nur auf Orwell’s „Farm der Tiere“.
Moderne Tyrannen, die praktizierenden ebenso wie die Wannabes a la Trump, machen zwei Sachen am liebsten: Erstens eigene Probleme und Fehler vertuschen oder leugnen. Zweitens prächtige Kulissen aufbauen, potemkinsche Dörfer errichten. In ihren Regierungszentralen sind sie umgeben von Speichelleckern und Jasagern. In Glasgow müssten sie damit rechnen, auf protestierende Demonstranten zu treffen, Demonstranten, die sie zuhause verprügeln, verhaften und verschwinden lassen. In ihren Ländern setzen sie mit Propaganda und Gewalt Lügen als staatlich anerkannte Wahrheiten durch. Vor der Weltöffentlichkeit aber laufen sie Gefahr, als nackte Kaiser dazustehen. Deshalb lassen sie sich dort nicht blicken.
Putin und Xi Jinping ist es egal, wenn der Rest der Welt den Eindruck bekommt, dass es ihnen egal ist, ob und wie es mit dem Leben auf der Erde weitergeht.
Um das Leben auf unserem Planeten zu zerstören, haben die Menschen gegenwärtig zwei Möglichkeiten: Die Overkill-Kapazitäten der atomaren und biologischen Waffen einzusetzen und einfach so weiter zu wirtschaften wie bisher. So weiter zu machen, dazu scheinen nicht nur Russland und China, sondern auch andere große Industrienationen wild entschlossen zu sein – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz. Dem amerikanischen Präsidenten jedenfalls ist auch nicht viel mehr eingefallen, als zu hoffen und zu beten, „May God Save The Planet“. Nach wissenschaftlichen Schätzungen sollen allein in unserer Galaxie 50 Milliarden Planeten unterwegs sein. Da hat Gott einiges zu tun, wir werden uns schon selbst um unsere kleine Erde kümmern müssen. Und das jetzt, später ist zu spät, denn sogar Boris Johnson gibt zu: es ist eine Minute vor zwölf auf der Untergangsuhr.
In der „Konferenz der Tiere“, einem Buch für Kinder und Kenner von Erich Kästner, macht uns Elefant Oskar Hoffnung: „Wir werden die Welt schon in Ordnung bringen! Wir sind ja schließlich keine Menschen!“