Die ‚besten‘ Quellen entdecken

„Discover the best sources for any topic“ – Screenshot des Feedly-Readers

Eine kleine Beobachtung aus den sozialen Medien: Wenn man den sehr guten RSS-Reader Feedly installiert, hat man die Möglichkeit, sich die RSS-Feeds von Nachrichtenangeboten oder Blogs zu bestimmten Themenkreisen empfehlen zu lassen. Diese sind standardmäßig nach dem sogenannten Feedly-Score sortiert, der nicht nur die Reichweite innerhalb des Feedly-Systems, sondern auch die thematische Fokussierung und das Engagement der Nutzer abbildet, um so eine Art Index für Relevanz und Einfluss zu generieren. Das Resultat sollte uns zu denken geben.

Wenn man das Stichwort #politik eingibt und die Angebote nach deutscher Sprache filtert, kommen einem erstmal erwartbare Marken aus dem professionellen Journalismus entgegen: n-tv als Spitzenreiter, es folgen Spiegel, ZEIT, Focus, taz. Dann erscheint auf Platz 6 das erste Blog, die Nachdenkseiten, ein eher polarisierendes Angebot aus dem linken Spektrum, bevor es mit SZ, FAZ und Deutschlandfunk weitergeht.

Jetzt wird es interessant. Verteilt auf den folgenden Rängen zwischen ehrenwerten Mainstream-Marken wie Tagesschau und linker Schrankware wie Neues Deutschland oder Junge Welt findet sich das ganze Panoptikum (rechts)populistischer Desinformation. Platz 10: Tichys Einblick, Platz 13: Achse des Guten, Platz 18 Junge Freiheit, Platz 19: Alles Schall und Rauch, Platz 21: Russia Today (engl.), Platz 22: Rubikon Magazin, Platz 23: KenFM, Platz 24: Sputnik Nachrichten, Platz 26: Politically Incorrect, Platz 31: Russia Today (dt.), Platz 34: Compact, Platz 35: NEOPresse, Platz 37: Epoch Times, Platz 38: Philosophia Perennis, usw. usf. Wenn ich das Sortierungskriterium auf „Relevanz“ (lt. Feedly Blog: „how focused is the source on the given subject“) ändere, ergibt sich ein ähnliches Bild.

Meine Lehre aus dieser Beobachtung: Im Feedly-Feld finden sich natürlich auch die großen seriösen Medienmarken und einzelne aufklärerische und/oder liberale Angebote wie netzpolitik, lobby control oder Volksverpetzer. Darüber hinaus ist die politische deutsche Blog-Öffentlichkeit (Nutzung von RSS ist hier das Distinktionsmerkmal) mittlerweile jedoch massiv von aktiven und gut vernetzten rechtspopulistischen Quellen und strategischer Desinformation durchsetzt. Dazu gehören propagandistische Profi-Angebote wie die Epoch Times oder Russia Today und Sputnik, aber auch aktive Einzel- und Gruppenblogs wie Tichys Einblick oder die Achse des Guten. Die Sichtbarkeit dieser Quellen übersteigt aus meiner Sicht deren gesellschaftlichen Rückhalt bei weitem und zeigt erneut, dass wir es hier mit einer extrem artikulierten und aktiven Gegenöffentlichkeit zu tun haben, die die traditionellen Blog-Schauplätze ziemlich erfolgreich besetzt hat.

Dies ist natürlich kein wissenschaftlicher Befund. Feedly zeigt uns hier nur einen kleinen, aber wahrscheinlich durchaus typischen Einblick in ein Milieu, in dem mittlerweile die Gegenaufklärer artikulierter sind als die Aufklärer. Der Appell geht an alle, die das bedenklich finden: Es ist dringend an der Zeit, dass wir aus unseren bequemen Wohnzimmerecken herauskommen und den Anteil an evidenzbasierten und aufklärerischen Angeboten auch in der politischen Blogosphäre wieder stärken.

Lorenz Lorenz-Meyer
Lorenz Lorenz-Meyer ist seit 2004 Professor für Onlinejournalismus an der Hochschule Darmstadt. Nach seiner philosophischen Promotion an der Uni Hamburg arbeitete er von 1996 bis 2001 als Redakteur bei Spiegel Online und Zeit Online. Im Anschluss war er Internetberater für die Bundeszentrale für politische Bildung und die Deutsche Welle.

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