Trumps Politik lebt von der Eskalation

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Sollen wir wirklich glauben, dass Trump und sein Apparat eines Tages bereit sein werden, die politische Macht freiwillig wieder abzugeben? Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Trump-Regierung die USA in den kommenden Jahren stattdessen in eine Art Bürgerkrieg hineinführen wird.“ Im April 2017 veröffentlichte die Wirtschaftszeitung OXI ein Interview mit dem Soziologen Sighard Neckel über Rolle und Wirken von rechten Populisten in kapitalistisch verfaßten Demokratien. Sighard Neckel ist Professor für Gesellschaftsanalyse und sozialen Wandel an der Universität Hamburg. Er antwortete damals, vor rund drei Jahren, auf Fragen, wie gefährlich und mächtig rechte Populisten sind.

Frage: Aber der Front National liegt schon lange zwischen 20 und 30 Prozent, kam jedoch noch nie an die Regierung. Norbert Hofer hat in Österreich gegen den grünen Präsidentschaftskandidaten Van der Bellen klar verloren. Trump hat in absoluten Zahlen gut zwei Millionen Stimmen weniger erhalten als Hillary Clinton, eine der verhasstesten Vertreterinnen des US-Establishments. Werden die Gefahren nicht übertrieben?

Sighard Neckel: In der Tat sehe ich die Entwicklung als dramatischer an. Auch Hitler hatte in den freien Wahlen bis 1933 nie die Mehrheit errungen. Schauen Sie sich die Politik von Trump in den ersten Wochen nach Amtsantritt an. Autokraten wie er nutzen, gerade wenn sie unvorhergesehen an die Macht gekommen sind, ihre Regierungsposition sogleich, um dafür zu sorgen, dass ihnen die Macht mit demokratischen Mitteln möglichst nicht mehr genommen werden kann. Das hat Putin so gemacht, so handelt Erdogan, Trump folgt ihnen offenbar. Denken Sie nur an den Generalangriff von Trump auf kritische Medien und die unabhängige Justiz. Oder an seine Politik der Dekrete. Das hat System. Da ist es nicht mehr weit zu einer Art Notstandspolitik. Sollen wir wirklich glauben, dass Trump und sein Apparat eines Tages bereit sein werden, die politische Macht freiwillig wieder abzugeben? Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Trump-Regierung die USA in den kommenden Jahren stattdessen in eine Art Bürgerkrieg hineinführen wird.

Frage: Übertreiben Sie nicht?

Sighard Neckel: Hoffen wir es. Aber Trumps Politik lebt letztlich von der Eskalation, vom Angriff auf die demokratischen Institutionen, die bei seinen Unterstützern so viel Hass auf sich gezogen haben. Dies birgt zwangsläufig eine Eigendynamik in sich, in der er sich politisch nur behaupten kann, wenn er die Angriffe auf die liberale Demokratie weiter steigert. Kämen dann noch größere Anschläge, Attentate oder außenpolitische Krisen hinzu, könnte er die Flucht nach vorn antreten und auch vor kriegerischen Auseinandersetzungen nicht zurückschrecken, gegen den Iran oder im südchinesischen Meer.

Wolfgang Storz
Dr. Wolfgang Storz (sto), (*1954), arbeitet als Publizist, Kommunikationsberater und Coach, zuvor tätig bei Badische Zeitung, IG Metall und Frankfurter Rundschau. Das Foto gibt eine jüngere Ausgabe der Person wieder.

2 Kommentare

  1. Klug vorausgeschaut.
    US-Medien spekulieren aktuell schon über Vorbereitungen zu einem Militärputsch.
    Ich halte die gegenwärtigen Einsätze der Nationalgarde für eine Mischung aus Machtdemonstration und „volkserzieherische“ Übungsmaßnahme. Es geht nicht um einen Militärputsch, bei dem die Armee übernimmt, sonden um die Gewöhnung an den AUSNAHMEZUSTAND.
    Das ist strategisch clever gedacht. Immerhin leben die Corona-infizerten Länder bereits seit einigen Monaten in einem Ausnahmezustand anderer Art. Und der Anschluss an frisch Eingeübtes ist der beste Trick, um ähnlich weitermachen zu können.
    Ich zitiere den „verbrannten“ Carl Schmitt (von dem behauptet wird, man dürfe ihn nicht lesen, weil man sich infizieren könne):
    „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. (…) Der Ausnahmefall offenbart das Wesen der staatlichen Autorität am klarsten (…) die Autorität beweist, dass sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht. (…) Die Ausnahme ist interessanter als der Normalfall. Das Normale beweist nichts, die Ausnahme beweist alles; sie bestätigt nicht nur die Regel, die Regel lebt überhaupt nur von der Ausnahme.“
    Carl Schmitt: Politische Theologie, 1922

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