Ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) habe er „schon immer falsch gefunden“, unterstrich der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Olaf Scholz in der zurückliegenden Woche. Ver.di-Ökonom Dirk Hierschel, der einmal ein SPD-Vorsitzender werden wollte, bescheinigte Scholz via Twitter „guten Klartext“ und haute in dieselbe Kerbe: „Ein BGE fördert Kombilöhne, zerstört Tarifverträge, schwächt die Gewerkschaften und sozialen Sicherungssysteme. Finger weg!“ Nicht für möglich zu halten, dass heute richtig sein könnte, was man schon vorgestern falsch fand, ist eine bewährte Methode, aus der Zeit zu fallen und an alten Fronten Nachhutgefechte zu führen. Das Vorstellungsvermögen wird an die Kette gelegt wie ein Hund, der den Aktionsradius vor seiner Hütte nicht übertreten darf. Weshalb tun sich gute alte sozialdemokratische und gewerkschaftliche Köpfe so schwer, im BGE einen diskussionswürdigen Lösungsvorschlag zu sehen? Weil sie nicht weiter denken, weil sie als intellektuelle Wiederkäuer in der politischen Landschaft stehen.
Sozialdemokratische Gewerkschafter und gewerkschaftliche Sozialdemokraten – als Frauen kommen sie seltener vor – glauben an die Arbeit wie andere an die Sterne, heilige Kühe oder geheimnisvolle Mächte und betrügen sie gleichzeitig laufend mit der Wirtschaft. Diese Inkonsequenz, die Arbeit zu verehren und zu beschwören, aber sobald größere Schwierigkeiten auftauchen, sie der Wirtschaft unterzuordnen, dürfte die Wurzel des Glaubwürdigkeitsdefizits der SPD sein. Warum passt das BGE, warum passt eine nicht selbst erarbeitete Bezahlung, die Hinz und Hanni, Kunz und Nanni zugute kommt, nicht in das sozialdemokratische Weltbild? Oder komplizierter gefragt: Warum hält ein waschechter Sozialdemokrat für Neoliberalismus, was weit schärfere Kritiker des Neoliberalismus als ein gutes Instrument zum Schutz vor Neoliberalismus anbieten und anpreisen? Wie das geneigte Publikum schon befürchtet, muss eine Antwort darauf etwas weiter ausholen.
Unten diente und sorgte die Arbeit
Bis in die Neuzeit hinein war Arbeit das Minderwertige, das nicht Gesellschaftsfähige, Sache der Sklaven, Heloten, Leibeigenen, Mägde und Knechte. Die (adligen) Herrschaften, Priester und Krieger waren oben, unten diente und bediente, sorgte und besorgte die (landwirtschaftliche, reproduktive und handwerkliche) Arbeit. Der Auflösungsprozess der alten Verhältnisse lief über das Geld und den Geist, nicht über die Arbeit. Geld und Bildung setzten sich erst neben die, dann an die Stelle der Throne und Altäre. Die Arbeit blieb unten, wie an den Proletarisierungsprozessen des 18. und 19. Jahrhunderts zu erkennen ist.
Moralisiert, heroisiert, empor philosophiert
Um ihren Kampf um Teilhabe an Geld und Bildung zu begründen, um sich eine Legitimationsgrundlage ihres Emanzipationsprozesses zu schaffen, haben die Protagonisten der Arbeit die große und großartige Erzählung gedichtet von der Arbeit als der Mutter allen Reichtums, als einziger wertschöpfender Kraft und als den eigentlichen Menschen bildenden Prozess. Das ist die große Erzählung, an deren Lippen (nicht nur) Scholz & Co bis heute hängen. Die „Menschwerdung des Affen“, schrieb Friedrich Engels, sei der Arbeit zu verdanken. Arbeit „ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, dass wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen“. (Vorsichtig nachgefragt: Wenn Karl Marx die Möglichkeit einer Befreiung von der Arbeit thematisiert, zieht er dann die Abschaffung des Menschen in Erwägung? Das sollen die Marxisten unter sich klären). Seit rund 200 Jahren wird Arbeit, angeführt vom real nicht mehr existierenden Sozialismus (und auf perverse Weise imitiert vom Nationalsozialismus), moralisiert, heroisiert und auf der Himmelsleiter der Bedeutungen empor philosophiert.
Lebenssinn-Girlanden und Selbstverwirklichungs-Schleifchen
Zu der Vergötzung der Arbeit sehe ich zwei Gegenpositionen, zum einen die kapitalistische Praxis und zum anderen die theoretische Reflexion. Die kapitalistische Praxis ist trivial, beginnen wir mit den theoretischen Schwierigkeiten. Die große Erzählung der Arbeit hätte ohne beachtliche Realitätsbezüge nicht so viel Überzeugungskraft entfalten können. Immerhin sind Menschen tätige Wesen und an der Notwendigkeit dieser Form des Tätigseins, die wir gewohnt sind, Arbeit zu nennen, kann nicht gezweifelt werden. Handelt es sich doch um die Lösung existentieller natürlicher und sozialer Probleme wie Nahrung, Kleidung, Erziehung, Pflege in ihren jeweiligen historischen Ausprägungen. Um Tätigkeiten im Reich der Notwendigkeit eben.
Arbeit ist ein Mittel. Wenn ein Mittel als höchster Lebenszweck proklamiert wird, ist von Leichtgläubigkeit abzuraten. Man mag die Arbeit mit Lebenssinn-Girlanden und Selbstverwirklichungs-Schleifchen schmücken wie einen Maibaum mit Kränzen und Bändern, sie bleibt ein Mittel. Und als Mittel wofür auch immer kann sie keine freie und selbstbestimmte Tätigkeit sein, das könnte sie nur, wenn sie ihr Ziel und ihren Zweck in sich trüge. Diese einfache Überlegung fällt den Generationen leichter, für die die Existenzkämpfe und die Gedankenwelt der Arbeiterbewegung höchstens ein Kapitel im Geschichtsbuch sind.
Karl Marx hat den Unterschied stark gemacht, ob die Arbeit ein Mittel ist, um Gebrauchswerte zu erzeugen oder um Tauschwerte zu realisieren. Dahinter steht die Frage, ob es das erste wirtschaftliche Ziel ist, Güter zu produzieren und Dienste zu leisten, oder ob die Güter und Dienste selbst wieder nur Mittel sind, um das investierte Geld zu vermehren. Arbeit wird in beiden Fällen dafür gebraucht. Allerdings ist der Unterschied, ob es primär um den Gebrauchs- oder den Tauschwert geht, für die Arbeitstätigkeiten und für diejenigen, die sie leisten, folgenschwer. Das ist ein weites Feld, hier konzentrieren wir uns auf nur eine Furche, den Prozess der Kommerzialisierung.
Geld als Champion der Gesellschaft
Die kapitalistische Praxis, der es ums Geld geht, will verkaufen; deshalb versucht sie alles, das Materielle wie das Immaterielle, käuflich zu machen. Der Prozess der Kommerzialisierung hat sich seit Beginn der Neuzeit bis in die heutige Globalisierung hinein so erfolgreich durchgesetzt, dass Geld zum Champion der Gesellschaft wurde. Praktisch alle Zugänge nicht nur zu den erfreulich expandierenden Möglichkeiten der Lebensgestaltung, sondern auch zu den schlichten Notwendigkeiten der Lebensführung laufen inzwischen über Bezahlung. Was man auch nehmen, woran man auch teilnehmen will, meistens muss man Geld dafür ausgeben. Entsprechend wichtig wird der Zugang zu Geld. Benötigt wird ein sicheres Einkommen (am besten ein Vermögen), das kontinuierliche Zahlungsfähigkeit garantiert. Das Einkommen kann unregelmäßig fließen, es muss nur groß genug sein, um die regelmäßig anfallenden Zahlungen leisten zu können. Unsicher, unregelmäßig und (zu) niedrig, ist schlecht.
Der Weg zu Geld ist mit bezahlter Arbeit gepflastert, der eigenen (bei Selbständigen und bei abhängig Beschäftigten) oder der Arbeit anderer Leute (bei Finanzinvestoren, seien es Unternehmer oder Spekulanten). Der durchaus berechtigte Stolz der Arbeiterbewegung, jetzt sind wir wieder bei Scholz & Co, beruht darauf: Dank ihrer Selbstorganisation in Gewerkschaften und der politischen Unterstützung von Arbeiterparteien, dank Tarifverträgen, partieller Mitbestimmung und sozialstaatlichem Schutz schafften es die früheren Proletarier, bessere Arbeitsbedingungen und für ihre Arbeitsleistungen ein halbwegs sicheres, regelmäßiges und auskömmliches Einkommen durchzusetzen. Sie konnten auf ihre bezahlte Arbeit eine eigenständige soziale Existenz gründen, dank ihrer Löhne und Gehälter eigene Kaufentscheidungen treffen und als Konsumenten auftreten, sie wurden dann sogar als politisch gleichberechtigte Demokraten und überhaupt als freie und gleiche Menschen anerkannt.
Was der Kandidat ignoriert und nicht wahrhaben will
Die Arbeitsleistung, oft mehr schlecht als recht bezahlt, sei’s drum, bildet den Grundstein der eigenständigen sozialen und der gleichberechtigten politischen Existenz. So erleben und sehen es die meisten. Und in diese Erfahrungswelt hinein rufen jetzt Leute, die mit den Traditionen der Arbeiterbewegung meistens eher weniger zu tun haben, nach nicht selbst erarbeiteten Zahlungen für alle. Weil die eigene Arbeitsleistung als Garant der sozialen Existenzfähigkeit durch das BGE ersetzbar wird, erscheint es Scholz & Co so, als würde den Menschen der Boden unter den Füßen weggezogen – als feiere der Neoliberalismus hier einen Sieg.
Das Problem, das Scholz & Co ignorieren, die Entwicklung, die sie nicht wahrhaben wollen, liegt genau hier: Die kapitalistische Praxis hat die Arbeitsleistung noch nie primär als soziale Existenzquelle der Einzelnen respektiert (andernfalls hätte es der Kämpfe der Arbeiterbewegung nicht bedurft), sondern stets unter der Maßgabe der Brauchbarkeit für die Verwertung der Investitionen behandelt. Brauchbare Arbeit für den globalisierten und digitalisierten Wirtschaftsprozess sieht anders, jedenfalls nicht so wie in den alten industriellen Beziehungen aus. Das wurde inzwischen tausendmal beschrieben und unter Stichworten wie Flexibilität, Agilität, Mobilität, Entgrenzung abgehandelt. Scholz & Co sehen das, fördern es zum Teil sogar, sie sehen und beklagen auch die Schattenseiten, die negativen Folgen für die Arbeit wie Prekarisierung, wachsende soziale Unsicherheit und soziale Spaltung. Riesiger Reichtum häuft sich bei Wirtschaftsakteuren an (die sich zum Beispiel ganze Alpendörfer kaufen wie der tschechische Milliardär Radovan Vítek den Schweizer Skiort Crans Montana), während viele individuelle Arbeitskräfte um ein Einkommen bangen müssen, das ihnen ein Auskommen sichert.
Es tritt genau das vermehrt auf, was als schlechtes Einkommen bezeichnet werden muss: unsicher, unregelmäßig, zu niedrig. Scholz & Co bejammern den Rückfall in alte Zeiten und wollen die Lösungen von gestern. Wenn man sich die Entwicklung und den aktuellen Zustand der Gewerkschaften und des Sozialstaates anschaut, national und erst recht international, spricht wenig dafür, dass die alten Lösungen zu neuen Kräften kommen. Es bedarf neuer Lösungen und das BGE ist eine davon.
Geldfürsten und Arbeitsprediger spielen sich die Bälle zu
Die Wirtschaft, jedenfalls die allermeisten ihrer Leistungsträger und Experten, hat das BGE genauso wie Scholz & Co immer schon für falsch gehalten. Plötzlich bekämen Menschen, die vorher ohne dastanden, in erster Linie Frauen, Geld, für das sie nicht selbst gearbeitet haben. Dass dieses Grundeinkommens-Geld nicht vom Himmel fällt, sondern nur von denen kommen kann, die Geld haben, das ahnt die Wirtschaft und möchte es lieber nicht herausrücken. Scholz bedient diese Wirtschaftsposition mit seiner Behauptung, „und wenn man fair und richtig rechnet, ist das auch unbezahlbar“. Zur Finanzierbarkeit weiß selbst wikipedia mehr als der Kanzlerkandidat; noch mehr lässt sich mit Hilfe der Literaturliste des Netzwerks Grundeinkommen erfahren.
Die Wirtschaft verspricht lieber, mit dem Geld Arbeitsplätze zu schaffen, beziehungsweise droht, Arbeitsplätze abzuschaffen, sollte ihr Geld weggenommen werden. Mit diesem Versprechen und mit dieser Drohung bestreiten Unternehmen und Arbeitgeberverbände seit jeher und jenseits aller Grundeinkommensdebatten 90 Prozent ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Geldfürsten und Arbeitsprediger spielen sich hier die Bälle zu.
Gewerkschaftliche Sozialdemokraten und sozialdemokratische Gewerkschafter werden es wahrscheinlich nicht begreifen, aber vielleicht werden sie es erfahren: Sowohl die Suche nach etwas Besserem als Arbeit, nämlich nach Tätigkeiten, die ihren eigenen Sinn haben und auf eigener Entscheidung beruhen, als auch die Verweigerung von schlechter Arbeit werden zunehmen. Diese Suche und diese Verweigerung finden im BGE einen gemeinsamen Weg. Gute Arbeit darf gerne als Dritte im Bunde dabei sein.
Das bedingungslose Grundeinkommen hat zwei historische Traditionen in der Geschichte des Kapitalismus (auch vorher gab es ähnliche Utopien). Eine stammt aus dem Ideengebäude des utopischen Sozialismus. Die schärste Kritik daran hat damals der junge Marx (1844) formuliert. Er bezeichnet es als „Rückkehr zur unnatürlichen Einfachheit des armen und bedürfnislosen Menschen, der nicht über das Privateigentum hinaus, sondern noch nicht einmal bei dem selben angelangt ist“. Die neoliberale Tradition geht auf den marktradikalen Ökonomen Milton Friedman zurück, der 1960 eine „negative Einkommenssteuer“ als eine Art von Basiseinkommen vorgeschlagen hatte. In dieser Tradition stehen heute andere, der Unternehmer Götz Werner, der frühere CDU-Politiker Dieter Althaus, die CEOs von Siemens und Deutscher Post, Joe Kaeser und Timothy Höttges, der Ökonom Thomas Straubhaar, früher Präsident des neoliberalen Hamburger Weltwirtschaftsarchivs und andere mehr. Es kann daher keine Rede davon sein, dass „die“ Wirtschaft, ein BGE ablehnen wird. Es kommt darauf an, was es sie kostet. Damit sind wir bei der Frage, was dieses BGE kostet. Marcel Fratzscher, Chef des DIW, das eine Studie über die Effekte des BGE plant, rechnet bei einer Höhe von 1200 € pro Monat mit Kosten von rund 1,3 Bio. € pro Jahr. Um diese zu finanzieren, steht ein Volkseinkommen von 2,6 Bio. € zur Verfügung, wovon 68 % Löhne und der Rest Gewinn- und Vermögenseinkommen sind. Aus dem Sozialbudget, das als Finanzierungsbasis gerne genannt wird (970 Mrd. €) stehen nur höchstens 150-200 Mrd. € zur Verfügung, weil der Rest als Leistungen einer beitragsfinanzierten Sozialversicherung eigentumsrechtlichen Schutz hat und als Finanzierungsmittel nicht zur Verfügung steht. Alle Leistungen der Gesundheitsversorgung werden auch unter den Bedingungen eines BGE weiter benötigt. Ich wünsche den BGE-Freunden viel Freude, wenn sie den Unternehmen erklären, dass sie neben Körperschafts- und Gewerbesteuer noch rund die Halfte ihrer Gewinne für ein BGE abgeben müssen und wenn sie den abhängig Beschäftigten sagen, dass sie für ihre Löhne weitere 40 % für Steuern entrichten müssen – neben den bestehenden Steuern. Im theoretischen Modell ist das denkbar. Es können nur Stromgrößen, also Kapitaleinkommen und Arbeitsentgelte besteuert werden, nicht aber Bestandsgrößen, wie z.B. der Kapitalstock einer Gesellschaft. Im Modell einer Fantasieökonomie kann das alles besteuert werden, aber auch nur in der Fantasie. Dieselbe ist vermutlich mit Hans-Jürgen Arlt durchgegangen – aber es gilt weiterhin: It`’s the Economy, Stupid.
Seine ökonomische Kompetenz hat Michael Wendl in vielen Diskussionsbeiträgen unter Beweis gestellt. Es verdient immer Aufmerksamkeit, wenn er sich zu Wort meldet. Er könnte allerdings auch wissen: Auf die Kostenlitanei, auf das Vorrechnen kaprizieren sich immer diejenigen, die etwas ablehnen, die etwas zurückweisen wollen aus welchen Gründen auch immer. Die Gewerkschaften wissen am besten, wie oft die deutsche Wirtschaft schon bankrott gerechnet wurde wegen jedes Versuchs, abhängig Beschäftigen das Leben und das Arbeiten ein wenig leichter zu machen. Der Mindestlohn fällt mir gerade ein.
Die Kostenrechnung ist in einer Gesellschaft, die zwischen Aufwachen und Einschlafen alles in Geld umrechnet, natürlich das Lieblingsargument. Ohne Zweifel müssen sich die Befürworter des BGE dem stellen, denn erstmal machen sie ja auch nichts anderes als Lebensmöglichkeiten in Geld zu übersetzen. Aber wer die heutigen Finanzverhältnisse, die privaten, die öffentlichen und die staatlichen Gelder vor auch nur, sagen wir der runden Zahl wegen, zehn Jahren als Rechenaufgabe gestellt hätte, hätte nur eines gehört: absolut unrealistisch, einfach unmöglich.
Gesellschaftlicher Strukturwandel, und um nicht weniger geht es, ist keine Rechenaufgabe, weder der soziale noch der ökologische; er ist eine politische Gestaltungsaufgabe, Politik verstanden als Zusammenspiel zivilgesellschaftlichen Engagements und staatlichen Entscheidens.
p.s. Im übrigen sind erfolgreiche Wirtschaftsakteure bis kurz vor ihrem Durchbruch oft die größten Phantasten (gewesen); freilich auch diejenigen, die nicht erfolgreich durchgebrochen, sondern desaströs eingebrochen sind. Egal, wer Fantasie und Ökonomie gegeneinander ausspielt, ist in der Weltwirtschaft nicht angekommen.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist gerade keine gesellschaftspolitische Innovation, sondern ein Ladenhüter – auf beiden Seiten der theoretischen Traditionen. Die neoklassisch fundierte ökonomische Theorie ist darüber hinweg und plädiert inzwischen für groß dimensionierte öffentliche Investitionsprogramme. Ökonomie-theoretisch fordert sie eine deutliche Zunahme der Staatsverschuldung, wie das C.C. von Weizsäcker und Hagen Krämer in ihren Buch „Sparen und Investieren im 21. Jahrhundert“ (2019) zeigen. Der moderne oder Post-Keynesianismus hat davon noch nie etwas gehalten, weil er auf Vollbeschäftigung und nicht auf den Abschied von der Arbeitsgesellschaft zielt. Der moderne Sozialismus will eine soziale Kontrolle der Investitionen und eine bewusste Berücksichtigung der Naturverhältnisse. Die Modern Monetary Theory zielt ebenfalls auf die Sicherung der Beschäftigung und ein Ende der politisch gewollten Geldverknappung, die die Arbeitslosigkeit hoch hält. In ökonomischen Fragen ist alles in Bewegung. Nur ein kleines Dorf von quasi-religiös Überzeugten fordert den Abschied von der Arbeitsgesellschaft und schottet sich von diesen makroökonomischen Diskussionen ab, so als handele sich dabei um Fremdsprachen. Das Fatale daran ist, dass dieses Dorf um ein gesellschaftliches Gnadenverhältnis bettelt, damit die auf Erwerbsarbeit konzentrierte Gesellschaft diesem Dorf die finanziellen Ressourcen spendet, damit die Bewohner eine bescheidene Rentiersexistenz fristen können. Angesichts dieser ökonomischen Konstellation ist es geradezu absurd, ausgerechnet die Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens als intellektuelle Wiederkäuer zu verhöhnen zu versuchen, Das intellektuelle Wiederkäuen verblichener Utopien findet bei den Freunden dieses Grundeinkommens statt. Mich erinnert das an die Zeit zwischen 1992 und 2003, als die Gewerkschaften intellektuell verwirrt und verirrt ihre traditionelle makroökonomische Kompetenz verloren hatten und „Jenseits der Beschlußlage“ – so der Text eines damals für innovativ gehaltenen Buches – in die neoliberale Sackgasse gestolpert waren, die dann mit dem Bündnis für Arbeit an einer Mauer geendet hatte. Inzwischen sind die Gewerkschaften darüber hinweg und auch die SPD ist auf dem Weg darüber hinweg zu kommen. Hans-Jürgen Arlt, nicht zufällig Pressesprecher des DGB in dieser Zeit der Verwirrung, befindet sich offensichtlich noch in dieser Gasse und jammert, dass die früheren Weggefährten nicht mehr da sind.
Sehr schön! Jetzt fängt es tatsächlich an, spannend zu werden. Heute habe ich leider keine Zeit, nein, nicht Arbeit steht im Weg, sondern selbstbestimmte, sich selbst genügende Tätigkeit. Morgen (Mittwoch) kommentiere ich.
Mir fällt auch wie Hans-Jürgen Arlt auf, dass vor allem Gewerkschaftler und Sozialdemokraten seit Jahren reflexhaft das Konzept des BGE sofort in die Tonne treten. Eine Abwägung, was ist gut daran und was schwierig, wird von ihnen nicht einmal in Erwägung gezogen. BGE wird als Idee aus dem Lager des Feindes behandelt. Ton und Stil und Absicht spielen auch eine wichtige Rolle.
Kurz eine Erinnerung: Genauso rigoros haben die meisten Einzelgewerkschaften — vor allem die Industriegewerkschaften — Anfang der 2000er Jahre den Mindestlohn überheblich und ohne viele Worte abgetan. Hätte es in 2004/5 zur Einführung von HartzIV einen ordentlichen Mindestlohn gegeben — es wird ja erzählt, die Regierung Schröder habe das den Gewerkschaften angeboten, die hätten es rundweg abgelehnt —, dann wären die sozialen und psychischen Folgen der Hartz-Gesetzgebung vermutlich nicht so verheerend gewesen.
Seit Jahren sehen inzwischen alle Gewerkschaften im Mindestlohn einen riesigen sozialen Fortschritt.
Was ich mit dieser Erinnerung sagen will: Wer solche Böcke schon geschossen hat, sollte sich neuen Konzepten etwas demütiger und konstruktiver nähern.
Zum Thema selbst:
Ich habe auch Probleme mit dem Bedingungslosen. Gemeinsam auszuhandeln, worin ein bedingtes GE bestehen könnte, scheint mir ein gutes Verfahren zu sein, um gemeinsam die Idee konstruktiv zu debattieren und weiter zu formen.
Die Kritiker erinnere ich an vier Aspekte, auf die sie in der Regel nicht eingehen; sie konzentrieren sich gerne sofort und meist ausschließlich, wie von Hans-Jürgen Arlt angemerkt, auf die Finanzfrage, ihrer Totschlag-Keule.
1. Mit einem GE gäbe es auf einen Schlag einen enormen Fortschritt in der Geschlechter- und Gesundheitsfrage: Die bisher unbezahlte Erziehungs-, Pflege- und Hausarbeit und jegliche ehrenamtlich Arbeit (Entwicklung einer lebendigen produktiven Zivilgesellschaft) würde endlich anerkannt und entlohnt; deutlich mehr als
warme Worte
.2. Der Druck auf die Arbeitgeber, gute gesunde Arbeitsplätze anzubieten, wäre doch stärker, da Erwerbstätige es sich leisten könnten, wählerischer zu sein. Bei diesem Ziel müssen doch die Gewerkschaften akzeptieren, dass sie mit ihren heutigen Instrumenten in den Betrieben nur mühsam vorankommen.
3. Wenn unterstellt wird, dass mit KI, Roboterisierung und allgemeiner Digitalisierung in den kommenden Jahren Millionen eher einfacher und gering qualifizierter Arbeitsstellen wegfallen, und dafür Millionen qualifizierter Arbeitsplätze entstehen — was ist dann mit den Menschen, die sich nicht ständig weiter- und fortbilden und neu orientieren wollen? Die hätten doch dann mit einem GE und einer zusätzlichen begrenzten einfachen (auch zivilgesellschaftlichen) Arbeit ein gutes Auskommen, auch wenn diese bescheiden bezahlt wäre.
4. Das Argument von Hans-Jürgen will ich noch einmal stärken: Alles, was Nationalstaat und EU, alleine und gemeinsam, anläßlich der Finanzmarktkrise an Ressourcen mobilisierten — hätte das vorher einer öffentlich für möglich gehalten, dem hätten alle den Vogel gezeigt. Anläßlich der jetzigen Pandemie steigerte sich die Mobilisierungskraft des Staates noch mehr ins vorher Undenkbare.
Warum soll also kein GE möglich sein?
Sehr schön. Wir führen eine kontroverse Debatte. In den einleitenden Sätzen stimmt sachlich einiges nicht. Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ist in ihrer Dogmengeschichte politisch ambivalent. Sie hat ihre Wurzeln auch in der ökonomischen Theorie oder Dogmengeschichte des Neoliberalismus, ebenso wie in den frühen Formen des utopischen Sozialismus in der Arbeiterbewegung. Dass Marx das polemisch kritisiert hat,sagt nicht, dass er damit richtig liegt, sondern ist nur der Hinweis auf eine Kontroverse, die bereits 1844 geführt wurde. Sicher haben die Gewerkschaften in den vergangenen 30 Jahren tarifpolitische und auch wirtschaftspolitische Fehler gemacht, große sogar. Sicher meine ich das anders als Hans-Jürgen Arlt. Ich hatte das manchmal zweifelhafte Vergnügen dabei gewesen zu sein und zu sehen, dass diese groben Fehler damals als neues und innovatives Denken glorifiziert wurden. Dass bis Anfang der 2000-er Jahre ein gesetzlicher Mindestlohn überwiegend abgelehnt wurde, ist richtig. Auch ich hatte das 1998 in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Sozialismus“ gemacht. Mein Argument war, dass die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns den Prozess der Tarifflucht in den öffentlichen Unternehmen verstärken wird, weil es neben den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes eine Billigvariante geben wird, die vor allem Beschäftigte mit relativ niedriger Qualifikation, insbesondere Frauen trifft. Die Liberalisierung und Deregulierung im EU-Binnenmarkt hat den öffentlichen Sektor unter Wettbewerbsdruck gesetzt und Ausgründungen und Privatisierung waren die erste Reaktionen. Erst in der Phase der rot-grünen Regierung wurde unsere tarifpolitische Handlungs- und Konfliktfähigkeit so eingeschränkt, dass wir über einen gesetzlichen Mindestlohn diskutiert haben, zuerst die NGG und ver.di, erst viel später die Industriegewerkschaften. Dass die Regierung Schröder den Gewerkschaften im Zuge der Durchsetzung der Hartz-Gesetze einen gesetzlichen Mindestlohn angeboten hat, ist schlicht falsch. Ich bin mit diesem Gerücht nach 2005 mehrfach konfrontiert worden. Ein Mindestlohn hätte der Logik der Hartz-Gesetze klar widersprochen. Hartz IV war als so konzipiert, dass mit dem dadurch entstehenden Lohndruck die Untergrenze des Lohns nach unten geschoben werden sollte. In der neoklassisch orientierten Arbeitsmarktdebatte spielte der Hinweis auf die Mindestlohnarbeitslosigkeit eine zentrale Rolle. Damit war gemeint, dass die Lohnuntergrenze – das war damals das Arbeitslosengeld – so hoch sei, dass sich kein markträumender Gleichgewichtslohn bilden könne. Ein Gleichgewichtslohn ist so niedrig, dass Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sich von selbst ausgleichten. So die Ideologie, die als Theorie verkauft wird. Der gesetzliche Mindestlohn kam auch erst 10 Jahre später, als der Glaube an die Selbststeuerung der Märkte durch die Finanzmarktkrise 2008/09 erschüttert wurde. Nun ist, darauf habe ich mehrfach hingewiesen, das BGE kein neues Konzept, sondern ein Ladenhüter, der bereits seit fast 200 Jahren diskutiert wird. Die spannende Frage ist daher, warum diese Utopie wieder Konjunktur hat. Ich kenne noch die Debatten von Ende der Arbeitsgesellschaft, also einer Gesellschaft, der das, was sie zusammenhält, die Arbeit, verloren geht. Das war die These von Hannah Arendt 1962. Die Unterschied von Arbeit und Tätigkeit wurde auch von ihr eingeführt. Die zweite Welle dieser Utopie kam in den 1980-er Jahren, einmal als Kritik an der fordistischen Massenarbeit und wurde als „Befreiung von falscher Arbeit“ tituliert. Gleichzeitig wuchs die Angst vor der Dystopie einer „menschenleeren Fabrik“ und die Frage „Chips oder Jobs?“ wurde populär, auch in wissenschaftlichen Untersuchungen. Aus meiner Sicht ist es nahe liegend, dass jetzt der breit propagierten „4. industriellen Revolution“ die Angst vor der Massenarbeitslosigkeit folgt. Damit wird das Grundeinkommen wieder populär. In der mir zugänglichen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird die Gefahr technologischer Arbeitslosigkeit als gering eingeschätzt, es droht kein neuer Produktivitätsschub. Im Gegenteil: Die Zuwachsraten der Arbeits- wie der Kapitalproduktivität gehen in der langen Frist zurück und lagen in den letzten 10 Jahren unter 1,0 %. Die Makroökonomen führen seit Jahren eine Debatte über eine säkulare Stagnation und erforschen die Gründe für diese Entwicklung. Ich hatte in meiner ersten Replik darauf hingewiesen. Ein Grundeinkommen wird den Lohndruck durch Unternehmen vor dem Hintergrund hoher Arbeitslosigkeit nicht schwächen, sondern erhöhen. Wenn es ein Basiseinkommen von 1000-1200 € gibt, können die Löhne in allen konfliktschwachen Tarifbereichen verringert werden. Es ist eine Basis vorhanden, auf der aufgestockt werden kann. Auch wird die Tatsache, dass die Höhe des BGE für ein würdiges Leben zu niedrig ist, zur Suche nach auch niedrigen Zuverdiensten führen. Zur Finanzierung öffentlicher Beschäftigung für diejenigen, die in einer digitalisierten Arbeitswelt keine Beschäftigung finden, gibt es aus der Sicht des Postkeynesianismus, zu dem auch die Modern Monetary Theory gehört, viel bessere und produktivere Vorschläge als ein BGE. Das Problem der niedrigen Arbeitsentgelte im Sektor der Care Arbeit durch das BGE zu lösen – dieser Hinweis verschlägt mir fast die Sprache. Nicht die Unternehmen sollen mehr bezahlen, nein der Staat subventioniert die Unternehmen. Das ist das Modell eines Kombilohns, da hat mein Kollege Hirschel von ver.di völlig recht. Die Gewinnlage der deutschen Unternehmen ist hervorragend, ihre relativ niedrigen Arbeitskosten noch zu subventionieren, fast obszön. Der Lohn für Hausarbeit, der in dieser Denkweise mitschwingt, ist eine Sache der Beziehungspartnerschaft und wird durch Kindergeld bereits subventioniert, was bei niedrigen Einkommen auch sinnvoll ist. Die gegenwärtige schwere Wirtschaftskrise zeigt in beeindruckender Weise, wie schnell die Staaten und die EU finanzielle Ressourcen in großen Volumina mobilisieren können. Keynesianer wissen das seit einigen Jahrzehnten. Dieses Wissen wurde verdrängt und im Wissenschaftsbetrieb der Ökonomen marginalisiert. Jetzt ist es da, auch weil es schon seit Schumpeter (1911) und Keynes (1936) bekannt war. Die Gesellschaft wäre verrückt, wenn sie dieses Finanzpotential zur Regulierung der Krise für eine erträumte Idylle von bescheidenen Rentiers vergeuden würde, abgesehen von dem Inflationsrisiko, dass mit der Umlenkung von Geldschöpfung aus dem Nichts durch das zweistufige Bankensystem in den Konsum von Menschen, die ihrerseits zur Wertschöpfung nichts beitragen. Anders gesagt, die zahlungsfähige Nachfrage steigt und das Angebot schrumpft. In dieser Kontroverse hat einer der akademischen Verfechter des BGE zu mir gesagt, mit meinen Zahlen – also meinen Berechnungen, dass ein BGE nicht finanzierbar ist – würde ich eine gute Idee kaputt rechnen. Meine Antwort war, dass wir nicht zahlen und die gute Idee als solche weiter wirken lassen. So wird es auch kommen.
Die Debatte beginnt den Stil von Rechtfertigung und Rechthaberei anzunehmen. Ich ziehe mich mit wenigen Bemerkungen erst einmal daraus zurück.
1. Wer sich in der theoretischen Tradition rechts und links gegen das BGE ausspricht, erscheint mir nur bedingt informativ. Da das BGE mit einer fundamentalen Tradition der modernen Arbeitsgesellschaft bricht, wäre es mehr als überraschend, würde es in den eingeübten Weltbildern Beifall finden. Hätte sich die Sozialdemokratie davon beirren lassen, wer im 19. Jahrhundert alles gegen sie war, auf der Rechten wie auf der Linken, hätte das 20. Jahrhundert nie einen sozialdemokratischen Kanzler gesehen.
2. Auch Erinnerungen an die jüngere Gewerkschaftsgeschichte finde ich nur begrenzt spannend. Sich heute über die Kontroversen aus der Zeit „Jenseits der Beschlusslage“ auseinanderzusetzen, was soll es bringen – und wie soll es für das Publikum der bruchstuecke nachvollziehbar sein? Ich will wissen, wie es weiter gehen könnte, nicht wer in der Vergangenheit irgendetwas richtiger- oder fälschlicherweise gesagt hat.
3. „Abschied von der Arbeitsgesellschaft“ ist eine ebenso beliebte wie missverständliche Formulierung. Sie wird gerne (unsinnigerweise) so gelesen, als ginge es um den Abschied von der Arbeit.
Unsere heutige Gesellschaft wird mit Recht unter anderem als Arbeitsgesellschaft bezeichnet, weil sie trotz nie dagewesener Produktivität die meisten Menschen zwingt, ihr Leben als ein Arbeitsleben zu organisieren. Nicht weil irgendjemand das ganze, ökologisch katastrophale Zeug bräuchte, das dabei produziert wird, sondern weil so viel Geld – ein geniales Medium übrigens – als Kapital eingesetzt wird, das für seine Verwertung Arbeit (keineswegs Arbeitskräfte) und Konsum ohne Ende in immer höherer Dosierung braucht. Aber das weiß man doch alles. Ich kann mir keine Gesellschaft ohne Arbeit vorstellen. Das BGE soll den bedrängenden Stellenwert der Arbeit für die Einzelnen zurücknehmen.
4. Die Wortwahl „gesellschaftliches Gnadenverhältnis“ im Zusammenhang mit dem BGE halte ich für peinlich, für zutiefst konservativ, weil sie in Richtung soziale Hängematte geht. Sobald die gesellschaftliche Solidarität die soziale Unsicherheit für Einzelne verringert, werden diese in die Nähe des Schmarotzertums gerückt – das hat das Niveau, wer nicht arbeitet, soll nicht essen. Das Konzept des BGE geht davon aus, dass jeder Mann und jede Frau, egal ob sie nicht arbeiten können oder nicht wollen, das Recht auf eine abgesicherte soziale Existenz hat. Arbeiten kann eine tolle Sache sein, wenn man nicht unter allen Umständen dazu gezwungen ist. Meine Prognose wäre, dass der Spaß an der Arbeit steigen wird; dass die Bereitschaft, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand zu leisten, mit dem BGE schon mittelfristig zunehmen wird. Dazu hat Wolfgang Storz in seinem Punkt zwei Entscheidendes gesagt.
5. Die Formulierung „bescheidene Rentiersexistenz“ weist für mich darauf hin, dass jede Bereitschaft fehlt über die heutige Arbeitsgesellschaft in ihren kapitalistischen und sozialistischen Varianten hinaus zu denken. Das BGE würde einen wesentlich anderen gesellschaftlichen Kontext schaffen. Jetzt arbeiten viele für sich und für einige wenige, die steinreich werden. Mit dem BGE arbeiten viele für sich und für alle, die ein gutes Stück sozialer Sicherheit bekommen.
Das BGE ist kein Allheilmittel, es ist ein gesellschaftspolitisches Experiment mit dem Potential, neue Wege zu gehen. Das BGE könnte ein (in Zahlen: 1) Instrument sein, das die luxuriösen Eskapaden des Wohlstands kappt, zu mehr Gerechtigkeit beiträgt und sogar den Raubbau an der Natur zügelt, weil es auf sehr praktische Weise klar macht, wie sehr wir füreinander Verantwortung haben.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist das denkbar schlechteste Instrument für den sozial-ökologischen Umbau einer kapitalistischen Gesellschaft. Warum: Weil diese Gesellschaft dafür sehr viel finanzieller benötigt, die für Investitionen in eine nachhaltige öffentliche Infrastruktur und für die Erneuerung des realwirtschaftlichen Kapitalstocks verwendet werden müssen. Das Grundeinkommen wird aber überwiegend konsumtiv verwendet, bis auf die Reichen, die es ihren Ersparnissen zufügen können. Ich skizziere nochmal die makroökonomischen Größen, weil ich die in einer ersten Replik aus dem Kopf referiert hatte. Die neuesten Zahlen (2019): Das Volkseinkommen aus dem ein BGE finanziert werden muss, beträgt 2,56 Bio.€. Es zerfällt in die Arbeitnehmerentgelte von 1,84 Bio. € und die Gewinn- und Vermögenseinkommen von 0,72 Bio. €. Das sind Bruttogrößen, von denen noch Sozialbeiträge und Steuern entrechtet werden, Nach der Schätzung des DIW kostet ein Grundeinkommen von 1200 € pro Monat 1,3 Bio. € pro Jahr, bei 1000 € 1,0 Bio. €. Durch die Einführung des Grundeinkommens werden 100-200 Mrd. € der Leistungen des Sozialbudgets ersetzt. Ralf Krämer aus der Wirtschaftsabteilung von ver.di schätzt diese Größe eher auf 100 Mrd. €. Es bleiben, egal wie wir im Einzelnen rechnen mindestens 1 Bio. € übrig, die aus den Löhnen und den Gewinnen finanziert werden müssen. Der Kapitalstock der Wirtschaftsgesellschaft und die Abschreibungen stehen nicht zur Verfügung, weil ihre Erosion die Einkommensgrößen, aus denen das Grundeinkommen finanziert werden muss, verringert. Zur Veranschaulichung der Verteilungseffekte nehme ich an, dass von den Arbeitnehmerentgelten 600 Mrd. € und von den Kapitaleinkommen 400 Mrd. € für die Finanzierung des BGE verwendet werden. Dafür bekommen die Finanziers pro Kopf 1000 bis 1200 € monatlich zurück. Ab einem Monatseinkommen von brutto 3000 € bekommen sie weniger, als sie spenden. Je höher die Einkommen, desto größer die Spenden. Man kann das unter Gerechtigkeitsaspekten gesehen, gut finden. Es werden aber in einer Demokratie dafür Mehrheiten benötigt. Unterstellen wir in heroischer Manier den Fall, dass das funktioniert. Dann bekommen wir eine tiefe Spaltung der Gesellschaft in den Sektor der Erwerbsarbeit und in den Sektor frei bestimmter Tätigkeiten. Das ist nichts Neues. Die Klasse der Rentiers gibt es in den einkommensstarken Etagen der Gesellschaft bereits. Diese haben sich ihre Renten und Profite aber genommen, sei es durch Ausbeutung der Lohnarbeit, sei es durch Renten oder Zinsen aus Immobilen- oder Kapitalbesitz. Sie brauchen für diese Aneignungen keine parlamentarischen Mehrheiten, dafür sorgt der Kapitalismus. Das markiert den fundamentalen Unterschied zum dem sozialen und monetären Gnadenverhältnis eines BGE. Auch die Geldschöpfung aus dem Nichts, auf die die Modern Monetary Theory hinweist, hilft nicht aus diesem Dilemma. Wenn mehr Geld geschöpft, als Wertschöpfung erzeugt wird, kommt es zur Inflation, die aus Sicht dieser Theorie durch Steuererhöhungen begrenzt werden soll. Auch hier gibt es keinen „free lunch“. Wenn in den Debatten über ein BGE mit makroökonomischen Größen und ihrer Verteilung gesprochen wird, wird offensichtlich in eine Sprache gewechselt, die nicht verstanden wird. Makroökonomie ist Fremdsprache. Die Reaktion heißt Schweigen oder schnell über etwas anders Reden. Wenn aber am anderen Ende der Leitung Sprachlosigkeit herrscht, macht eine Debatte keinen Sinn mehr. Wenn nicht akzeptiert wird, dass ein existenzsicherndes BGE sehr viel Geld kostet, wird gar kein Geld fließen. Man kann nicht Geld empfangen, dass es gar nicht geben darf. Was bleibt, ist eine Utopie und der feste Glaube, dass alles besser wäre, wenn wir sie realisiert hätten. Erledigt durch die Wirklichkeit.
Lieber Michael Wendl,
nach dieser Antwort von Dir hier und auch Deinen Einlassungen via Facebook, auch denen von Hilmar Höhn etc., zu dieser Debatte hier noch wenige Anmerkungen:
Das GE oder auch BGE „ist eine Utopie“, sagst Du. Ist es nicht gut, in Zeiten, in denen die Regierenden die Zukunft mit angeblichen Sachzwängen verbauen, über Utopien nachzudenken?
Ich fände es gut, wenn auch Gewerkschafter und Linke konstruktiv-radikal über das GE debattieren würden. Was heißt das? Erst einmal schauen, was ist gut an der Idee, was kann funktionieren und was nicht? Also mit den Befürwortern das Gemeinsame erst und dann das Trennende herausarbeiten. Ist das überhaupt möglich? Nach diesem Hin und Her hier habe ich den Eindruck: leider nein.
Noch eine inhaltliche Anmerkung:
Vor einigen Jahren wurde dem Schweizer Psychoanalytiker Mario Erdheim die Frage gestellt, warum es viele Arbeitnehmer gebe, die nicht nach einer anspruchsvollen und erfüllenden Arbeit suchten, denen einfach ein Job reiche und die Erfüllung ihrer Konsumwünsche, soweit ihr Lohn das eben erlaube — und was Gewerkschaften tun könnten, um das zu ändern. Er antwortete: „Da müssten die Gewerkschaften gegen ein Vermächtnis der Sozialdemokratie ankämpfen: Diese hat Arbeit nie in ihrer ganzen Bedeutung gesehen für die Menschwerdung des Affen, wie es Friedrich Engels einst sagte. Für die Partei war und ist Arbeit im Kern nur Lohnarbeit. Der Sinn der Arbeit jenseits des Lohns war für die Sozialdemokratie nie ein Thema, und aus dieser verhängnisvollen Engführung haben sich auch die Gewerkschaften bis heute nicht herausarbeiten können und wollen.“ Und um aus dieser verhängnisvollen Engführung endlich herauszukommen, bietet die Debatte über das BGE doch alle Möglichkeiten. Meinst Du nicht auch?
Diese aktuelle Debatte über das BGE hat eine Vorgeschichte. Sie wurde bereits Anfang der 1980-er Jahre begonnen als nach dem Ende der Regierung Schmidt mit Kohl die geistige Wende versprochen wurde. Einige neoliberale Ökonomen foderten einen radikalen Umbau des Sozialstaats und zwar in seiner Form als Sozialversicherungsstaat. Daher plädierten sie für ein BGE, dass damals als Bürgergeld, negative Einkommenssteuer oder garantiertes Mindesteinkommen bezeichnet wurde. Faktisch zielten die Vorschläge auf eine steuerfinanzierte Basisleistung, die durch individuelle Vorsorge ergänzt werden sollte. Ein Teil der politischen Linken unterstütze diesen Umbau des Sozialstaats, weil sie den deutschen Sozialstaat wegen der umlagefinanzierten sozialen Sicherung für ungerecht hielten. Dieser, so die Kritik verlängere die Ungleichheiten des Beschäftigungssystems in die Sozialversicherungen weiter. Wer einen hohen Lohn erhalten habe, bekomme auch eine höhere Rente. Aus diesen gleichheitstheoretischen Überlegungen wurde ein egalitäres System monetärer Leistungen vorgeschlagen. Das sollte durch einen radikalen Umbau des Steuersystems finanziert werden. Dies wiederum passte nicht zu den Vorschlägen der Neoliberalen, die das Basiseinkommen aus dem Sozialbudget, also durch Streichung der üblichen Sozialleistungen finanzieren wollten. CDU und CSU waren damals noch nicht so neoliberal, dass sie einen solchen radikalen Umbau und eine so weitgehende Verschlankung des Sozialstaats angehen wollten. Diese Debatte war populär, weil gleichzeitig die ersten Schritte zur Digitalisierung der Produktion begonnen hatten und Angst vor technologischer Arbeitslosigkeit („Chips statt Jobs“, „menschenleere Fabriken“) ausgelöst hatten. Realistisch waren die neoliberalen, ebenso wie die linken Vorschläge nicht. Sie waren nicht finanzierbar. Wenn ein umlagefinanziertes Sozialsystem auf ein steuerfinanziertes System umgestellt wird, so kostet das in der Übergangsphase viel mehr Geld, weil die bereits Beschäftigten durch eigene Beiträge finanzierte Leistungsansprüche haben und für die zukünftig Beschäftigten neue, entweder kapitalgedeckte oder steuerfinanzierte Leistungen aufgebaut werden müssen. Das wurdeschrittweise auch erkannt, ebenso wie die Erfahrung gemacht wurde, dass es nicht zu technologischer Arbeitslosigkeit gekommen war (die Arbeitslosigkeit der 1990-er Jahre war zu einem großen Teil einigungsbedingt, das Ergebnis einer ökonomischen Schocktherapie). Wenn ich auf Basis dieser Erkenntnis auf die heutige Debatte blicke, so ist aus meiner Sicht klar: 1. Die Vorstellung einen großen Teil der Kosten des BGE aus dem Sozialbudget zu finanzieren, ist illusionär. Der größte Teil dieses Budgets kann nicht durch ein BGE ersetzt werden. 2. Die inkrementelle Fortsetzung der Digitalisierung (eine Disruption wird es nicht geben, weil dazu eine enorme Menge zusätzlicher Investitionen notwendig ist) führt nicht zu technologischer Arbeitslosigkeit. Angesichts der enormen Kosten eines sozial-ökologischen Umbaus wäre die Einführung eines existenzsichernden BGE eine gigantische Fehlallokation von Kapital. Es wäre ein enormer Fortschritt, wenn die Fans eines BGE auf diese ökonomischen Einwände reagieren würden, z.B. indem sie ein Finanzierungskonzept vorlegen würden. BGE ist Geld. Also müssen wir darüber reden, wo dieses Geld herkommt – wer es gibt und wer es empfängt. Diese Frage ist zentral, nicht aber die Spekulationen darüber, ob Sozialdemokratie und Gewerkschaften über das System der Lohnarbeit hinaus denken oder nicht.
Die Diskussion hat den interessanten Punkt erreicht, an dem ich mich wieder beteiligen möchte, den Punkt nämlich, an dem wir uns gegenseitig vorhalten: „Träum weiter“.
Vorab: Dass die Übergangsphase von einem umlagefinanzierten Sozialsystem auf ein steuerfinanziertes System vor Probleme stellt, ist nicht zu bestreiten. In Deutschland und noch mehr in anderen Ländern wird an solchen Brücken jedoch längst gebaut, problemlose Lösungen kennen nur Träumer.
Aus der gesellschaftspolitischen Frage des BGE macht Michael Wendl eine Rechenaufgabe. Seine Rechnung besteht ausschließlich aus Variablen, es gibt keine einzige Konstante, aber er weist sein Resultat als unumstößlich aus. Die Gegenrechnungen, die die Finanzierbarkeit des BGE nachzuweisen versuchen, sind natürlich auch nicht anders, auch sie können als Rechengrößen nur Variable einsetzen.
Es mag eine Beschränktheit sein, aber es leuchtet mir nicht ein, dass die Frage des BGE anhand ökonomischer Rechenexempel seriös zu beantworten sei. Warum erscheint es mir wahrscheinlicher, dass die Träumer die Gegner eines BGE sind?
Die moderne Arbeitsgesellschaft hat eine höchst prekäre und konfliktträchtige Grundstruktur. Die Menschen haben in der Regel eine Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen politischen Rechte. Die große Mehrheit verfügt aber über keine materielle Basis für ihre soziale Existenz. Die meisten Menschen sind frei im Sinne der von Marx so genannten „doppelten Freiheit“, nämlich frei zu entscheiden, ob und was sie arbeiten; und frei von der Möglichkeit, ihre Arbeitskraft so einzusetzen, dass sie als Selbstversorger leben können. Wir brauchen andere. Wir brauchen entweder als Selbständige andere, die unsere Produkte oder Dienste bezahlen; oder wir brauchen als abhängig Beschäftige andere, die unsere Arbeitskraft mieten und für unsere Arbeitsleistung bezahlen.
Wie gründlich das schiefgehen kann, hat am historischen Anfang die brutale Proletarisierung gezeigt. Die Arbeiterbewegung schaffte es dann (in schweren Auseinandersetzungen), Regeln für das Mieten von Arbeitskräften und sozialstaatliche Sicherheiten durchzusetzen, die vielen Eigentümern der Arbeitskraft in den entwickelten Ländern ein vergleichsweise gutes Leben ermöglichten. An der Tatsache, dass die große Mehrheit der Menschen im Prinzip über keine materielle Basis ihrer sozialen Existenz verfügt, hat sich dabei nichts geändert.
Beginnend mit den 1980er Jahren konnten die Mieter der Arbeitskräfte (Arbeitgeber/ Unternehmer) – auch wegen jahrzehntelanger Massenarbeitslosigkeit – Deregulierungen durchsetzen, die in eine Spaltung führten: in eine Schicht gut verdienender und sozial geschützter Beschäftigter und in einen Niedriglohnsektor mit massiven sozialen Unsicherheiten (von den Niedriglohnländern ganz zu schweigen). Die einen sind auf gewerkschaftliche Hilfe nicht angewiesen, den anderen können die Gewerkschaften nicht richtig helfen – mit gewerkschaftlichen Mitglieder- und Einflussverlusten als Konsequenz.
Den ersten Akt ihres Traums zu alter Stärke zurückzufinden, haben die Gewerkschaften mit der Zustimmung zu einem staatlich garantierten Mindestlohn aus dem Programm gestrichen. Den zweiten Akt, sich gegen eine BGE zu wehren, werden sie innerhalb der nächsten zwanzig Jahre beerdigen, weil Klimakatastrophe, demographischer Wandel und Digitalisierung den alten Konzepten der Arbeiterbewegung die Grundlagen immer mehr entziehen werden. Alle Stichworte in der Debatte über die Zukunft der Arbeit – Flexibilität, Volatilität, Agilität, turbulente Märkte, Netzwerke statt stabiler Mitgliedschaften, Singularisierung, Beschleunigung, Plattform-Ökonomie, Postwachstum – signalisieren: Ein Zurück zu den sozialen Sicherheiten in der guten alten Tradition der Arbeiterbewegung wird es nicht geben. Am Traum davon festzuhalten, blockiert zukunftsfähige Lösungen wie das BGE.
Das ist eine Kritik an der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft, der ich in den Grundzügen, nicht aber in der Radikalität bestimmter Aussagen zustimmen kann. Es ist aber kein Plädoyer für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Durchsetzung der Sozialversicherung – auch wenn Bismarck dies machte um den politischen Aufstieg der Sozialdemokratie zu beenden, ist politisch eine Erfolgsgeschichte, wenn auch in Etappen. Das System der Sozialversicherung ist keine staatliche Fürsorge, sondern ein kollektiver Fonds der abhängig Beschäftigten, die aus ihren Löhnen Beiträge bezahlen, um sich gegen die großen gesellschaftlichen Risiken, Arbeitslosigkeit, Armut, Alter und Krankheit abzusichern. Dieses System begründet Eigentumsrechte der Beschäftigten auf Leistungen aus diesen Fonds. In der Sozialstaatsdiskussion der 1970-er Jahre hatten wir diese Leistungen als Soziallohn, also als solidarische Ergänzung des reinen Geldlohns bezeichnet, eine Errungenschaft die materielle Bürgerrechte eigentumsloser Arbeitskräfte konstituiert hat. Ohne Zweifel hat dieses System Mängel und bereits in den frühen 1980-er Jahren wurde damit begonnen, seine Leistungen zu reduzieren. Wegen dieser Lücken, insbesondere die einer unzureichenden Grundsicherung und Altersversorgung ist das BGE populär geworden. Deshalb muss darüber debattiert werden, ob mit dem BGE eine Art von neuer Sozialstaat geschaffen werden soll oder ob ein BGE bestimmte Lücken im bestehenden System schließen soll oder Leistungen auf ein bedarfsorientiertes Niveau heben soll. Ich nehme an, dass die Fans eines BGE das zweite nicht wollen, weil das bedarfsorientiert und nicht bedingungslos ist. Also geht es beim BGE auch um einen neuen Typ des Sozialstaats, ökonomisch gesprochen, sollen die Kosten eines BGE durch große Teile des heutigen Sozialbudgets finanziert werden. In dieser Frage bin ich fest überzeugt, dass dieser BGE-Staat eine deutlich schlechtere Lösung als ein reformierter auf den Sozialversicherungen basierender Sozialstaat ist. Das ist einfach zu erklären: Not, Armut, Krankheit, Arbeitslosigkeit sind keine mit einer gleichen Dosis zu behandelnden Risiken, sie sind individuell verschieden, eine Einheitslösung von 1000 bis 1200 € pro Monat ist keine Lösung. Ein BGE ist die offene Erklärung einer wirtschaftspolitischen Kapitulation vor den großen Herausforderungen des sozialen und ökologischen Umbaus kapitalistischer Gesellschaften. Die dafür notwendigen finanziellen Ressourcen werden dann nicht für Investitionen und ihre gesellschaftliche Steuerung, sondern für bloßen Konsum verwendet. Wir stehen heute in einer Phase der Erneuerung des Keynesianismus, sie umfasst die Fiskalpolitik, die Geldpolitik, aber auch die Sozialpolitik und die Verteilungspolitik. In allen damit zusammenhängenden Fragen liefert die Utopie eines BGE keine Antworten. Es ist die Flucht in die subalterne Position von kollektiver Bettelei. Das wird durch das Gerede vom Übergang von Lohnarbeit in sinnvollere Tätigkeiten nur notdürftig kaschiert. Noch zwei Bemerkungen zu Finanzierbarkeit. Bestimmte ökonomische Größen, wie Bruttoinlandsprodukt, Volkseinkommen, Arbeitnehmerentgelte oder Kapitaleinkünfte sind nur sehr eingeschränkt variabel. Sie bewegen sich in einem makroökonomischen Rahmen, der nur langsam und in harten kollektiven Kämpfen verändert werden kann. Aus einem Volkseinkommen von 2,6 Bio. € werden nicht einfach 3 oder 3,5 Bio. €, was die Verteilung erleichtern würde. Wer behauptet zu wissen, wie ein BGE finanziert werden kann,muss sich auf diese Rahmendaten einlassen, er muss zeigen, die er diese 2,6 Bio. € anders verteilt. Er kann nicht davon ausgehen, es seien eine halbe oder eine ganze Bio. € mehr, weil Größen variabel sind. So variabel sind sie bei aller Phantasie nicht. Peter Glotz hat in der Grundeinkommensdebatte der 1980-er Jahren gesagt, er habe es sich bei der Verkündung sozialer Großtaten antrainiert, zu fragen, wer diese Großtaten bezahlen soll. Die Antwort steht immer noch aus.