Der Polit-Tatort ist vorbei. Sonntag, 18. 4., 21.03 Uhr, Tagesschau24. Moderator an Korrespondentin: Wir haben gehört, Söder ist nach Berlin geflogen. Was hat das zu sagen? Korrespondentin an Moderator: Haben wir auch gehört. Das hätten wir ihn gerne gefragt. Aber wir suchen ihn noch. Auch Spiegel-Online beteiligt sich an der Fahndung: „Laschet-Limousinen gesichtet“.
Abspann, die Spannung weicht. Bleibt was? Dieses unser Land hat der Union für das zu danken, was sie in den vergangenen kurzweiligen Tagen zerstörte, an den Tag beförderte und in Gang setzte; während die alternativen Grünen mit ihrer höfischen Kandidatenkür die Republik sedierten.
Da sind zuerst die kleinen Befunde. Weil Markus Söder sehr gute Umfragewerte hat — in den Kategorien: Dynamik, Führungsstärke — und Armin Laschet sehr schlechte, allein deshalb führten CDU und CSU einen Machtkampf um den Kanzlerkandidaten, losgelöst von allen politischen Inhalten, ausgelöst von Markus Söder, befeuert von den meinungsprägenden Medien. Der Ablauf war grob gesagt so: Wichtige Medien schreiben seit Wochen wie toll Söder, wie lahm und unsortiert Laschet ist. Das wird in Umfragen gemessen. Die Medien berichten über diese Umfragen, geben sie teilweise selbst in Auftrag. Umfragewerte werden zum Stoff für einen Machtkampf, der in Umfragewerten präsentiert wird.
Diesen Tiefpunkt an politischer Kultur bringt Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, in ungewohnter Radikalität auf den Punkt: Es gehe weder um „Sympathie“ noch um „Vertrauen“ noch um „Charaktereigenschaften“, es gehe um die „harte Machtfrage“; Haseloff steht im Juni vor einer Landtagswahl und hat die AfD im Nacken. Nach dem Wofür der Macht, nach politischen Inhalten, wird nicht einmal mehr in einer Fußnote gefragt.
Was brachte diese Auseinandersetzung noch an den Tag? Vor allem, dass Armin Laschet, entgegen allen Umfragewerten, führungsstark und dynamisch ist. Wer das durchsteht, unter anderem das von dem Söder-Umfeld perfekt organisierte Scherbengericht in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der kann es. Und dass es der CDU gelang, Markus Söder zu verhindern und die Notbremse zu ziehen, vermutlich unter höchster Kraftanstrengung von Parteigranden wie Wolfgang Schäuble und Angela Merkel, belegt: Die CDU ist nicht so kleinmütig, dass sie sich bedingungslos Medientrends und Umfragen ausliefert. Gratulation.
Was bleibt?
Sehr viel zusätzliches Wissen über Markus Söder und die Frage: Ist er der deutsche Trump?
Vor wenigen Monaten gab es eine parallele Situation. Im Ringen um den Parteivorsitz warf Friedrich Merz Teilen der Parteiführung, also des CDU-Establishments, vor, es habe sich gegen ihn verschworen und wolle ihn als Parteivorsitzenden verhindern. Da titelte die Taz vom „Trump light“, ein Herausgeber der FAZ schrieb vom „Sauerland-Trump“.
Markus Söder handelte in den vergangenen Tagen vergleichbar. Da ihm die ersten Entscheidungen der Führungsgremien der CDU nicht passten, versuchte er beides zu delegitimieren: Das seien Entscheidungen von „Hinterzimmern“. Die Basis, die Partei in ihrer vollen Breite müsse darüber entscheiden. Das ist doch basisdemokratisch gut. Was ist daran bedenklich?
Popularität gehört zur Demokratie. Politiker, die auch komplizierte Sachverhalte einfach und bildhaft ausdrücken, die Gefühle ansprechen, die ein Gespür für Stimmungen haben, die sich in Auftreten und Sprache ‚volksnahe‘ geben, gehören zu einer lebendigen Demokratie. Sie sind populär, aber nicht populistisch, denn sie beachten im Kampf um die Macht die Regeln der Auseinandersetzung. Söder werden diese Fähigkeiten zugeschrieben.
Der Populist ist davon klar zu unterscheiden: Er sieht sich als Stimme, Anwalt des Volkes, wahlweise der Partei, sieht sich als Anführer. Parteien, wollen sie mehr als Dekoration sein, stören im Zweifel. Demoskopie wird zum Instrument der Demagogie, der Wille des Volkes, die Meinung der Partei werden einerseits nach Bedarf ausgelegt, andererseits notfalls gegen Establishment und Eliten mobilisiert und durchgesetzt.
Wolfgang Schäuble hat in Interviews diesen entscheidenden Punkt herausgearbeitet: Nötig seien Führung, klare Strukturen „und nicht nur Meinungsumfragen“. Würden Parteien geschwächt, dann setze das Entwicklungen in Gang, „wie man sie in den USA mit Trump erlebt hat oder die in Großbritannien zum Brexit geführt haben.“
Wenn er will, kann er populistische Agitation
Und genau das betrieb Markus Söder eine Woche lang: Er demolierte repräsentative Gremien einer demokratischen Partei als „Hinterzimmer“ und versuchte, vor allem mittels Umfrageergebnissen die (von ihm ausgewählte) Basis gegen dieses Establishment zu mobilisieren. Damit überschritt er (nicht rückholbar) bewusst die Grenze vom Populären ins Populistische. Es ging ihm um die Agitation gegen Gremien der repräsentativen Parteien-Demokratie.
Anschließend bezeugte er seine Hochachtung vor den Gremien. So wie er, der noch vor wenigen Jahren die Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik brutal bekämpfte, heute nicht von ihrer Seite weichen will. Manche nennen das Lernfähigkeit, es handelt sich eher um bedarfsorientierte Richtungswechsel wie beim Autoscooter auf dem Oktoberfest.
Markus Söder ist nicht der deutsche Trump. Allerdings: In den vergangenen Tagen machte er testweise mal wieder einen Ausflug in dessen politische Welt. Wenn er will, dann kann er es. Vermutlich trägt der Politiker Söder jenen jederzeit aktivierbaren rechtspopulistischen Kern in sich, der Armin Laschet fehlt. Das trennt die beiden im Grundsatz.
Deshalb ist die Auseinandersetzung auch nicht beendet. Markus Söder hat in diesen wenigen Tagen so viel zerstört, dass er unbeschwert sagen kann, er stehe hinter Laschet, ohne Sorge haben zu müssen, es gebe irgendjemanden, der ihm das glaubt.