Eine Abrüstungskonferenz mitten im Aufrüstungstrend

Nicht erst seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor vier Monaten stehen die Zeichen auf atomare und konventionelle Aufrüstung. Insbesondere in Europa, USA , Russland und China. Das belegen die jährlichen Berichte des Stockholmer Internationalen Friedensforschungs-Instituts (SIPRI). Ganz gegen diesen Aufrüstungstrend stand während dreier Tage (21.-23. Juni 2020) in Wien die erste Konferenz von inzwischen 86 Unterzeichnerstaaten des UNO-Abkommens zum vollständigen, weltweiten Verbot atomarer Waffen (Treaty for the prohibition of nuclear weapons, TPNW).

Der Ukraine-Krieg und die Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen haben den Aufrüstungstrend noch einmal deutlich verstärkt. Die NATO- Staaten bekräftigen ihre Politik der atomaren Abschreckung, Deutschland und die anderen vier Stationierungsländer US-amerikanischer Atombomben – die Niederlande, Belgien, Italien und die Türkei – ihr Festhalten an der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ . Deutschland beschloss zweistellige Milliarden-Ausgaben zur Anschaffung neuer US-Kampfflugzeuge, damit die Bundesluftwaffe im Konfliktfall auch künftig die auf einem Militärstützpunkt in Büchel in der Eifel stationierten und in den letzten zwei Jahren modernisierten US-Atombomben einsetzen kann.

Das Abkommen zum vollständigen, weltweiten Verbot atomarer Waffen (TPNW) hatten 122 der 193 Mitgliedsländer der UNO-Generalversammlung im Sommer 2017 beschlossen. Vorausgegangen war eine zehnjährige Lobbyarbeit der „Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen“ (ICAN), die für ihren Erfolg den Friedensnobelpreis erhielt.

Im Januar 2021 trat der TPNW nach erfolgter Ratifizierung durch 60 Staaten (inzwischen 65) in Kraft. Ausdrücklich abgelehnt wird der Verbotsvertrag von den neun Atomwaffenmächten: Russland,China, Indien, Pakistan, Israel, Nordkorea sowie die drei NATO-Mitglieder USA, Großbritannien und Frankreich. Auch keiner der übrigen 27 NATO-Staaten ist bereit, dem TPNW beizutreten.

Deutschland gegen Atomwaffenverbot

Für Deutschland, das neben den NATO-Staaten Norwegen und Belgien sowie dem NATO-Mitgliedsbewerber Schweden mit Beobachterstatus an der Wiener Konferenz teilnahm, bekräftige Botschafter Rüdiger Hohn diese Haltung: „Als Mitglied der NATO, die eine nukleare Allianz bleiben wird, solange Atomwaffen existieren, kann Deutschland dem Verbotsabkommen nicht beitreten“, erklärte der Botschafter. Allerdings wiederholte er nicht mehr die seit Jahren von der Bundesregierung und auch von den Regierungen anderer NATO-Staaten vertretene Behauptung, der Verbotsvertrag stände „im Widerspruch“ zum Abkommen über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (NPT) und würde zur „Schwächung“ und „Unterminierung“ des NPT führen. Begründet hatte die Bundesregierung ihre frühere Position unter anderem mit der Behauptung, im Verbotsvertrag TPNW seien die Verifikationsbestimmungen zur Überprüfung seiner Einhaltung völkerrechtlich schwächer und unverbindlicher, als die entsprechenden Bestimmungen im NPT. Diese Behauptung hatte der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten widerlegt.

Die Wiener Konferenz legte in einer Zusatzvereinbarung zum TPNW die zeitlichen Fristen fest, in denen Atomwaffenstaaten oder an einer „nuklearen Teilhabe“ beteiligte Länder wie Deutschland ihre Atomwaffen aufgeben beziehungsweise die Stationierung fremder Atomwaffen auf ihrem Territorium beenden müssten, sollten sie sich eines Tages doch für einen Beitritt zu dem Verbotsvertrag entschließen. In zwei weiteren Zusatzvereinbarungen zum TPNW einigte sich die Konferenz auf Umweltmaßnahmen in Gebieten, die durch atomare Testversuche verseucht wurden, sowie auf humanitäre Hilfen für Opfer etwaiger künftiger Einsätze von Atomwaffen.

Hans-Jürgen Arlt
Hans-Jürgen Arlt (at) arbeitet in Berlin als freier Publizist und Sozialwissenschaftler zu den Themenschwerpunkten Kommunikation, Arbeit und Kommunikationsarbeit. Aktuelle Publikationen: „Mustererkennung in der Coronakrise“ sowie „Arbeit und Krise. Erzählungen und Realitäten der Moderne“.

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