Am Samstag den 17. September jährt sich zum vierzigsten Mal der Tag, an dem eine rein sozialdemokratische Bundesregierung in Deutschland regierte. Das gab es vorher noch nie. Anschließend auch nicht. Es war eine kurze Regierungszeit, nämlich bis sich am 1. Oktober 1982 offiziell und im Parlament eine Mehrheit um den neuen Bundeskanzler Helmut Kohl geschart hatte. Aber immerhin: ein rein sozialdemokratisches Kabinett. Also ein Kabinett aus lauter Köchen ohne Kellner.
Den Vorschlag Helmut Schmidts am 17. September im Bundestag, rasch Neuwahlen anzuberaumen, lehnte der künftige Kanzler ab, er wollte eine Regierung aus dem bestehenden Bundestag bilden – was ihm ja dann auch gelang. Bereits am 20. September verhandelten CDU und CSU und FDP miteinander; sie beschlossen, die sozialdemokratische Minderheitsregierung am 1. Oktober durch ein Misstrauensvotum gegen den amtierenden Bundeskanzler nach Hause zu schicken und im März 1983 Neuwahlen abzuhalten. Die SPD und die CSU wollten früher Neuwahlen, noch im laufenden Jahr, aber die FDP setzte sich durch, weil sie den Zorn der Bürgerschaft fürchtete.
Die FDP rutschte dennoch am 6. März 1983 von fast elf Prozent 1980 auf sieben ab. Die Grünen kamen mit 5,6 Prozent ins Parlament, die SPD geriet mit gut 38 Prozent wieder unter die 40 Prozent-Marke und die Unionsparteien näherten sich mit 48,8 Prozent den 50 Prozent. Long time ago; oder für die Latein-Minderheit und in der Rückschau: In temporibus illis.
War´s ein tiefer Einschnitt? Ja.
Die FDP hatte bis auf wenige Persönlichkeiten ihre liberale Substanz an der Garderobe vor dem Herrenruheraum des alten Bundestags abgegeben. Das Konzeptpapier der FDP zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, das den Namen Otto Graf Lambsdorff trug, gilt als Scheidungsurkunde der sozial-liberalen Regierung.
Die Partei der Grünen erhielt richtig Rückenwind – es war für sie wie ein Sechser im Lotto.
Die Unionsparteien bauten für das Land und die Leute eine neue Art Ethik zusammen: Hast du was, bis zu was, denn jeder ist seines Glückes Schmied. Man nannte das eine geistig- moralische Wende. Der Sozialstaat wurde in der Folge zum einem Punching Ball für die Konservativen.
Und die SPD? Hmm. Schwierig. Ex-Kanzler Schmidt bekam auf dem Außenpolitik-Parteitag der SPD im Dezember 83 richtig einen vor den Koffer. Aus meiner bescheidenen Sicht hatte er Recht damals. Die sowjetischen Raketen mittlerer Reichweite verschwanden erst, als es ein ebenso tödliches NATO- Äquivalent gab. Eine Generation Jüngerer machte sich auf, die Geschicke der Partei zu lenken – Lafontaine, Scharping, Schröder etc.
Ach so, sie wollen auch noch wissen, weshalb die sozial-liberale Koalition platzte!
Es gibt Leute, die sagen, sie sei geplatzt, weil die Sozialdemokraten fünf Mark Eigenbeteiligung der Kassen-Mitglieder an den Krankheitskosten ablehnten: Schmidt stürzte demnach über einen Heiermann. Auch nicht schlecht.
Guten Tag,
mich würde die „berufliche Zusammensetzung“ währen dieser kurzen Regierungszeit interessieren. Wer saß im Bundestag – Handwerker, Akademiker, Selbständige, Beamte … ? Verglichen mit den Volksvertretern unter Kohl (1. Periode) und heute.
Schrecklich differenziert finden Sie es hier: https://www.bundestag.de/resource/blob/273350/e521f1d217d7cd471e8ec50217d1502a/Kapitel_03_11_Berufsstruktur-pdf-data.pdf
„Schrecklich“ meint, es ist so detailliert, dass jede Übersicht verloren geht.
Für die aktuelle Wahlperiode https://de.statista.com/statistik/daten/studie/454090/umfrage/mitglieder-des-deutschen-bundestages-nach-berufsgruppen/
Siehe auch den Bruchstücke-Beitrag https://bruchstuecke.info/wp-admin/post.php?post=5025&action=edit