Vier Männerakte für einen Männerfilm

Foto: Amdrewcs81 auf wikimedia commons

Wer sich über einen Film informieren will und zu diesem Zweck im Netz sucht, der landet rasch bei „Moviepilot“. Und wer ferner fragt, ob vor allem Männer sich Kriegsfilme anschauen, der findet die lakonische Moviepilot-Antwort: „Die besten Kriegsfilme -Männerfilm.“ Mit Blick auf die neue Verfilmung des Remarque- Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“ sagte der Militärhistoriker Sönke Neitzel: „Die Filmemacher müssten sich viel mehr damit beschäftigen, wer solche Filme guckt. Das sind bei Kriegsfilmen in der Regel Männer.“
Ähnliches konnte man 2004 bereits im Spiegel lesen: Gewalt, Krieg verändere bei Männern die Körperchemie: „Wird auf der Leinwand geballert und gestorben, schießen männliche Hormone in die Blutbahn.“ Demnach hat ein deutscher Männerfilm in Hollywood nun vier Oscars verliehen bekommen. Ein Film, für den sich eine Hälfte der Menschheit nicht besonders interessiert. Ist das irgendwie fortschrittlich oder so enorm beachtenswert?

Oder ist das nicht vielmehr acht Tage nach dem Internationalen Frauentag so etwas wie eine Klatsche für die eben genannte, bessere Hälfte der Menschheit. Der vier mal verliehene Oscar – 34 Zentimeter hoch und 3,8 Kilgramm schwer aus „Zinn, Kupfer, Nickel und Silber hergestellt und mit 24-karätigem Gold überzogen“ – ist übrigens ein stilisierter männlicher Akt, geschaffen vor 94 Jahren.

In meiner Lokalzeitung, im Bonner General-Anzeiger („Unbequemer Sieger“, 14.März 2023, Seite 2) lese ich aus der Feder des Chefs der Kulturredaktion, Thomas Kliemann, für den Regisseur des Films, Edward Berger, sei die „historische Authentizität des Kriegsalltags wichtiger als die literarische Treue“ gewesen: Es gebe „eindrückliche Bilder;“ die Handlung sei „stringent“; der Film „mit einer fantastischen, erfrischend unpathetischen Musik“ versehen. Erfrischend unpathetisch in Verbindung mit tausendfachem Tod? .Das ist, neutral beschrieben, erfrischend singulär.

Bild: Post of Moldova auf wikimedia commons

Tatsächlich ist es so: Von Remarques Roman ist fast nichts übrig geblieben. Regisseur Edward Berger hat einen Kriegsfilm gedreht, einen Kriegsfilm mit der technisch perfekt gedrehten Illusion des Sterbens im Krieg. Von diesen Filmen gibt es eine ganze Reihe. Russische, us-amerikanische, britische und sonstige Produktionen. Remarques epochale Beschreibung einer durch den und im Krieg „verlorenen Generation“ ist nahezu verschwunden. Die wurde in Lewis Milestones 1930 gedrehtem Film „Im Westen nichts Neues“ fabelhaft beschrieben. Der Film hat damals Hunderttausende erschüttert, aufgerüttelt und Nazis zur Weißglut gebracht.

Es bleibt die gelobte „historische Authentizität“. Die wird von dem Militärhistoriker Neitzel als fehlerhaft und durch Ungenauigkeiten geschrumpft beschrieben. Die Authentizität steckte sowieso ausschließlich in den Köpfen der Männer, die diesen Krieg erlitten hatten und die überlebten – wie zum Beispiel mein Großvater. Und der sprach nie über seine Erlebnisse. Kein Wort.

Klaus Vater
Klaus Vater arbeitet als Kommunikationsberater und Autor. Er war stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, zuvor Pressesprecher des Gesundheitsministeriums sowie des Arbeitsministeriums. Seinen Jugend-Kriminalroman "Sohn eines Dealers" wählte die Kinderjury des Literaturpreises "Emil" 2002 zum Kinderkrimi des Jahres.

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