Das »Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit« bereitet die Gründung einer neuen Partei vor, die im kommenden Jahr in den Wettbewerb um Wählerstimmen eingreifen soll. Es handelt sich um ein in Deutschland bisher einmaliges Projekt: die Gründung einer Wahlpartei um die Prominenz einer Person herum. Nicht die Person gibt der Partei ein Gesicht, sondern der Person wird von verlässlichen Gefolgsmännern und -frauen eine Partei geschaffen. Vergleichbares kannte man bisher eher aus Italien, von Beppo Grillo und seiner Fünf-Sterne-Bewegung. Auch in Frankreich (Mélenchon), Spanien (Iglesias) oder Griechenland (Tsipras) gründeten sich Wahlbündnisse um eine Person herum. So lange diese Person verlässlich für die Partei spricht, so lange die von ihr vertretenen Positionen nicht vom Parteiprogramm relativiert werden und so lange das öffentliche Auftreten der Partei Gefolgschaft ausstrahlt, kann das gut laufen.
Noch eine Partei ohne Partner?
Eine Sahra-Wagenknecht-Partei steht und fällt mit Sahra Wagenknecht, die damit auch ein hohes persönliches Risiko eingeht. Sie setzt (sich als) die Währung ein, die in unübersichtlichen, von vielen miteinander verwobenen Krisen und Risiken geprägten Zeiten bei Wahlentscheidungen hoch im Kurs steht: die Orientierung an einer Person. Es sind Personen und ihre Sprache, nicht Konzepte und Programme, die Affekte ansprechen, Konflikte polarisieren und mobilisieren. Es sind Personen, die man unterstützt, von denen man bestimmte Handlungen (nicht) erwartet, denen man (nicht) vertraut. Etwa ein Sechstel bis ein Viertel der Befragten können sich seit Monaten »auf jeden Fall« »grundsätzlich« vorstellen, »eine von Sahra Wagenknecht gegründete neue Partei zu wählen«. Diese Resonanz übersteigt alles, was andere Parteigründungen in den vergangenen Jahren erreicht haben.
Das Parteiensystem wird die neue Mitspielerin ernst nehmen müssen, denn es kann gut sein, dass aus der grundsätzlichen Vorstellung, eine solche Partei wählen zu können, auch ausreichend reale Stimmen werden. Da neue Parteigründungen immer auch Ausdruck abnehmender Bindungen an die bestehenden Parteien sind, ist zu erwarten, dass die verbalen Kämpfe um Profil und Abgrenzung an Schärfe zunehmen werden und die öffentliche Debatte um die Fragen der Zeit weiter in den Hintergrund tritt: etwa über den Zeitdruck für politisches Handeln angesichts der Klimakatastrophe; über die langfristigen Perspektiven und Ziele in der Migrationspolitik; über die deutsche Wirtschafts- und Außenpolitik, über die Rolle Europas in der Welt; über die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Infrastruktur und die soziale Durchlässigkeit der Gesellschaft.
Die Sahra-Wagenknecht-Partei wird wie die AfD zumindest auf mittlere Sicht eine Partei ohne Partner sein und damit womöglich das Lager der Parteien, die miteinander koalieren können und wollen, weiter schmälern. DIE LINKE wird auf Bundesebene bis auf weiteres für die Bildung progressiver Mehrheiten nicht zur Verfügung stehen. Auch wenn sie bei der kommenden Bundestagswahl erneut in den Bundestag einziehen sollte, wird sie angesichts der anstehenden personellen Wechsel und programmatisch-strategischen Klärungen weder in der Lage sein, das notwendige Stimmengewicht für eine progressive Koalitionsmehrheit auf die Waage zu bringen, noch den Glauben in Vertrauen und Verlässlichkeit bei potentiellen Partnern aufbauen können. Wahrscheinlicher ist sogar, dass es länger braucht, bis sich die Partei von dem teilweise selbstzerstörerischen jahrelangen Scheidungsprozess erholt hat.
Repräsentationslücke? Durchsetzungslücke
Viel ist davon die Rede, dass es im deutschen Parteiensystem eine »Repräsentationslücke« gäbe, also eine Partei fehle für Wählerinnen und Wähler, die mehr sozialstaatliche Umverteilung, aber weniger Migration und Modernisierung in den Lebensweisen wollten. Sahra Wagenknecht selbst spricht vom »Linkskonservatismus«. Unterstellt wird mit der Rede von der Lücke immer ein Bedarf, der auf ein in seinen Haltungen und Einstellungen eher statisches, vorgegebenes Milieu von Wählerinnen und Wähler zurückgeht. Sie fühlten sich vom Parteiensystem nicht mehr vertreten und/oder wählten aus »Notwehr« oder »Verzweiflung« eine Partei, mit der man eigentlich nichts zu tun habe wolle, nämlich die AfD. Sozialwissenschaftliche Forschungen bestätigen diese Annahme verfestigter politischer Milieus nicht, sondern legen eher nahe, dass politische Einstellungstypen je nach Konfliktlage und -definition von Parteien und »Polarisierungsunternehmern« (Steffen Mau) geschaffen würden.1 Es gibt keinen hinreichend belastbaren Zusammenhang zwischen sozialer Lage und kulturellen Einstellungen und politischem Wahlverhalten.
Die These von der Repräsentationslücke, die eine Sahra-Wagenknecht-Partei füllen könnte, beruht auf zwei wackligen Annahmen: Erstens wird angenommen, dass inzwischen keine ideologische Bindung an die AfD entstanden ist, nicht einmal diejenige, dass die Wahl der AfD das maximale Ärgernis für alle anderen Parteien darstelle. Nur wenn da nichts zusammengewachsen wäre, bestände ja Aussicht, Stimmen von der AfD zurückzuholen. Andernfalls müsste sich die neue Partei selbst in die Rolle des maximalen Außenseiters hineinmanövrieren. Und zweitens wird unterstellt, dass Wähler gewonnen werden könnten, wenn man ihre angenommenen sozialen Interessen, die Interessen der »einfachen Arbeitnehmer« in den Mittelpunkt stelle: niedrige Energiepreise durch (auch russisches) Gas und Öl, florierende Industrie, gute sozialstaatliche Absicherung und harte Gegnerschaft zu den Grünen, die als Speerspitze des ökonomischen und soziokulturellen Wandels bekämpft werden. Auch hier ist fraglich, ob nicht solche Positionen bei denjenigen, die sich an Wahlen beteiligen, bereits besser durch die AfD abgedeckt werden, deren Nationalismus offen »Deutsche zuerst« bzw. »Nur für Deutsche« vertritt.
Eine Gegenthese: Statt unter einer Repräsentationslücke leidet nicht nur die deutsche Politik unter einer Durchsetzungs- oder Umsetzungslücke. Anders gesagt: Aus einer möglichen anfänglichen Repräsentationslücke ist eine Durchsetzungslücke geworden. Zu lange haben sich sozialdemokratische und linkssozialistische Politik auf die Sicherung des »Mindesten« fokussiert: Mindestlohn, Grundsicherung/Bürgergeld, Armutsbekämpfung, Grundrente – gegen all diese Vorhaben lässt sich nichts sagen, doch signalisieren sie an Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen auch: Mehr ist nicht drin bzw. von uns ist nicht zu erwarten, dass wir mehr durchsetzen können. Solche Politik trägt unwillentlich zur Verfestigung proletarischer Lebenslagen bei. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass das Einkommen kaum bis zum Monatsende reicht, dass es kaum Hoffnung gibt, dass sich daran etwas ändert/ändern lässt und dass keine ausreichenden Ressourcen vorhanden sind, um den Kindern eine bessere Zukunft bieten. Die eigene Biographie lässt sich sozial nicht absichern, durch Wohnungseigentum oder andere Sicherheiten, um im schnellen Wandel nicht nur der Arbeitswelt nicht unter die Räder zu kommen, sondern irgendwie noch die Kontrolle zu behalten. Wird dann doch mal etwas »von der Politik« beschlossen, etwa ein Programm zum Bau von neuen Sozialwohnungen, dann dauert es viel zu lange, bis es in dieser re-proletarisierten Lebenswirklichkeit ankommt, wo eben kaum Zeitpuffer vorhanden sind. Meistens aber wird diese Lebenswelt für erforderlichen Umbauprojekte mit verantwortlich gemacht, wie zum Beispiel beim Heizungsgesetz: statt mit einer Einkommensgrenze zu arbeiten, ab der eine Pflicht einsetzt, wird lange über einen sozialen Ausgleich gesprochen und das »Klimageld« immer weiter geschoben.
Durchsetzen, Umsetzen, Mitnehmen – das verlangt mehr als bloßes Repräsentieren. Damit überlebt man, das zeigt DIE LINKE, maximal zwei Wahlperioden, dann brauchte auch sie das Glück günstiger Konstellationen oder eben eine Durchsetzungsperspektive. Genau das wird auch das Problem der neuen SW-Partei werden, die Antwort auf die Frage: »Mit wem wollen Sie etwas durchsetzen?« Und dann noch ohne diese Grünen, der »gefährlichsten Partei im Bundestag« (Wagenknecht u.a.)? Speziell wenn es um Nichtwählermobilisierung geht, aber auch um die Bindung von Protestwählern, kommt es darauf an, die Erwartung zu widerlegen, dass sich doch nichts ändern wird oder lässt.
Noch eine Partei, die am Konflikt „Volk-Eliten“ wachsen will
Ob die Rechnung mit der Repräsentationslücke aufgeht, die von vielen Beobachtern, die hoffen, dass eine Wagenknecht-Partei den Aufstieg der AfD stoppen könne, geteilt wird, ist zweifelhaft. Ginge sie auf, wäre das allerdings nicht die schlechteste aller möglichen Entwicklungen, denn im Gegensatz zur AfD fehlt es der kommenden Wagenknecht-Partei an jeglicher faschistischen Bewegungsdynamik.
Ob das ein auch nachhaltiger Gewinn für die demokratische Verfasstheit von Politik und Gesellschaft wäre, kann indes in Zweifel gezogen werden. Denn die Wortmeldungen von Wagenknecht und ihren Mitstreiterinnen bewirtschaften ähnliche Affekte und Ressentiments wie die AfD. Es gibt eine klare Trennung zwischen dem »einfachen« und irgendwie immer »guten« Volk/arbeitenden Menschen/große Mehrheit und den Eliten/Etablierten/Konzernen/Superreichen bzw. den »akademischen urbanen Milieus«, repräsentiert durch die Grünen. Auf das verbreitete Unbehagen über die Welt da draußen – Kriege, Migration, Klimawandel – wird mit national(staatlich)er Abgrenzung, Sorge um das Wohlergehen der »deutschen Industrie« bzw. »unserer Wirtschaft« reagiert und gefordert, an die «eigene Bevölkerung«, also »Deutsche first« zu denken. In der Klimapolitik, also bei der Dekarbonisierung des Kapitalstocks und dem Umbau der Produktions- und Lebensweise der westlichen Wohlstandsgesellschaften stehen Wagenknecht und Co auf der Seite der Bremser.
All das ergibt durchaus ein politisches Konzept: eine ordoliberale Wirtschaftsordnung ohne übergroße Konzernmacht plus eine florierende nationale Wirtschaft, die einen umverteilenden Sozialstaat nähren kann, ähnlich vielleicht dem Wachstums- und Stabilitätsgesetz der ersten Großen Koalition (1966-1969) in der alten Bundesrepublik. Allerdings wird dieses Konzept, zwecks Polarisierung, zuweilen in einer Sprache dargeboten, die die Ressentiments gegen die repräsentative Demokratie aufnimmt und auf unmittelbare Volkssouveränität pocht, für deren Willen auch gerne politisch wenig belastbare Umfrage-Mehrheiten bemüht werden. In der Pandemie näherte man sich libertären, staatsfeindlichen Positionen an. In der Außenpolitik, in der Haltung zu Russland, zu den USA wird vermeintlich fehlende Souveränität Deutschlands angeprangert.
Sie will Flüchtlingspolitik wie die AfD machen, Wirtschaftspolitik wie Ludwig Erhard und Sozialpolitik ein bisschen wie die Linke. Und dann hat man immer die Hoffnung, man kriegt von allen drei Wählerinnen und Wählern. Da kann man sich aber auch täuschen, das kann eine Minusrechnung werden. Die einen wählen dich deshalb nicht, die nächsten deshalb nicht.
Gregor Gysi im ZDF
In all diesen Stimmungen und Gefühlslagen fischt auch die AfD, aber wie gesagt: mit einer Sprache, die Hass, Gewaltbereitschaft und fundamentale Demokratie-Feindschaft ausdrückt. Es geht nicht um eine »Querfront«, wie zuweilen mit historischem Bezug behauptet wird. Diese setzte starke Formationen im vorpolitischen Raum voraus, die eine Zusammenarbeit eingehen. Es geht vielmehr darum, dass heute beide Akteure mit spezifischen Unterschieden an der gleichen Konfliktachse Volk – Eliten polarisieren, also einer spezifischen Zurichtung der Oben-unten-Konfliktachse.
Der Verein »Bündnis Sahra Wagenknecht« schmückt sich mit dem Zusatz »Vernunft und Gerechtigkeit«. Die Inanspruchnahme von Vernunft ist allein schon ein populistischer, mit Ressentiment geladener rhetorischer Trick, wird doch so getan, als habe man die Vernunft für sich gepachtet. Vernunft in der Wissenschaft ist durch nachvollziehbare, widerlegbare Argumente bzw. Experimente und die wissenschaftlichen Diskussion durchgegangen. Vernunft in der Politik braucht den demokratischen Prozess, die Diskussion und die Herausarbeitung eines Verständnisses vom Allgemeinwohl. Davon kann in einer Partei, die auf eine Person zugeschnitten ist, aber nicht die Rede sein. Neben diesen methodischen Einwänden gegen die Namensgebung ließe sich auch inhaltlich einwenden: Was gebietet wissenschaftliche und politische Vernunft anderes als alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, Mehrheiten dafür zu gewinnen, die Bewohnbarkeit möglichst großer Flächen des Planeten für die Zukunft der Menschheit zu sichern, oder ein paar Nummern kleiner: Politische Vernunft erfordert auch von selbsternannten Linkskonservativen die Bereitschaft zur Veränderung – und dies nicht erst in ferner Zukunft.
Und was wird aus DIE LINKE?
Ob die Trennung von Wagenknecht für DIE LINKE neue Chancen eröffnet? Immerhin ist sie nun irgendwie nackt: was sie ist, wird nicht mehr durch die medial gestützte Destruktion Wagenknechts verdeckt. Ihre programmatischen und strategischen Antworten auf die Fragen der Zeit können unverblümt auf den Tisch, sie kann zeigen, dass sie keine Wunder verspricht, gleichwohl vertrauenswürdig und regierungsfähig ist. Anknüpfungspunkte, regionale Stärken, gibt es in Thüringen, in Mecklenburg-Vorpommern, in Bremen oder auch in Berlin, wo sich die Landesverbände in ausdrücklicher Abgrenzung zur Bundespartei auch bei den jüngsten Wahlen achtbar geschlagen haben. Auf Bundesebene allerdings ist nicht erkennbar, dass sich in den Auseinandersetzungen mit dem Wagenknecht-Lager ein neues strategisches Zentrum herausgebildet hat oder man sich auf den Verlust der Fraktionsstärke im Bundestag vorbereitet hat. Ohne die Linke im Bundestag würde zunächst in der Tat ein demokratischer Verlust, eine Repräsentationslücke, entstehen, etwa in der Migrationspolitik, beim Asylrecht, bei der Verteidigung von Klimaaktivisten, der Benennung von Armutsproblemen von Kindern, Alten, in der Umverteilungspolitik.
Wenn man sich etwas wünschen darf von linker Politik, dann wären es vielleicht Antworten auf Fragen wie diese: Wie kann man auch ohne akademische Bildung und angesagten Beruf und ohne großes kulturelles Kapital ein respektiertes und anerkanntes gleichwertiges Mitglied der demokratischen Gesellschaft sein? Wie muss die öffentliche Infrastruktur umgebaut werden, damit wieder soziale Durchlässigkeit und »klimagerechtes« Alltagsleben für alle strukturell möglich sind? Wie sollen die Lasten der sozialökologischen Transformation gerecht verteilt werden? Was erfordert ein radikaler Universalismus, also die universelle Gültigkeit der Menschenrechte wie der global gleiche Anspruch auf Wohlstand von nationaler Politik? Wie wird internationale Kooperation statt wachsendem Nationalismus bzw. multipolare Teilung möglich? Was heißt, die planetaren Grenzen zu berücksichtigen? Und der allerorten zu beobachtende Rückzug ins Nationa(staatlich)e hat in dem verdrängten Wissen um diese Fragen seine Rohstoffquelle: Wenn Landstriche des Planeten unbewohnbar werden – Bilder darüber erreichen jedes Wohnzimmer – dann stellt sich automatisch die Frage, wohin die Menschen sollen. Mir scheinen das die großen Fragen der Zeit zu sein, auf die linke Politik für einen neuen Erfolgszyklus gute Antworten finden müsste.
Man kann sich solchen Antworten auch in kleinen Schritten nähern, zum Beispiel: Wenn von Klassenpolitik die Rede ist, die in der Linken nicht zu Unrecht wieder modern geworden ist, dann wird viel von Arbeiterinnen und Arbeitern, von der Fragmentierung durch Gender und Race gesprochen. Man könnte sich indes vielen verdrängten Wahrheiten der deutschen Politik über einen Umweg mit einem Rückgriff auf republikanische Traditionen nähern: Knapp ein Sechstel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland besitzt keine deutsche Staatsbürgerschaft und damit kein Wahlrecht. In manchen typischen Arbeiterberufen sind es 30%-50%, in den jüngeren Jahrgängen bis zu 25%. Es wird hart für den Wohlstand des Landes gearbeitet, es werden Steuern entrichtet und Beiträge gezahlt, aber von der politischen Entscheidung bleibt dieser Teil der einheimischen Arbeiterklasse ausgeschlossen. Taxation without representation – ein Skandal für jedes republikanische Verständnis von Nation. Wäre es nicht an der Zeit, über Wege zu einer Entkopplung von Staatsbürgerschaft und Wahlrecht nachzudenken und so eine linke Marke zu setzen, dass es linker Politik eben um alle im Lande geht, nicht nur um deutsche Stimmbürger?
1 Siehe hierzu meinen inzwischen frei zugänglichen Artikel in der Oktober-Ausgabe der »Blätter für deutsche und internationale Politik« mit dem Titel »Kulturkampf mit Wagenknecht« – https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/oktober/kulturkampf-mit-wagenknecht
Zu der sehr differenzierten Analyse von Horst Kahrs habe ich eine Frage und eine nicht völlig absurde Spekulation.
Die Frage. Er schreibt: „Es gibt keinen hinreichend belastbaren Zusammenhang zwischen sozialer Lage und kulturellen Einstellungen und politischem Wahlverhalten.“ Mich irritiert das: Gibt es nicht sehr klare Daten, dass vor allem auf dem Land lebende WählerInnen und die mit mittleren und niedrigen formalen Bildungsabschlüssen zur AfD gehen, dass vor allem BürgerInnen mit geringen Einkommen und niedriger Bildung sehr viel seltener zur Wahl als andere gehen.
Soweit die Frage. Oder habe ich diesen Satz falsch oder nicht verstanden.
Nun die Spekulation.
Kahrs schreibt, die Partei von Sarah Wagenknecht wird „auf mittlere Sicht eine Partei ohne Partner sein“. Warum?
Warum soll es bei der am 1. September 2024 in knapp einem Jahr stattfindenden Landtagswahl in Thüringen nicht zu diesem Ergebnis kommen: Bodo Ramelow mit seiner Linken (2019: etwa 30 Prozent) und die Restbestände der SPD (2019: etwa 8 Prozent) und die Wagenknecht-Partei mit zehn bis 15 Prozent (in einem ostdeutschen Land mit ihrer Einstellung zu Putin-Kriegen und Geflüchteten doch nicht ganz unwahrscheinlich) koalieren zusammen. Dann rettet Wagenknecht nicht nur den bisher einzigen Linken-Ministerpräsidenten, sondern schwächt mit ihren Prozenten vermutlich auch die AfD.
Dann werden die Medien aus der latent bösen unmoralischen Dame aus dem Saarland über Nacht den Star der Demokratie machen.