Demonstrationen können ein Strohfeuer sein, aber auch ein Einstieg, um sich anhaltend zu engagieren weit über die einmalige Geste hinaus, sagt der renommierte Bewegungs- und Protestforscher Dieter Rucht im Interview mit Wolfgang Storz. Was die AfD hart träfe, wäre die fortdauernde aktive Stellungnahme und Gegenmobilisierung in den kleinen Räumen des Alltags: am Arbeitsplatz, im Sportverein, in der Elternversammlung, in der Kneipe, betont Rucht. „Vor allem auf dem Land und besonders im Osten hat sich die AfD als Kümmerer etabliert, dem es angeblich um die ‚wahren‘ Interessen der ‚wahren‘ Deutschen gehe und erst sekundär um Wählerstimmen. Dieses Bild lässt sich mit akademischen Diskursen und flammenden Reden nicht dekonstruieren. Das geht nur, wenn sich Bürger:innen konkret und praktisch einmischen und glaubwürdig zu Wort melden, in den Parlamenten, aber eben auch in der Schule, in Vereinen, am Arbeitsplatz.“ Ein AfD-Verbot nennt Rucht „eine Art von Kapitulation“.
In diesen Wochen — und es hört noch nicht auf — gehen hunderttausende BürgerInnen gegen die AfD auf die Straße. Gibt es von einer unabhängigen Beobachterstelle einen groben Überblick, wie viele es ungefähr sind: zusammen zwei, drei oder gar vier Millionen?
Dieter Rucht: Ich kenne keine zusammenfassende quantitative Bilanz aus unabhängigen Kreisen. Vor allem mit Blick auf Proteste in kleineren Orten müsste man die Lokalpresse durchforsten, um flächendeckende Zahlen zu ermitteln. Hinzu kommt die Problematik von oft überhöhten Angaben der Organisatoren von Massenprotesten. Auf der Website demokratieteam findet sich eine fortlaufende aktuelle Zählung. Jedenfalls handelt es sich um eine Größenordnung, welche die der Friedensproteste in den 1980er Jahren, der bis dato größten Massenmobilisierung in der Bundesrepublik, schon jetzt übertroffen hat. Allein am letzten Wochenende im Januar gingen Presseberichten zufolge in 319 Städten rund 820.000 Menschen auf die Straßen.
Sie selbst konstatieren in Interviews: „Jetzt ist ein Damm gebrochen.“ Und: Es handle sich um „ein generalisiertes Aufwachen“ gegenüber den Gefahren von Rechts für die Demokratie. Warum ist der Damm gebrochen?
Dieter Rucht: Im Nachhinein finde ich meine Metapher des Dammbruchs nicht besonders treffend. Sie bedeutet, dass eine große, abrupt einsetzende Flut einen bereits bestehenden Schutzwall punktuell zerstört und sich dann auf ungeschütztes Terrain ergießt. Übertragen auf das Bild einer Flut gegen Rechts: Woraus soll der Damm bestehen? Und wer soll ihn errichtet haben?
Symbolische Gesten des „Flagge-Zeigens“
Wie beschreiben Sie diese Ereignisse dann heute?
Dieter Rucht: Es gibt schon länger diffuses Unbehagen und Unmut über das Erstarken anti-demokratischer und rassistischer Tendenzen. Bisher hat das kaum eine angemessene Ausdrucksform gefunden. Und all das manifestiert sich nun in diesen symbolischen Gesten des „Flagge-Zeigens“. Diese Gesten, vielfach weitergetragen und kommentiert über die Medien, verstärken sich wechselseitig, so dass es inzwischen Demonstrationen auch in kleineren Orten gibt.
Was war der Auslöser?
Dieter Rucht: Auslöser war das oder die sogenannten „Geheimtreffen“ diverser Rechtsradikaler. Deren Aussagen, die in den Berichten zitiert werden, sind nach meiner Wahrnehmung allerdings nicht neu. Schon in einem 2018 erschienenen Buch verkündete Björn Höcke „ein groß angelegtes Remigrationsprojekt“, das eine Politik „wohl temperierter Grausamkeit“ erforderlich machen werde. Somit wundere ich mich, dass interessierte und engagierte Bürger:innen gerade jetzt — oder erst jetzt? — davor erschrecken, was Rechtsradikale sagen und fordern. Wenn man unbedingt zu Metaphern greifen will, dann könnte man dieses große Bild zeichnen: Wir befinden uns in einer Phase der Sortierung von Strömungen und Gegenströmungen, welche aus vielen Quellen gespeist werden. Und beeinflusst wird diese Sortierung von trägen Tiefenströmungen, Winden und Stürmen und den Anziehungs- und Abstoßkräften stabiler Himmelkörper. Es geht in dieser Zeit um eine große Neusortierung gesellschaftspolitischer Kräfte.
Es reicht. Jetzt müssen wir aufstehen
Kurz zurück zu dem von Ihnen zitierten Anlass: Es geht um eine Recherche der gemeinnützigen spendenfinanzierten Medieninitiative correktiv. Correktiv selbst fasst das Rechercheergebnis so zusammen: „Geheimplan gegen Deutschland. Von diesem Treffen sollte niemand erfahren: Hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer kamen im November in einem Hotel bei Potsdam zusammen. Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland.“
Nun ergibt eine genauere Sichtung, dass sich in Potsdam tatsächlich sehr wenige und zudem politisch wie wirtschaftlich unbedeutende rechte Politiker und Unternehmer getroffen haben, um über Pläne der Remigration zu palavern. Wie kann ein solches Treffen, von dem es in Deutschland vermutlich ständig welche gibt, eine solche Welle an Demonstrationen auslösen? Zufall?
Dieter Rucht: Ich vermute, dass zu der gerade jetzt einsetzenden Großen Empörung der etwas theatralische Enthüllungsgestus des Recherchekollektivs correctiv beigetragen hat, den Sie gerade zitiert haben. Und diese Theatralik wurde von vielen Medien enorm verstärkt. Hinzu kamen die steigenden Umfragewerte für die AfD, die Debatten über erste Bürgermeister- und Landratsposten für AfD-Vertreter:innen, Debatten über stabile oder auch bröckelnde Brandmauern, über den hohen Anteil staatlicher Gelder bei den AfD-Finanzen, ein mögliches Verbot oder andere juristische Maßnahmen gegen die AfD. Die Kumulation dieser Fragen und Debatten führt derzeit bei Hunderttausenden zu der Haltung: Es reicht. Jetzt müssen wir als Bürger:innen aufstehen.
Die demokratische Zivilgesellschaft ist von sich selbst begeistert: Toll, wie sich Millionen Menschen mit Wucht für Demokratie und gegen AfD zu Wort melden! Sollte man nicht die Kirche im Dorf lassen? Mein Gegenbeispiel: Allein in einem Bundesland, in Hessen, übrigens sehr wohlhabend, wählten im vergangenen Oktober knapp 500 000 BürgerInnen die AfD und machten sie mit 18,4 Prozent zur zweitstärksten Fraktion im Landtag. Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt die AfD knapp 5,7 Millionen Stimmen. Wie soll gegen diese demokratisch-parlamentarische Wucht mit so ein paar Demonstrationen `angestunken` werden?
Dieter Rucht: Demonstrationen sind nicht nur Signale an politische Gegner und die Öffentlichkeit, sondern auch Akte individueller und kollektiver Selbstvergewisserung und Selbstbestätigung. Ähnlich wie Geldspenden für „gute“ Zwecke wirken sie entlastend. Man hat schließlich etwas getan. Überwiegt diese Haltung, so bleibt das Demonstrieren folgenlos. Es ist ein Strohfeuer, das schnell erlischt. Aber Demonstrationen können auch einen Einstieg sein, um sich anhaltend zu engagieren, weit über das bloße Signal, über die Geste hinaus. Damit wird eine Glut geschürt, die lange Zeit wirkt.
Heute geht es um Fragen politischer Macht
Als die NPD 1989 in die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung einzog, protestierten spontan Tausende. Es gab einst Lichterketten nach rassistischen Anschlägen in den neunziger Jahren. Vor fünf Jahren mobilisierte das Bündnis „Unteilbar“ Hunderttausende, damit Hilfe für Geflüchtete und soziale Anliegen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Werden diese Demonstrationen heute genauso bloß Strohfeuer sein wie all die vielen eben erwähnten und scheinbar auch so machtvollen Manifestationen?
Dieter Rucht: Eine auf die Zukunft bezogene Antwort fällt mir schwer. Die Lichterketten waren symbolische Gesten, aber bedeuteten für die Masse der Beteiligten keinen Einstieg in eine politische Auseinandersetzung oder gar in einen Kampf. Die aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie haben jedoch einen direkten Bezug zu den organisierten politischen Kräften: Was machen Regierungen, deren Parteien, was machen Oppositionsparteien gegen die AfD, was unterlassen sie, wo machen sie Fehler. Bei den Demonstrationen heute geht es also um Fragen politischer Macht, weniger um die Macht der Bilder. Die Demonstrationen berühren und zeigen auch die Kräfteverhältnisse im zivilgesellschaftlichen Raum. Die Bürgerschaft ist meines Erachtens herausgefordert, zumindest einen Teil der jetzt sichtbaren Bereitschaft zum Sich-Bekennen und zum Handeln in ein kontinuierliches Engagement zu überführen. Das fordert vor allem einen langen Atem und hohe Frustrationstoleranz.
Gibt es Erkenntnisse, wer heute auf die Straße geht? Die üblich Verdächtigen, links-liberale und kosmopolitisch gesinnte meist studierte Mittelschichtler mit geringen bis keinen materiellen Sorgen? Also der neue junge Mittelstand, während der alte Mittelstand zusammen mit den Bauern gegen die Zumutungen der Ampel-Regierung Blockaden organisiert.
Dieter Rucht: Es gibt nur Eindrücke und Schlaglichter, aber keine Untersuchungen. Nach Augenschein und spontanen Aussagen Einzelner handelt es sich primär um den Mittelstand — übrigens aus allen Altersgruppen — und speziell das liberale bis progressive Bildungsbürgertum.
Was müsste geschehen, damit aus diesen Demonstrationen mehr wird als ein vorübergehendes Ereignis im Januar 2024?
Dieter Rucht: Es müsste zumindest ein Teil der derzeitig noch „lose“ handelnden und demonstrierenden Bürger:innen bereit sein, künftig anhaltend in bestehenden und auch neuen Netzwerken und Gruppen aktiv zu werden. In manchen Orten, beispielsweise Ludwigsburg, gibt es solche Bestrebungen schon. Woanders versuchen bereits bestehende Bündnisse ihre politische Arbeit auszuweiten und zu verstetigen. An wiederum anderen Orten wird es bei zwei oder drei Demonstrationen bleiben. Dann kehrt wieder der Alltag ein.
AfD im Gegenwind
Schaden oder nützen diese Demonstrationen der AfD?
Dieter Rucht: Das lässt sich derzeit schwer beantworten. Es gibt gegenläufige Tendenzen. Einerseits klingt angesichts der jetzigen Massenproteste der von der AfD missbrauchte Slogan „Wir sind das Volk“ zunehmend lächerlich. Die AfD gerät in die Defensive, mag auch einen Teil derer verlieren, die ohnehin nicht ganz von ihr überzeugt waren. Aber dass sie derzeit stark verunsichert sei oder gar panisch reagiere, wie es ein von mir geschätzter Kollege behauptet, kann ich nicht erkennen.
Aber welche Wirkung ist wahrscheinlich?
Dieter Rucht: Es ist wahrscheinlich, dass die nun im Gegenwind stehende AfD ihre Positionen noch entschiedener als bisher verficht. Die derzeitigen Meinungsumfragen und die Aussichten auf Wahlerfolge beflügeln sie. Ich rechne jedoch nicht mit einer großen Verschiebung der politischen Gewichte, sondern mit einer Verhärtung der Fronten in der politischen Debatte. Aufgrund dieser Verhärtung werden auch Teile der sogenannten Mitte der Gesellschaft, die sich bisher vor einer Positionierung gedrückt haben, eindringlicher nach ihrer „Haltung“ gefragt sein.
Wie drückt sich denn diese Verhärtung aus?
Dieter Rucht: Zur Verhärtung der Fronten trägt unter anderem der auf diversen Protestpodien vorgetragene Slogan bei: „Ganz Berlin (oder auch: München, Göttingen, … ) hasst die AfD“. Ich halte diesen Slogan nicht nur für unwahr, er steht auch im Widerspruch zur Meinung anderer Demo-Teilnehmer:innen, die Schilder wie „Hass ist keine Lösung“ oder „Gegen Hass und Hetze“ hochhalten.
Ein Verbot wäre eine Art von Kapitulation
Wie und für was könnte demonstriert werden, damit es der AfD schadet?
Dieter Rucht: Massenkundgebungen sind eine Sonderform der Kommunikation unter „Einverstandenen“, so der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger. Sie sind Barometer für Unzufriedenheit, Veränderungswünsche, Wut, manchmal auch Verzweiflung. Sie können Gegner einschüchtern, verstummen lassen oder auch zur Gegenmobilisierung anstacheln. Die AfD wird dadurch nicht ins Mark getroffen. Was die Partei jedoch träfe, wäre die fortdauernde aktive Stellungnahme und Gegenmobilisierung in den kleinen Räumen des Alltags: am Arbeitsplatz, im Sportverein, in der Elternversammlung, in der Kneipe. Vor allem auf dem Land und besonders im Osten hat sich die AfD als Kümmerer etabliert, dem es angeblich um die „wahren“ Interessen der „wahren“ Deutschen gehe und erst sekundär um Wählerstimmen. Dieses Bild lässt sich mit akademischen Diskursen und flammenden Reden nicht dekonstruieren. Das geht nur, wenn sich Bürger:innen konkret und praktisch einmischen und glaubwürdig zu Wort melden, in den Parlamenten, aber eben auch in der Schule, in Vereinen, am Arbeitsplatz. Das ist so — und trotzdem fürchte ich gerade, in Leerformeln zu verfallen.
Die AfD versuchen zu verbieten, jetzt weil sie in Umfragen bis zu 30 Prozent stark geworden ist — wie sehr schadet, wie sehr nützt das der Demokratie?
Dieter Rucht: Ein Verbot wäre eine Art von Kapitulation, ein Signal der Schwäche und nur vermeintlich ein Indiz für die „Wehrhaftigkeit der Demokratie“. Im Übrigen könnte die Partei unter neuem Namen und vielleicht etwas abgemilderter Rhetorik weitermachen. Und ein Verfahren, das ein Nicht-Verbot zur Folge hätte, würde als Erfolg der AfD verbucht. Angesagt ist eine politische Auseinandersetzung, keine juristische. Nicht ein einzelnes Urteil, sondern das Handeln von Millionen sollte „Wehrhaftigkeit“ herstellen und verkörpern, in einem ständigen gesellschaftlichen Prozess.
Ich komme zurück nach Hessen: Die AfD gewann bei der Landtagswahl Anfang Oktober 2023 Stimmen von Nichtwählern (76.000), der CDU (40.000), der SPD (32.000) und der FDP (28.000). Deutet das nicht darauf hin, dass keineswegs nur Demokratiegegner die AfD Hessen wählen?
Dieter Rucht: Ja, eindeutig. Allerdings ist eine Wahlentscheidung generell nur in Ausnahmen ein Votum für oder gegen Demokratie. Vielmehr kommt bei ihr ein breites Bündel von Faktoren ins Spiel: darunter Parteiprogramme, einzelne Versprechen und Forderungen, enttäuschte Erwartungen, bekannte Gesichter und Führungsfiguren, Einschätzungen des Fachpersonals von Parteien, Milieubindungen, Meinungen im sozialen Umfeld, Deutungen der veröffentlichten Meinung. Das heißt konkret: Eine Wahlstimme für die AfD ist nur im Ausnahmefall eine dezidierte Stimme gegen die Demokratie.
Klassifizierung nach dem Links-Rechts-Schema ist unzureichend
Noch einmal Hessen: Die AfD erreichte hier 4,1 Prozent in der Landtagswahl 2013, in 2018 bereits 13,1 Prozent, zuletzt in 2023 wuchtige 18,4 Prozent. Ihr Aufstieg erscheint auch im wohlhabenden Westdeutschland unaufhaltsam, wie eine Naturgewalt. Was machen die anderen Parteien falsch?
Dieter Rucht: Wenn die anderen Parteien mehr als 80 Prozent auf sich vereinigen, machen sie nicht alles falsch. Wenn sie jedoch sukzessive an Stimmen verlieren, dann liegt das daran, dass sie zu viel versprechen, zu viele Phrasen dreschen, Entscheidungen unzureichend vorbereiten und begründen, zu wenig zwischen Haupt- und Nebenschauplätzen unterscheiden, sich zu oberflächlich mit den Erfolgsgründen ihres Hauptgegners AfD befassen, zu sehr auf Machterwerb statt auf Ideenwettbewerb ausgerichtet sind, zu einseitig als Apparate und Parteimaschinen und zu wenig als politisch „Bewegte“ agieren.
Noch eine Zahl aus Hessen: Linke, SPD und Grüne verloren jeweils so stark, dass sie zusammen weniger Stimmen (33 Prozent) erreichten als die CDU alleine (34,6 Prozent). Dagegen erreichen Konservative und Rechte und Rechtsextreme im einst roten Hessen deutlich mehr als die absolute Mehrheit. Haben wir es vor diesem Hintergrund nicht mit einem gewaltigen Rechtsruck dieser Gesellschaft zu tun, bei dem die AfD gar nicht das Hauptproblem ist?
Dieter Rucht: Die Klassifizierung der Stimmen nach dem Links-Rechts-Schema ist unzureichend. Sie wird nachträglich an die jeweiligen Stimmanteile von Parteien angelegt. Wenn Wähler:innen entscheiden, dann orientieren sich die meisten nicht an Links oder Rechts. Sondern sie urteilen, wie ich eben ausführte, aufgrund eines komplexen Bündels von Gesichtspunkten, Informationen, Erwartungen und Wertungen, nicht zuletzt auch Gefühlen. Das heißt für die Deutung des Wahlergebnisses in Hessen: Sie konstatieren in Ihrer Frage aufgrund Ihrer klassischen, meines Erachtens unzureichenden Links-Rechts-Klassifizierung einen Rechtsruck. Die Wähler:innen verorten sich selbst vielleicht auf der Links-Rechts-Skala ganz anders, als Sie mit Ihrer Frage unterstellen. Man kann aus vielen Gründen AfD wählen, man muss sich dabei subjektiv nicht als rechts oder gar rechtsextrem verorten. Klar ist: Die AfD an der Spitze und auf der Funktionärsebene ist de facto eine rechtsextreme und rassistische Partei. Das gilt auch für viele ihrer Wähler:innen, aber keineswegs für die Gesamtheit.
Ist die AfD die parlamentarische Speerspitze einer konservativ-rechtspopulistischen Bewegung, die weit über diese Partei hinausreicht?
Dieter Rucht: Ja, so ist es. Wobei Ihre Etikettierung dieser Bewegung als „konservativ-rechtspopulistisch“ einen entscheidenden Punkt unterschlägt und deshalb irreführend ist: Es gibt in der AfD und in der über sie hinausreichenden Bewegung keine Grenze mehr zwischen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus. Wir haben es also mit einer Partei und einer Bewegung zu tun, die beide sich graduell und fließend zwischen dem Konservativen und dem Rechtsradikalen bewegen und beides bruchlos verbinden.
Siehe auch die Rede, die Armin Laschet am 27. Januar 2024 auf der Kundgebung „Wir sind Aachen – Nazis sind es nicht“ gehalten hat https://www.youtube.com/watch?v=9q7a4LwH9H8
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