America first und Germany first mögen sich

Foto: Office of Speaker Mike Johnson auf wikimedia commons

Was wird sich 2025 weltpolitisch zusammenbrauen und unser Leben bestimmen? Es ist mit mehreren Verschiebungen in der globalen Politik zu rechnen: im westlichen Block zwischen den USA und der EU, zum östlichen Teil der Welt hin mit China und Russland und hin zum Einflussgebiet des „globalen Südens“. Die deutsche Außenpolitik nach dem zweiten Weltkrieg gibt für die sich neu abzeichnenden weltpolitischen Konstellationen keine Orientierung. Die Entspannungspolitik des Bundeskanzlers Willy Brandt und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu Zeiten Helmut Kohls hatten eine europäische Prägung. Werfen wir einen Blick darauf, was aus den Vereinigten Staaten von Amerika zu uns kommen könnte. Wie könnte Donald Trump als künftiger Präsident die Politik der nächsten Bundesregierung und der Opposition im Bundestag beeinflussen?

Trump gelingt es nach Belieben, bei demokratisch gesinnten Wähler:innen Abneigungsreflexe auszulösen. Dies ist ein strategischer Vorteil, weil er zum einen seine Gegner:innen in der Politik und in der Öffentlichkeit auf ein falsches Gleis führt: sie sollen sich empören und emotional verirren statt ihren Verstand zu gebrauchen. Zum anderen ruft der Aufschrei der Gegner:innen Trumps Unterstützer auf den Plan und wird zu einer Art Mobilisierungsaufruf. Um solche Reflexe zu vermeiden und Trumps Einfluss zu bewerten, brauchen wir einen nüchternen Blick auf seine Interessen und seine Person. An dieser Stelle nur eine kleine Auswahl für Trumps „America First“-Haltung:

  • Er leugnet die Klimakrise und plant (oder behauptet es nur), Grönland der Regierung Dänemarks abzukaufen und die Bodenschätze dieser strategisch interessanten Insel auszubeuten. Die Regierung Dänemarks lehnt den Verkauf aber ab.
  • Er möchte die einstige Hoheit über die Panamakanalzone wiedererlangen. Auch die Regierung Panamas wir den Kanal nicht freiwillig aus der Hand geben.
  • Er will Zölle wieder zu einem wesentlichen Instrument der Außenpolitik machen. Die radikale Abkehr vom freien Welthandel soll die USA vor Produkten schützen, die viel günstiger in anderen Weltgegenden hergestellt werden.
  • Mit den geplanten Zöllen gegen Mexiko, Kanada und China, den wichtigsten Handelspartnern der USA, greift er tief in die Wirtschaftsbeziehungen ein. So plant er etwa den Drogenschmuggel und die illegale Einwanderung in die USA zu bekämpfen.

Der Politiker Trump ist nicht integer. Er ist in Vorwürfe sexueller Belästigungen von Frauen verwickelt, hinterzieht Steuern und gilt als notorischer Lügner in öffentlichen Debatten. Die verlorene Präsidentschaftswahl 2020 betrachtet er als The Big Lie. Demokratisch gesinnten Bürger:innen macht ihn das unerträglich.

Populistische Raubeine

Am 30. Januar 1835 versuchte Richard Lawrence ein Attentat auf Präsident Andrew Jackson, als dieser im Rahmen des Begräbniszuges von Warren R. Davis das Captiol verließ.
(Bild: N/A auf wikimedia commons)

Es hat populistische Raubeine gegeben wie Andrew Jackson, US-Präsident von 1829 bis 1837. Habitusabweichler in der Amtsführung des Präsidenten auch. Aber mit den Lügengespinsten und der Verurteilung als Krimineller hat Herr Trump eine neue Stufe im Missbrauch des Präsidentenamts erreicht. Geschadet hat es ihm in seinem zweiten Wahlkampf offenkundig nicht. Ein großer Teil der Amerikaner:innen scheint seine Dreistigkeit und seine Regelverletzungen höher geschätzt zu haben als die von der Bürgerrechtsbewegung motivierte Kamala Harris. Trump ist es gelungen, die Prinzipien demokratischer Politik durch eine Politik selbstherrlicher Gesten und markiger Sprüche zu ersetzen.

Dennoch sollte davon unsere Beurteilung von Trumps Einfluss auf die Jahre 2025ff nicht abhängig sein. Sein maßgeblicher Einfluss liegt in seinem fragwürdigen Könnens-Bewusstsein. Diesen Einfluss besitzt übrigens der Präsident Russlands, Wladimir Putin, nicht. Sein Herrschaftsanspruch missachtet zu offenkundig die Demokratie, unterdrückt die politische Opposition, zensiert die Presse usw. usf. Das wird in der Bevölkerung der Bundesrepublik nicht ankommen, Wähler:innen der Parteien „Alternative für Deutschland“ (AfD) und „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) einmal ausgenommen.

Donald Trump hat die Möglichkeit eines Wladimir Putin nicht; nicht diese. Er greift auf die Ideenwelt einer vordemokratischen Epoche zurück. Seine Rückwendung zu einem massenmedial gestützten Machiavellismus ermöglicht ihm, demokratische Institutionen und Spielregeln nicht als gegebene und zu akzeptierende hinnehmen zu müssen. Von seinem Habitus her stellt Trump die Verkörperung eines antiinstitutionellen Affektes dar. Er greift demokratische Institutionen und zivile Standards an, wenn es seinen Interessen dient. Es heißt, dass Donald Trump ein politisches Vorbild für den ehemaligen Brasilianischen Präsidenten Jair Bolzenaro und den gegenwärtig in Argentinien amtierenden Präsident Javier Milei ist. Kann Donald Trump auch den Bundestagswahlkampf beeinflussen?

Welche Parteien kann Trump beeinflussen?

Gewiss, aber nicht auf die Art und Weise, wie er es in der amerikanischen Gesellschaft mit Erfolg tut. In dem politisch gespaltenen Land gibt es gegenwärtig kein gemeinsames Realitätsverständnis. Die Summe von „1+1“ ist politisch gesehen für Demokrat:innen und Republikaner:innen nicht dieselbe. Der Wahlerfolg des Republikaners Trump basiert auf der Spaltung dessen, was US-Bürger:innen für wirklich halten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist hingegen kein gespaltenes Land. Aus den vorhandenen regionalen Differenzen und Befindlichkeiten sind keine eigenen regionalspezifischen Wahrheiten der Bürger:innen geworden. Auch nicht zwischen West- und Ostdeutschland. Deshalb müssen der Einfluss des Trumpschen Politikverständnisses und seine Affekte gegen demokratische Institutionen und Verfahrensweisen anders bewertet werden. Welche Parteien könnten sich am ehesten von seinem Politikverständnis beeinflussen lassen?

An erster Stelle ist die AfD zu nennen. Auch diese Partei lehnt z.B. die Europäische Union und das Europäische Parlament ab: Germany first! Und ihre Kanzler-Kandidatin Alice Weidel betont die „unsägliche Hetze“ gegen den designierten US-Präsidenten Donald Trump und beteuert, dass sie sich immer für ihn eingesetzt habe. Größere Distanzlosigkeit ist kaum noch vorstellbar. Umgekehrt gibt Elon Musk Wahlempfehlungen für die AfD.

Die stärkste Ablehnung von Herrn Trump ist bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Partei Die Grünen zu finden. Allerdings sind die gegenwärtig noch im Amt befindlichen Regierungsmitglieder gezwungen, mit ihm zurecht zu kommen. Sie wären es auch im Falle eines erneuten Wahlsieges.

Weniger Probleme dürfte die disruptionserfahrene Freie Demokratische Partei (FDP) mit dem Republikaner haben. Ihr Parteivorsitzender hat ihren politischen Vorstellungsraum und ihre Wendigkeit unlängst wieder unter Beweis gestellt und auf die ihr vertrauten Formeln eines provokanten wirtschaftspolitischen Papiers und des konstruktiven Misstrauensvotums von 1982 zurückgegriffen. Ob mit Erfolg, wird erst die Bundestagswahl zeigen.

Weiß die Union, was sie will?

Am meisten könnte sich Trumps Einfluss auf die beiden christlichen Parteien auswirken. Er könnte den traditionellen Teil, repräsentiert von Spitzenpolitikern wie Friedrich Merz oder Hendrik Wüst, und den modernen mit Jens Spahn und Markus Söder auseinandertreiben; letzterer ist für die kurze Halbwertzeit seiner Aussagen bekannt. Die Traditionellen orientieren sich am bestehenden Institutionengefüge, die Modernen stärker an offenen Möglichkeiten, als wollten sie sagen: „Trump zeigt auch, dass was geht!“ Wir dürfen annehmen, dass dort neue Perspektiven heranreifen. Der CDU/CSU ist das Maß an Einigkeit verloren gegangen, die sie bei einem Wahlsieg wieder umstandslos zu einer „Kanzlerpartei“ machen könnte.

Die ersten Kostenproben des Bundestagswahlkampfs mit ihrer Fokussierung auf das Zwischenmenschliche („Mit der Partei ginge es vielleicht, aber nicht mit der Person“) deuten auf Trumpschen Einfluss hin. Damit ist die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung vorprogrammiert. Denn für die Wähler:innen ist das Spiel des sich Angreifens, Anfeindens oder des sich Beleidigens angesichts der Tatsache, dass sie wissen, dass die Streitenden nachher bei einer Regierungsbildung zusammenkommen und -arbeiten müssen, so undurchschaubar und überraschend nicht. Dennoch wird der Wahlkampf auf dem Niveau der x-ten Folge eines stereotypen Vorabendkrimis geführt.

Damit verfehlt der Wahlkampf die Wirklichkeit: also Angebote, wie die ökonomische, ökologische und soziale Frage sich im europäischen und globalen Maßstab beantworten lassen. Mit einem neuen Wirtschafts- und Wachstumsmodell? Mit wie viel Markt und wie viel Staat? Mit welchem Beitrag der Bevölkerung? Darauf gibt es keine Antwort. Dafür fehlt den Parteien das Könnens-Bewusstsein.


Bisher erschienen:
(1) Gute Zeichen, schlechte Zeichen: Das Tarifergebnis bei VW, der Wahlkampf und die Parteiprogramme
(2) Seltsame politische Blüten entfalten sich da

Klaus West
Dr. Klaus-W. West (kww) arbeitet freiberuflich als wissenschaftlicher Berater, u.a. der Stiftung Arbeit und Umwelt in Berlin. Zuvor kontrollierte Wechsel zwischen Wissenschaft (Universitäten Dortmund, Freiburg, Harvard) und Gewerkschaft (DGB-Bundesvorstand, IG BCE).

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