Angesicht demografischer Herausforderungen und wachsender Staatsverschuldung mehren sich Stimmen, die auf ein Absenken des Rentenniveaus oder eine Erhöhung des Renteneintrittsalters als unabweisbares Gebot der Generationengerechtigkeit drängen. Die Gerechtigkeitsdebatte wird von reich gegen arm auf alt gegen jung verschoben. Mit dem kreditfinanzierten Generationenkapital plante die gescheiterte Koalition das Verteilungsprobleme mit Gewinnen am Aktienmarkt zu entschärfen. Wegen des Koalitionsbruchs liegt die Idee vorerst auf Eis, aber es steht zu befürchten, dass sie die Regierungskrise überlebt, obwohl sie weder zur Generationengerechtigkeit noch zur nachhaltigen Finanzierung der Renten beiträgt.
Der Anteil der über 67 jährigen wird von 2025 – 2036 von 20 auf 24% der Bevölkerung steigen. Bis 2070 bleibt er dann weitgehend konstant, um danach leicht zu sinken. Sollen die Alten nicht verarmen, wird daher ein wachsender Teil des Volkseinkommens für Rentenzahlungen und Pflegeleistungen aufgewandt werden müssen. Dies muss von der jeweils aktiven Erwerbsbevölkerung erwirtschaftet werden. Der hierfür erforderliche Beitragssatz zur Rentenversicherung hängt dabei nicht einfach von der Zahl der Erwerbsfähigen ab, sondern davon, wie viele Menschen zwischen 18 und 67 wie viele Stunden zu welcher Bezahlung sozialversicherungsspflichtig beschäftigt sind. Darüber hinaus würde sich die Integration bisher nicht obligatorisch versicherter Selbständiger in die gesetzliche Rentenversicherung für die nächsten 30 – 40 Jahre positiv auf das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenbeziehern auswirken.
Um trotz des demographischen Wandels angemessene Renten zahlen zu können, muss das Produktivitätswachstum pro Arbeitnehmer:in gleich oder größer als die Abnahme der aktiven Beschäftigten sein. Mit anderen Worten, wenn mit einer kleineren Zahl von Beschäftigten ein gleich großes oder sogar höheres BSP erwirtschaftet wird, ist die Finanzierung der Renten kein absolutes, sondern ein Verteilungsproblem. Die Steigerung der Produktivität bei einer alternden Erwerbsbevölkerung erfordert vor allem massive Investitionen in Ausbildung und lebenslanges Lernen.
Wie werden die Renten finanziert?
Ob dagegen die erforderlichen Mittel über Rentenversicherungsbeiträge wie beim Umlageverfahren oder als Kapitalausschüttungen wie bei der Aktienrente aufgebracht werden, ist im Sinne der generativen Belastung egal. In Deutschland hat sich das Umlageverfahren mit der großen Rentenreform von 1957 durchgesetzt. Nicht zuletzt, weil sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Weltkrieg das angesparte Kapital der Rentenversicherung jeweils inflationär vollständig vernichtet worden war und nur über ein Umlageverfahren überhaupt eine Dynamisierung der Renten finanzierbar war. In jedem Fall müssen die Rentenzahlungen in der Periode erwirtschaftet werden in der sie verausgabt werden. Theoretisch vorstellbar sind bei der kapitalgedeckten Rente Transfers aus dem Ausland, wenn vorher ein Teil des Kapitals im Ausland angelegt wird. Einem Kapitalexport in der Ansparphase stehen dann entsprechende Rückflüsse aus dem Ausland zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber. Durch eine globale Diversifikation werden Kursschwankungsrisken reduziert, während gleichzeitig geopolitische Risiken zunehmen, die Eigentumsrechte oder die Rückführungsmöglichkeiten von Kapitalerträgen beeinträchtigen können.
Die Einführung einer Teilfinanzierung der Rente durch Kapitalerträge bedeutet erstmal über viele Jahre eine doppelte Beitragsbelastung für die jüngere Generation, weil sie sowohl die laufenden Renten bezahlen als auch das Kapital für die Aktienrente ansparen muss. Letzteres soll im Rentenpaket II dadurch vermieden werden, dass der Kapitalstock nicht angespart wird, sondern durch Staatsverschuldung finanziert wird.
Wichtiger als die Finanzierungart der Rente ist die Ertragskraft der Volkswirtschaft. Für eine nachhaltige Alterssicherung ist entscheidend, dass die ältere Generation an die Jüngeren eine hochproduktive und ökologisch lebenswerte Volkswirtschaft weitergibt. Ein exzellentes Bildungssystem, eine moderne Infrastruktur und ökologische Zukunftstechnologien sind absolute Gebote der Generationengerechtigkeit. Dummköpfe auf maroden Straßen werden den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Daher ist die Schuldenbremse kontraproduktiv. Schuldenfrei in einer Abbruchbude statt in einem kreditfinanzierten Haus zu leben macht nicht einmal für eine schwäbische Hausfrau Sinn, geschweige denn für eine Volkswirtschaft. Wer die nächste Generation wegen der Einhaltung der Schuldenbremse um die Möglichkeiten einer leistungsfähigen, innovativen und nachhaltigen Volkswirtschaft beraubt, sollte nicht erwarten, dass eine verarmende Volkswirtschaft lebensstandardsichernde Renten zahlen kann.
Hedonistische Konsumkultur hinterlässt Dreck und Schrott
Die größte Genrationsungerechtigkeit ist zweifellos die ökologische Verantwortungslosigkeit und der Verschleiß der Infrastruktur. Ein Wirtschaftssystem, das getrieben ist von kurzfristiger Profitmaximierung und einer hedonistische Konsumkultur, bei der 20 % der Weltbevölkerung 80% der Ressourcen verbrauchen, bedeutet eine schwere Bürde für die nachkommenden Generationen, die unter hohen Kosten werden reparieren müssen, was wir zerstören. Die Vernutzung von Natur und Infrastruktur sind die gravierendsten Formen der Generationenungerechtigkeit, da hier tatsächlich die heutige Generation wertvolle Ressourcen verbraucht und den Nachkommen dafür Dreck und Schrott hinterlässt.
Bei den Rentenzahlungen finden für alle sichtbar erhebliche Transferleistungen von jung zu alt statt. Es erscheint jedem unmittelbar einsichtig, dass auch hier die Jungen für die Alten zahlen. Die jährlichen Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung betragen ca. 375 Milliarden. Gleichzeitig schätzt das DIW die jährlichen Erbschaften und Schenkungen auf ca. 400 Milliarden. Die junge Generation erbt also jährlich etwas mehr als das, was sie an Rentenleistungen aufbringen muss. Keine nachwachsende Generation wird so viel erben wie die Kinder der Babyboomer. Nicht nur konnten in den vielen Jahrzehnten von Frieden und Wachstum erhebliche Vermögen aufgebaut werden, sondern der wachsenden Zahl Sterbender steht eine abnehmende Zahl von Erben gegenüber. Allerdings verteilt sich dieser Transfer sehr ungleich. Die Hälfte wird an die oberen 10% der nächsten Generation vererbt, während die untere Hälfte fast leer ausgeht.
Erbschaften sind leistungsloses Einkommen. Durch das bestehende System weitgehend gering besteuerter Erbschaften, entsteht eine auf leistungslosem Einkommen basierende Vermögenselite. Dies ist für eine dynamische Marktwirtschaft eine systemwidrige Fehlentwicklung. Eine progressive Erbschaftssteuer von durchschnittlich 20 % würde mit 80 Milliarden die Erlöse des geplanten Generationenkapitals um das achtfache übersteigen und die Chancengleichheit innerhalb der jüngeren Generation erhöhen.
Eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters wäre eine Rentensenkung, die zweifelfrei zu einer Entspannung der demographischen Herausforderung beitrüge. Mit der Verschiebung des Renteneintrittsalters verschiebt sich das Verhältnis zwischen Menschen im erwerbsfähigen und dem Rentenalter und die Rentenbezugsdauer wird verkürzt. Steigende Lebenserwartung rechtfertigt eine solche Verschiebung.
Wohlhabende sind Gewinner des Generationenvertrags
Allerdings ist in den letzten Jahren die Lebenserwartung leicht rückläufig. Die Erhöhung des Renteneitrittsalters bei gleichzeitige sinkender Lebenserwartung hat die Rentenbezugszeit im letzten Jahrzehnt für Männer um 0,8 und für Frauen um 1,3 Jahre verkürzt. Ob es sich hier um einen Corona-Sondereffekt handelt oder aber der langjährige Trend steigender Lebenserwartungen zu einem Ende kommt, bleibt abzuwarten. Wenig ist zudem erforscht, wie sich die aus der Verlängerung der Lebensarbeitszeit ergebende Mehrbelastung auf die Lebenserwartung auswirkt. Eine Studie aus dem Jahre 2024 verweist allerdings darauf, dass in Spanien ein um ein Jahr erhöhtes Renteneintrittsalter die Sterbewahrscheinlichkeit im Alter zwischen 60 – 69 Jahren um 38% erhöht hat.
Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten ist eine generelle Verlängerung der Lebensarbeitszeit für alle nicht überzeugend, da das Eintrittsalter ins Berufsleben stark variiert und die psychischen und physischen Belastungen sich zwischen verschieden Berufsgruppen erheblich unterscheiden. Hier differenzierte Kriterien statt die Versichertenzeit zu Grunde zu legen, wäre gerechter, allerdings auch bürokratisch erheblich komplexer.
Menschen mit hohem Einkommen profitieren überdurchschnittlich vom jetzigen Rentensystem. Die Bezieher hoher Renten leben durchschnittlich über 5 Jahre länger als die Bezieher kleinerer Renten. Die Wohlhabenden der Rentnergeneration sind Gewinner im Generationenvertrag. Die Bezieher kleiner Einkommen zahlen dagegen überdurchschnittlich für die Rente der Besserverdiener. Diese Ungerechtigkeit könnte durch eine Anhebung der Versicherungsfreigrenze teilweise ausgeglichen werden, wenn dies nicht höhere Rentenansprüchen begründet, sondern als Korrektur bestehender Privilegierung in das Rentensystem eingeführt wird. Im Sinne echter Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen ist die Berücksichtigung der einkommensabhängigen Lebenserwartung ein Gebot der Gerechtigkeit.
Die über die Nullzinspolitik beförderte Inflation bei Vermögenswerten (Aktien und Immobilien) hat Vermögensbesitzer bereichert und es insbesondere der jüngeren Generation erschwert, Wohneigentum oder andere Vermögenswerte zu erwerben. Der Traum vom eigenen Heim bleibt für immer mehr junge Menschen ein Traum, den sie sich nicht mehr leisten können. Eine zeitlich unbefristete Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Geldvermögen, Immobilien und Betriebsvermögen wäre hier geeignet, einen Teil dieses leistungslosen Einkommens abzuschöpfen und den öffentlichen Haushalten zur Finanzierung der Daseinsfürsorge zuzuführen.
Staatsschulden vererben Verteilungskonflikte
Staatsschulden erscheinen auf den ersten Blick als eine weitere Belastung zukünftiger Generationen Den Staatsschulden stehen allerdings in gleicher Höhe Forderungen private Gläubiger gegenüber. Als Steuerzahler muss die nachfolgende Generation die Staatsschuld bedienen, als Vermögensbesitzer fliesen die staatlichen Zins und Tilgungsleistungen in ihre Taschen. Oder mit anderen Worten: alle müssen Steuern zahlen, um die Forderungen der sehr viel kleineren Gruppe der Gläubiger zu bedienen, in deren Eigentum sich die staatlichen Schuldtitel befinden. Staatsverschuldung, insbesondere wenn sie die staatlichen Nettoinvestionen nicht überschreitet, ist nicht so sehr eine Belastung zukünftiger Generationen als die Vererbung von Verteilungskonflikten an die nachfolgende Generation.
Unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit ist die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung eine paternalistische Entmündigung zukünftiger Generationen Mit welchem Recht legt die heutige Generation nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Nachfahren finanzpolitische Fesseln an, die dann nur noch mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit gelöst werden können?
Eine den individuellen Erwerbsbiografien Rechnung tragende und die Entwicklung der Lebenserwartung berücksichtigende Festsetzung der Lebensarbeitszeit, eine substantielle Erbschaftssteuer, bei der die Vermögen der sterbenden Rentner zur Finanzierung der Neurentner beitragen, eine Berücksichtigung der überdurchschnittlichen Lebenserwartung der Besserverdiener bei den Rentenversicherungsbeiträgen, eine hohe Erwerbstätigenquote, eine moderate Anhebung der Rentenversicherungsbeiträge und eine vorausschauende staatliche Investitionspolitik in Bildung, Infrastruktur und die ökologische Transformation sind zentrale Bausteine für eine nachhaltige Alterssicherung.
Statt über solche Reformschritte das umlagefinanzierte Rentensystem zu stabilisieren, sollte nach Meinung Christian Lindners mit dem Generationenkapital ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden. Gewinne am Kapitalmarkt sollen helfen, die Rentenfinanzierung abzusichern. Die Regierung will sich Geld am Kapitalmarkt leihen und damit bis 2036 einen 200 Milliarden Fond aufbauen, der am Aktienmarkt investiert werden soll. Ab 2036 sollen dann jährlich aus Fonderlösen 10 Milliarden der Rentenkasse zugeführt werden. Gleichzeitig sollen dann zwischen 2035 und 2045 weitere von 16, 3 Millionen in 2035 auf 22,4 Millionen in 2045 aufwachsende jährliche Darlehen an den Fond transferiert werden. Insgesamt werden also bis 2045 ca. 430 Milliarden Staatsschulden aufgenommen, um ab 2035 jährlich 10 Milliarden an die Rentenkasse abzuführen. Dies entspräche etwa 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte des Rentenversicherungsbeitrages, der nach Berechnungen des BMAS von 22,7 auf 22,3 % gesenkt werden könnte.
In den nächsten zwei Jahrzehnten, in denen die Babyboomer in Rente gehen bzw. Rente beziehen, sollen Schulden aufgenommen werden, um damit am Finanzmarkt hohe Renditen zu erwirtschaften. Statt mit diesem Geld, beispielsweise produktivitätsfördernde Realinvestitionen zu finanzieren oder Schulen und Universitäten zu verbessern, zirkuliert dies Geld unproduktiv an der Börse . Um ab 2036 10 Milliarden jährlich an die Rentenversicherung überweisen zu können, ist bei Schuldzinsen von ca. 2,5% eine Bruttorendite von 7,5 % erforderlich. Im Vergleich: die deutschen Lebensversicherer versprechen zurzeit einen Garantiezins von 1%. Renditeversprechen von 7,5 % setzen explizit oder implizit voraus, dass der Staat bzw. die Steuerzahler das volle Investitions- und Spekulationsrisiko tragen, und nicht garantiert werden kann, dass zumindest das aufgenommene Kapital auf jeden Fall erhalten bleibt.
Mit schuldenfinanzierter Spekulation Haushaltslöcher stopfen?
Statt Kredite für Realinvestitionen aufzunehmen, hofft man auf einen immerwährende Aktienhausse. Die Vergangenheit ist kein guter Ratgeber für die Zukunft. Die Aktienkurse sind in den letzten Jahren rasant gestiegen. Wer jetzt einsteigt, dürfte kaum in den nächsten Jahren mit vergleichbaren Wachstumsraten rechnen können. Es besteht vielmehr ein erhebliches Verlustrisiko. Insbesondere weil weltweit bei zahlreiche Pensionsfonds die Ansparphase abgeschlossen ist und jetzt die Auszahlungen gleich oder größer als die Zuflüsse sind. Verschärft wird dies dadurch das auch bei den kapitalgedeckten Pensionsfonds der demographische Wandel dazu führt, dass die Zahl der Einzahler nicht mit der Zahl der Rentner Schritt hält. Pensionsfonds werden tendenziell von institutionellen Aktienkäufern zu Verkäufern und fallen damit als systemische Kurstreiber aus. Sollten die Aktienkurse einbrechen, könnte es schnell sein, dass die Schulden den Kapitalwert des Fonds übersteigen und nicht der Finanzierungsbedarf für Renten gesenkt wird, sondern stattdessen zusätzlich Schuldzinsenzahlungen anfallen.
Diejenigen, die darauf verweisen, dass Befürchtungen über Kapitalmarktrisiken unbegründet sind, weil in der langen Frist Aktien auf jeden Fall höhere Renditen als Anleihen abwerfen, müssten erklären, warum Staaten nicht schon lange ihre gesamte Haushaltspolitik auf ein solches Modell umgestellt haben. Wenn man über schuldenfinanzierte Spekulationen am Aktienmarkt Renten finanzieren kann, könnten in gleicher Weise alle anderen Haushaltslöcher gestopft werden.
Das Generationenkapital birgt erhebliche Risiken für die jüngere Generation als Steuerzahler. Es trägt im besten Fall marginal zur Rentenfinanzierung bei. Statt in dringend benötige Zukunftsinvestitionen wird Kapital in Finanzmarktspekulation geleitet. Der Generationskapitalfond ist ein Instrument zur weiteren Befeuerung der Finanzmärkte und in dem Maße, wie die gesteigerte Nachfrage die Kurse nach oben treibt, erhöht es die Vermögensungleichheit, weil Aktienbesitzer, die ohnehin überwiegend zum betuchteren Teil der älteren Genration im Lande gehören, noch reicher werden.
Dass die FDP als Klientelpartei sich hierfür begeistert, ist verständlich. Warum Grüne und SPD dem zugestimmt haben, erklärt sich wahrscheinlich vor allem aus Koalitionsarithmetik, denn es hat weder etwas mit Nachhaltigkeit noch mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.