
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der/die Pessimistischste im ganzen Land? Nach den jüngsten und vorerst letzten schrillen Tönen im Deutschen Bundestag und ersten Schlagabtäuschen der Wahlkämpfer:innen im Fernsehen scheinen es die unzufriedenen, völlig verunsicherten Deutschen zu sein: Wenige Tage vor der Bundestagswahl weiß angeblich ein Drittel von ihnen noch nicht, wen oder was sie wählen sollen. Doch es sind nicht die Deutschen, die verdrossen und verbittert mit ihrer politischen Klasse abrechnen (wollen), nicht die Italiener oder die Holländer, sondern die Französinnen und Franzosen: 76 Prozent der Befragten haben kein Vertrauen in ihre Regierung, 74 Prozent trauen ihrer Nationalversammlung im Palais Bourbon nicht und 72 Prozent nicht ihrem Präsidenten. 73 Prozent wünschen sich einen „wirklichen Chef, der für Ordnung sorgt“.
Nach dem diesjährigen Politbarometer des Pariser Forschungsinstituts Cevipof, veröffentlicht am 11. Februar in Le Monde, ist die Unterstützung demokratischer Institutionen in unserem Nachbarland auf einem bisher nie registrierten Tiefstand. „Das große demokratische Unbehagen“ titelt die französische Tageszeitung. Die Abrechnung mit der politischen Klasse in ihrem Land könnte härter nicht ausfallen. 74 Prozent halten die Gewählten für korrupt und 83 Prozent meinen, sie hätten sich von den wirklichen Problemen und Bedürfnissen ihrer Bevölkerung abgekoppelt. Die Regierung des François Bayrou, seit zwei Monaten im Amt und die vierte in zwei Jahren, halten Zweidrittel der Befragten nicht für legitim. Das Unbehagen und die Unzufriedenheit ballt sich über dem Haupt von Staatspräsident Emmanuel Macron zusammen. 67 Prozent machen ihn für die Lage im Land verantwortlich (nach dieser Umfrage in vier europäischen Ländern sind im Gegensatz dazu 47 Prozent der Italiener mit ihrer rechtsextremen Staatschefin Giorgia Meloni zufrieden, 28 Prozent mit dem noch amtierenden deutschen Kanzler Olaf Scholz).
Mit ihrer Katerstimmung (30 Prozent) übertreffen die Französinnen und Franzosen die Deutschen (16 Prozent), Italiener (ebenfalls 16 Prozent) und Holländer (4 Prozent). Mit „gelassen heiter“ (sérénité) beschreiben sich nur 14 Prozent unserer Nachbarn. Erstaunlich fällt diese Antwort unter den befragten Deutschen aus: Jede und jeder Dritte schreibt sich selbst eine heitere Stimmung zu. Hat das hierzulande schon irgendjemand mitbekommen?