
Mit seiner Bemerkung, die AfD wie jede andere Oppositionspartei im Bundestag zu behandeln, hat der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Jens Spahn, eine unheilvolle Diskussion in Gang gesetzt. Er wehrt sich nun gegen eine Auslegung seiner Worte, die lautet: Er sei für eine Normalisierung der AfD.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 18. September 2024 in einer einstimmig gefällten Entscheidung Klarheit geschaffen. Die Rechte der AfD-Fraktion und der einzelnen AfD- Bundestagsabgeordneten werden nicht verletzt, wenn ein Vertreter dieser Fraktion keine Mehrheit findet, der für das Amt eines Vizepräsidenten des Bundestages oder für einen Ausschussvorsitz kandidiert. Entscheidend ist für das Gericht: Die Wahl zur Besetzung eines parlamentarischen Leitungsamtes kann nur und muss eine freie Wahl sein. Ein „Wahlakt“ des oder im Bundestag(es) unterliege „keiner über Verfahrensfehler hinausgehenden gerichtlichen Kontrolle, weswegen sein Ergebnis auch keiner Begründung oder Rechtfertigung“ bedürfe. Wer also kandidiert, der tut das entweder mit einer auf seine Fraktion gegründete Mehrheit oder mit einer durch mehrere Fraktionen gebildeten Mehrheit im Rücken. Einen anderen Weg gibt es nicht. Dabei spielt die Frage keine Rolle, ob sich ein gescheiterter Kandidat/Kandidatin als unfair behandelt, gar als „Märtyrer“ seiner Sache versteht beziehungsweise so in der Öffentlichkeit markiert wird.
Ich vermag nicht anzunehmen, Spahn habe einfach mal so daher geplappert, als er in der „Bild“-Zeitung über den Umgang mit der AfD redete. Er wusste, was er sagte. Da die AfD über keine eigene Mehrheit verfügt, folgt: Sie kann nur mit Hilfe „geliehener“ also vorübergehend ihr zur Verfügung gestellter Stimmen ihre Ansprüche erfüllen. Diese Möglichkeit hat Spahn „aufgerufen“. Er hat einem in den Unionsparteien vorhandenen Unbehagen im Verhältnis zur AfD Ausdruck gegeben. Er tut parteipolitisch das, was der Sherpa in der dünnen Luft des Hochgebirges tut: Einen möglichen Weg gangbar machen. Wenn es historische Wahrheiten gibt, fällt diese darunter: Rechtsradikale kommen nicht an die Macht, nirgends und zu keiner Zeit, ohne Beihilfe demokratievergesser rechter Politiker wie Jens Spahn.