Rauere deutsche Töne gegenüber Israel

„Doch denke ich, dass Juden und Deutsche in die Zukunft blicken sollten und es unserer Generation auferlegt ist, den Weg in eine helle Zukunft in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit gemeinsam zu ebnen.“ Den Satz sprach vor sechzig Jahren der erste deutsche Botschafter in Israel, der hochdekorierte, kriegsversehrte Wehrmachtsoffizier und Diplomat Rolf Pauls. Er war vielen Israelis keineswegs willkommen, schon gar nicht für einen gemeinsamen Weg in eine helle Zukunft. Über den Platz der Palästinenser in dieser Zukunft wurde damals nicht gesprochen.
Zum 60. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der damaligen Bundesrepublik Deutschland wollte die Bertelsmann Stiftung wissen, wie es um diese Beziehungen heute steht („Kompaktauswertung“ vom 9.Mai), vor allem nach dem grausamen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel, dem folgenden israelischen Zerstörungskrieg im Gazastreifen und dem tausendfachen Leid unter den Palästinensern. Während die Israelis zu 72 Prozent fest mit der Unterstützung der deutschen Bundesregierung rechnen, herrscht auf der deutschen Seite Unsicherheit: Nur 20 Prozent befürworten die Unterstützung Israels, für 29 Prozent soll dies für Israelis und Palästinenser gleichermaßen gelten. Aber 31 Prozent der Befragten lehnen eine Unterstützung für beide Seiten ab. Der Ton der Deutschen gegenüber Israel und dem Nahostkonflikt insgesamt ist rauer geworden, unwirscher: 57 Prozent sagen, Israelis und Palästinenser müssten im Konflikt nachgeben, 56 Prozent sprechen sich nach wie vor für eine Zweistaatenlösung aus (in Israel sagen ebenfalls 56 Prozent zu dieser Lösung „Nein“).
Allerdings fällt in dieser Bertelsmann-Studie auf, wie schlecht vor allem jüngere Männer (unter 40 Jahren) über Israel, die besonderen deutschen Beziehungen, die Palästinenser und den Nahostkonflikt informiert sind: Je geringer der Bildungsgrad und je näher an der AFD um so weniger fühlen sie sich informiert. 51 Prozent der unter 40jährigen stuft sich schlecht (sehr/eher schlecht) informiert ein. 44 Prozent aller Befragten halten die Berichterstattung über den Gaza-Krieg in deutschen Medien für „zu sehr Partei für Israel“. In der Studie wird die Frage vermieden, ob überhaupt ein Interesse besteht, über Israel und den Nahostkonflikt mehr zu wissen. Ausgeklammert bleibt auch, über welche Medien sich die Befragten so beschweren: Tiktok oder arte, ZDF oder Süddeutsche Zeitung?

Den Versuch, dem Antisemitismus in Deutschland nachzuspüren, erhellen zwei Fragen. Der Aussage: „Durch die israelische Politik werden mir die Juden immer unsympathischer“  stimmen 55 Prozent der befragten Deutschen nicht/überhaupt nicht zu. Immerhin. Aber den Satz : „Die israelische Regierung trägt dazu bei, dass es Antisemitismus, also Judenfeindlichkeit, gibt“ bejahen 50 Prozent „eher/voll und ganz“. Wo ist die „helle Zukunft in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit“ geblieben?

Jutta Roitsch
Jutta Roitsch, Diplom-Politologin und freie Autorin, von 1968 bis 2002 leitende Redakteurin der Frankfurter Rundschau, verantwortlich für die Seiten »Aus Schule und Hochschule« und »Dokumentation«, seit 2002 als Bildungsexpertin tätig, Engagement in der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav-Heinemann-Initiative (GHI), Autorin der "Blätter für deutsche und internationale Politik", der "Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik".

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