„Je ne peux pas accepter tout.“ Milliardäre und ihre Massenmedien

Bild: bykst auf wikimedia commons)

Bekanntlich ist das französische Medienwesen (Privatfernsehen, Zeitungen, Zeitschriften) fest im Griff einer knappen Handvoll von Milliardären. „Fest“ ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen. Denn diese kleine Besitzeroligarchie scheut sich nicht, direkt und persönlich auch in die laufenden Geschäfte sowie in die Politik und personelle Zusammensetzung der Redaktionen der Medienbetriebe einzugreifen, die ihnen gehören. Der jüngste Skandal dreht sich um den renommierten Verlag Fayard.

So gehörte beispielsweise die renommierte Tageszeitung Le Monde mit einer Auflage von 472 000 Exemplaren (im Jahr 2022) einst mehrheitlich einer Beschäftigten-Gesellschaft, bis das Blatt in den 80er Jahren in die Krise kam und seinen Sitz am Boulevard des Italiens verkaufen musste, um ihr Überleben zu sichern. Für die Herausgabe ist seither eine Aktiengesellschaft zuständig, deren Aufsichtsrat der neoliberal orientierte Alain Minc präsidiert. Die Chefredakteure wurden in den folgenden Jahren mehrfach ausgewechselt und der politische Kurs der Zeitung moderat in die Mitte, das heißt nach rechts gerückt. Die AG holt zudem die Lagardère-Gruppe ins Boot. Nach einer politischen Kontroverse in der Zeitung verließ 2007 Edwy Plenel, der linke Flügelmann der Redaktion, Le Monde und gründete die erfolgreiche oppositionelle Netzplattform mediapart. Ein schwerreiches Trio von Geschäftsleuten übernahm schließlich 2009 die Kontrolle über die Zeitung.

Hauptsitz der Zeitung Le Monde in Paris (Foto, 2015: Fred Romero auf wikimedia commons)

Etwas übersichtlicher sind die Besitzverhältnisse beim konservativen Le Figaro, der 1826 als Satireblatt und 1866 als Tageszeitung gegründet wurde mit einer aktuellen Auflage von rund 300.000 Exemplaren. Als Herausgeber fungiert der Milliardär, Waffen-und Flugzeughersteller Serge Dassault, der eine Firmengruppe dirigiert, der weitere 70 Zeitungen mit lokaler Bedeutung gehören.

Die dritte Zeitung mit nationaler Verbreitung und Bedeutung ist die 1973 unter anderem von Jean-Paul Sartre mitbegründete links orientierte Libération mit momentan täglich etwa 100.000 Exemplaren Auflage. Seit 2005 gehört sie dem Bankier Édouard Rothschild.

Vincent Bolloré (Foto, 2013: copyleft auf wikimedia commons)

Bekannt für seine autoritativen Eingriffe ist aber vor allem der aus der Bretagne stammende Milliardär Vincent Bolloré. Dessen Mischkonzern ist in verschiedenen Branchen aktiv: Papier, Afrikahandel, Werbung, Mineralölwirtschaft, Marktforschung und Medien. Seine politischen Sympathien liegen bei den Konservativen, die er zu einem politischen Bündnis mit den extremen Rechten bewegen möchte. Er gehörte unter anderem zu den Freunden und Unterstützern von Expräsident Nicolas Sarkozy; der nutzte Bollorés Privatjet und dessen Luxusyacht und bekundete 2023 öffentlich: „Ich wünsche der französischen Wirtschaft viele wie Vincent Bolloré“.

Der Milliardär gilt in Frankreich rundweg als „Heuschrecke“ und „skrupellos-brutaler Investor“, spätestens seit seinem Engagement als souverän herrschender Baulöwe beim Baukonzern Bouygues, als er die Spitzenmanager nach Gusto auswechselte. Das Businessmagazin Forbes schätzt sein Vermögen auf rund vier Milliarden US-Dollar. Die Tagessschau apostrophierte ihn im November 2022 als „Frankreichs mächtigsten Medienmogul“. Im Sommer 2023 kaufte er die liberale Sonntagszeitung Le journal du Dimanche und installierte sofort den von der rechtsradikalen Zeitschrift Valeurs Actuelles kommenden Chefredakteur Geoffroy Lejeune als neuen Chef des Blattes — die Redaktion reagierte mit einem mehrwöchigen Streik. Dieser blieb jedoch erfolglos, viele Redakteure kündigten.

Isabelle Saporta (Foto, 2018: Librairie Mollat auf wikimedia commons)

Im März dieses Jahres übernahm Bolloré nun den renommierten Verlag Fayard. Seine ersten Schritte: Er entließ umgehend die bisherige Chefin Isabelle Saporta und fädelte die Kooperation mit dem Kleinverlag Mazarine ein, den er ebenfalls gekauft hatte, und der für ein eher rechtes Programm und Profil steht. Übrigens: Bolloré sponsert mit einem seiner Fernsehsender auch die wöchentliche Sendung des dezidiert rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour. Mit ihm zusammen will er nach den Präsidentschaftswahlen 2027 eine Koalition zwischen den Konservativen und dem rechten Rassemblement National (RN), dem früheren Front National, gegründet vom Vater von Marine Le Pen, auf die Beine stellen.

Bolloré hat die Fayard-Chefin Saporta entlassen, weil diese sich dem Vernehmen nach gegen das Vorhaben stellte, noch vor den EU-Wahlen in diesem Juni ein Buch von Jordan Bardella bei Fayard herauszubringen — Bardella ist der Spitzenkandidat des RN und zudem als Nachfolger von Marine Le Pen amtierender Vorsitzender dieser rechtsextremen Partei. Diese Buchveröffentlichung wäre einem Eintrittsticket der Rechten in die etablierte französische Verlagswelt gleichgekommen. Dazu wollte sich die linksliberale Saporta jedoch nicht hergeben: „Je ne peux pas accepter tout“, ich kann nicht alles hinnehmen. Wohin die neue Chefin des Verlags — Lise Boëll — das Unternehmen Mazarine/Fayard steuern wird, das weiß vermutlich Bolloré am besten.

Rudolf Walther
Rudolf Walther ist Historiker und hat als Redakteur und Autor des Lexikons »Geschichtliche Grundbegriffe« gearbeitet. Seit 1994 ist er als freier Autor und Publizist für deutsche und schweizerische Zeitungen und Zeitschriften tätig. Seine Essays, Porträts und Kommentare liegen in vier Bänden unter dem Titel »Aufgreifen, begreifen, angreifen« vor.

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