„Wir können die erste Generation sein, der es gelingt, Armut zu beseitigen, und gleichzeitig vielleicht die letzte Generation, die noch die Chance hat, unseren Planeten zu retten. Wenn es uns gelingt, unsere Ziele zu verwirklichen, werden wir die Welt im Jahr 2030 zum Besseren verändert haben.“
So ist im Punkt 50 der Agenda 2030, einem Stresstest des Mensch-Planeten-Systems, die finale Perspektive der Menschheit und des Planeten formuliert. Wann sind Stresstests nur ein Beruhigungsmittel, wie können sie zur großen Transformation beitragen?
Stresstests, die von bestimmten „Stresssituationen“ für Systeme her konzipiert sind und diese durchspielen und danach fragen, was ein System, z.B. das Bankensystem oder das System der Energieversorgung, in bestimmten Situationen noch aushält, und Testate, die bestätigen, dass Systeme in solchen Situationen bestehen können, sind nicht wirklich aussagekräftig und täuschen gegebenenfalls eine Sicherheit nur vor, weil sie unvorhergesehene Situationen nicht erfassen.
Politisch aussagekräftig und sinnvoll sind systemische Stresstests letztlich nur dann, wenn sie nicht von der Stresssituation, sondern vom System und seiner Widerstandsfähigkeit ausgehen, wenn sie Stresstests vom Ende her, vom Systembruch her denken und Fragen etwa folgender Art beantworten:
„Unter welchen Voraussetzungen bricht ein System zusammen?“
„Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Voraussetzungen zu welchem Zeitpunkt gegeben sind?“
Im Hinblick auf das Klima würden die Fragen eines solchen Klimastresstests nicht lauten: „Was hält das Klima noch aus?“ sondern „Unter welchen Voraussetzungen verändert sich das Klima so, dass Menschen bzw. die Menschheit nicht mehr existieren können?“ und „Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Voraussetzungen eintreten?“
In diesem Kontext ist auch die vor einigen Tagen veröffentlichte Kritik einiger Forscher:innen an den Berichten des Weltklimarates (IPCC) zu sehen:
Die Katastrophe durchdenken: Klimaszenarien mit enormen Auswirkungen und geringer Wahrscheinlichkeit „gefährlich wenig erforscht“
02.08.22 – Forschende sprechen sich für eine neue „Klima-Endspiel-Agenda“ aus und argumentieren, dass bisher viel zu wenig getan wurde, um die Mechanismen zu verstehen, durch die steigende Temperaturen ein „katastrophales“ Risiko für die Gesellschaft und die Menschheit darstellen könnten – etwa wenn der Temperaturanstieg drastischer ausfällt als von vielen vorhergesagt oder wenn bisher unberücksichtigte Kaskaden von Ereignissen auslöst werden – oder sogar beides. Die Welt sollte sich auf Möglichkeit eines „Klima-Endspiels“ einstellen, so die Autorinnen und Autoren: Eine Bewertung der Katastrophenrisiken sei notwendig, um eine Chance zu haben, sie zu verhindern“.
Im Hinblick auf die auch die Klimakrise umfassende Nachhaltigkeitskrise des globalen Mensch-Planeten-Systems schlage ich vor, die 2015 von den Vereinten Nationen einstimmig verabschiedete Agenda 2030 als Ergebnis eines politischen globalen Stresstests dieses Mensch-Planeten-Systems zu lesen. Die den 17 positiven Zielsetzungen (SDGs) zugrundeliegenden globalen Missstände und Fehlentwicklungen, die bereits gegeben sind, sind dabei so zu verstehen, dass sie im Falle einer ausbleibenden Korrektur unweigerlich in dieser Generation zu einem Bruch des Mensch-Planeten-Systems führen.
Dieser Befund und die daraus folgende Agenda 2030 sollten von der Politik, wo auch immer sie stattfindet, nicht weiter ignoriert werden, sondern zum Anfang aller Entscheidungen und Handlungen für eine noch rechtzeitige Transformation zur Nachhaltigkeit gemacht werden.