Es gibt keine Verschwörungstheorien

„Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.“ Aristoteles (Bild: Wikimedia / Montage: Wüllner)

Seit Jahren wird von Verschwörungstheorien geredet. Das Internet mit seinen Verdummungs-Blasen hat sie vor allem verbreitet.

Nun, es gibt natürlich Menschen, die glauben, dass wahlweise amerikanische oder chinesische Geheimdienste Corona ausgebrütet haben, um die jeweils andere Seite in den globalen Abgrund zu treiben. Gläubige Katholiken werden auch weiterhin Papst Benedikt folgen, der an den Teufel als die reale Verkörperung des Bösen in der Welt betrachtet und Harry Potter für die Verbreitung magischer Welterklärungen verantwortlich macht. (Ich liefere bei Bedarf Quellennachweise.)

Aber haben diese und ähnliche Phänomene den Ehrentitel „Theorie“ verdient? Mental einfach gestrickte, ängstliche, hysterische, ungebildete, unaufgeklärte, identitätsschwache Menschen glauben seit Jahrtausenden irgendwelchen Mist. Und bekommen ihn von interessierten Kreisen geliefert. Ernsthafte Theoretiker vor allem seit der Renaissance schütteln darüber den weisen Kopf und versuchen rationale Erklärungen dagegen zu setzen. Wenn die systematischer daherkommen und gewissen Kriterien entsprechen, haben diese den Titel „Theorie“ verdient. 

Womit deutlich genug sein sollte: Verschwörungs-Fiktionen sind keine Theorien. Es sind Fiktionen. Oder wertender: geistige Miss-Bildungen. Es sind mehr oder minder wahnhafte Konstruktionen, um die sich Psychologen kümmern müssten, wenn die Verbreiter sich als Patienten empfänden. Streichen wir also „Verschwörungstheorie“ und sagen „Verschwörungswahn“.

Und ehe jetzt ein Skeptiker aufsteht und gegen Theoriegläubigkeit wettert: Ja, auch die Theorien haben eine Kritik verdient. Und schon länger erhalten. „Theoretische Einstellung heißt: nichts als bewährt akzeptieren.“ So hat der deutsche Ideenhistoriker Hans Blumenberg gesetzt. Aber das sind hohe Anforderungen.  Überfordern wir uns also nicht. Trainieren wir erstmal unsere Verschwörungs-Resilienz.

Aktueller Nachtrag: Anfang Mai 2020 greift die FAS das Thema auf unter dem Titel “Ist die Lüge an der Macht?

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Jo Wüllner
Jo Wüllner, studierte Philosophie, Germanistik und Soziologie, arbeitete als freier Journalist und Chefredakteur (PRINZ), Umschulung zum Medienentwickler in Mailand und New York (Roger Black). Seit 1993 Umbau und Neukonzeption von gut 100 Zeitungen, Zeitschriften und Unternehmensmagazinen. Bücher zu Medientheorie und Sprachentwicklung.

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