Kürzlich in einer medienpolitischen Fachkonferenz – alle sind sich einig: Blöd, dass sich die „normalen Menschen“ nicht für Medienpolitik interessieren. Dabei sei sie so wichtig, Medienpolitik ist Demokratiepolitik! Absolut richtig, nur in einer informierten Öffentlichkeit können Erkenntnisse gewonnen, Meinungen abgewogen und eigene Standorte gefunden werden. Alles Voraussetzungen für die Mitwirkung in einer funktionierenden Demokratie. Es ist davon auszugehen, dass diese Zusammenhänge auch den Menschen vertraut sind, die in der Rundfunkkommission der Länder sitzen. Warum lassen sie dann gerade ein zartes Pflänzchen Interesse der „normalen Menschen“ an Medienpolitik jämmerlich verdursten?
Die Allgemeinheit hatte Ende des vergangenen Jahres zwei Monate lang Gelegenheit, sich zum „Diskussionsentwurf zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ zu äußern. Vorausgesetzt, sie war rechtzeitig über einen Artikel auf den Medienseiten einiger überregionaler Tageszeitungen gestolpert (die dankenswerterweise den Direktlink veröffentlichten), hatte sich nicht vom sperrigen Titel abschrecken lassen und sich dann noch Zeit für Lektüre und Meinungsbildung genommen.
Wenn die Bürgerinnen und Bürger so nachdrücklich eingeladen werden, wollen sie vermutlich auch wissen, was die anderen so geschrieben haben. Nun könnte man davon ausgehen, dass die Einsendungen gesichtet, unflätige Äußerungen aussortiert und dann zügig auf der Internetseite der Rundfunkkommission veröffentlicht werden. Mitnichten: Der Beteiligungsprozess endete am 14. Januar, dreieinhalb Monate später (02. Mai) wird auf der Internetseite noch immer um „etwas Geduld“ gebeten.
Immerhin gab die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), die die Medienpolitik der Bundesländer koordiniert, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Interview, das am 20. Januar 2022 veröffentlicht wurde. Diesem Interview konnten wir gefilterte Schlaglichter entnehmen: Es habe mehr als 2600 Beiträge gegeben, vielen sei es um lineare oder Online-Verbreitungswege gegangen, ums Gendern oder konkrete Programmvorschläge. Die Zuschauerinnen und Zuschauer hätten sich „als kundige Programmkritiker“ gezeigt und „unendlich viele Ideen und Überlegungen zum Programm geschickt“.
Mit Verlaub, ich hätte die unendlich vielen Ideen gerne selbst nachgelesen. Auswahl, Gewichtung und Wertung der eingegangenen Stellungnahmen von Medienpolitikern sind unangebracht und überflüssig. Bei dieser Vorgehensweise mag sich niemand wundern, warum sich so wenige Menschen für Medienpolitik interessieren.
In eigener Sache: Wie viele andere Organisationen und Verbände haben auch der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di eine gemeinsame Stellungnahme eingereicht und sie dann auf unseren eigenen Internetseiten veröffentlicht. Über diese Möglichkeit verfügen viele Menschen nicht, die sich beteiligt haben.
Die ARD leidet in bestimmten Bereichen (Transparenz!) wie Programmplanung/Kritik, Berichterstattung der Tagesschau/Tagesthemen, Programmierung zu den Feiertagen unter dem Unfehlbarkeitsdogma, das selbst die Katholische Kirche mittlerweile abgeschafft hat. Das Hinterfragen, die Selbstkritik zählen nicht zu den Stärken der Redaktionen. Selbst Gremien wie der ARD-Programmbeirat dringen da kaum durch, weil sie auf eine Teflon-Mentalität treffen. Da hilft mitunter nur Beharrlichkeit nebst wissenschaftlicher Medienexpertise. Aber das ist ein dickes Brett.