Unfairer Energiemarkt – Städte als Hoffnungsträger

Screenshot: Website REN21. Renewables now

Die grüne Revolution nach Covid-19 blieb aus. Aber es gibt Hoffnung – eine wichtige Rolle dabei spielen Städte. Nach den ersten Lockdowns versprachen Politiker weltweit, die Covid-Krise zu nutzen, um grüne Technologien nach vorne zu bringen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Zwei Jahre später ist klar: «Build Back Better» ist gescheitert. Aber nicht überall. Das resümiert die Organisation REN21 (Renewable Energy Policy Network for the 21st Century), der mehr als 80 nationale und internationale Organisationen, Industrieverbände, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Hochschulen angehören, in ihrem Jahresbericht.

Oder eher: in einem kleinen Buch zum Stand der Dinge bei nachhaltigen Energien. Die Arbeit, an der mehr als 650 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitgewirkt haben, umfasst neben Datenauswertungen und internationaler Expertise viele Fallbeispiele und ist mehr als 300 Seiten lang.

Die guten Neuigkeiten in Kürze: 

  • Der Ausbau regenerativer Energiequellen wächst schnell. Noch nie gab es so viel Erneuerbare wie 2021.
  • Mehr als 10 Prozent des weltweiten Strombedarfs werden durch Solar- und Windkraft abgedeckt.
  • Im vergangenen Jahr wurden 366 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert, so viel wie nie zuvor.
  • Auch steigende Preise konnten das grüne Wachstum bisher nicht abbremsen.
  • Wind- und Wasserkraft, Geothermie und Bioenergien spielen eine wachsende Rolle in der öffentlichen Diskussion.
  • Nicht zuletzt aufgrund der russischen Invasion in die Ukraine streben viele Länder verstärkt nach Unabhängigkeit von Kohle, Öl und Gas.

Die schlechten Neuigkeiten:

  • Wir verbrauchen mehr fossile Rohstoffe als jemals zuvor.
  • Seit zehn Jahren stagniert der Anteil Erneuerbarer am Endenergieverbrauch weltweit.
  • «Build Back Better» ist fehlgeschlagen. Der 2021 global wieder steigende Energiebedarf wurde vor allem mit fossilen Rohstoffen aufgefangen, was zwei Milliarden Tonnen CO2-Emissionen (6 Prozent) zusätzlich bedeutete.
  • Öl und Gas dominieren weiter. Neben Fortschritten bei der Stromerzeugung hinkt vor allem der Transport- und Mobilitätssektor hinterher.
  • In fossile Rohstoffe wird weitaus mehr investiert als in Erneuerbare. 2020 wurden weltweit Subventionen von 5900 Milliarden Dollar dafür ausgegeben. Das entspricht 7 Prozent des globalen Bruttosinlandsprodukts (BIP).
  • Die Pariser Klimaziele zu erreichen, wird so schwierig bis unmöglich.
Rana Adib (Screenshot website REN21)

Viele Regierungen wünschen sich derzeit, sie hätten mehr zur Förderung Erneuerbarer getan. «Wir geben weltweit 11 Millionen Dollar pro Minute für die Subventionierung fossiler Brennstoffe aus», zitiert die «BBC» die REN21-Vorsitzende Rana Adib. Obwohl erneuerbare Energien wirtschaftlich durchaus eine Alternative zu fossilen Brennstoffen seien, sei der Markt nicht fair.

Positive Beispiele Belgrad, Amsterdam, Le Havre, Durban, Essen

Aber es gibt Hoffnung. In der serbischen Hauptstadt Belgrad zum Beispiel. Die Stadt, in der rund 1,7 Millionen Menschen leben, plante im vergangenen Jahr 5,2 Milliarden Euro ein, um bis 2030 die Luftqualität zu verbessern und CO2-Emissionen zu reduzieren. Mit dem Geld will Belgrad unter anderem Zug- und Tramlinien ausweiten. 1,2 Milliarden Euro sollen helfen, öffentliche und private Fahrzeuge, Busse und Taxis zu elektrifizieren und den Fuss- und Veloverkehr zu fördern. Drei Milliarden Euro sind eingeplant, um Gebäude besser zu isolieren und Heizungsnetze zu verbessern. Die Gasversorgung soll in Zukunft vermehrt aus Erneuerbaren bestehen, die lokal produziert werden. Windparks, Müllverbrennung und Biogas sollen insgesamt rund 170 Megawatt an Strom und Wärme liefern.

Weitere Positivbeispiele sind Helsinki, Durban, Le Havre und Essen. Die Stadt, stellt REN21 fest, ist einer der wichtigsten Akteure der Zukunft, um damit nur eines von sieben Kapiteln herauszugreifen. Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt in Städten. Städte können nachhaltige Entwicklung massgeblich vorantreiben. Wenn es schlecht läuft, könnten sie aber auch zu Katastrophenschauplätzen der Klimakrise werden.

Viele Auswirkungen der Klimakrise wie Luftverschmutzung, Überschwemmungen oder Hitze kommen in Städten zusammen. Dazu müssen sie sich besonders mit Armut und Ungleichheit auseinandersetzen. Etwa eine Milliarde Menschen lebt in städtischen Slums oder in Elendsquartieren an den Rändern grosser Städte. Der urbane Bedarf an Heizung, Kühlung und Transport wächst ständig, vor allem in Afrika und Asien. Drei Viertel des globalen Endenergieverbrauchs und ein entsprechender Anteil der CO2-Emissionen entfällt auf Städte.

Viele Nachhaltigkeitsprojekte wegen Covid-19 zurückgestellt

Die Lebensqualität der ärmeren Einwohner zu verbessern und dabei nachhaltig zu wirtschaften, ist für viele Städte ein wichtiges Ziel. REN21 führt mehrere Beispiele auf, darunter ein Projekt in Houston, Texas, in dem 5000 einkommensschwache Haushalte neu mit Solarenergie versorgt wurden.

Leider hätten viele Städte Nachhaltigkeitsprojekte während der Pandemie verschoben, schreiben die Autorinnen und Autoren. Während die Steuereinnahmen schrumpften, hatte die Bekämpfung von Covid-19 höhere Priorität, das gelte von Thailand bis Michigan.

Die Stimme der Städte

Änderungen in urbanen Zentren betreffen viele Menschen. 1500 Städte weltweit haben ein nachhaltiges Entwicklungskonzept oder entsprechende politische Ziele. Fast ein Drittel (30 Prozent) der städtischen Bevölkerung lebt in einer davon. 920 Städte in 73 Ländern haben laut REN21 Zielvorgaben für die Nutzung erneuerbarer Energien in wenigstens einem Bereich, 1100 Städte haben angekündigt, dass sie ihre Emissionen auf null reduzieren wollen. Ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept, das Bereiche wie Bau und Transport nicht getrennt voneinander behandelt, haben aber nur wenige.

Städte, finden die Autorinnen und Autoren des «Städte»-Kapitels, sollten dringend mehr gehört werden. Wenn sie genügend Ressourcen haben und nicht durch nationale Gesetze eingeschränkt sind, können sie viel bewirken. Vieles hänge allerdings davon ab, wie viel Spielraum eine Stadt hat. In der globalen Klimadiskussion würden die Städte nur zögerlich abgebildet.

Unter dem Titel „Chance verpasst – Verbrauch fossiler Rohstoffe so hoch wie nie“ erschien der Beitrag zuerst auf Infosperber.

Daniela Gschweng
Daniela Gschweng ist freischaffende Journalistin und ausgebildete Informatikerin.

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