Hyperventilierende Konformität oder Wenn wir nichts tun, machen wir nichts falsch, aber auch nichts richtig

Konform (Bild: Clker-Free-Vector-Image auf Pixabay)

Rolf Mützenich gebührt Anerkennung, die Frage aufgeworfen zu haben, ob nicht parallel zur entschlossenen Waffenhilfe an die Ukraine auch über Wege zum Einfrieren des Krieges und zu einen Waffenstillstand diskutiert werden sollte. Er ist allerdings eine Antwort schuldig geblieben, wie denn dies angesichts von Putins Entschlossenheit und Rücksichtslosigkeit gelingen soll. Rolf Mützenich, seit zwei Jahren bevorzugtes Ziel verletzender Kritik, war dafür erneut einen Sturm der Entrüstung, Beschimpfung und Beleidigung ausgesetzt.

Rolf Mützenich (Foto: Olaf Kosinsky auf wikimedia commons)

„Der widerlichste deutsche Politiker“ (Melnyk); „Solche Aussagen werden im Kreml als Aufforderung empfunden, den Krieg auszuweiten und weitere Länder anzugreifen“ (Hofreiter); „Der Vorschlag hat nicht nur in der Koalition breites Entsetzen ausgelöst, sondern im Land, in Europa und in der internationalen Presse“ (Merz); „naive Apeasementpolitik gegenüber Russland“ verlautbarten unisono Ricarda Lang und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Es gehört schon eine gehörige Portion Geschichtsvergessenheit dazu, Überlegungen über das Einfrieren eines Konfliktes bei gleichzeitiger entschlossener militärischer, politischer und humanitäre Unterstützung für die Ukraine mit München 1938 gleichzusetzen. Mit solchen wahrheitswidrigen Gleichsetzungen wird versucht, den Gedanken zu desavouieren statt ihn zu diskutieren.

Wenn schon historische Vergleiche, scheint es angebrachter, die heutige Lage der Ukraine mit dem sowjetisch-finnischen Winterkrieg von 1939/49 statt mit der kampflosen Aufteilung der Tschechoslowakei zu vergleichen. Damals verteidigte sich das kleine Finnland nicht zuletzt aufgrund westlicher Waffenhilfe überraschend erfolgreich gegen den sowjetischen Überfall. Militärisch erschöpft musste es nach Monaten schwerer Kämpfe dennoch aus einer Position der Schwäche verhandeln, konnte aber nichtsdestotrotz – allerdings um den Preis von Gebietsabtretungen – seine Unabhängigkeit verteidigen.

Warum verfangen Putins Trolle?

Die Stärke der Demokratie ist, Lösungen im Meinungsstreit zu finden und für politische Entscheidungen Mehrheiten im Parlament und beim Volk zu gewinnen. Nichts schwächt die Demokratien so sehr von innen heraus wie eine Verengung der Diskussion. Margret Thatchers „There is no alternative“ oder Angela Merkels Mantra, Entscheidungen seien „alternativlos“, haben der Demokratie möglicherweise mehr geschadet als russische Desinformationskampagnen und Putins Trolle. Statt sich über russische Desinformationskampagnen zu empören, stellt sich doch die Frage, warum sie verfangen können. Es ist nicht verwunderlich, dass Russland neben dem militärischen Krieg auch einen Informations- und Propagandakrieg führt. Erstaunlich ist, dass diese Propaganda in Teilen der Bevölkerung räsoniert. Wie kann es sein, dass ein brutales Versagerregime, dessen Präsident sich seit 25 Jahren mit oligarchischer Ausplünderung und polizeistaatlicher Repression an der Macht hält, bei uns propagandistische Erfolge erzielt? Putin hat dabei Erfolg, nicht weil er besonders geschickt, skrupellos und hinterhältig ist – das ist er auch -, sondern weil die russische Informationspolitik an das Unbehagen von Menschen in Deutschland anknüpfen kann. Nur wo ausländische Propaganda latente Unzufriedenheit bedienen kann, gewinnt sie an Einfluss.

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Diesen Einfluss wirkungsvoll zu bekämpfen, gelingt nicht in erster Linie über das Entlarven putinscher Lügen, sondern durch die ehrliche und offene Debatte im eigenen Land über die politische Herausforderung des Ukrainekrieges. Dazu gehören die Fragen des gerechten Lastenausgleichs sowohl für die gebotene Steigerung der Verteidigungsausgaben als auch für die Aufnahme und Integration von 1,2 Millionen Ukrainer:innen, die bei uns Schutz gefunden haben. Die Kosten und Herausforderungen einer angestrebten EU Mitgliedschaft der Ukraine müssen ebenso diskutiert werden wie vorstellbare Alternativen zu einem sich über Jahre hinziehenden Abnutzungs- und Stellungskrieg.

Dankbar im Namen der Demokratie

Nicht zuletzt braucht es eine Debatte, die sich damit auseinandersetzt, dass ukrainische und deutsche Interessen zwar in wichtigen Fragen in die gleiche Richtung gehen, aber nicht deckungsgleich sind. Dabei geht es nicht nur um den unsolidarischen Egoismus europäischer Bauern, denen ein solider Weizenpreis wichtiger ist als das Überleben der Ukraine, sondern es geht um fundamentale Fragen, wie beispielsweise den Einsatz von Nato-Truppen auf ukrainischem Boden. Je intensiver die Nato sich mit Material und Menschen an dem Krieg beteiligt, desto sicherer dürfte sich die Ukraine fühlen, während in Deutschland laut einer Meinungsumfrage 72 % der Deutschen die Entsendung von Soldaten, 58% die Bereitstellung der Marschflugkörper Taurus und 31% überhaupt Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen.

Statt jedoch diese kontroversen Fragen ernsthaft in der Gesellschaft zu diskutieren, erleben wir in den letzten Jahren einen Trend zur hyperventilierenden Konformität, die wenig Raum für Dissens und Alternativen lässt. Der Grund für diese Konformität ist weder eine konspirative Meinungskontrolle durch die Eliten noch sind es zentral gelenkte öffentlich-rechtliche Medien. Zu sagen und zu schreiben, was viele andere sagen, ist gerade in unsicheren Zeiten eher der sicherste Weg, nicht unter die Räder der Mehrheitsmeinung zu geraten. So entsteht ein vielstimmiger Chor, der mit marginalen Variationen die gleiche Sichtweise wiederholt und sich selbst permanent als nicht zu hinterfragende Wahrheit bestätigt. Abweichende Meinungen zu vertreten, wird in einer solchen Stimmung schwer. Sie ist dem eigenen Fortkommen im Zweifelsfall abträglicher, als mit dem Strom zu schwimmen. Daher sollten auch die, die nicht mit ihm übereinstimmen, Rolf Mützenich allein schon im Namen unserer Demokratie dankbar sein. Denn, je erfolgreicher der Streit um Alternativen aus dem Meinungsmainstream verschwindet, desto mehr entfaltet er sich in sich selbst verstärkenden Blasen, wo dann auch die abwegigsten Ideen noch angeklickt, geliked und geteilt werden.

Die fehlende Antwort auf das Wie

Mützenichs Aufforderung, neben dem kleinteiligen Streit über einzelne zu liefernde Waffen darüber nachzudenken, ob außer einem kriegsentscheidenden militärischen Erfolg der Ukraine auch andere Optionen vorstellbar sind, wie dieser Krieg ohne russischen Sieg beendet werden kann, ist kein Verrat an der ukrainischen Sache, auch keine Wehrkraftzersetzung, sondern notwendiger Teil einer unbedingt erforderlichen demokratischen Debatte, um auch weiterhin eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung für die Unterstützung der Ukraine zu gewinnen.

Wer sich die Rede von Mützenich anhört, kann daraus nur bei gewolltem Missverstehen Appeasement oder Anbiederung an Putin raushören. Das Manko seiner Rede ist, wie eingangs erwähnt, die fehlende Antwort auf das „wie“. Ohne eine Antwort, wie denn ein Waffenstillstand, der keine ukrainische Kapitulation ist, erreicht werden kann, mangelt es der Idee des Einfrierens an Überzeugungskraft.

Putin wird nicht freiwillig von seinen erklärten Zielen ablassen, die sich grob wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Grenzverschiebung und Annektierung der Krim und der Ostukraine
  • Regimechange in Kiew
  • Ein demilitarisierter Vasallenstaat à la Belarus in der Restukraine

Aufgrund der Entschlossenheit der Ukraine und der massiven westlichen Unterstützung ist dies bisher in weiten Teilen nicht gelungen, aber Russland verstärkt unvermindert seine Kriegsanstrengungen, um diese Ziele zu erreichen. Regimechange und Unterwerfung der Gesamtukraine scheinen jedoch zumindest zurzeit für Russland unerreichbar.

Soll Russland auf dem Schlachtfeld besiegt und aus den besetzen Gebieten vertrieben werden, wird dies ohne massive weitere Eskalation, einschließlich des zumindest indirekten Einsatzes von Soldaten aus Nato-Ländern, nicht gelingen. Ein damit wohl unausweichlich verbundener jahrelanger Abnutzungskrieg ist ein Szenario des Sterbens, der Zerstörung und der Eskalation, dass mehr als alles andere die Überlegungen nach Alternativen rechtfertigt.

Ehrlichkeitsoffensive

Bei allen Überlegungen über Verhandlungen muss ein München 1938 Szenario, wo ohne Tschechen über Tschechen entschieden wurde, von vornherein ausgeschlossen werden. Es kann und darf keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine geben. Aber dies heißt im Umkehrschluss nicht, dass nur und ausschließlich die Ukraine über Verhandlungen entscheidet. Man sollte nicht so tun, als ob die USA und Europa zwar massive Waffen- und Wirtschaftshilfe leisten, aber bei Verhandlungen außen vor sind. Die Behauptung über Verhandlungen ‚entscheidet die Ukraine und nur die Ukraine‘ ist unglaubwürdig und daher schädlich. Hier ist eine Ehrlichkeitsoffensive gegenüber der eigenen Bevölkerung geboten. Nur mit Ehrlichkeit kann mittel- und langfristig das Vertrauen der eigenen Bevölkerung erhalten werden. Zu dieser Ehrlichkeit gehört, dass die Solidarität mit der Ukraine keine bedingungslose Solidarität ist, sondern in Gesprächen mit der Ukraine das Einbringen eigener und internationaler Gesichtspunkte sowie diese Interessen berücksichtigende Lösungsvorschläge legitim ist.

Alle Überlegungen zu ukrainischer Verhandlungs- und notgedrungener Konzessionsbereitschaft bleiben jedoch abstrakt theoretisch, solange Russland nicht zu genuinen Verhandlungen bereit ist. Russische Verhandlungsbereitschaft wird sich nur ergeben, wenn sich in Russland der Eindruck verstärkt, dass die Zeit militärisch, wirtschaftlich sowie innen- und außenpolitisch gegen Russland arbeitet. Neben der Fortsetzung von Waffenlieferungen und Sanktionen muss westliche Politik sich darum bemühen, die interne Opposition gegen Putin – so schwach sie auch im Moment erscheint – zu unterstützen. Dazu gehört es auch, junge Russen zur Kriegsdienstverweigerung zu ermutigen und ihnen Asyl anzubieten. In der Außenpolitik muss es Ziel sein, Länder außerhalb der Nato-Strukturen zu überzeugen, sich für eine Lösung des Konflikts zu engagieren.

Dass diese Länder sich bisher wenig bis gar nicht engagieren, liegt nicht daran, dass sie nicht verstünden, um was es für die Ukraine in diesem Krieg geht, sondern dass Ihnen die Freiheit der Ukraine nicht so wichtig ist und sie das Ganze mehr unter dem Blickwinkel eines geopolitischen Machtkampfes sehen bzw. ihre nationalen Interessen und Prioritäten andere sind als die unsrigen. Das mag man falsch finden, aber es ist blauäugig anzunehmen, die Wiederholung des eigenen Standpunktes oder eine weitere flammende Rede der Bundesaußenministerin werde bei diesen Ländern zu einem Umdenken führen.

Was impliziert Staatsräson?

Darüber hinaus dürfte die Haltung der USA und Deutschlands im Gaza-Krieg die moralische Überzeugungskraft der Westens, für eine regelbasierte internationale Ordnung einzutreten, in den Augen Südafrikas und vieler anderer Länder des globalen Südens eher schwächen. Wie will man von anderen einfordern, der Verurteilung Russlands durch die UN Vollversammlung Taten folgen zu lassen, wenn UN Entscheidungen zu Israel keine erkennbaren Konsequenzen bei der deutschen Außenpolitik bewirken, sondern mit dem Verweis auf die deutsche Staatsräson zurückgewiesen werden? Der Begriff „Staatsräson“ erfüllt hier die Funktion, die eigene Politik begründungsfrei gegen Kritik zu immunisieren. Dabei besteht keine Klarheit, was denn „Staatsräson“ impliziert. Nicht zuletzt aus diesem Grund hielt Helmut Schmidt diesen Begriff für eine „gefühlsmäßig verständliche, aber törichte Auffassung, die sehr ernsthafte Konsequenzen haben könnte“.

Annalena Baerbock (Foto: Michael Brandtner auf wikimedia commons)

Auch wenn der Gaza-Konflikt es noch schwerer macht, die Allianz zur Unterstützung der Ukraine zu erweitern, bleibt die Frage, welche Möglichkeiten deutsche und europäische Außenpolitik hat, mehr außereuropäische Akteuren zu bewegen, sich dafür zu engagieren, den Krieg zu einem für die Ukraine annehmbarem Ende zu bringen. Dass man dabei den Interessen und Befindlichkeiten des autoritären China oder des zunehmenden autokratisch regierenden indischen Premierministers Modi Rechnung tragen muss, ist offensichtlich. Beide schätzen sicher keine öffentlichen Belehrungen bezüglich Menschenrechte, Demokratie und Frauenrechte. Es ist möglicherweise auch kein günstiger Zeitpunkt, um eine Fregatte durch die Straße von Taiwan fahren zu lassen. Die strategische Klugheit der Außenministerin, den chinesischen Präsidenten in dieser Situation öffentlich als Diktator zu bezeichnen, erschließt sich – trotz des zweifelfreien Wahrheitsgehalts der Aussage – nicht unmittelbar. Annalena Baerbocks Menschen- und Völkerrechtsrhetorik ist wahrscheinlich an der grünen Heimatfront erfolgreicher als bei dem Bemühen, Autokraten zu überzeugen, ihr politisches Gewicht zu nutzen, um Putin von der Fortsetzung des Krieges abzuhalten. Berechtigte Kritik nicht auszusprechen und mit üblen Figuren zusammenzuarbeiten, um noch üblere zu besiegen, ist nicht prinzipienlos, sondern sogar moralisch geboten.

China, geopolitischer Gewinner

Neben dem, was möglicherweise im Moment unterlassen werden sollte, sind parallel zur weiteren militärischen Unterstützung proaktive Initiativen vorstellbar. Wohlgemerkt: parallel und nicht an Stelle militärischer Unterstützung. Hierzu gehört die Unterstützung der Schweizer Initiative für ein Treffen im Juni 2024 mit Vertretern von fast einhundert Ländern, unter ihnen vielen Ländern des Südens, um Schritte zum Frieden auszuloten. Der Versuch der Schweiz, insbesondere Indien, Brasilien, China und andere Länder jenseits der westlichen Unterstützer der Ukraine mit an den Tisch zu holen, sollte unbedingt unterstützt werden.

Ein uneigennütziges Engagement für eine Reform der UN kann eventuell auch helfen, dass sich der Süden stärker für Frieden im Norden engagiert. Indien und Brasilien streben wie Deutschland und Japan einen permanenten Sitz im UN Sicherheitsrat an. Eine solche Erweiterung des UN Sicherheitsrates kommt nicht zuletzt wegen der aktuellen Überrepräsentation Europas mit zwei Mittelmächten als Vetomitglieder nicht voran. Hier könnte Deutschland signalisieren: Wenn Brasilien und Indien ihrer internationalen Verantwortung für den Frieden durch ein erfolgreiches Bemühen um eine Lösung in der Ukraine ausfüllen, würde Deutschland dies auch dadurch anerkennen, dass es seine eigenen Ambitionen für einen permanenten Sitz zu Gunsten von Indien und Brasilien zurückstellt.

Bild: AbsolutVision auf Pixabay

Ob Deutschland und Europa China bewegen können, verstärkt im Sinne des Friedens auf Russland einzuwirken, erscheint zweifelhaft, weil China bisher sowohl wirtschaftlich als auch geopolitisch der große Gewinner dieses Konfliktes ist. Allerdings befürchten chinesische Militärexperten die Wahrscheinlichkeit einer direkten NATO Intervention mit den entsprechenden Eskalationsrisiken. Ob das Unbehagen über eine solche Entwicklung hinreicht, damit China sich stärker für einen Frieden engagiert, scheint nach den letzten russisch-chinesischen Treffen eher unwahrscheinlich. China hat weiterhin ein Interesse an guten Handelbeziehungen mit Europa und angesichts der sich abzeichnenden Globalkonfrontation mit den USA ein Interesse, einen engen europäisch-amerikanischen Schulterschluss in diesem Konflikt zu verhindern. Europäischer Handlungsspielraum ist hier allerdings begrenzt, da mögliche Zugeständnisse an China nicht um den Preis einer ernsthaften Belastung der transatlantischen Partnerschaft und der amerikanischen Sicherheitsgarantien angestrebt werden sollten. Dass es hier aber nichtsdestotrotz gewisse Möglichkeiten gibt, zeigt die Erklärung von Xi Jinping gegen den Einsatz von Nuklearwaffen im Ukraine Konflikt während des Besuches von Bundeskanzler Scholz in Beijing im Herbst 2022.

Denkbare Friedensinitiativen

Als zweitwichtigster Waffenlieferant der Ukraine könnte Deutschland auch in Gesprächen mit der Ukraine und den Verbündeten eruieren, ob ein ukrainischer Friedensvorschlag vorstellbar wäre, der einen Verzicht auf die militärische Rückeroberung der besetzen Gebiete anbietet, wenn Russland gleichzeitig eine Nato-Mitgliedschaft der freien Ukraine hinnimmt sowie einer Volksabstimmung unter UN Kontrolle in den besetzen Gebieten über die Zugehörigkeit zu Russland oder zur Ukraine zustimmt. Alle Geflüchteten, die vor dem 24. Februar 2022 bzw. vor 2014 ihren Wohnsitz in den besetzen Gebieten hatten, müssten selbstverständlich das Recht und die Möglichkeit haben, an einer derartigen Abstimmung teilzunehmen. Ein solches Angebot würde Russland diplomatisch unter Zugzwang setzen und der Weltöffentlichkeit zeigen, dass die Ukraine, trotz der völkerrechtlich eindeutigen Lage, bereit ist, mit dem Aggressor über Wege zum Frieden zu verhandeln. Es könnte den weltweiten Druck auf Russland erhöhen, die Kriegshandlungen einzustellen und vielleicht die großen Länder des Südens bewegen, sich stärker für den Frieden und gegen eine Fortsetzung der russischen Aggression zu positionieren.

Denkbare Friedensinitiativen jenseits der eigenen Maximalposition sind nicht zuletzt für die öffentliche Unterstützung der Ukraine in westlichen Ländern wichtig. Unterstützungsmüdigkeit dürfte zunehmen, wenn Politik nur fortlaufend die alternativlose Perspektive eines jahre- oder jahrzehntelangen Abnutzungskriegs mit am Ende zweifelhaftem Ausgang wiederholt.

Auch ein klares Signal westlicher wirtschaftlicher und militärischer Eskalationsbereitschaft ist eine Option, um den Verhandlungsdruck auf Russland zu erhöhen. Allerdings ist Eskalation immer ein Spiel mit dem Feuer und es sollten nur solche Eskalationsoptionen ausgesprochen werden, die man gegebenenfalls auch bereit ist zu wagen. Wer Ankündigungen nicht gewillt ist, Taten folgen zu lassen, schwächt sich selber. Macrons unabgesprochene Worte von französischen Bodentruppen in der Ukraine erscheint da eher kontraproduktiv. Die reale Macht, wirklich abschreckend zu eskalieren, haben militärisch nur die USA.

Selbsternannte Realpolitiker, die vehement den unwahrscheinlich militärischen Sieg der Ukraine als die einzig realistische Lösung propagieren, dürften darauf verweisen, dass keine dieser Vorschläge große Erfolgsaussichten hat. Aber nach zwei Jahren Krieg und Hunderttausenden von Toten muss eine Debatte um Lösungen geführt werden. Man mag versuchen, solche Lösungssuche als naiv abzutun, aber um den Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, Ignazio Cassis, zu zitieren: «Was ist die Alternative? Herumzusitzen und zu warten. Wenn wir nichts tun, tun wir nichts Falsches, wir tun aber auch nichts Richtiges.»

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Frank Hoffer
Dr. Frank Hoffer ist ehemaliger Mitarbeiter der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und Associate Fellow an der Global Labour University Online Academy. Zuvor war er als Sozialreferent in der Deutschen Botschaft in Moskau und Minsk sowie als Geschäftsführer der Initiative ACT tätig, die sich für existenzsichernde Löhne in der Textilindustrie einsetzt.

7 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Beitrag!

    Nach einem Monat beginnt es aus meiner Sicht klarer zu werden: Die Rede des Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bundestag Rolf Mützenich am 14. März 2024 ist in ihren politischen Grundaussagen stark und richtungsweisend.
    Das laute und aufgeregte Getöse um das “Einfrieren” klingt inzwischen merklich ab, dafür wird deutlicher – aus meiner Sicht auch in Frank Hoffers Beitrag -, wie klug Mützenich in dieser Rede den Ukrainekrieg geopolitisch einordnet.

    Mützenich stellte am 14. März nämlich nüchtern fest, dass es in diesem Krieg um nichts weniger geht als möglicherweise “das Ende der 500jährigen westlichen Dominanz der internationalen Ordnung”.

    Ich denke, dass das der geopolitische Kontext ist, dem jede gute politische – und nicht nur militärpolitische – Debatte über den Ukrainekrieg heute gerecht werden muss.

    Dass die politische Debatte über den Ukrainekrieg in den letzten Monaten, insbesondere auch die Kritik an der Bundesregierung und insbesondere dem Bundeskanzler, die sich vor allem durch Selbstüberschätzung der Kritiker und Unterschätzung der Bundeskanzlers auszeichnete, diesem Kontext bisher nicht gerecht wurde, scheint mit offensichtlich.

    Dass Hoffers Beitrag diesen geopolitischen Kontext insbesondere mit dem Verweis auf China öffnet und enthält halte ich für verdienstvoll.

    Denn mir scheint es wahrscheinlich, solange China Russland im Ukrainekrieg unterstützt, wird Russland im Ukrainekrieg nicht verlieren.

    Und zu seiner Chinareise hat Bundeskanzler Olaf Scholz heute aktuell erklärt: „Es geht darum, dass China Russland nicht dabei unterstützt, gegen die Ukraine einen brutalen Krieg zu führen.“

    Hoffers Formulierung „weil China bisher sowohl wirtschaftlich als auch geopolitisch der große Gewinner dieses Konfliktes ist“, greift mir allerdings etwas zu kurz. Nicht nur weil man auch noch eine andere Weltmacht als „große Gewinnerin des Konfliktes“ ansehen kann, sondern weil China gleichzeitig zunehmend eine Führungsrolle der Länder der nicht-westlichen Welt einzunehmen beginnt.

    Das zeigt sich auch an dem Umgang Chinas mit der UN-Agenda 2030, auf die ich auch an dieser Stelle hinweisen will. Diese UN-Agenda 2030 wurde 2015 stark von China – stärker als von den Industrieländern – betrieben, im September 2023 von der UN wieder von China stark betrieben einstimmig bestätigt – und wird voraussichtlich im September 2024 mit einem “Zukunftspakt” der UN eine Fortsetzung erfahren, in deren Vorbereitung China eine prägende Rolle spielen dürfte.

    China und die Länder des Südens verstehen und instrumentalisieren inzwischen die Agenda 2030 als gemeinsames Argument und Anspruch gegen die Industrieländer in den Verhandlungen ihrer Interessen gegen die Interessen der Länder des Westens.

    Vor knapp zwei Jahren habe ich hier auf bruchstuecke https://bruchstuecke.info/2022/05/10/der-krieg-in-der-ukraine-sabotage-am-mensch-planetensystem/
    eine Perspektive für die Beendigung des Ukrainekrieges formuliert, die für mich auch heute noch aktuell ist. Deshalb führe ich sie hier noch einmal an:

    „Wenn das so ist, dürfte eine Beendigung des Ukrainekrieges ohne die Erweiterung der politischen Perspektive auf die globale Nachhaltigkeitssituation nicht wirklich denkbar sein.

    Diese Erweiterung könnte beinhalten, dass man den Ukrainekrieg als Teilkrise der globalen Nachhaltigkeitskrise versteht und damit die Verfolgung der – einstimmig beschlossenen -nachhaltigkeitspolitischen Zielsetzungen der Agenda 2030 zur Grundlage der Konfliktbewältigung und der Beendigung des Ukrainekrieges macht. Die Agenda-Ziele verlangen im globalen Menschheitsinteresse insbesondere von den Industrieländern eine schnelle und umfassende Transformation. Dass in der breiten öffentlichen Diskussion über den Ukrainekonflikt diese Nachhaltigkeitsperspektive bisher kaum eine erkennbare Rolle spielt, spiegelt das noch unverständige nachhaltigkeitspolitische Bewusstsein auf allen Seiten wider, bedeutet allerdings auch, dass es politisch noch weitere Ansätze und Gestaltungsmöglichkeiten gibt.“

  2. Wieder ein sehr guter Beitrag von Frank Hoffer. Für mich sind es seine Kernsätze:
    “Man sollte nicht so tun, als ob die USA und Europa zwar massive Waffen- und Wirtschaftshilfe leisten, aber bei Verhandlungen außen vor sind. Die Behauptung über Verhandlungen ‚entscheidet die Ukraine und nur die Ukraine‘ ist unglaubwürdig und daher schädlich.”
    Für mich ist der unverhandelbare Kern die Souveränität des heute von der Ukraine kontrollierten Gebiets (und das Recht aller Ukrainerinnen sich in dieses Gebiet zu begeben). – Und die Bereitschaft zum Kompromiss, was die russisch besetzten Gebiete angeht.
    Warum gibt es keinen solchen Vorschlag “des Westens” auch in die russische Gesellschaft und die Weltöffentlichkeit hinein? Gepaart mit der Entschlossenheit, das heutige von der Ukraine kontrollierte Gebiet im Zweifelsfall mit noch MEHR Waffen zu unterstützen. Als Alternative zu heute, wo eine zunehmend unrealistische ukrainische Maximalposition von immer weniger realer Unterstützung begleitet wird.

  3. Hoffer legt ja selbst bereits im zweiten Satz seines Beitrags (und später noch einmal ausführlich) dar, dass Mützenich die Frage der Umsetzung seines Vorschlags schuldig bleibt. Damit ist eigentlich schon alles gesagt zu seinem Leitmotiv…

    Jedenfalls taugt Mützenich, der nach eigenen Angaben “Friedenswissenschaften” studiert hat, nicht zum mutigen Tabubrecher, dem Dank für seinen originären Beitrag um die Demokratie gebührt. Vielmehr reiht er sich ein in eine ganze Phalanx von ähnlichen Vorschlägen, Aufrufen und Appellen – von Jakob Augstein und Richard David Precht über Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht bis hin zu Erich Vad und Johannes Varwick – die uns schon seit zwei Jahren im Monatsrhythmus mit wohlklingenden Ideen des Friedens, des Verhandelns und des Einfrierens überziehen ohne zu sagen, wie dies denn funktionieren soll.

    Im Übrigen machen sich die übergroße Mehrzahl derjenigen, die sich dafür einsetzen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt, sehr wohl Gedanken darüber, wie er zu Ende gehen könnte. Dazu muss man sie lesen, statt Melnik zu folgen.

    Alles andere als Dank gebührt Mützenich auch dafür, dass er als Chef der größten Regierungsfraktion die einfachsten Regeln der strategischen Kommunikation nicht beherrscht. In einer Lage, in der Putin demonstrativ Siegeswillen demonstriert (und erklärt, es gäbe keinen Anlass zu verhandeln, bloß weil der Ukraine die Munition ausgeht), der russische UN-Vertreter auf die Kapitulation der Ukraine einstimmt, gleichzeitig die US-Hilfe monatelang durch die Trumpisten blockiert wurde und die europäische Geschlossenheit nur mit Mühe gewahrt werden kann, schert er öffentlichkeitswirksam aus der Unterstützerfront aus und weckt erneut Zweifel, ob die Deutschen – auf jeden Fall aber die deutschen Sozialdemokraten – sicherheitspolitisch zuverlässig sind oder doch wieder zu ihrem alten Sonderweg der Russlandpolitik zurückkehren wollen.

    Natürlich brauchen wir eine sicherheitspolitische Debatte, z.B. wie man glaubwürdig eine Atommacht abschreckt, die ihren imperialistischen Eroberungskrieg mit atomaren Drohungen begleitet, ohne sich ihr zu unterwerfen (oder ihr andere Länder zum Fraß vorzuwerfen). Aber dazu trägt Mützenichs Vorschlag leider nichts bei, er ist geradezu kontraproduktiv.

    1. Das ist ein Kommentar von dankenswerter Klarheit. Übrigens machen sich all jene die einen “Verhandlungsfrieden” oder “Friedensverhandlungen” propagieren, zu ergänzen wären noch P.Brandt, H. Funke und H. Kuhat, überhaupt keine Gedanken über das danach: Das ist ja auch, zynisch gesagt, überflüssig: Denn das mögliche Danach wird schon als Morgengabe vor Beginn auf den Tisch gelegt. Und außerdem wäre das Danach eine Einverleibung der Ukraine in das russische Imperium in zwei Schritten. Teil 1: Krim und Ostukraine werden international anerkannt Teil der russischen Föderation. Teil 2: Die Rest-Ukraine wird schutzloser Teil des russischen Imperiums. Alles andere wäre Augenauswischerei, denn Russland, dessen Interessen ja berücksichtigt werden müssen, würde nie einen wirklich wirksamen, notfalls auch atomaren Schutz dieser Restukraine zulassen.

  4. Andreas Wittkowsky und Klaus Lang stellen Sahra Wagenknecht, Erich Vad etc. und Rolf Mützenich in eine Linie. Für Klaus Lang machen sich gleich alle, die für Friedensverhandlungen sind, keine Gedanken über das”danach”.  

    Mir scheint eine solche Gleichsetzung wird der Unterschiedlichkeit der Positionen nicht gerecht. Während Wagenknecht, Precht und andere  sich gegen Waffenlieferungen aussprechen und einige pensionierte Generäle, die militärische Niederlage als unausweichlich ansehen, hat Mützenich sich dafür ausgesprochen neben der umfassenden militärischen Hilfe für die Ukraine auch darüber nachzudenken, wie dieser Krieg in einer ersten Phase eingefroren werden kann und eventuell  zu einem späteren Zeitpunkt in einen dauerhaften Waffenstillstand überführt werden kann. Er hat dies auch nach seinerRede im Deutschen Bundestag noch einmal vergleichsweise differenziert dargelegt.
    https://www.schwaebische.de/politik/rolf-muetzenich-manche-hatten-offenbar-ein-interesse-daran-meine-rede-zu-instrumentalisieren-2438973

    Man muss diese Überlegungen von Rolf Mützenich nicht teilen, sie werden aber nicht dadurch widerlegt, dass man seine Auffassung mit der doch ganz anderen Haltung von Frau Wagenknecht oder Herrn Precht gleichsetzt.

    Da Klaus Lang wohl auch mich zu denen zählt, die, wenn sie über Kriegsbeendigung nachdenken, nur im Auge haben, Putin zuerst die Krim und die Ostukraine und dann die gesamte Ukraine in den Worten von Andreas Wittkowsky „zum Fraß vorzuwerfen“, möchte ich versuchen, hier noch einmal meine Überlegungen deutlich zu machen.

    Mir wäre ein Zusammenbruch des Putinregimes am liebsten. Ich finde es ohne Wenn und Aber wünschenswert, wenn die Ukraine ihre volle Souveränität  in den Grenzen von 2013 wiedererlangt. Wenn das Wünschenswerte allerdings, wenn überhaupt, nur um den Preis enormer Verluste und hoher Risiken möglich scheint, ist es m. E. statthaft, ja sogar geboten, über andere Optionen nachzudenken. Dass es auch im deutschen Bundestag Raum für solche Überlegungen geben muss, ist aus meiner Sicht kein Ausdruck bündnispolitischer Unzuverlässigkeit, sondern bei einer Parlamentsarmee geradezu notwendig, damit die verfolgte Politik eine breite Basis in der Bevölkerung behält. Dass diese Fragen im Parlament debattiert werden, ist m.E. kein Grund an der sicherheitspolitischen Zuverlässigkeit Deutschlands zu zweifeln, sondern Ausdruck davon, dass in einer Demokratie um solch schwerwiegende Entscheidungen gerungen werden muss.

    Klaus Lang unterstellt, dass eine Verhandlungslösung mit der internationalen Anerkennung der eroberten Gebiete als Teil der russischen Föderation einhergeht, und ist überzeugt, „dass Russland, dessen Interessen ja berücksichtigt werden müssen, nie einen wirklich wirksamen, notfalls auch atomaren Schutz dieser Restukraine zulassen“ wird. Erstens geht es bei einem Einfrieren nicht um die internationale Anerkennung des russischen Landraubs oder die Aufgabe des Völkerrechts, sondern darum, auf die Beseitigung des Unrechts durch militärische Mittel zu verzichten. Zweitens ist dies überhaupt als Lösung nur im Bereich des Vorstellbaren, wenn gleichzeitig die freie Ukraine westliche Sicherheitsgarantien äquivalent zu einer Nato-Mitgliedschaft bekommt. Klaus Lang ist sich sicher, dass Russland einer solchen Option „nie“ zustimmen wird. Über solch feste Gewissheiten verfüge ich nicht. Ich weiß nicht, ob es gelingen kann, den Krieg einzufrieren, danach den Waffenstillstand durch überzeugende Abschreckung zu stabilisieren und möglicherweise in der ferneren Zukunft sogar die Beziehungen wieder zu normalisieren. Nur glaube ich, es ist nicht hilfreich, Überlegungen in eine solche Richtung gleich als unmöglich zu verwerfen. Wenn wir davon ausgehen, dass Russland nie auf seine Maximalposition verzichten wird, dann ergibt sich daraus auch die Unmöglichkeit eines ukrainischen Sieges. Denn dieser Logik folgend, müssten wir wohl davonausgehen, dass Russland Nuklearwaffen einsetzt, bevor es gewillt ist, die Befreiung der Krim und die Selbstbestimmung der Ukraine zu akzeptieren.

    Darüber nachzudenken, wie mit militärischen und diplomatischen Mitteln eine Situation erreicht werden kann, dass Russland eben gerade nicht siegt und die Ukraine nicht verliert, scheint mir realitätstüchtiger als angesichts der Situation an der Front alternativlos auf einen militärischen Sieg der Ukraine als einzige Option zu setzen.  

    Natürlich – und das weiß der langjährige IG Metaller Klaus Lang  aus eigener Erfahrung nur zu gut –ist es besser und einfacher, aus einer Position der Stärke zu verhandeln, aber auch wenn man diese Stärke auf dem Schlachtfeld nicht hat, gilt es zu überlegen, welche Optionen es gibt.

    1. Mir ist der Unterschied zwischen R. Mützenich und S. Wagenknecht und anderen in der Bereitschaft, die Ukraine weiterhin politisch, wirtschaftlich und militärisch, auch mit weiteren Waffenlieferungen zu unterstützen, sehr wohl bewusst. Außerdem wäre mir nichts lieber, es käme zu Verhandlungen, zu denen die Ukraine nicht gezwungen wird. Aber ich sehe Null Erfolge all der geforderten oder angekündigten Initiativen. Ich sehe nur einen immer brutaleren Angriffskrieg Russlands, jede Schwäche der Ukraine und der westlichen Unterstützung nutzend. Auch nach der Lektüre des Interviews in der Schwäbischen Zeitung bleibt für mich das Einfrieren eine Schimäre. Ich weiß wirklich nicht, was das bedeuten soll. Ist es vielleicht doch nur ein anderes Wort für Waffenstillstand, das allerdings mehr Aufmerksamkeit erregt? Wie soll das “Einfrieren” der Ukraine zum Vorteil gereichen? Darum unterscheidet sich das Einfrieren eben nicht sehr von diesem älteren Verhandlungsvorschlag von Peter Brandt u.a. Beim Einfrieren auf der Grundlage des Status quo agiert Russland aus einer Position der Stärke. Mit der Aussage: “Darüber nachzudenken, wie mit militärischen und diplomatischen Mitteln eine Situation erreicht werden kann, dass Russland eben gerade nicht siegt und die Ukraine nicht verliert, scheint mir realitätstüchtiger als angesichts der Situation an der Front alternativlos auf einen militärischen Sieg der Ukraine als einzige Option zu setzen” kann ich viel anfangen. Aber ich sehe momentan kein Aufblühen der diplomatischen Bemühungen, von Erfolgen ganz zu schweigen, sondern nur ein Abflachen der Bereitschaft zur militärischen Unterstützung. Dazu trug auch, das zeigt ja die Notwendigkeit nachträglicher Klarstellung, die Rede vom Einfrieren bei. Ich nehme nach wie vor die Rede von Olaf Scholz zur Zeitenwende von 2022 sehr ernst und mit seinen Aussagen: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Es darf keinen Diktatfrieden für die Ukraine geben. Offenkundig ist weitere und wohl mehr militärische Unterstützung notwendig, um überhaupt auf Seiten Russlands eine Öffnung zur Diplomatie, die diesen Kriterien entspricht, zu erreichen . Ich bin überzeugt, ein Bruch der gegenüber der Ukraine öffentlich gemachten Versprechen würde dem Westen, aber vor allem der Chance einer auf Völker- und Menschenrechten basierten Sicherheitsordnung nachhaltig schaden. Wir müssen uns mit China arrangieren und eines Tages auch mit Russland über eine Sicherheitsordnung. An der Ausweitung des Machtbereichs totalitärer und autoritärer Staaten besteht meines Erachtens kein Interesse.

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