Olaf Scholz, Bundeskanzler 2025ff

Bild: geralt auf Pixabay

In seiner Sommerpressekonferenz wurde Bundeskanzler Olaf Scholz vor wenigen Tagen gefragt, ob er es nicht wie der US-Präsident machen und auf eine erneute Kandidatur verzichten wolle. Weshalb sollte er? 14 Monate vor der nächsten Bundestagswahl, die voraussichtlich auf den 28. September 2025 terminiert wird, einige Anmerkungen zur gegenwärtigen Lage der Parteien sowie zu sich im Bund abzeichnenden Koalitionsperspektiven 2025.

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Wenn es keine vorgezogenen Neuwahlen gibt, die aus meiner jetzigen Sicht unwahrscheinlich sind, soll die kommende Bundestagswahl laut Kabinettsvorschlag am 28. September 2025 stattfinden. Den Ausgang dieser Bundestagswahl kann heute natürlich niemand sicher wissen. Ausgesprochene und unausgesprochene Möglichkeiten dieses Ausganges haben allerdings schon heute Einfluss auf das Handeln der parteipolitischen Akteure, von denen die eine Kanzlerpartei bleiben, die anderen Kanzlerpartei werden, die dritten Einfluss behalten oder überhaupt erst Einfluss gewinnen wollen.

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Zu den im anstehenden Wahlkampf – diesseits unvorhersehbarer und unplanbarer Ereignisse – wesentlichen Erfolgs- bzw. Misserfolgsfaktoren der Parteien bei der Bundestagswahl dürften gehören,

  • wie geschlossen die Parteien und die Parteiführungen jeweils sind und auftreten,
  • wie anschlussfähig ihre politischen Programme für größere Teile der Wählerschaft sind,
  • ob und welche plausiblen Koalitionsperspektiven bestehen.

Meiner Einschätzung nach waren diese Faktoren auch für den Ausgang der Bundestagswahl 2021 entscheidend und ausschlaggebend für den Erfolg von Olaf Scholz und der SPD. Diese Faktoren zeichneten sich damals schon viele Monate vor der Bundestagswahl als relevant ab, so dass der Wahlausgang bei näherem Hinsehen schon damals vorhersehbar und nicht ganz überraschend war.

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Wie ist die Lage von SPD, Union und Grünen heute im Hinblick auf diese Faktoren?

SPD

Die 2020/21 für viele überraschende Geschlossenheit und Absprachefähigkeit zwischen der damals neuen Parteiführung, der Fraktionsführung und den Regierungsmitgliedern der SPD hält auch 2024 unter veränderten Bedingungen und Herausforderungen – ob aus Einsicht oder Angst spielt dabei keine Rolle – nach wie vor an. Auf der Führungsebene, und auf die kommt es an, sind keine wirklichen Risse erkennbar. Die Absprachen zwischen Bundeskanzler, Fraktions- und Parteiführung funktionieren. Der Kanzler wird unangefochten unterstützt.

Daran dürft sich auch in den kommenden Monaten nichts ändern.

Programmatisch zeigt sich die SPD als Kanzlerpartei. Die Punkte, die die SPD in die Regierungsarbeit eingebracht hat und einbringt, sind nicht von der Art, dass sie im Konflikt und Widerspruch zu großen Teilen ihrer potentiellen Wählerschaft stehen. Sie sind grundsätzlich kompromiss- und anschlussfähig mit allen demokratischen Parteien und vom politischen Gegner kaum skandalisierbar.

Koalitionsperspektiven sind für die SPD eine große Koalition, eine rot/grüne Koalition oder eine Fortsetzung der Ampel.

Union

Die CDU hat sich zwar in der Führung personell neu aufgestellt. Merz kann aber bisher die Tatsache, dass er nur dritte Wahl der Partei war, nicht vergessen lassen. Die unterlegenen Mitbewerber einerseits und der (frühere) Merkelflügel existieren weiter fort. Dabei zeigt sich die innere Uneinigkeit der Union in ihrem Verhältnis zu den Grünen und zumindest in den ostdeutschen Ländern zur AfD.

Dass der bayerische CSU-Ministerpräsident die personelle Lage der CDU rücksichtslos für seine eigene Karriereplanung instrumentalisiert, schwächt die Handlungsfähigkeit der Union insgesamt entscheidend.

Programmatisch richtet sich die Union deutlich an die von ihr erreichbare Wählerschaft. Auch hier ist der Versuch Verunsicherungen zu vermeiden deutlich. Die Verunsicherung über die Brandmauer zur AfD ist allerdings erkennbar. Vorschläge zum Bürgergeld oder zur Migration reizen das Grundgesetz aus.

Koalitionspolitisch hat Söder mit seiner Polemik gegen die Grünen der Union ihre aussichtsreichste Koalitionsoption zunichte gemacht. Ein Nichtausschluss einer Koalition mit der AfD wäre für die Union selbstzerstörerisch. Der Union bleibt so nach der nächsten Bundestagswahl letztlich nur eine „Große Koalition“ mit der SPD als Perspektive.

Grüne

Die Führung der Grünen erscheint derzeit geschlossen ratlos, die Partei insgesamt eher sprachlos. Der Wettbewerb zwischen Baerbock und Habeck um die Kanzlerkandidatur wurde von Baerbock, nachdem die Umfragen in den Keller gingen, abrupt beendet. Der Eindruck der Grünen-Spitze ist eher der eines sprachlosen Nebeneinanders als ein zur Absprache fähiges Miteinander, weniger der Eindruck von Geschlossenheit.

Programmatisch haben es die Grünen zugelassen und lassen es zu, dass sie weniger als politische Kraft, die einen systemischen Transformationsansatz verfolgt, vielmehr als Spartenpartei mit einer besonderen Zuständigkeit für die Sparte des Klimas wahrgenommen werden. Ohne systemischen Kontext ist diese Spartenpolitik freilich punktuell skandalisierbar – das ist der treffende Kern der Söderschen Polemik gegen die Grünen – und verunsichert im Zweifel einen größeren Teil der Wählerschaft, als sie erreicht.

Nach dem Wegfall der Option einer Koalition mit der Union steht den Grünen letztlich nur noch Rot/Grün oder eine Fortsetzung der Ampel-Koalition als Perspektive zur Verfügung.

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Ein Blick auf die Demoskopie: Weiterführung der Ampel erscheint am wahrscheinlichsten. Die demoskopische Lage der Parteien sieht im Juli 2024 für den Bund etwa so aus:

CDU/CSU               30-32%
SPD                         14-16%
Grüne                       10,5-13%
FDP                           4-6%
Linke                         3%
AfD                           15-19%
BSW                          6-9%

Ich halte es für sinnvoll, diesen heutigen demoskopischen Zahlen die Zahlen vom Juli 2020, ebenfalls etwa 14 Monate vor der Bundestagswahl 2021 gegenüberzustellen:

CDU/CSU               37-40%
SPD                         14-16%
Grüne                       17-20%
FDP                          4,5-6%
Linke                        7-8%
AfD                          9-10%

Im Juli 2020 lag die Union 20 bis 25% vor der SPD, im Juli 2024 liegt sie 14-16% vorne.
Grün/Rot kann damals auf 31-36%, Rot/Grün kommt heute auf 24,5 bis 29%.
Die Ampel hätte damals 35,5-42% bekommen, heute hat sie 29-35%.
Heute ist die AfD 6-9% stärker und das BSW mit 6-9% neu.

Von den „größeren“ Parteien zeigt einzig der Wert der SPD 14-16 Monate vor den jeweiligen Wahlen eine Konstanz, freilich auf sehr niedrigem Niveau.

Am 26. September 2021 lautete das Ergebnis der Bundestagswahl, aus der die Ampel hervorging:

  • CDU/CSU               24,1%
  • SPD                         25,7%
  • Grüne                       14,8 %
  • FDP                          11,5%
  • Linke                          4,9%
  • AfD                           10,3 %

Natürlich kann man nicht einfach davon ausgehen, dass 2025 die Bundestagswahl so ausgeht, dass es zur Fortsetzung der Ampel kommt. Für möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, kann man das allerdings schon halten.

Aus heutiger demoskopischer Sicht kann eine unionsgeführte Regierung mit einem Bundeskanzler Merz schwerer herbeigeschrieben werden, als man, nüchtern betrachtet, behaupten kann, dass Scholz Bundeskanzler entweder einer SPD/Unions- Koalition wird oder der Ampel-Koalition bleibt.

Thomas Weber
Thomas Weber (thw) promovierte in Klassischer Philologie, arbeitete über 30 Jahre in unterschiedlichen Funktionen in Landes- und Bundesministerien, von 2009 bis 2024 als Referatsleiter "Nachhaltigkeit" im Bundesministerium der Justiz.

4 Kommentare

  1. Da ist im Schlussabsatz der Wunsch der Vater des Gedankens. Am wahrscheinlichsten scheint mir aus heutiger Sicht eine unionsgeführte schwarzrote Koalition. Die Union wird sich nicht wieder so selbst zerlegen wie 2020/2021 und in der SPD werden noch heftige Debatten über Russland/Ukraine-Politik und Raketenstationierung aufbrechen. Aber vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie den US-Wahlen ist alles ziemliche Kaffeesatz-Leserei. Und das sind vorhersehbare Ereignisse,

    1. Natürlich wissen wir nicht, was wie geschehen wird. Aber wir können versuchen, politische Plausibilitäten zu denken und aufzuzeigen.
      In dem Kommentar von Klaus Lang fehlen mir politische Plausibilitäten:

      „Die Union wird sich nicht selbst zerlegen wie 2020/21 „:
      Ist es nicht eher so, dass die Union sich bereits jetzt zerlegt (hat) und vieles dafür spricht, dass sie das weiter tun wird? Die personelle, programmatische und strategische Zerrissenheit der Union ist tief und grundsätzlich. Dass das bisher dem breiten Publikum nicht so auffällt, hängt damit zusammen, dass die Union als Opposition zur Zeit weniger und anders unter Beobachtung steht als die Ampel, zumal die Ampel mit ihrem vielseitigen Streit das politische Publikum unterhält.

      Die Landtagswahlen im Osten dürften die Zerrissenheit der Union noch sichtbarer werden lassen, wenn es darum gehen wird, ohne AfD und BSW mehrheitsfähige Koalitionen zustande zu bringen.
      Die abzusehende relative Stärke der CDU bei diesen Wahlen dürfte für die Union in ganz Deutschland und im Bund zu einem größeren Problem werden als die abzusehende Schwäche der Ampelparteien.

      Weiter führt Lang aus: „und in der SPD werden noch heftige Debatten über Russland/Ukraine-Politik und Raketenstationierung aufbrechen.“
      Das sehe ich nicht. Bei der im Artikel erwähnten Bundespressekonferenz wurde die Ukrainepolitik, soweit ich mich erinnere, mit keiner Frage angesprochen. Dass es in der SPD stärkere Meinungsunterschiede über die Raketenstationierung und über die Ukrainepolitik des Bundeskanzlers gibt als innerhalb der Union kann ich auch nicht sehen.

      Dass in meinem Beitrag der Wunsch der Vater des Gedankens ist, ist sicher so, solange der Gedanke wirklich ein Gedanke ist. Es ist doch das Wesen eines politischen Gedankens, dass er der Ausdruck eines Wollens ist. Über die Richtigkeit und Qualität eines Gedankens sagt das aber nichts wirklich aus.

  2. Ich finde die gehaltvollen Spekulationen von Thomas Weber auch deshalb interessant, da der Autor, so meine Unterstellung, von den informellen Schwingungen und spekulativen Denkereien in Berlin viel mitbekommt.
    Unter diesem Aspekt fällt mir an seinem Text folgendes besonders auf:
    Thomas Weber hält es für völlig normal, dass eine Partei wie die SPD, die in Umfragen jetzt beständig um die 15 Prozent liegt, es ebenso für völlig normal hält, in Zukunft den Kanzler zu stellen. Das ist so absurd wie die Stellungnahme von Annalena Baerbock, sie verzichte auf den Kampf um die Kanzlerkandidatur mit Robert Habeck; die Grünen erreichen in Umfragen momentan bestenfalls 13 Prozent. Es ist doch erschütternd zu sehen, dass Parteien mit geringfügiger Zustimmung sich überhaupt Gedanken machen, wie und ob sie den Kanzler/die Kanzlerin stellen könnten. Und es irritiert zu lesen, dass kluge Bobachter der Berliner Schwingungen sich ebenfalls wie selbstverständlich an Debatten über die Frage beteiligen, ob und wie Parteien mit geringfügiger Zustimmung planen, den Kanzler stellen zu wollen.
    Ein weiterer Aspekt fällt auf: die Voraussetzungen, die Thomas Weber benennt, um künftige Wahlerfolge zu erlangen. Diese Kriterien lauten im wesentlichen: als Partei geschlossen sein und das sich zueigen machen, was die Mehrheit der potentiellen Wählerklientel denkt und will. Das, was Politik heute erledigen müsste, spielt für Thomas Weber gar keine Rolle. Er betreibt Gedankenspiele innerhalb der gegebenen Verhältnisse. Die Arbeitswelt mit Digitalisierung/Roboterisierung/KI einmal auf den Kopf stellen, Frieden mit Putin schaffen UND zugleich Freiheit bewahren, sich ihm also nicht zu unterwerfen, und zuallererst die Folgen der Klimakatastrophe wenigstens ein bisschen mildern, das alles spielt bei diesen Gedankenspielen keine Rolle. Nur ein Beispiel, um den Ausschluss dieses Kriteriums zu illustrieren: Hätte Willy Brandt nach diesen Erfolgskriterien seine Politik ausgerichtet, wäre es nie zu einer Ostpolitik gekommen.
    Sein Nachfolger, Olaf Scholz, richtet dagegen seine Politik in der Tat an den Weberschen Erfolgskriterien aus. Sighard Neckel beschreibt dieses politische Elend in dem bruchstuecke-Interview so:
    „Wer – etwa als Regierungschef – auf ein Amtscharisma setzt, das eher an die Ministerialbürokratie erinnert, hat da schon mal schlechte Karten. Dann wirken auch richtige Ansagen – „Zeitenwende“ – wie auswendig gelernte Anflüge von politischer Leidenschaft, die schnell wieder verflogen sind.“

    1. Zum Kommentar von Wolfgang Storz einige Erwiderungen:

      1 Offenbar behagen Wolfgang Storz meine „gehaltvollen Spekulationen“ nicht.

      Zur Begründung dieses Unbehagens arbeitet Storz mit dem Begriff des „Normalen“:

      „Thomas Weber hält es für völlig normal, dass eine Partei wie die SPD, die in Umfragen jetzt beständig um die 15 Prozent liegt, es ebenso für völlig normal hält, in Zukunft den Kanzler zu stellen.“

      Dass ich das von Wolfgang Storz Beschriebene für „normal“ halte, ist eine Unterstellung, die mein Text nicht hergibt. Ich glaube auch nicht, dass die Kategorie des Normalen zur Beurteilung und Bewertung meiner „Spekulationen“ oder überhaupt zur aufgeklärten Bewertung irgendeines Sachverhaltes dienlich bzw. tauglich ist.

      Wenn das Normale das ist, was allgemein gekannt und, weil es allgemein gekannt, auch akzeptiert ist, dann mag die Orientierung an und der Wunsch nach Normalität, hinter der man sich verstecken kann, zwar nachvollziehbar sein. In Zeiten präzedenzloser Veränderungen bedeutet der Wunsch nach Normalität aber zugleich den Wunsch, diese die Normalität bedrohenden Veränderungen zu negieren bzw. zu ignorieren.

      In Zeiten der völlig „abnormalen“, weil unbekannten und unvertrauten präzedenzlosen globalen Nachhaltigkeitskrise, in denen es keine wirkliche Normalität mehr gibt und auch nicht mehr geben kann, ist indes der gesellschaftliche Wunsch nach Normalität eher eines der großen Hemmnisse für die von diesen Veränderungen geforderte Transformation.

      In diesem Sinne spreche ich immer wieder von einer der notwendigen Transformation im Weg stehenden gesellschaftlichen Ignoranz der Normalität, die mit einer Normalität der Ignoranz korrespondiert.

      Wer also mit dem Blick der Normalität auf die politische Landschaft und die politischen Prozesse und meine Spekulationen blickt, erschwert sich damit das Verständnis dieser Sachverhalte.

      Die Perspektive, dass die SPD, die 2024 14 Monate vor der Wahl bei den Umfragen 15 % hat, 2025 den Kanzler stellen wird, ist so absurd oder so normal, wie es die Perspektive 2020/21 war, als die demoskopische Lage für die SPD vergleichbar war.

      Denn, dass heute etwas nicht normal ist oder als absurd erscheint, heißt weder, dass es nicht geschieht oder erfolgreich ist, noch dass es auch nicht sein soll. Ist es doch vor allem eine „falsche“ Normalität, die den Krisen der Welt zugrunde liegt, und die beendet werden muss.

      2 Weiter Storz:

      „Ein weiterer Aspekt fällt auf: die Voraussetzungen, die Thomas Weber benennt, um künftige Wahlerfolge zu erlangen. Diese Kriterien lauten im wesentlichen: als Partei geschlossen sein und das sich zu eigen machen, was die Mehrheit der potentiellen Wählerklientel denkt und will.“

      Das dritte von mir angeführte Kriterium der Koalitionsoptionen wird hier unterschlagen. Dabei ist das fundamental. Denn ohne Koalitionsoptionen, d.h. Optionen zu regieren, kann heute keine Partei, die regieren will, überzeugend darlegen, dass sie es mit dem, was sie will, ernst meint. Ohne Koalitionsperspektive sind Programm und Geschlossenheit letztlich ziellos und nutzlos.

      Und weiter schreibt Wolfgang Storz: „Das, was Politik heute erledigen müsste, spielt für Thomas Weber gar keine Rolle. Er betreibt Gedankenspiele innerhalb der gegebenen Verhältnisse.“

      Ja, innerhalb welcher anderen Verhältnisse machen den Gedankenspiele über einen konkret anstehende Wahlkampf und eine konkret anstehende Wahl überhaupt Sinn als innerhalb der gegebenen?

      Zu diesen gegebenen Verhältnissen gehört eben (leider) immer noch die schon zuvor erwähnte gesellschaftliche Ignoranz der Normalität, die heute auch bedeutet, dass das Aussprechen und Darlegen dessen, was die „Politik heute erledigen müsste“, für den Wahlerfolg der Parteien nicht entscheidend ist.

      Das sieht man auch daran, dass keine Partei wirklich umfassend darüber Auskunft gibt, „was Politik heute erledigen müsste“, und zwar schlicht deshalb, weil alle davon ausgehen, dass, wenn sie das wirklich tun, sie nicht gewählt werden würden.

      Kurz: Wahlprogramme dürfen, wenn sie zum Erfolg beitragen sollen, weniger enthalten, was die Politik heute erledigen müsste, als das, was der Vorstellung einer ignoranten Normalität von einem sicheren Regieren entspricht. Das mag man bedauern, einfach ignorieren kann man es nicht, wenn man bei Wahlen erfolgreich sein will.

      Zu 3. Zum von Wolfgang Storz angeführten Schlusszitat von Sighard Neckel:

      “Wer – etwa als Regierungschef – auf ein Amtscharisma setzt, das eher an die Ministerialbürokratie erinnert, hat da schon mal schlechte Karten. Dann wirken auch richtige Ansagen – „Zeitenwende“ – wie auswendig gelernte Anflüge von politischer Leidenschaft, die schnell wieder verflogen sind.”

      In einer Gesellschaft, in der nach wie vor der Wunsch nach Normalität dominiert, ist ein „Amtscharisma …, das eher an die Ministerialbürokratie erinnert“, vielleicht doch nicht ganz verkehrt. Vor allem dann nicht, wenn weder personell, noch programmatisch, noch machtpolitisch ein attraktiveres Charisma bei den Konkurrenten im politischen Wettbewerb zu erkennen ist.

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