Zugegeben, der Name verleitet zu Wortspielen, wenn man ihn vor sich hinspricht. Aber Kalauern ist kein guter Stil, zumal der Mann übel genug auftritt. Peter Hegseth, zuletzt Moderator von Fox News, soll nach dem Willen Donald Trumps der nächste Verteidigungsminister der USA werden. Regierungserfahrung besitzt er nicht, seine Führungsqualitäten demonstriert er, indem er mit nacktem Oberkörper martialische Tattoos zur Schau stellt. Sie zeigen das sogenannte Jerusalem-Kreuz, ein beliebtes Erkennungszeichen von Rechtsextremen, und die lateinische Inschrift „Deus Vult“, was übersetzt „Gott will es“ bedeutet. Mit diesem Spruch und jenem Kreuz-Symbol brachen die mittelalterlichen Kreuzfahrer auf, um Jerusalem zu erobern.
Vordergründig könnte man denken, der will es den Muslimen mal richtig zeigen. Zunächst sieht Hegseth seine Hauptaufgabe allerdings im Kampf gegen vermeintlich liberale Militärs der eigenen Army. Ihnen kann er einen bezeichnenden Vorfall bei der Amtseinführung von Joe Biden vor vier Jahren nicht verzeihen. Damals hatte er sich freiwillig zum Einsatz bei der Nationalgarde gemeldet, die ihn wegen Rechtslastigkeit als Sicherheitsrisiko einstufte und ablehnte.
Dieser Kämpfer an der Front derer, die Amerika wieder groß machen wollen, gab vor ziemlich genau einem Jahr Ratschläge an die Regierung Israels, die vor allem deswegen so wertvoll waren, weil er nicht dafür geradestehen musste. „Für die israelische Regierung, nicht für die US-Regierung“, erregte sich Hegseth in Agitprop-Manier, sei der Zeitpunkt gekommen, den Iran daran zu hindern, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Israel dürfe man nicht davon abhalten, iranische Energie- und Nuklearanlagen anzugreifen, forderte Hegseth und suggerierte damit, Netanyahu hätte das schon längst getan, wenn er nicht von Biden daran gehindert worden wäre.
Schwadronieren über die Gunst der Stunde
Seitdem wird der extreme und extrem leichtsinnige Vorschlag in einer Art Ping-Pong zwischen Politikern mit Großmannssucht hin- und her gespielt. Naftali Bennett, zeitweise israelischer Ministerpräsident, erkannte in einer Blitzanalyse, der Iran sei momentan geschwächt, folglich habe Israel „die größte Chance seit fünfzig Jahren, das Gesicht des Nahen Ostens zu verändern.“ Die Gunst der Stunde will Bennett nutzen, „um das iranische Atomprogramm und seine zentralen Energieanlagen zu zerstören und dieses terroristische Regime tödlich zu treffen“.
Dann mischte sich Donald Trump während des Präsidentschaftswahlkampfs ein. Man müsse „zuerst das Nukleare treffen, und sich später um den Rest kümmern“. Das war als Abgrenzung gegenüber Bidens Iranpolitik formuliert, der weder das eine noch das andere wollte. Es klingt ein bisschen nach Netanyahu, aber das ist spekulativ.
Andererseits war es Netanyahu, der am Tag der US-Wahl seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant entließ und ihn durch den bisherigen Außenminister Israel Katz ersetzte. Ähnlich wie Hegseth ist auch dieser Politiker bar jeder militärischen Expertise, und er gab auch gleich eine Kostprobe seiner Visionen. „Die diplomatische, operative und taktische Situation für einen Angriff auf das iranische Atomprogramm ist noch nie so machbar, realistisch und wahrscheinlich gewesen wie jetzt.“ Der Satz ist auch im Englischen holprig, offenbar wollte Katz sagen, dass die Situation sowohl für eine diplomatische als auch für eine militärische Offensive günstig sei. Nebenbei wird bekannt, dass die Oppositionspolitiker Naftali Bennet und Yair Lapid bereits am 26. Oktober einen Militärschlag gegen Atomanlagen gefordert haben sollen. An diesem Tag begnügten sich die israelischen Streitkräfte (IDF) damit, ihre Fähigkeit zu einem solchen Schlag zu demonstrieren, weil ihre Flugzeuge die iranische Luftabwehr ausschalten oder umgehen konnten.
Nun wird es kaum jemand für schlau halten, eine heikle militärische Operation vorher enthusiastisch anzukündigen. Der neue israelische Verteidigungsminister will dem Iran drohen, um ihn davon abzuhalten, Israel noch einmal mit Raketen anzugreifen. Gleichzeitig macht Katz klar, was geschehen werde, wenn das Mullahregime die letzten Schritte zur Anfertigung von Nuklearwaffen anordnet.
Psychologische Kriegsführung gehört zum Handwerk. Dazu war Yoav Gallant nicht bereit, sodass sich die Frage nach seinen Motiven stellt. Offenbar glaubt Gallant nicht daran, das Problem mit Ankündigungen, Drohungen und militärischen Muskelspielen lösen zu können, er glaubt nicht, dass Israel jetzt das Gesicht des Nahen Ostens zum Besseren verändern könne und er glaubt nicht an die Methode, einen gordischen Knoten mit dem Schwert aufzutrennen. Dazu hat er allen Anlass.
Denn die nukleare Bedrohung Israels geht zwar indirekt von allen iranischen Atomanlagen aus, von der Förderung des Uranerzes bis zu Atomreaktoren und Urananreicherungsanlagen. Doch die direkteste Bedrohung liegt in dem Endprodukt, das mit diesem ganzen industriellen Komplex erzeugt werden soll: Spaltbares Uran, in technischen Begriffen das Isotop U235. Davon besaß der Iran Ende August nach Angaben der Internationalen Atomenergie Agentur 260 Kilogramm. Davon befanden sich 160 Kilogramm in Uran mit 20-prozentiger Anreicherung und 100 Kilogramm in Uran mit 60-prozentiger Anreicherung. Beide Anreicherungsgrade erlauben einen schnellen Fortgang der Anreicherung bis zur Waffentauglichkeit. Daraus ließen sich zehn bis zwanzig Atombomben befüllen, je nach dem wie weit das iranische Knowhow in Explosionstechnik schon fortgeschritten ist.
Ein militärischer Angriff, der diesen Vorrat verfehlt, wäre gelinde gesagt kontraproduktiv, weil die nukleare Bedrohung Israels dann eher zu- als abnehmen würde. Das bedenkt die in den populistischen Milieus vorherrschende Haudrauf-Mentalität nicht, weil es ihnen zu kompliziert ist.
Schwerwiegende Komplikationen
Angenommen jedoch es gelänge den IDF, die entsprechenden Vorratslager von hochangereichertem Uran (HEU) ausfindig zu machen und mit Raketen zu bombardieren, was würde dann passieren? Man kann nicht wissen, ob dadurch eine Nuklearexplosion ausgelöst wird, weil es noch nie probiert wurde. Ganz unwahrscheinlich ist es jedenfalls nicht. Auch ohne diesen worst case würde es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu einer radioaktiven Kontaminierung weiter Flächen führen. Im günstigsten Fall lagern die Vorräte in einer unterirdischen Kammer, deren Zerstörung das Uran unter Felsgestein begraben würde – das wäre dann ein plötzliches Endlager für HEU. Es wäre schlecht versiegelt, was bedeutet, dass ein Großteil des Urans wieder ausgegraben und zurückgewonnen werden kann. Also nur ein Zwischenlager.
Selbst wenn ein Luftangriff auf iranische Atomanlagen ‚operativ‘ optimal verlaufen würde – Ziel lokalisieren, anfliegen, treffen, unversehrt zurückkehren -, ergäben sich schwerwiegende Komplikationen, die den militärischen Erfolg rasch relativieren und womöglich ins Gegenteil verwandeln könnten. Und was würde dann mit den Geiseln geschehen, die sich immer noch in der Gewalt von Hamas befinden? Wie lange hätten sie noch zu leben? Deshalb hat Yoav Gallant es vorgezogen zu schweigen. Er wollte nicht Dinge verantworten, die sich nicht zu Ende denken lassen. Mit diesem Feuer spielt man nicht, zumal das Pokern auch an anderen Orten der Welt stark verbreitet ist.
Wieder einmal zeigt sich das Dilemma der Nukleartechnik. Hat man sie einmal in Gang gesetzt, wird man sie nur sehr schwer wieder los, auch nicht mit einem Gewaltstreich. Ironischerweise öffnet die gegenwärtige, angeblich so günstige Situation auch dem Iran eine Chance. Seine Gegner zeigen ein starkes Begehren nach dem Uran, die Nachfrage ist hoch. Der Iran könnte also, wenn er es verkaufen würde, einen vorteilhaften Preis erzielen. Dann müssten die Käufer sehen, wie sie mit dem Zeug zurechtkommen. Vielleicht ist es das, was Gott will? Inschallah beziehungsweise Deus vult.
Unter dem Titel „Soll man Irans Atomanlagen bombardieren?“ erschien der Beitrag zuerst auf Hagalil. Jüdisches Leben online.