Die KI hat das Zeug, die Marktideologie zu überwinden

Die am 25. September 2015 einstimmig von allen Regierungen der Welt beschlossene UN-Resolution „Transformation unserer Welt: Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ ist inzwischen zehn Jahre alt. Diese „Agenda 2030“ formuliert in 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) einen Zustand des Mensch-Erde-Systems, der durch die „Transformation unserer Welt“ in einer äußerst knappen Frist erreicht werden muss. Wird dieser stabilisierte Systemzustand verfehlt, wird mit einem Kollaps gerechnet. Das Scheitern der „großen Transformation“ würde demnach das Ende der Menschheit bedeuten.
Es ist nicht überraschend festzustellen, dass eine innerhalb dieser engen Frist notwendige Transformation, für die man sich aus ideologischen Gründen weitgehend auf Markt und Wettbewerb verlassen will, nicht gelingt. Denn was notwendig ist, kann man nicht der Freiwilligkeit des Marktes und des Wettbewerbes anheimstellen, was notwendig ist, muss geregelt werden. Das Versagen der Markt- und Wettbewerbsideologie ruft den Staat in seine eigentliche Verantwortung, das, was notwendig ist, mit Vorgaben, Geboten und Verboten zu regeln und zu organisieren. Die Ziele der Agenda 2030, die den für die Fortexistenz der Menschheit auf dem Planeten notwendigen stabilen Zustand beschreiben, bleiben auch dann gültig und richtig, wenn sie nicht oder nicht in der gestellten Frist erreicht werden. Das offenkundige Scheitern einer Nachhaltigkeitspolitik, die auf Markt und Wettbewerb setzt, kann den Blick dafür freimachen, dass die Transformation unserer Welt auch die Transformation dieser Ideologie beinhalten muss.

Wenn man die bisherige Nachhaltigkeitspolitik in eine Phase vor der Verabschiedung der Agenda 2030 bis zum Jahr 2015 und eine Phase nach Verabschiedung der Agenda 2030 einteilt, könnte die seit wenigen Jahren sich kraftvoll entfaltende KI auch eine neue Phase der Nachhaltigkeitspolitik einläuten. Denn mit dieser KI lässt sich nicht nur der aktuell prekäre Zustand des Mensch-Planet-Systems auf nie dagewesene Weise dynamisch darstellen. Es lässt sich auch der systemisch nachhaltige Zielzustand dynamisch beschreiben und vor allem lassen sich wie nie zuvor Maßnahmen-Roadmaps entwerfen, die zeigen, wie man von der prekären Gegenwart in eine nachhaltige Zukunft kommt. Die von der KI unter den richtigen Fragestellungen entworfenen Vorschläge könnten eine Notwendigkeitsobjektivität entfalten, der sich kein Staat, keine Regierung, keine Politik und Gesellschaft dauerhaft verweigern kann.

Thomas Weber
Thomas Weber (thw) promovierte in Klassischer Philologie, arbeitete über 30 Jahre in unterschiedlichen Funktionen in Landes- und Bundesministerien, von 2009 bis 2024 als Referatsleiter "Nachhaltigkeit" im Bundesministerium der Justiz.

1 Kommentar

  1. Widerspruch Euer Ehren! Die KI ist selbst Teil des Problems. Man denke nur mal an den irrwitzigen Energieverbrauch der dafür notwendigen Rechenzentren. Und wer bestimmt über die Algorithmen? Zur Zeit sitzen die dunklen Mächte aus dem Silicon-Valley im Zentrum der Macht im Cyber-Space.
    Dass Marktmechanismen nicht funktionieren und deshalb entsprechende Konzepte einfach als „Ideologie“ abgetan werden können, ist noch nicht bewiesen. Dass eine Politik, die alleine auf staatliche Regeln setzt, erfolgreicher sein könnte, ist ebenfalls noch völlig offen. Letzten Endes müssen sich beide Konzepte daran bewähren, ob Sie bei Publikum Akzeptanz finden, zumindest in offenen und demokratischen Gesellschaften. Und danach sieht es gerade gegenwärtig nicht aus. Denn, egal ob Markt oder Staat, es müsste sehr tief in Lebensgewohnheiten und Lebensstandards eingeschnitten werden, um die für eine Transformation erforderliche Reduzierung der Umweltbelastung zu erreichen. Der CO2-Ausstoß ist dabei ja nur ein Thema unter vielen. Am ehesten machbar wäre dagegen ein intelligenter Mix aus beiden Konzepten – Marktmechanismen (z. B. CO2-Bepreisung) dort, wo es Sinn macht, staatliche Regeln, wo es nicht anders geht. Wer nur auf eine Karte setzt, verliert.

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