Was der Sprachgebrauch über Nachhaltigkeit verrät

Im Sprachgebrauch wird immer wieder der Begriff „Nachhaltigkeit“ in Verbindung mit einem Attribut verwendet: So wird von ökologischer Nachhaltigkeit, wirtschaftlicher Nachhaltigkeit, digitaler Nachhaltigkeit, sozialer Nachhaltigkeit etc. gesprochen.
Dieser Sprachgebrauch entspricht allerdings nicht dem Leitgedanken und dem Nachhaltigkeitsverständnis der Agenda 2030 „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und verunklart das, worum es bei Nachhaltigkeit heute geht und gehen muss.
Ein Attribut ist wie ein Vorzeichen, wie ein Zeichen vor der Klammer. Das Attribut „regiert“ den Sachverhalt, indem es die Bedeutung des Sachverhaltes entsprechend seiner eigenen Bedeutung einordnet und damit nachordnet.
Bei der Wortverbindung „wirtschaftliche Nachhaltigkeit“ z. B – Entsprechendes gilt für alle anderen „Attribut+Nachhaltigkeit“- Wortverbindungen – regiert das Wirtschaftliche die Nachhaltigkeit, d.h. die Nachhaltigkeit wird in die Wirtschaft eingeordnet und damit nachgeordnet. Was in der Wortverbindung „wirtschaftliche Nachhaltigkeit“ „Nachhaltigkeit“ bedeutet, wird von der Wirtschaft bzw. Wirtschaftlichkeit her bestimmt, nicht von der Nachhaltigkeit.
Diese Nach- bzw. Unterordnung der Nachhaltigkeit unter die Wirtschaft steht indes im Widerspruch zum systemischen Verständnis der Agenda 2030, in dem die Nachhaltigkeit vom Ende her gedacht letztlich den stabilen Zustand des „Mensch-Planeten-Systems beschreibt. In der Agenda 2030 ist die Nachhaltigkeit das Umfassende gegenüber allen Teilbereichen menschlicher Aktivitäten im Mensch-Planeten-System, es ist das übergeordnete Prinzip, das als Vorzeichen vor allen menschlichen Aktivitäten steht und stehen muss, wenn das Mensch-Planeten-System einen Fortbestand haben soll. Richtig im Sinne der Agenda 2030 muss es daher, um ein anderes Beispiel anzuführen, “nachhaltige Digitalisierung” heißen, weil damit die Digitalisierung in Richtung Nachhaltigkeit geleitet wird.
Wenn wir heute über Nachhaltigkeit mit dem Anspruch, auf der Höhe der Zeit zu sein, reden wollen, sollten wir daher nicht hinter dem umfassenden und ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnis der Agenda 2030 zurückbleiben, das letztlich von allen menschlichen Aktivitäten die Ausrichtung auf die nachhaltige Entwicklung verlangt.

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Thomas Weber
Thomas Weber (thw) leitet das Referat Nachhaltigkeit im Bundesministerium der Justiz. Auf bruchstuecke.info spricht er für sich selbst.

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