Wie geht nachhaltig?

Wenn man Nachhaltigkeit politisch im Sinne der nachhaltigen Entwicklung und der „Transformation unserer Welt“ der UN-Agenda 2030 versteht, beschreibt „nachhaltig“ vor allem den Wandlungsprozess und  den transformativen Weg zu dem mit den Nachhaltigkeitszielen beschriebenen stabilen und dauerhaften Zustand des Mensch-Planeten-Systems. Als Adjektiv zur Bezeichnung des Prozesses und des Weges zur Nachhaltigkeit, kann „nachhaltig“ dann auch auf einzelne Prozessschritte oder einzelne Wegstrecken angewendet werden. Allerdings nur dann, wenn die weiteren Schritte und Streckenabschnitte, die zum nachhaltigen Zustand führen, auch benannt werden können und benannt werden.
Ich meine daher, dass man im nachhaltigkeitspolitischen Kontext  nur das als „nachhaltig“ bezeichnen sollte, was die Zielerreichung in absehbarer Zeit in sich trägt und  was in einer „Roadmap“ zur Nachhaltigkeit verortet werden kann, welche die weiteren notwendigen Maßnahmen und Schritte umfasst und abbildet.
Sollte also in einer  Roadmap zur Nachhaltigkeit plausibel dargestellt werden können, dass eine vorübergehende Nutzung von Erdgas, der Betrieb von Gaskraftwerken sowie weitere politische Entscheidungen, etwa zur Energiewende und zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft, zum Erreichen der Transformation beitragen, könnten diese – aber nur dann –  als nachhaltig bezeichnet werden. Grundsätzlich verlangen die Transformation und die drängende nachhaltige Entwicklung zu den SDGs, das vorherrschende vermeintlich eindeutige und eher statische Nachhaltigkeitsverständnis zurücktreten zu lassen zugunsten eines dynamischen und prozessualen Verständnisses, das auch Ergebnis eines kommunikativen Austausches ist. Einfacher wird die Aufgabe dadurch freilich nicht – aber vielleicht letztlich effektiver.

Thomas Weber
Thomas Weber (thw) promovierte in Klassischer Philologie, arbeitete über 30 Jahre in unterschiedlichen Funktionen in Landes- und Bundesministerien, von 2009 bis 2024 als Referatsleiter "Nachhaltigkeit" im Bundesministerium der Justiz.

1 Kommentar

  1. In dieser Woche hat der UN-Welternährungsbericht ein düsteres Bild der Ernährungslage auf der Welt gezeichnet. Weder Politikgipfel noch Bekenntnisse, weder Initiativen noch Geld haben offenbar geholfen, die Zahl der Menschen, die auf der Welt hungern müssen, zu verringern. Ist dies nicht Grund genug, um gegenüber der Agenda 2030 zynisch zu werden und den ganzen Ansatz aufzugeben?
    Mitnichten. Denn die Resolution der Generalversammlung der Vereinigten Nationen aus dem Jahr 2015 hat das Ziel, die Welt als eine Welt zu schaffen. Dies ist alles andere als selbstverständlich. Wir wissen von dem Historiker Eric J. Hobsbawm, dass noch im Jahr 1848 die Welt keine Einheit war. Damals waren die fehlenden Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Gegenden des Erdballs nicht einfach mangelnden Kenntnissen voneinander zuzuschreiben, obwohl das Ausmaß der Unkenntnis in bezug auf alles, was jenseits der jeweiligen Landesgrenzen lag, und oftmals auch in bezug auf das eigene Landesinnere beträchtlich war. Große Gebiete der verschiedenen Erdteile waren 1848 selbst auf den besten Landkarten Europas nur als weiße Flecken vertreten.
    Die Agenda 2030 hält an der Einheit der Welt fest und ist deshalb ein unverzichtbares normatives Ziel. Deshalb erscheint es als unabweisbar, möglichkeitsorientiert die Politik der Agenda im Sinne der Erreichbarkeit von Zielen neu zu justieren. Das könnte in der Tat mit Hilfe einer Roadmap geschehen. Allerdings wären an sie bestimmte qualitative Anforderungen zu stellen. Zum Beispiel, dass sie die Ursachen des Scheiterns der bisherigen Bemühungen reflektiert und eine bessere Praxis beschreibt.

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