Tief im Soll: Bilanz der öffentlichen Kommunikation des Kanzlers

© Fabian Arlt

Beginnen wir mit einem Gedanken-experiment. Wie sähe die kommunikative Bilanz von Olaf Scholz als Bundeskanzler aus, wenn er seit seiner Wahl zum Bundeskanzler am 8. Dezember 2021 auf jedes öffentliche Wort verzichtet hätte? Was wüssten wir heute nicht, wenn es seine Bundestagsreden, Fernsehansprachen und Interviews nicht gegeben hätte? Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr wären dann nur ein Sondervermögen und nicht Folge einer „Zeitenwende“. Die 200-Milliarden-Euro-Hilfen wären dann nurmehr ein Entlastungspaket in einer schwierigen Zeit und kein „Doppel-Wumms“. Und darüber hinaus? An welche Aussagen in seinen vielen Interviews erinnern wir uns noch? Oder muss man vielleicht eher fragen, ob wir mehr wüssten, wenn der Bundeskanzler uns mit seinen Reden und Antworten nicht so oft verwirrt hätte? Wie also sieht die kommunikative Bilanz des Bundeskanzlers und der von ihm geführten Bundesregierung nach einem Jahr aus? Der Versuch einer solchen Zwischenbilanz soll hier unternommen werden.

Da bereits diese wenigen Sätze eine gewisse Skepsis zum Ausdruck bringen, ist dem Autor in diesen aufgeregten und polarisierenden Zeiten ein Hinweis wichtig: Man mag die Bundesregierung für manche Entscheidungen und deren handwerkliche Umsetzung kritisieren, aber bereits ein kurzer Blick in viele andere Länder genügt um zuzugestehen, dass unser politisches Personal weitgehend integer zu sein scheint und zumeist bemüht ist, die drängendsten Probleme der Menschen zu lösen.

Wer eine Zwischenbilanz der politischen Kommunikation der Bundesregierung ziehen will, muss zunächst den Maßstab benennen. Strategische politische Kommunikation, im Wesentlichen also die Summe aller öffentlichen Auftritte, zielt auf die Legitimation einzelner politischer Entscheidungen und damit in diesem Fall der Bundesregierung als Ganzes. Der Maßstab soll nachfolgend weniger die ästhetisch-expressive B-Note sein, sondern ausschließlich die funktional-leistungsorientierte A-Note: Was hat die strategische politische Kommunikation dazu beigetragen, wie die Ampelregierung beurteilt wird, für wie legitim die Menschen die Politik der Bundesregierung nach einem Jahr halten? Hierfür wird ein methodisch höchst fragwürdiger Weg gewählt, der eine Vielzahl sich laufend verändernder Variablen ignoriert und der ausschließlich auf eigenen medial-vermittelten Beobachtungen basiert.

Ein Politikarbeiter, kein Öffentlichkeitspolitiker

Beginnen wir also beim Bundeskanzler. Für eine Analyse des politischen Kommunikators Olaf Scholz erscheint es hilfreich zu fragen, wie er sich selbst sieht und welche Ziele er mit seiner politischen Kommunikation zu verfolgen versucht. Olaf Scholz ist ein Politikarbeiter und damit das Gegenteil von Öffentlichkeitspolitikern wie Donald Trump, Boris Johnson, aber auch Sahra Wagenknecht, Joschka Fischer, Jens Spahn oder Franziska Giffey, die im Zweifel alle die Bühne dem Schreibtisch vorziehen würden. Olaf Scholz weiß natürlich, dass der öffentliche Auftritt Teil seines Jobs ist, aber er weiß auch, dass er mit seiner hanseatisch-spröden Art bei öffentlichen Auftritten wenig gewinnen kann. Für ihn scheint die politische Kommunikation daher ein notwendiges Übel zu sein.

Dabei – so ist zu mutmaßen – verfolgt er zwei zentrale Ziele. Erstens scheint es ihm vor allem um Fehlervermeidung zu gehen. Nur kein verunglückter Nazi-Vergleich, keine beleidigte Leberwurst, keine falschen Fakten, keine Diffamierung, die eine diplomatische Krise auslöst. Auch wenn er für seine Verhältnisse mal erstaunlich dünnhäutig war, eine Journalistin bei der G7-Pressekonferenz abgebügelt hat, zu Energiespartipps nichts sagen wollte und vor allem beim Holocaust-Vergleich von Abbas nicht einschritt, hat er das Ziel der Fehlervermeidung doch weitgehend erreicht. Man stelle sich nur vor, wie viele Scherben man nach einem Jahr Kanzlerschaft Laschet oder Merz zusammenkehren müsste. Angesichts der Corona-, Klima-, Russland- und Energiekrise, die die Ampel-Regierung seit einem Jahr begleiten, hat Olaf Scholz erstaunlich wenig Falsches gesagt. Aber reicht es aus, nur nichts Falsches zu sagen? Sollte man nicht hin und wieder auch etwas sehr Richtiges sagen?

Strategische Ambiguität

Damit ist man bei seinem wohl zweiten Ziel: bei der Vermeidung von Festlegungen. Oder umgekehrt: der bewussten Vagheit. Diese so genannte strategische Ambiguität ist seit jeher ein weit verbreitetes Mittel der Politik. Wer sich öffentlich nicht festlegt, hält sich Verhandlungsspielräume offen, kann später nicht der Lüge oder eines gebrochenen Versprechens bezichtigt werden. Man erinnere sich nur an die Nöte von Gerhard Schröder, nachdem er das sehr eindeutige und konkrete Versprechen gegeben hatte, die Zahl der Arbeitslosen auf weniger als 3,5 Millionen zu senken. In einer komplexen und sich schnell verändernden Welt und erst recht in Kriegszeiten erscheint strategische Ambiguität ein ebenso geeignetes wie legitimes Mittel zu sein, um Veränderungen zu erleichtern und sich nicht laufend selbst widersprechen zu müssen. Auch bei diesem zweiten Ziel kann Olaf Scholz auf den ersten Blick zufrieden sein: Denn konkrete Aussagen und Festlegungen sind von ihm tatsächlich nur wenige in Erinnerung geblieben. Aber genau hier beginnt das Problem des politischen Redners Olaf Scholz.

Denn die gelungene mehrdeutige Rede dürfte zu den größten Herausforderungen in der Politik zählen. Die Kunst der strategischen Ambiguität besteht gerade darin, dass alle Zuhörerinnen eine mehrdeutige Aussage jeweils sehr eindeutig, aber eben unterschiedlich verstehen. Eine gelungene strategische Ambiguität ist damit mehrdeutige Eindeutigkeit. Die bekannte Heilsche Formel „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz“ verstehen die Zuhörer im Idealfall so, dass Hubertus Heil alle Arbeitsplätze retten werde. Aber so etwas würde der Arbeitsminister natürlich nie versprechen, und er könnte es im Falle eines Misserfolgs auch glaubhaft abstreiten. Selbst wenn der aufgeklärte und aufmerksame Zuhörer weiß, dass dieser Satz eigentlich gar nichts aussagt, so nimmt er dem emotionalen Redner Heil mit einem solchen Bekenntnis vielleicht doch ab, dass ihm die Rettung von Arbeitsplätzen ein Herzensanliegen ist.

Selbst Wohlmeinende ratlos zurückgelassen

Zuhörer dürften einem Redner fehlende Eindeutigkeit und Konkretion zu den Maßnahmen eher nachsehen, wenn er sich vorher sehr eindeutig und vielleicht auch mit ein wenig Temperament und Überzeugung zu den Zielen bekannt hat. Die emotionale und temperamentvolle Rede ist aber bekanntlich nicht Scholz‘ Stärke. Das Bekenntnis zu Zielen wie zur Unterstützung der Ukraine wirkte daher oft eher pflichtschuldig, eine tiefe Überzeugung kam nicht zum Vorschein. So führt die strategische Ambiguität in der Scholzschen Variante zu eindeutiger Mehrdeutigkeit, also zu Fragezeichen in den Köpfen seiner Zuhörerinnen: Was hat er gesagt? Was will er eigentlich? Was leitet ihn? Im Ergebnis lässt der Bundeskanzler selbst Wohlmeinende oft ratlos zurück. Akzeptanz und Legitimation schafft Olaf Scholz so kaum.

In besonderer Weise misslang die mehrdeutige Kommunikation bei der Diskussion zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Im Frühjahr wurde fast jeden Tag eine neue Begründung vorgebracht, warum Deutschland keine schweren Waffen liefere: von fehlenden Waffen über zu lange Ausbildungszeiten bis hin zum Verzicht auf Alleingänge. Am Ende wussten die Menschen auch bei diesem Thema nicht, ob die Bundesregierung nicht liefern kann oder nicht will. Gemeinsam mit dem Verdacht einer allzu russlandfreundlichen SPD entstand ein verheerender Eindruck, der lange nicht aus dem Weg geräumt wurde.

Aber war Angela Merkel nicht genauso? Auch die Ex-Kanzlerin erklärte allzu selten ihre Politik und liebte die Vagheit, sie hat aber im Laufe der Jahre gelernt, handfester, lebensnäher und, ja, auch ein wenig temperamentvoller zu reden und dahinter ihre fehlenden Festlegungen zu verstecken. Vor allem hatte Angela Merkel zumeist das Glück, noch unscheinbarere oder offenkundig glücklose Vizekanzler an ihrer Seite zu haben – wie Steinmeier, Westerwelle, Rösler und eben Scholz.

Jetzt aber heißt der Vizekanzler Robert Habeck. Und der zeigt bei fast jedem öffentlichen Auftritt, wie politische Kommunikation selbst in einer Krise geht. Er erklärt seine Politik, die Zwänge, die Alternativen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Er öffnet in seinen Reden die Kontingenz und macht aus passiven Zuhörerinnen scheinbar beteiligte Akteure am Kabinettstisch. Obwohl all das seine Ausführungen mitunter recht komplex macht, gelingt es Robert Habeck im Gegensatz zu Olaf Scholz, zu einer konkreten und verständlichen Aussage zu finden. Wie bei Joschka Fischer bei seiner Bielefelder Rede zum NATO-Einsatz im Kosovo glaubt man, den Menschen Robert Habeck mit seinen Überzeugungen und Zweifeln zu erkennen. Ein größerer Gegensatz zu Olaf Scholz ist kaum vorstellbar. Und schließlich versucht Robert Habeck etwas, was man heute in Interviews kaum mehr antrifft: Er interessiert sich für die Fragen der Interviewenden und versucht – völlig verrückte Idee – darauf zu antworten, anstatt vorgefertigte PR-Stanzen von sich zu geben.

Der menschliche Vizekanzler und der scholzomatige Bundeskanzler sind nicht zufällig mit ihrem Kommunikationsverständnis und ihrem Naturell so erfolgreich in ihren Parteien. Die SPD prägt wie FDP und Union seit jeher ein repräsentatives Demokratieverständnis. Die Bürgerinnen haben alle vier Jahre die Möglichkeit, an der Urne ihre Unzufriedenheit zu artikulieren. Nach der Wahl sollen die gewählten Repräsentantinnen tun, was sie für richtig halten – weitgehend unabhängig von öffentlichen Stimmungen. Robert Habeck hingegen ist ein Kind der aus der Umweltschutz-, Frauen- und Friedensbewegung hervorgegangenen Grünen und damit des partizipativen Demokratieverständnisses. Zwischen den Wahlen erklärt er nicht nur getroffene Entscheidungen, sondern er wirbt vor Entscheidungen um Unterstützung. Beim Sozialdemokraten ist die öffentliche Rede eine lästige Pflicht, beim Grünen ist sie mindestens genauso wichtig wie Gremiensitzungen. Man mag sich nicht vorstellen, mit welchem Abstimmungsergebnis – jenseits programmatischer Unterschiede – ein Kandidat Olaf Scholz nach seiner Bewerbungsrede von einem Grünen-Parteitag nach Hause geschickt werden würde. Das abwehrende Kommunikationsverständnis zeigt sich in unterschiedlicher Ausprägung auch bei vielen anderen sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedern: von Christine Lamprecht über Klara Geywitz bis hin selbst zu, ja, Karl Lauterbach. Der Arzt, der sein Ministeramt nur seiner öffentlichen Omnipräsenz zu verdanken hat, ist seit seinem Amtseid wortkarg und dünnhäutig geworden. Einzig bei Hubertus Heil und vielleicht Nancy Faeser ist ein Bemühen zu erkennen, die Menschen gewinnen zu wollen.

FDP: Den Markenkern schützen

Die Liberalen sind in dieser Bilanz eigentlich zu ignorieren, weil sie ihrerseits den größten Teil der Bürgerinnen und Bürger ignorieren. Sie scheinen vom ersten Tag an nur ein Projekt im Kopf zu haben: den Wiedereinzug in den Bundestag 2025. Aus dem Trauma von 2013 haben sie die Lehre gezogen, nie mehr ihre Kernwählerschaft zu enttäuschen. Nur keine Schwäche zeigen, kommunikativ keinen Millimeter zurückweichen, den heiligen Markenkern schützen. Alles was die FDP sagt, ist auf ihre Kernwählerschaft gerichtet. So sehr sie von ihren politischen Projekten überzeugt sein mag, sie unternimmt kaum einen ernsthaften Versuch, dafür die Breite der Gesellschaft zu überzeugen und zu gewinnen. Das mag für eine Nischenpartei eine kluge Strategie sein. Für eine breite Legitimation der Bundesregierung trägt sie damit aber nichts bei.

Das große Glück für SPD und FDP ist der weitgehende Ausfall der Opposition. Die Parteien an den Rändern sind seit langer Zeit vor allem mit sich selbst beschäftigt und fallen mit inhaltlichen Aussagen kaum auf. Die Union sucht zwischen Irgendwie-noch-Mitregierungspartei und populistischer Fundamentalopposition immer noch nach ihrer Rolle.

So könnte der Will-Nicht-Kann-Nicht-Reden-Bundeskanzler Olaf Scholz am Ende mit seiner Strategie sogar erfolgreich sein und in drei Jahren wiedergewählt werden. Er würde dann auch davon profitieren, dass wir Deutschen selten mit einem sprachgewandten und vor allem erklärungswilligen Kanzler gesegnet gewesen waren. Die Skepsis der Deutschen gegen allzu charismatische und rhetorikgewandte Politikertypen war vielleicht keine schlechte Lehre, die wir aus der Zeit des Nationalsozialismus gezogen haben. Gleichwohl ist nach den zwei Kommunikationsverweigerungskanzlern Merkel und Scholz ein wachsender Wunsch zu erkennen, dass ein Bundeskanzler in Krisen nicht nur die richtigen Maßnahmen ergreift, sondern sie auch öffentlich ordentlich begründet und uns zu überzeugen versucht. Denn am Ende stehen nicht nur die Legitimation und die Wahlchancen der Ampel-Koalition auf dem Spiel, sondern in diesen aufgeregten und polarisierenden Zeiten die Legitimation des gesamten demokratischen Systems.

Siehe auf bruchstücke auch den Podcast “Olaf, ‘bitte gib mir nur ein Oh‘”
sowie den Beitrag Ich, Olaf Scholz

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Olaf Hoffjann
Prof. Dr. Olaf Hoffjann erforscht und lehrt Kommunikationswissenschaft, insbesondere Organisationskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaft der Otto-Friedrich-Universität Bamberg [https://www.uni-bamberg.de/kowi/infos-zum-institut/personen/hoffjann-olaf/].

5 Kommentare

  1. Wagen wir ein weiteres Gedanken-Experiment: Kanzlerin wäre immer noch Angela Merkel. Sie hätte in den 17 Jahren seit ihrem Amtsantritt keine Rede gehalten, kein Inteview gegeben, wäre nirgends öffentlich aufgetreten. Was wäre uns dann entgangen? Nichts. So wie in ihren spärlichen Interviews seit ihrem Abgang.

  2. Ich halte es für sinnvoll, wenn man die Politik und die Kommunikation eines Bundeskanzlers oder einer -Bundeskanzlerin darstellen oder kritisieren will, zu unterstellen, dass es ein, wenn nicht sogar das Ziel eines Bundeskanzlers ist, wiedergewählt zu werden.

    Diese Unterstellung bedeutet zugleich die Unterstellung einer politischen Rationalität im Handeln des Bundeskanzlers, die im Fall einer anderen Zielsetzung als der Wiederwahl so nicht gegeben wäre. Diese politische Rationalität der Wiederwahlsorientierung dürfte im demokratischen Rechtsstaat im Verständnis des Grundgesetzes, das dem Bundeskanzler eine ausgesprochen starke Machtposition verleiht, vom Bundeskanzler geradezu gefordert sein.

    Mit seiner Bemerkung im Schlussabsatz: „So könnte der Will-Nicht-Kann-Nicht-Reden-Bundeskanzler Olaf Scholz am Ende mit seiner Strategie sogar erfolgreich sein und in drei Jahren wiedergewählt werden“ scheint Olaf Hoffjann diese Rationalität zu akzeptieren. Das stellt natürlich dann die Frage, worin denn eigentlich der Sinn der zuvor dargestellten Bilanz der Kanzlerkommunikation besteht.

    Dass „ die Legitimation des gesamten demokratischen Systems“ auf dem Spiel stehe, wie es Olaf Hoffjann im Schlusssatz des Beitrages anklingen lässt, sehe ich auch.

    Nur steht diese Legitimation weniger oder überhaupt nicht wegen der hier dargestellten Art der Kanzlerkommunikation auf dem Spiel, sondern eher, weil das demokratische System eine Lebensweise und gesellschaftliche Realität entwickelt hat, die auf der Ausbeutung von Mensch und Umwelt beruht, und weder auf die Zukunft noch auf die Welt insgesamt übertragen werden kann, und damit im Gegensatz zu den Aufklärungsvoraussetzungen eben dieses demokratischen Systems steht.

    Dass diese Nachhaltigkeitsproblematik, die in der Kanzlerkommunikation kaum vorkommt, auch in dieser Bilanz ignoriert wird und keine Rolle spielt, fällt als Kritik dann auch auf diese Bilanz selbst zurück.

  3. Lieber Herr Weber,
    vielen Dank für den Kommentar!
    Wenn strategische politische Kommunikation auf die Legitimation zielt, kann das auf unterschiedlichen analytischen Ebenen beschrieben und bewertet werden. Auf der Partei-Ebene zielt es ohne Zweifel auf die Wiederwahlchancen. Nur schließen sich die Kritik an der Kanzlerkommunikation und der abschließende Ausblick zu seinen Wiederwahlchancen m.E. nicht aus. Die Wahlchancen hängen u.a. von der jeweiligen – und momentan nicht überwältigend stark erscheinenden – Konkurrenz sowie von grundlegenden politischen Regierungsentscheidungen ab. Die eigene strategische politische Kommunikation ist hier ein weiteres wichtiges Kriterium, aber zum Glück nicht das einzige. Daraus folgt: Mit seiner Art der Kommunikation erhöht Scholz eben nicht gerade seine Wiederwahlchancen. Er würde am Ende eher trotz, nicht wegen der Kommunikation wiedergewählt werden.
    Auch auf der Ebene des gesamten demokratischen Systems hängt die Legitimation selbstredend nicht nur von der Kanzlerkommunikation ab. Gleichwohl tragen Regierungen hier eine besondere Verantwortung. Spätestens seit Merkels Rede von der Alternativlosigkeit einiger politischer Entscheidungen und die – auch jetzt wieder zu beobachtende – Unlust, Entscheidungen nicht nur zu erklären und zu begründen, sondern die Menschen hierfür auch gewinnen zu wollen, stärken eben nicht gerade die Legitimation des demokratischen Systems.
    Mit anderen Worten: Mit seiner Art der Kommunikation stärkt Olaf Scholz nicht nur sich selbst nicht, sondern auch die Legitimation der Demokratie nicht.

  4. Lieber Herr Hoffjann,
    vielen Dank für Ihre Antwort.
    Sie schreiben: „Mit seiner Art der Kommunikation erhöht Scholz eben nicht gerade seine Wiederwahlchancen. Er würde am Ende eher trotz, nicht wegen der Kommunikation wiedergewählt werden.“
    Ob das stimmt? Scholz ist schließlich auch durch Kommunikation Kanzler geworden. Und war diese seine Kommunikation in den letzten Jahren und im Wahlkampf so anders als die heutige?

    Spannender als die Frage, wer wie gerade kommuniziert und wer welchen Beifall vom wem auch immer bekommt, finde ich allerdings die Frage, wie man in einer ausgesprochen schwierigen Legitimationskrise der Industrieländer in der Weltpolis überhaupt politisch so kommuniziert, dass die Legitimation der Demokratie nicht geschwächt, sondern gestärkt wird.

    Wie kommuniziert man politisch in einer Gesellschaft, deren Selbsttäuschungen und Fehlstellungen im Hinblick auf die globale Polis gravierend sind? Selbsttäuschungen und Fehlstellungen, an denen man lange Jahre selbst beteiligt war, und die man jetzt in einem Krisenmodus mit nicht wirklich absehbarem Ende korrigieren muss?

    Wie kommuniziert man politisch in einer Gesellschaft, die immer noch in gekränkter Ignoranz gegenüber den Krisenentwicklungen verharrt und die die anstehende große und unausweichliche sozialökologische Transformation zur Nachhaltigkeit noch nicht so realisiert hat, dass sie unbefangen darüber reden, geschweige denn die Transformation vollziehen kann?
    Gibt es Erfahrungen und “Lehrbücher” für politische Kommunikation in solchen präzedenzlosen Situationen, auf die man sich berufen kann?
    Oder verlangt auch hier jede Zeit ihre eigenen Antworten?
    Und was bedeutet das dann, für die Kritik an der politischen Kommunikation?

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