Einige Vorbemerkungen zum Nachdenken über Politik  

Die „letzte Generation“ blockiert die A100, Berlin 11.10. 2022 (Foto: Stefan Müller auf wikimedia commons)

Hintergrund der Vorbemerkungen ist die These, dass moderne Politik permanent eine doppelte Enttäuschung bereitet: Zum einen schürt sie die Erwartung, alles im Griff zu haben oder zumindest es wieder in den Griff zu bekommen, aber faktisch entgleitet ihr das meiste. Zum anderen erweckt sie die Erwartung, dass alle Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden können, aber faktisch fallen die politischen Sachentscheidungen in kleinen Kreisen.
Moderne Politik nenne ich die Einheit der Differenz von Konjunktiv und Indikativ – sie könnte alles, aber tatsächlich kann sie relativ wenig. Jede Idee, jedes Interesse, jede Barbarei kann in die Politik eingebracht werden. Der Krümmungsgrad von Gurken, das Tragen von Kopftüchern, der Bau von Grenzmauern, Weltraumfahrt und Völkermord, alles ist politisch entscheidbar und staatlich durchsetzbar. Aber was tut die Politik gegen Armut, Hungersnöte, Flüchtlingselend, Rassendiskriminierung, Waldsterben, Meeresverschmutzung, globale Erwärmung? Die Differenz zwischen Alleskönner und Vielesunterlasser birgt das Risiko, dass die Politik den Vorwurf erntet, weder die richtigen Dinge zu machen, noch die Dinge richtig zu machen, sozusagen „avanti dilettanti“ oder auf gut deutsch „setzen, sechs“ oder in der aktuellen Spiegel-Diagnose “Mehrheit der Deutschen mit allen Ampelministern unzufrieden“.

Seit wann glauben die Menschen, dass sie sowohl ihr eigenes Leben als auch den Planeten Erde gestalten?

Gestaltung im allgemeinen und politische Gestaltung im besonderen ist ein Anspruch der modernen Gesellschaft, deren Inkubationszeit nach allgemeiner Auffassung im Europa des 15. Jahrhunderts beginnt, die ihr Weltbild im Kerzenlicht der Aufklärung des späten 17. und 18. Jahrhunderts entwickelt und die unter der Leitidee Freiheit im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert (der sogenannten Sattelzeit) in Europa und Nordamerika ihren Durchbruch erlebt.
Vorher (sagt, ganz grob gesprochen, die Wissenschaft), in vormodernen Zeiten glaubten die Menschen, dass schon alles fertig ist. Dass sie in einem Kosmos, in einer fertigen Ordnung leben, sauber eingeteilt in Materie, Pflanzen, Tiere, Menschen, Geister und Götter. Das Buch des Lebens galt als geschrieben, es brauchten nur die Seiten umgeblättert zu werden.
Heute dominiert die Vorstellung, dass alles gestaltet werden kann vom eigenen Leben bis zur Rettung der Welt.

https://www.urania.de/entering-anthropocene-3

Was heißt gestalten?

Entscheiden und Ausführen, sozusagen Legislative und Exekutive in einem.
Ich denke, dass darin die Attraktivität des Gestaltens liegt, dass Entscheidung und Ausführung nicht getrennt sind, dass man das Was und das Wie in eigener Hand hat und im praktischen Prozess des Wie auch immer wieder neu entscheiden kann, ob es anders vielleicht besser wäre.
Gestalten ist attraktiv, aber es kann auch quälend sein. Zum Beispiel reden und schreiben Schriftsteller:innen über nichts anderes öfter als über ihre Angst vor dem weißen Blatt.

Entscheiden und ausführen funktionieren jedenfalls nur, wenn ein gewisses Maß an Handlungsfreiheit gegeben ist. Man muss tatsächlich entscheiden können und bei der Ausführung so oder auch anders handeln können. Freiheit, der Leitwert der Moderne, und das Gestalten sind unzertrennlich.

Im politischen Tagesgeschäft gehört „gestalten“ zu den Plastik- und Blähwörtern, die eingesetzt werden, um Großes anzukündigen, wo man schon befürchtet, dass der Berg eine Maus gebiert. „Deutschlands Zukunft gestalten“ war der Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus Union und SPD im Jahre 2013 überschrieben.

Was passiert, wenn Entscheidung und Ausführung nicht in einer Hand liegen?

„Wir haben große Gestaltungsaufgaben vor uns“ hört man nicht nur Politiker:innen reden, sondern Führungskräfte aller Art von Elon Musk bis zu Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner. Wie gelingt es, dass so viele Menschen die Entscheidungen von anderen ausführen?

Der Name Demokratie steht für den Versuch, alle an den Entscheidungen zu beteiligen und auf diese Weise die Motivation dafür zu schaffen, dass sich auch alle an die Entscheidungen halten. Die Beteiligung aller an jeder Entscheidung wirft allerdings ein paar praktische Probleme auf, die mit der repräsentativen Demokratie umgangen werden sollen. Daraus erwachsen dann andere Probleme, zum Beispiel: Die Regierung ist überzeugt, richtig entschieden zu haben. Zu Bürgern, die dennoch protestieren und sich verweigern, will und darf sie nicht sagen, sie sähen die Sache falsch oder hätten egoistische Motive. Deshalb klopfen sich die Regierenden an die eigene Brust und beteuern, wir haben unsere guten Entscheidungen leider nicht gut genug erklärt.

Aber in vielen gesellschaftlichen Bereichen wird ja Demokratie gar nicht erst versucht, sondern ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Führung und Ausführung getrennt sind. Zu den kommunikativen Folgen gehört eine Bibliotheken füllende Literatur über Motivation und wie man sie fördert. Praktisch geht es um Macht.

Wie kann das auf Dauer funktionieren, dass die einen sagen, was die anderen zu machen haben?

Wenn Macht im Spiel ist, entsteht automatisch die Frage, Folge leisten oder Gefolgschaft verweigern. Die einen, die Mächtigen, treffen eine Vorauswahl für das Handeln von anderen und die anderen sollen sich darauf festlegen lassen. Die Mächtigen überlegen sich, ob sie durchsetzungsfähig sind, die Machtunterworfenen wägen ab, ob sie folgsam sein sollen. In Gang kommt eine Rhetorik des Gut-Meinens und Das-Beste-Wollens, die unterlegt ist mit vorsichtigen Hinweisen auf ein Sanktionspotential. Sofern es ein negatives ist, sind beide Seiten daran interessiert, seinen Einsatz zu vermeiden. Das Machtverhältnis bleibt stabil, solange der Eindruck vorherrscht, dass die Mächtigen eher bereit sind, Sanktionen zu verhängen, als die Machtunterworfenen bereit sind, Sanktionen zu ertragen.

Dass sie unberechenbar bleibt, dass sie ihr Sanktionspotential und ihre Sanktionsbereitschaft ein Stück weit verhüllt, gehört zu den Techniken der Macht. Die Präsentation von Macht zu gestalten, ihre Wohltaten und ihre Drohungen zu dosieren, dürfte zu den spannendsten Aufgaben gehören. Machtverhältnisse benötigen, wie übrigens auch Wettbewerbs- und Konkurrenzverhältnisse, Zonen des Nichtöffentlichen. Vorzeigbares und Verborgenes, Präsentation und Produktion, das Schöne und das Biest bekommen ihre je eigenen Wirkungsstätten. Dadurch findet sich die Gestaltung in zwei verschiedenen Welten wieder, der Darstellung und der Herstellung. Sie hält sich lieber im Bereich des Schönen auf, nicht des Schmutzigen, wer möchte es ihr verdenken.

Zurück zur Macht. Die laufenden Handlungserfordernisse des Alltags erlauben kein ständiges, jeden Einzelfall prüfendes Abwägen folgen oder nicht folgen, sondern bedürfen genereller Regelungen. Wir kennen solche Regelungen unter dem Namen Recht. Modernes Recht zeigt sich offen, es urteilt im Namen des Volkes und hält in Büchern nachlesbar fest: wenn das passiert, dann geschieht jenes. Sind die Entscheidungen der Mächtigen rechtmäßig, empfiehlt es sich, ihnen zu folgen, weil dahinter das Sanktionspotential der Staatsgewalt steht. Die Staatsmacht und ihre Alltagsversion Recht verfügen als ultima ratio über Gewalt.

Gleiches Recht für alle! Wo ist das Problem?

Zu den zivilisatorischen Fortschritten der Moderne gehört ohne Zweifel das Prinzip „Gleiches Recht für alle“, das gegen Feudale Privilegien gerichtet war. Dieses Gleichheitspostulat betrifft auch den Gesetzgeber selbst, deshalb spricht man von einem Rechts- und Verfassungsstaat. Wir haben aber auch einen Sozialstaat. Das große Problem ist nämlich, dass nicht nur die Gleichheit vor dem Gesetz zur Grundausstattung unserer Gesellschaft gehört, sondern auch eine permanente Produktion sozialer Ungleichheit. Den klassischen Satz dazu hat der Literaturnobelpreisträger Anatol France (1844-1942) geschrieben: „Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet den Reichen wie den Armen, unter den Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.

Am Krisenmanagement der Corona-, Energie- und Inflationskrise lässt sich ablesen, wie der Gleichheitsgrundsatz der Politik die Hände bindet, für Arme nennenswert mehr zu tun als für Wohlhabende. Sobald sie damit anzufangen versucht, ertönt der Ruf nach der Justiz, die dann gegen solche Gestaltungsambitionen in der Regel auch einschreitet.

Was ist das Gegenteil von Gestaltung?

Das Fertige. Dort, wo nur abgefertigt wird, ist kein Platz für Gestaltung. Verwaltungen sind solche Plätze, sie verwalten das Fertige. Als Ort für Forschung und Lehre sind die Universitäten einmal angetreten als wissenschaftliche Gestalter. Heute sind sie vielfach große Abfertigungshallen für beruflich anwendbares Wissen.

Die Redewendung „kein Thema“ bedeutet, „schon so gut wie fertig“. Um gestalten zu können, muss das Fertige thematisiert, problematisiert, politisiert werden. (Nicht nur) Studierendenvertretungen haben die aus Sicht der Verwaltung schädliche Neigung, Fertiges zu thematisieren, zu problematisieren und zu politisieren. Politisieren heißt, Gestaltbarkeit einfordern, also Veränderungswünsche und Tatendrang aufbieten.

Wie nennen wir Fertiges, das funktioniert? Technik. Typisch für Technik ist, dass sie eine Ursache, egal welche, und eine Wirkung, egal welche, strikt koppelt. An diesem Punkt hat die Gestaltung ihr Recht verloren, sie ist keine Thema mehr, Technikanwendung geschieht, solange sie funktioniert, ohne sie. Technikentwicklung bleibt Abenteuer. Da die technische Entwicklung wissenschaftlich und ökonomisch stetig weiter getrieben wird, verkörpert Technik beides, Gestaltung und bloße Wiederholung des funktionierenden Fertigen.

Wer sind eigentlich die Akteure, die entscheiden und ausführen?

Individuen, „ja, ja, wir sind alle Individuen“, sagt das Volk zu Brian in Monty Pythons Film. Nur über Individualisierung zu reden und nicht gleichzeitig auch über Organisierung, das entspricht dem Reden über Bäume, ohne die Wälder zu erwähnen.

Die moderne Gesellschaft kennt zwei entscheidungs- und handlungsfähige Akteure: individuelle und kollektive, Personen und Organisationen; und zwar Interessenorganisationen und Arbeitsorganisationen, letztere gewöhnlich Unternehmen genannt. Organisationen sind weitaus größere Gestalter als Personen. Organisationen sind im politischen System nicht wahlberechtigt, das ist schon wahr, aber sie entscheiden und exekutieren gesellschaftlich sehr viel mehr als die Wählerinnen und Wähler.

"636 Lobbyisten von Kohle-, Öl- und Gasunternehmen sind bei der Cop 27 registriert, um 25 Prozent mehr als im Vorjahr, wie die Umweltorganisation Global Witness errechnete. Damit ist die fossile Lobby stärker auf der Klimakonferenz vertreten als die zehn am meisten vom Klimawandel betroffenen Staaten zusammen. Einige von ihnen sind sogar Teil der offiziellen Delegationen der Staaten, haben also Zutrittsrechte zu Räumlichkeiten, die Medien oder NGOs versperrt bleiben. So ist etwa der CEO des Ölkonzerns BP, Bernard Looney, als Teil der mauretanischen Delegation nach Sharm el-Sheikh gereist."
https://www.derstandard.de/story/2000140788901/kritik-an-greenwashing-und-oel-lobbyisten-bei-klimagipfel

Es empfiehlt sich überhaupt, drei gesellschaftlichen Ebenen sorgfältig zu unterscheiden: die Interaktionen, also die Begegnungen und Kommunikationen zwischen einigen Einzelpersonen; die Organisationen, also feste Kopplungen von Personen über Mitgliedschaften und Netzwerke; die Funktionsfelder, also die großen Leistungsbereiche einer Gesellschaft, die ihre eigenen Rationalitäten, oft auch eigene Erfolgsmedien haben wie Geld, Wahrheit etc.. Das laufende Ineinandergreifen dieser drei Ebenen entgeht der empirischen Sozialforschung meistens.

Die höchste Alarmstufe lösen Kriege aus. Was alarmiert die Politik in Friedenszeiten?

Unsere Gesellschaft hat das Erfolgsmedium der Wirtschaft, das Geld, zu einer ihrer wichtigen sozialen Ressourcen gemacht, inzwischen wohl zur wichtigsten. An der Zahlungsfähigkeit hängt heute erstens die Existenzfähigkeit von Organisationen und zweitens nicht nur die soziale, sondern auch die biologische Existenzfähigkeit der Personen. Eine hohe Alarmstufe für die Politik besteht, sobald die Zahlungsfähigkeit großer Organisationen und/oder sehr vieler Personen gefährdet ist.

Geldsammelstellen sind systemrelevant. Geldsammelstellen sind in erster Linie Unternehmen und unter den Unternehmen zuvörderst Banken und Investmentfonds. Die gesellschaftliche Schlüsselposition von Unternehmen zeigt sich auch daran, dass sie Quelle und Verteilstation für Gewinne, Steuern und Arbeitsentgelte (Löhne, Gehälter) sind, auch wenn manche keinen (durchaus auch kriminellen) Aufwand scheuen, die beiden letzteren möglichst niedrig zu halten: Ein lohn-loses, weil rein maschinell laufendes Unternehmen in einem Steuerparadies wäre das Optimum.

Dax-Konzerne erwirtschaften im Sommer (2022) Rekordgewinne
»Das Geschäft brummt«: In Zeiten großer Krisen melden die größten deutschen Unternehmen Milliardengewinne. [...]
Mercedes war mit 5,2 Milliarden Euro im dritten Quartal das gewinnstärkste Dax-Unternehmen. Auf Platz zwei folgt Volkswagen mit 4,3 Milliarden Euro, auf Platz drei Siemens mit 3,9 Milliarden Euro.“
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/dax-konzerne-vermelden-rekordgewinne-fuer-das-dritte-quartal-a-168f656c-e4b3-4dba-83a3-ed51781e00ea

In der modernen Gesellschaft ist die Neigung weit verbreitet, dem Staat, also der Politik, Gestaltungsfähigkeit, also Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit, zu entziehen und auf Unternehmen zu übertragen. Sobald dann Probleme überhand nehmen, wird wieder nach dem Staat gerufen.

Drei Zimmer, Küche, bankrott
Erst explodierten die Mieten, dann die Kaufpreise, danach die Zinsen. Und jetzt auch noch die Nebenkosten. Der Wohnungsmarkt ist außer Kontrolle, da hilft auch keine Gaspreisbremse.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/immobilien-und-die-energiekrise-der-wohnungsmarkt-geraet-ausser-kontrolle-a-c75e7f5b-f27c-4f75-a47b-e9a6bae79d8f

Für welches Problem ist Politik eine Lösung?

Egal ob zwei Personen, 20, zwei Millionen oder acht Milliarden, der Unterschied zwischen jeweils eigenen, persönlichen Angelegenheiten und alle betreffenden Angelegenheiten ist allgegenwärtig. Jede und Jeder sorgt sich um sich, wer kümmert sich um das, was alle betrifft? Die Funktion, das allgemeine Interesse wahrzunehmen, drängt sich auf. Politik gibt es, weil es allgemeine, alle betreffende Angelegenheiten gibt. Die Lösungen können höchst verschieden aussehen. Drei Beispiele:

a. Die beteiligten Personen halten es für ganz selbstverständlich, eigene Angelegenheiten immer schon im Lichte des gemeinsamen Zusammenlebens zu sehen und sich so zu verhalten, dass „das größte Glück der größten Zahl“ (Jeremy Bentham 1748-1832) dabei herauskommt. Im anspruchsvollen Kontext von Liebe wird ein solches Verhalten als selbstverständlich angenommen.

b. Eine Großfamilie, ein Clan, adlig oder nicht, schwingt sich zum Hüter des Allgemeinwohls eines Landes auf, treibt Steuern ein, lässt Eroberungskriege führen. Politische Gestaltung war in vormodernen Zeiten häufig ein herrschaftlicher Akt mit überirdischem Segen.

c. Die Bewohner eines Landes stehen in Konkurrenzverhältnissen zueinander, die Einzelnen müssen schauen, wie sie zu Wohlstand oder wenigstens zurecht kommen. Einige werden Berufspolitiker und dafür bezahlt, die allgemeinen Angelegenheiten zu regeln. Sie haben qua Amt viel Macht, aber sie werden den Verdacht nicht los, mehr ihre eigene Karriere als das Allgemeinwohl im Auge zu haben; und sie werden mit Argusaugen beobachtet, welchen der konkurrierenden Bewohner sie Vorteile verschaffen und welche sie benachteiligen.

Welche Gestaltungsmittel hat die Politik, hat der Staat?

So lange und so weit er sich nicht selbst zum Akteur auf anderen Leistungsfeldern macht, also zum Beispiel Wirtschafs-, Gesundheits- oder Wissenschaftsorganisationen selbst betreibt, hat der Staat die drei Gestaltungsinstrumente Geld, Recht und Kommunikation, sprich Öffentlichkeitsarbeit.
Welche Erwartungen soll der Staat damit erfüllen? Die Politik verspricht, sich um ein gelingendes Leben für alle zu kümmern, für alle und sofort. Die Politik beansprucht sie und der Politik wird sie zugeschrieben, die Letztverantwortung für die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Doch faktisch hängt sie von der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Organisationen, besonders der Unternehmen ab. In der Konsequenz muss sich die Politik prioritär darum kümmern, dass die Unternehmen funktionieren (können). Schöne Grüße von Robert Habeck.

Man müsste jetzt nach den Funktions- und Leistungsbedingungen von Unternehmen fragen, aber dann müsste man über Kapitalismus reden und das mögen viele Leute nicht; der Großteil der Politik mag es auch nicht.

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Hans-Jürgen Arlt
Hans-Jürgen Arlt (at) arbeitet in Berlin als freier Publizist und Sozialwissenschaftler zu den Themenschwerpunkten Kommunikation, Arbeit und Kommunikationsarbeit. Aktuelle Publikationen: „Mustererkennung in der Coronakrise“ sowie „Arbeit und Krise. Erzählungen und Realitäten der Moderne“.

7 Kommentare

  1. In dem Beitrag, dessen Sinn ich nicht recht verstehe, wird so vieles teils unzusammenhängend zusammengerührt, dass einem beim Lesen ganz schwindlig wird. Das fängt schon mit den Begriffen an: “Die Politik” gibt es nicht, so wenig wie “die” Bürger. Es gibt schreckliche Diktaturen und Autokratien wie Russland und China, wo kleine mafia-kapitalisitischer Machtcliquen (in China in kommunistischem, in Russland in zaristisch-retrosowjetischem Gewand) Völkermorde und Kriege beschließen. Es gibt auf der anderen Seite westliche, freiheitliche, sicherlich immer unzulängliche Demokratien, in denen Regierende, Abgeordnete, Medienleute, Parteien, Bürger, Interessengruppen, Gewerkschaften, Verbände und auch einfache Bürger um den jeweils richtigen Weg ringen. Das alles darf und kann man nicht einfach in einen Topf werfe. Kommt nur Mus raus.

    Auch das sog. Gendern wie in diesem Beitrag wurde von einer kleinen elitären, akademischen Gruppe beschlossen und wird nun gegen die große Mehrheit der Bürger von Regierungen, Behörden und Medien aufoktroyiert. Auch gegen die Fachwissenschaft, die Linguistik, dies es für völlig unsinnig erklärt.

    Aber am Ende ist natürlich wie immer der böse Kapitalismus schuld. Das erscheint mir dann doch ziemlich dürftig für einen so langen Text.

  2. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm lese ich (bei wikipedia), dass es sich bei Mus um „fortgeschrittenere germanische Kochkunst“ handelt, die allerdings nicht jedem zu munden scheint: „(…) es ist, nach seinem gebrauch seit den frühesten vergleichbaren zeiten, anzunehmen, das wir es bei mus und bei brei mit zwei ausdrücken einer vorgeschritteneren germanischen kochkunst zu thun haben, die beide zunächst auf eine schwerflüssig hergestellte speise, die letztere aus mehl, die erstere aus kernfrüchten und obst, zielen, als zukost zu fleisch und brot. dabei ist mus die manigfaltigere speise, aus vielerlei darstellbar, und so kann man es verstehen, wenn es den allgemeinern sinn speise, zukost überhaupt erlangt“.

    1. Ich bereite selbst regelmäßig Mus zu und auch Eintöpfe. Aber man darf kein faules Obst und keine falschen Zutaten hinzufügen. Das verdirbt alles. Das wussten sicherlich auch die Gebrüder Grimm.

  3. Lieber Hansjürgen,
    jenseits vom Mus, über das Ihr beide offensichtlich gerne sprecht, willst Du über den Kapitalismus (nicht?) reden. Diesbezüglich, genauer: bezüglich Deines Satzes “Ein lohn-loses, weil rein maschinell laufendes Unternehmen in einem Steuerparadies wäre das Optimum” stellt sich mir die (nicht polemisch gemeinte, sondern offene) Frage bzw. meldet sich der Zweifel: Das Wertgesetz, gilt es noch?
    Herzlich, Michael Schipperges

  4. Noch? Lieber Michael, mein Problem ist, dass ich nicht weiß, ob es jemals gegolten hat. Ich halte das Marxsche Bestreben, seinen (in vielen Hinsichten unverändert aufklärenden) Analysen kapitalistisch organisierter Arbeit ein Gesetz aufzuzwingen, für einen Ausdruck des damaligen Wissenschaftsverständnisses: eine tiefe Erkenntnis musste als Gesetz daherkommen, sonst galt sie nur als Eintagsfliege. Meines Erachtens lässt sich über das Verhältnis von Strukturen und Prozessen auch anders und offener nachdenken – auch wenn Jaques Derrida recht hat: “Es wird immer ein Fehler sein, Marx nicht zu lesen, ihn nicht wiederzulesen und über ihn nicht zu diskutieren”.

    1. Lieber Hans-Jürgen,
      ob Gesetz, Prinzip oder bloßer Gedanke: Es ist aber doch wohl so, dass – inzwischen unser aller großes Problem – die Natur, Wasser, Luft, Bodenschätze, Land-Flächen etc. erstmal gratis da, aber nutzlos sind, soweit sie nicht durch menschliche Arbeitskraft (-zeit) genutzt werden. D.h., das lohn-lose Unternehmen in der Steueroase wird nicht funktionieren, weil indirekt Ressourcen einfließen, für die – hoffentlich – Löhne gezahlt wurden oder die – zumindest – menschliche Arbeitskraft zur Voraussetzung hatten. Nun werden im Kapitalismus bzw. in der Marktwirtschaft – ist das dasselbe? z.B. ist Ulrike Herrmann in ihrem jüngsten Bestseller offensichtlich anderer Meinung – wohl doch letztlich auf Basis von Arbeitsquanten Güter getauscht. Müsste nicht – Degrowth etc. hin oder her – ein Umstieg auf Gebrauchswerte und Bedürfnisbefriedigung (und sofort stellt sich natürlich die Kritik der Bedürfnisse ein) auf der Tagesordnung stehen? (Worüber sich Herrmann u.a. geflissentlich ausschweigen, weil vom Kapitalismus in seiner wesentlichen Form will ja niemand reden …)

  5. Dass Güter im real existierenden Kapitalismus “auf Basis von Arbeitsquanten” getauscht werden, halte ich für eine empirisch unsachgemäße Aussage. Wir müssten lange streiten, ob sich der “Wert der Arbeit” quantifizieren lässt, und auf welche Absurditäten man sich einlassen muss, wenn man es trotzdem tut. Lässt sich der Wert der Freiheit quantifizieren?
    Kapitalismus halte ich für ein Produktionsprinzip (ich investiere, leiste nur etwas, wenn ein Profit dabei herausspringt; wer mich nicht angemessen bezahlen kann, muss halt verhungern), Marktwirtschaft hingegen für eine Distributionsmethode, deshalb sind sie auch für mich nicht dasselbe.
    In Sachen “lohnloses Unternehmen” scheint mir der Unterschied zwischen betriebswirtschaftlicher Rationalität und gesellschaftlicher Vernunft wichtig. Aus der Perspektive der letzteren ist immer schon klar, dass es ohne Arbeitsleistungen nicht geht.

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