Wie’s Gescherr, so der Herr

Mathias Döpfner, Kai Diekmann, Julian Reichelt
(Foto [bearbeitet]: usbotschaftberlin auf wikimedia commons)

Verstehe das Gedöns wegen der von der Zeit veröffentlichten Döpfner-Mails nicht. Döpfner und der von ihm vor die Tür gesetzte Bild– Chefredakteur, dessen Namen mir nicht einfällt, haben Springer- Periodika immer deutlicher auf das konservativ-mosernde teutsche Ufer gedrängt. Die Zeit-Notizen belegen, dass Döpfner dabei Taktgeber und Anschieber war – bis hin zu de facto Anweisungen in die Redaktionsebene, bitteschön doch endlich die parteipolitisch organisierten Liberalen in bessere Lichter zu rücken. Es hätte verwundert, wenn es anderes gewesen wäre.

Es war daher auch nicht verwunderlich, dass die politische Allzweck-“Waffe“ der FDP, der Abgeordnete Kubicki, in sofortiger Bälde nach Erscheinen der Zeit ein öffentliches Interesse an der Publikation verneinte. Gleiche „Brüder“ setzen gern gleiche „Kappen“ auf. Was mich verwundert, das ist der Verzicht auf einfachen, den gewöhnlichen bürgerlichen Anstand, den diese Notizen offenbaren. Die Bedeutung dieses Umstands lässt sich gut erörtern, indem man die Vorsilbe „ver“ etwas genauer anschaut.

Diese Vorsilbe ist ein merkwürdiger, winziger Teil der deutschen Sprache: Drei Buchstaben. Sie können einem mit der Vorsilbe verbundenen Wort völlig unterschiedliche Bedeutung geben. Beispiele: Ich verdanke ihr viel; ich kann mich auf ihn verlassen. Die Vorsilbe verleiht Tätigkeiten soziale Bindung und Positives. Aber: Aus den drei Buchstaben resultieren andererseits auch Ende, Elend, Verdammnis: Vergehen, verhungern, verdammen. Und schließlich verkehrt die Vorsilbe Tätigkeiten ins Gegenteil: Verlassen, vertun.

Ver-kommen

Genau hierher gehört ein weiteres mit der Vorsilbe verbundenes Tätigkeitswort, das mir in den Sinn kam, als ich in der Zeit die Bemerkungen des Herrn Döpfner über andere las. Es lautet: verkommen. Verkommen bezeichnet einen Endzustand. Was soll danach noch „kommen“? Mit dem Wort verkommen möchten Menschen ungern in Verbindung gebracht werden. Verkommen bedeutet Abstieg, Ende, herunter- gekommen, vom Weg abge-kommen, schmutzig.

Heimito von Doderer hat in seinem Roman, „Die Merowinger oder die totale Familie“ eine verkommene Person mit den Mitteln der Burleske beschrieben. Die zentrale Figur, Childerich der Dritte, heiratet sich durch die Familie, bis er sie total in der eigenen Person konzentriert hat. Damit korrespondiert neben anderem eine krankhafte Steigerung des Geruchssinns; in dieser Hinsicht erinnert die Sammlung wie zwanghaft und wie im Fieber getippter, fehlerbeladener, unsauberer, anstandsloser Notizen, die die Zeit recherchiert und zusammengetragen hat, der „Nasenkunst“ des Childerich III; für den gibt es in von Doderers Roman kein happy End sondern ein „tragic ending“: Er wird vom Major Domus des Hauses entmannt.

Der Major Domus im Fall der Springer Holding? Die Rolle könnte die US- Beteiligungsgesellschaft KKR übernehmen, der 35,6 v.H. der Holding gehören. KKR, gegründet von den Anlageprofis Jerome Kohlberg, Henry Kravis und George Roberts ist eine knallhart operierende „Heuschrecke“, die andererseits sehr auf Reputation bedacht ist. Deren Chefs werden wissen, dass solche anstandslosen Äußerungen wie die Döpfners rasch auf den US-Markt durchschlagen können. Das gab´s bereits mal.

Nach Auffassung des Medienexperten Leonard Novy bestand bereits 2021 ein entsprechendes Risiko, als die New York Times das Verhalten des damaligen Bild Chefs aufgriff und Döpfner den gegen Vorwürfe zu halten suchte, die in den USA nach Beginn der Me too-Bewegung inakzeptabel sind: “Der US-Markt“, schrieb Novy, „auf dem andere Regeln gelten, ist schlichtweg wichtiger, als Reichelt weiter Deckung zu gewähren.”

Siehe auch den bruchstücke-Podcast “Organisierte Männer bedrohen Springer
sowie die Trilogie der Bild-Studien der Otto Brenner Stiftung.

Print Friendly, PDF & Email
Klaus Vater
Klaus Vater arbeitet als Kommunikationsberater und Autor. Er war stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, zuvor Pressesprecher des Gesundheitsministeriums sowie des Arbeitsministeriums. Seinen Jugend-Kriminalroman "Sohn eines Dealers" wählte die Kinderjury des Literaturpreises "Emil" 2002 zum Kinderkrimi des Jahres.

1 Kommentar

  1. Vielen Dank, Klaus Vater. Wenigstens ein Kommentar, der diese Verkommenheit beim Namen nennt. Döpfner müsste schon längst geächtet, statt geachtet werden – von den Verlegerkollegen*innen, wenn sie noch ein wenig Selbstachtung besäßen, von Politikern, die ihn nicht einladen und seinen Einladungen öffentlichkeitswirksam nicht folgen dürften. Aber ich denke, die Zitate sind nur ein kleiner Ausschnitt aus den Sekttisch- und Hochtisch-Parolen (Stammtisch wäre ja zu banal!) eines Teils der selbsternannten Wirtschafts-, Adels- und Publizistik-Elite, viel weiter verbreitet, als wir uns träumen lassen.

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

bruchstücke