Ein garantiertes soziales Grundeinkommen zur Abwendung von Notlagen ist in Deutschland als Sozialhilfe, als Arbeitslosengeld II bzw. neuerdings Bürgergeld oder als Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit als fester Bestandteil der sozialen Daseinsvorsorge etabliert. Es gibt Debatten über die Höhe, die Gestaltung und die Konditionalität des sozialen Grundeinkommens. Aber dass man so etwas in einer entwickelten Gesellschaft braucht, ist unumstritten. Das ist nicht überall so.
In Italien etwa wurde ein garantiertes „Bürgereinkommen“ erst 2019 eingeführt. Bis dahin waren Menschen in Not auf private Netzwerke und ihre Familien angewiesen, um Hilfe zu bekommen. In den Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien ist eine finanzielle Grundsicherung noch ein relativ neues Thema. Aber es gibt hier durchaus schon eine Reihe von Erfolgsgeschichten, etwa die „Bolsa Familia“, die in Brasilien 2004 in der ersten Amtsperiode des Präsidenten Lula da Silva eingeführt worden war. Selbst in Entwicklungsländern mit niedriger Wirtschaftskraft gibt es inzwischen eine Reihe von Ansätzen für eine Mindestsicherung. Im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015, in denen die Bekämpfung von Armut höchste Priorität hat, haben Überlegungen in diese Richtung weltweit neuen Schub bekommen.
Ein Basiseinkommen als universelles Bürgerrecht
Kaum jemals realisiert, äußerst umstritten, aber offenbar immer wieder faszinierend ist dagegen die Idee eines staatlich garantierten Grundeinkommens für alle, unabhängig von individuellen Notlagen und ohne Auflagen hinsichtlich der Bereitschaft, Erwerbsarbeit aufzunehmen, sich zu qualifizieren oder eine andere Gegenleistung für die Zuwendung aus staatlichen Mitteln zu erbringen. Auch Menschen, deren Lebensunterhalt eigentlich durch Erwerbseinkommen oder Vermögen gesichert ist, sollen dieser Idee nach ein Grundeinkommen des Staates bekommen. Bedürftigkeitsprüfungen, aufwendige Betreuung und die damit zusammenhängen Sozialbürokratie könnten entfallen, führen die Befürworter der Idee immer wieder ins Feld. Ein Basiseinkommen würde als universelles Bürgerrecht verankert. Es entstünden neue Freiheiten. Zugleich würde mit dem bedingungslosen Grundeinkommen das arbeitszentrierte Konzept des mit der Industrialisierung entstandenen Wohlfahrtsstaats überwunden, das in der postindustriellen Wirtschaft, in der durch Technologie und Digitalisierung viele Arbeitsplätze wegfielen, seine Grundlage immer mehr verlöre. Zur Faszination dieser Idee gehört auch, dass sie im traditionellen politischen Spektrum nur noch schwer zu verorten ist. Erzkapitalistische Techmilliardäre aus Kalifornien treten ebenso als ihre begeisterten Anhänger auf, wie Chefs von Drogerieketten und linke Umverteilungs- und Transformationsstrategen.
Dass diese Idee bisher außer in sehr kleinen Sozialexperimente, noch nie umgesetzt wurde, hat aber durchaus gute Gründe. Einer der wichtigsten ist die ungelöste Finanzierungsfrage. So müssten bei einem Grundeinkommen von 1.000 Euro für jeden Erwachsenen ab 18 Jahren in Deutschland pro Jahr über 900 Milliarden Euro aufgebracht werden, wobei man damit nicht oder nur ganz knapp auf Bürgergeld-Niveau käme. Zum Vergleich: der Bundeshaushalt 2024 umfasst knapp 480 Milliarden. Aber auch andere Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen haben Gewicht – die Gefahr eines Rückgangs des Arbeitsangebots, soziale Schieflagen durch die Alimentierung von Wohlhabenden und die Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, wenn die Norm der Teilhabe an Erwerbsarbeit außer Kraft gesetzt wird1. Überdies lässt sich an der Prämisse eines tendenziellen Arbeitsmangels mit Blick auf die akuten demographischen Probleme der meisten entwickelten Länder mit Gründen zweifeln. Nicht Arbeitsmangel, sondern Arbeitskräftemangel scheint die Signatur der kommenden Epoche zu werden. Alles, was das Angebot von Arbeit reduzieren könnte, wäre dann weniger als willkommene Entlastung des Arbeitsmarktes, sondern als Gift für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand anzusehen.
Alte Bekannte und vertraute Muster
Anton Jäger, Post-Doc-Fellow an der Universität Löwen, und Daniel Zamora Vargas, Professor an der Freien Universität Brüssel, haben nun eine Ideengeschichte des Grundeinkommens vorgelegt, die den Quellen der Idee in Philosophie, Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie nachgeht und die wechselhafte Geschichte der Aneignung der verschiedenen Konzepte eines Grundeinkommens in sozialpolitischen Strategien und politischen Ideologien erzählt. Zudem bietet das Buch interessante Informationen zur weltweiten Umsetzung der Idee des Grundeinkommens. Der Blick in die Geschichte dieser Idee und der damit immer wieder verbundenen Debatten zeigt, dass es in der Sozialpolitik kaum einen linearen Fortschritt gibt. Vielmehr gibt es Zyklen der Thematisierung und Problematisierung, in denen bestimmte Probleme in den Vordergrund gezogen oder sogar skandalisiert werden und als Reaktion vermeintlich revolutionäre und disruptive Patentrezepte verkündet werden, die dann ebenfalls ein kritisches Echo finden und Debatten auslösen. Man trifft in diesem Sinne auch in der Geschichte des Konzepts des Grundeinkommens bei näherem Hinsehen gewissermaßen viele „alte Bekannte“ und vertraute Muster von Rede und Gegenrede.
Das Grundeinkommens hat, folgt man Jäger und Vargas, gewissermaßen einen Doppelcharakter. Zum einen ist es eine wichtige sozialpolitische Errungenschaft, die den Wohlstand umverteilt, dazu beiträgt, die Dynamik des Kapitalismus einzuhegen und Mindeststandards eines guten Lebens für alle zu realisieren. Gleichzeitig verstärkt das Grundeinkommens jedoch die Durchdringung aller gesellschaftlichen Lebensbereiche mit der Logik des Marktes und trägt zur Zurückdrängung und Unterminierung traditioneller, subsidiärer Formen der Solidarität bei, die nicht geldvermittelt sind. Es geht beim Grundeinkommen, wenn man mit Jäger und Vargas genauer hinschaut, um eine „Wohlfahrt für den Markt“, nicht um Wohlfahrt jenseits des Marktes. Damit bringen sie die Sache treffend auf den Begriff und zeigen am Beispiel des Grundeinkommens, wie wichtig eine systemische und ganzheitliche Betrachtungsweise auch beim Verständnis sozialpolitischer Entwicklungen ist.
Die Kernthese des Buches
Nicht selten entpuppen sich nämlich zunächst oppositionelle und gesellschaftskritische Bewegungen als Vorhut einer neuen Entwicklungsetappe des Kapitalismus. So etwa der postmoderne Individualismus, der zwar die Befreiung von engstirnigen traditionellen Normen gebracht, aber gleichzeitig dazu beigetragen hat, traditionelle Solidaritäten aufzulösen und damit immer mehr Lebensbereiche der Logik von Markt und Geld auszusetzen, was wiederum neue Perspektiven kapitalistischer Verwertung eröffnet hat – vom explodierenden Wohnungsbedarf einer individualisierten Gesellschaft, kommerziellen Datingplattformen bis hin zu personalisierten Dienstleistungen, die nicht mehr in der Familie erbracht, sondern über den Markt beschafft werden müssen. Sozialstaatliche Sicherungssysteme haben diese Entwicklung beschleunigt, da sie mit universellen Anrechten auf soziale Absicherung eine Konkurrenz zu traditionellen Formen der Sicherheit in Familien und gemeinschaftlichen Verbänden geschaffen haben2, was sicher nicht gegen diese Errungenschaften des Sozialstaats spricht, aber doch deutlich werden lässt, dass es immer auch Folgen von politischen Entscheidungen und sozialen Bewegungen gibt, die in ihren Wirkungen über die Intentionen der Akteure hinausgehen.
In einer systemischen Perspektive können Entwicklungen, die als Eindämmung der kapitalistischen Dynamik intendiert waren, durchaus dazu dienen, dem Kapitalismus neue Entwicklungsperspektiven und Kräfte zuzuführen, auch und gerade wenn sie erfolgreich sind. In diesem Sinne passt auch das Konzept des Grundeinkommens in die expansive Logik kapitalistisch-marktwirtschaftlicher Modernisierung, da sie Märkte vergrößert und die Warenlogik universalisiert. Das könnte man als die Kernthese des Bandes von Jäger und Vargas betrachten. Sie gehen dieser These allerdings nicht im Sinne einer Gesellschaftsanalyse nach, sondern entwickeln sie eher im Rahmen einer Ideengeschichte, in dem sie auch verblüffende Parallelen von neoliberalen und radikal linken Argumenten für ein Grundeinkommen aufzeigen.
„Welfare without the welfare state“
Ein verbindendes Motiv für beide war und ist das Misstrauen gegen den Staat bzw. die Dechiffrierung des Wohlfahrtsstaates als Herrschaftsinstrument einer politischen Elite und/oder einer dominierenden kapitalistischen Klasse. Friedrich von Hayek etwa, der Erzvater des Neoliberalismus, sah in den gutgemeinten Einrichtungen eines fürsorgenden Staates den „Weg in die Knechtschaft“ vorgezeichnet3. Ein Grundeinkommen war für ihn, so Jäger und Vargas, eine probate Alternative zu den Strategien des Wohlfahrtsstaats, mit subventionierten Wohnungen, Lebensmittelsubventionen oder einem öffentlich finanzierten Gesundheitssystem soziale Ungleichheit zu mildern und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Der Traum von Arthur Kemp, dem amerikanischen Direktor der neoliberalen Mont Pèlerin-Gesellschaft, sei es gewesen, mit einem Grundeinkommen so etwas wie „welfare without the welfare state“ (Seite 6) zu schaffen. Milton Friedmann, ein weiterer Vordenker des Neoliberalismus, erdachte schon in den 1930er Jahren mit der „negativen Einkommenssteuer“ eine besonders raffinierte Variante des Grundeinkommens mit Auszahlungen im Bereich niedriger und positiver Steuerpflicht im Bereich höherer Einkommen. Dieses vor allem in den 1970e Jahren in den USA und später dann auch in Großbritannien praktisch umgesetzte Konzept4, wurde Anfang der 2000er Jahre auch in Deutschland als Alternative zum damals in einer tiefen Legitimations- und Funktionskrise steckenden Sozialstaat diskutiert. Auch Friedmann ging es darum, eine Grundsicherung zu finden, die marktkonform ist und durch die Verfügung über Geld auch den Beziehern dieser Leistung möglichst weitgehende Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung zu sichern, das zentrale Motiv des Liberalismus.
Interessant ist bei Jäger und Vargas die Darstellung der Diskussionen, die direkt nach der Lancierung der Idee entstanden. So gab es wohl durchaus Stimmen, die sich von einem Grundeinkommen, das heißt, Geld in den Händen auch der Armen, eine Verbreiterung der gesellschaftlichen Basis für die Priorität der Geldwertstabilität und ggf. auch eine dämpfende Wirkung auf den gewerkschaftlichen Kampf um höhere Löhne erhofften. Umgekehrt sahen Keynesianer gerade darin eine Gefahr, da die Fixierung auf die Stabilität des Geldwertes die Zustimmung zu schuldenfinanzierten staatlichen Ausgabenprogrammen untergraben könne.
Herbert Marcuse, Erich Fromm und andere Denker
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums fand die Idee des garantierten Grundeinkommens Jäger und Vargas zufolge vor allem bei der sich ab den 1950er Jahren in Ländern des Westens formierenden „neuen Linken“ Anhänger. Ebenso wie die neoliberale Rechte seien die neuen Linken „fed-up with New-Deal-Paternalism“ (Seite 7) gewesen. Während die traditionelle Fürsorge sorgsam auf eine Balance von Rechten und Pflichten und die Durchsetzung der Normen der Arbeitsgesellschaft bei den Leistungsbeziehenden achtete, war der Blick der neuen Linken vom Ziel der Emanzipation der Einzelnen gegenüber einer repressiven gesellschaftlichen Ordnung geprägt, die für sie auch durch den Wohlfahrtsstaat und seine Normen verkörpert wurde. Herbert Marcuse, Erich Fromm und andere Denker der Frankfurter Schule sahen in diesem Sinne bekanntlich nicht in der liberalen Marktordnung den Hauptgegenstand ihrer Kritik, sondern in der „verwalteten Welt“ des organisierten Kapitalismus, in dem die Menschen möglicherweise wohlversorgt würden, jedoch zugleich durch staatliche Bevormundung und den Zwang zur Reproduktion durch Lohnarbeit entmündigt. Für befreite Subjektivität und autonome Individualität gäbe es, so die Kritiker, in dieser Gesellschaft keinen Platz. Ein garantiertes Grundeinkommen zur freien Verfügung sei für die neomarxistischen Gesellschaftskritiker, wie Jäger und Vargas belegen, durchaus ein Schritt in die richtige, emanzipatorische Richtung gewesen.
Auch aus dem machtanalytischen Ansatz von Michel Foucault und an ihn anschließenden linken Theoretikern wie Toni Negri ergibt sich die Forderung eines Abbaus der von ihnen als repressiv darstellten Apparate des Sozialstaats mit seiner Kontrollbürokratie. Für Foucault waren Regierung und Verwaltung ohnehin stets im Verdacht, nur Verkörperungen von Macht zu sein. Pädagogik und Sozialarbeit wurden dabei in erster Linie als Instrumente einer subtilen Repression gedeutet. Ein emanzipatorisches Potential sah er dort nicht. Für Foucault war es dann nur folgerichtig, so Jäger und Vargas, ein Grundeinkommen zu befürworten, das seinen Empfängern die völlige Freiheit der Verwendung gab und bürokratische Kontrolle und normative Vorgaben so weit wie möglich vermied.
Eine erzieherische Fürsorge, die materielle Unterstützung mit Bemühungen um persönliche Entwicklung und Verhaltenslenkung ihrer Klienten verbindet, war diesen linken Denkern nicht weniger suspekt als ausgemachten Rechten. Wie Jäger und Vargas berichten, soll Richard Nixon damit zur Zustimmung zu einem teuren finanziellen Grundsicherungsprogramm bewegt worden sein, dass man ihm versicherte, mit diesem Programm könne man Sozialarbeit endgültig eliminieren.
Strategien der Überwindung von Armut
Während die meisten Theoretiker von rechts wie von links ein soziales Grundeinkommen noch als Maßnahme der Armutsbekämpfung und der Umverteilung konzipierten, gingen Vordenker der Alternativbewegungen wie André Gorz und Philippe van Parijs ab den 1970er Jahren deutlich weiter und forderten ein bedingungsfreies Grundeinkommen, das allen Bürgern ohne Auflagen gewährt würde. Sie konnten dabei an Überlegungen anknüpfen, die der neoliberale Milton Friedmann schon in den 1960er Jahren angestellt hatte. Es entstanden politisch-wissenschaftliche Netzwerke, die diese Idee propagierten. Die aus den Alternativbewegungen hervorgegangenen grünen Parteien in mehreren Ländern Europas machten sie sich zu eigen, ohne dass sie allerdings Lösungen für die eingangs erwähnten Probleme des Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens vorschlagen konnten. Deshalb bleibt das bedingungslose Grundeinkommen wohl bis auf Weiteres eine schillernde Utopie, die allerdings, wie Kritiker einwenden, immer wieder Gefahr läuft, instrumentalisiert zu werden für die Verächtlichmachung des Sozialstaates und den Abbau sozialer Rechte – ob von links oder von rechts.
Der große Unterschied zwischen einem Grundeinkommen als gezielt eingesetztem Instrument der Armutsbekämpfung und dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommen als Modell einer fundamentalen Transformation von Verteilung und Wohlfahrt wird in dem interessanten und überaus informativen Buch von Jäger und Vargas zuweilen etwas verwischt. Sie zeigen sehr überzeugend, dass „Cash-Transfers“ weltweit eine immer größere Bedeutung bei der Armutsbekämpfung bekommen, auch weil die in vielen Ländern des globalen Südens bisher bevorzugten Instrumente der Subventionierung von Grundnahrungsmitteln, Energie und Wohnungen sich als zu wenig wirksam und volkswirtschaftlich kontraproduktiv erwiesen haben.
Es gibt, wie man zum Beispiel den Veröffentlichungen der Weltbank entnehmen kann, durchaus so etwas wie einen internationalen Konsens, dass finanzielle Transfers und ein garantiertes Basis-Einkommen besser und zielgenauer wirken als staatliche Subventionsprogramme. Gerade die Weltbank hat jedoch auch festgestellt, dass eine solche Grundsicherung alleine noch keine dauerhafte Überwindung von Armut bewirken kann5. Dazu braucht es offenkundig nicht nur die Verteilung von Geld, sondern auch Strategien der Befähigung in Form von Bildung, demokratischer Teilhabe und persönlicher Freiheit, wie sie etwa der Nobelpreisträger Amartya Sen mit seinem „Capability-Approach“ gefordert hat6. Auch der Rat der Europäischen Union hat erst 2022 in umfangreichen Empfehlungen zur Ausgestaltung von Grundsicherungssystemen in den Mitgliedstaaten dafür plädiert, finanzielle Hilfen eng und systematisch mit qualifizierten und ganzheitlich ansetzenden sozialen Dienstleistungen zu verbinden und dabei sicherzustellen, dass Anreize zur Integration in den Arbeitsmarkt nicht verloren gehen7.
Diese wichtige Seite von Strategien der Überwindung von Armut kommt im neoliberalen ebenso wie im „linken“ Konzept der bedingungsarmen und gar ganz bedingungsfreien Grundsicherung deutlich zu kurz. Dass Jäger und Vargas diese wichtige Diskussion ganz ausblenden, muss man zu den Defiziten ihres ansonsten sehr verdienstlichen und nützlichen Bandes rechnen.
1 Siehe zum Beispiel: Flassbeck, Heiner / Spiecker, Friederike / Meinhardt, Volker / Vesper, Dieter: Irrweg Grundeinkommen. Frankfurt am Main 2012: Westend
2 Zapf, Wolfgang: Individualisierung und Sicherheit: Untersuchungen zur Lebensqualität in der Bundesrepublik Deutschland, München 1987: C. H. Beck
3 Von Hayek, Friedrich A.: Der Weg zur Knechtschaft; München 2014: Olzog (Original: The Road to Serfdom, 1944)
4 In den USA als „Earned Income Tax-Credit” (EITC), in Großbritannien als „Family Tax -Credit“. Die besondere Pointe des EITC besteht darin, nur ergänzend zu einem Erwerbseinkommen („earned income“) gewährt zu werden. Das soll Anreize bieten, sich nicht auf staatliche Fürsorge zu verlassen, sondern Erwerbsarbeit aufzunehmen, auch wenn sie niedrig bezahlt ist. Der EITC ist inzwischen die vom Volumen und der Zahl der Leistungsbezieher her größte Sozialleistung der USA. Er gilt als eine der erfolgreichsten Instrumente der Bekämpfung der Armut und der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung gerade der besonders benachteiligten Bevölkerungsschichten. Vgl. IAB: Der Earned Income Tax-Credit soll Armut bei Arbeit lindern, IAB Kurzbericht 12/1999
5 Gentilini, Ugo / Grosh, Margaret / Rigalini, Jamele / Yemtsov, Ruslan (eds.): Exploring Universal Basic Income. A Guide to Navigating Concepts, Evidence, and Practices, Washington 2020: The World Bank Group; International Labour Organisation (ILO): World Social Protection Report 2020-2022, Geneva 2021: ILO
6 Sen, Amartya: Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft, München und Wien 1999: Hanser
7 European Commission: Proposal for a Council Recommendation on adequate minimum income ensuring active inclusion, Brussels: 28.09.2022; European Commission: Commission Staff Working Document on Adequate Minimum Income Ensuring Active Inclusion, Brussels: 28.09.2022
Anton Jäger/Daniel Zamora Vargas: Welfare for Markets. A Global History of Basic Income, Chicago and London, 2023: University of Chicago Press.
ISBN-13: 978-0-266-82368-3;
DOI: https://doi.org/10.7208/chicago/9780226825236.001.0001
Ein anregender Artikel! Interessant wäre, wie Sens „Capability-Approach“ zur Befähigung zur Bildung, demokratischer Teilhabe und persönlicher Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in unseren Breitengraden konkreter beschrieben werden könnte. Warum spielen diese Aspekte in der praktischen Politik eine so geringe Rolle?
Auch wenn es vielleicht Zufall ist, dass dieser informative Beitrag von Matthias Schulze-Böing zum Grundeinkommen in den Tagen der Feiern des 75.Geburtstages des Grundgesetzes hier auf den bruchstuecken erscheint, kann es durchaus sinnvoll sein, über das Grundeinkommen auch im Horizont des Grundgesetzes nachzudenken.
Ich denke nämlich, dass ein Grundeinkommen auch vom Grundgesetz her gedacht werden kann und heute vielleicht auch gedacht werden muss.
Artikel 1 des Grundgesetzes scheint mir nämlich ein staatlich bzw. gesellschaftlich organisiertes Grundeinkommen zumindest nahezulegen, wenn nicht sogar normativ zu gebieten.
Denn die oberste und erste Norm des Grundgesetzes verlangt von aller staatlichen Gewalt, die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen (vgl. Art 1 Absatz 1 Satz 2 GG).
Alle staatliche Gewalt wird allerdings ihrer Verpflichtung, die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen, nur dann entsprechen können, wenn sie es dem Menschen auch grundsätzlich ermöglicht zu existieren.
Weil die Unantastbarkeit der Würde des Menschen selbst bedingungslos ist, kann auch die Achtung und der Schutz durch die staatliche Gewalt und damit die Ermöglichung der menschlichen Existenz selbst grundsätzlich keiner der für die staatlichen Gewalt disponiblen Bedingung unterworfen sein.
Daraus folgt, dass entsprechend unserer Verfassungsordnung es nicht darum gehen kann, ob es ein “bedingungsloses” Grundeinkommen geben soll, sondern nur darum, wie ein solches Grundeinkommen aussehen kann und muss, so dass es die Existenz des einzelnen Menschen ermöglicht.
Zur Ausgestaltung eines Grundeinkommens als ein Einkommen aus der Natur bzw. ein Natureinkommen folgende Überlegung:
Die Ermöglichung der menschlichen Existenz könnte u.U. von der staatlichen Gewalt auch dadurch garantiert werden, dass ein Mensch, der sich der staatlichen Gewalt und der Gesellschaft grundsätzlich entziehen will, durch diese staatliche Gewalt ein gesellschafts- und staatfreier “Naturraum” zur Verfügung gestellt wird, der diesem Menschen quasi als Natur ein Einkommen und damit seine Existenz ermöglicht.
Die menschheitsgeschichtliche und zivilisatorische Entwicklung hat indes dazu geführt, dass es von staatlichen Gewalten unberührte und unberührbare Naturräume, die es dem einzelnen Menschen ermöglichen würden, sich von der Gesellschaft in eine Gesellschaftslosigkeit zu verabschieden, ohne zugleich die Voraussetzungen für seine materielle Existenz zu verlieren, kaum noch oder überhaupt nicht mehr gibt.
Die Gestaltung eines gesellschaftlich organisierten Grundeinkommens als ein „sekundäres Natureinkommen“ folgt aus der Gleichheit der Menschen im Hinblick auf die Unantastbarkeit ihrer Würde einerseits und den planetaren Grenzen unsere planetaren Natur- bzw. Ökosphäre andrerseits.
Aus der Gleichheit in der Würde des Menschen folgt prinzipiell, dass jeder Mensch einen gleichen Anspruch auf Beanspruchung der natürlichen Lebensgrundlagen besitzt. Wenn die Naturbeanspruchung quantitativ begrenzt ist, folgt daraus, dass jeder Mensch auch einen quantitativ gleichen Anteil an dieser begrenzten Quantität hat.
Die Höhe eines daraus resultierenden Grundeinkommens würde sich dann ggf. nach der durch staatliche Gewalten festgelegte monetäre Bestimmungen dieser begrenzten Quantität ergeben.