Unfehlbare, nicht nur auf Sendung, auch an der Regierung

Foto: Armin Kübelbeck auf wikimedia commons

Jüngst durften wir hier eine sehr interessante Analyse von Dieter Pienkny über den mentalen Zustand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks veröffentlichen. Pienkny ist Journalist, war sehr viele Jahre — entsandt vom DGB — stellvertretender Vorsitzender des rbb-Rundfunkrats und ist seit einigen Wochen aufgrund anhaltender Rücktritte nun Vorsitzender des rbb-Rundfunkrates. In seiner Analyse, basierend auf einer mehr als 20jährigen Kontrolltätigkeit in Sachen öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt er zu diesem Schluss: „Die ARD, und damit meine ich Chefredakteure, Programmdirektoren o.ä, die ich in all den Jahren erlebte, pflegen ihr Unfehlbarkeitsdogma in Programmfragen und wedeln die Meinungen der Gremien als lästige Einmischung weg. … Die ARD-Oberen sind in vielen Bereichen kritik- und beratungsresistent, ihnen fehlt schlichtweg eine Fehlerkultur.“ Dieses fest verankerte vatikanische Dogma der Unfehlbarkeit hat die Grenzen der ARD überschritten und die Bundesregierung erreicht.

Die Ampelregierung verhält sich nicht nur so, sie sagt es auch noch mit wachsender Begeisterung. Der Bundeskanzler und seine Minister über ihre Beratungen in Meseburg: Die Ampelkoalition habe Fragen von „allergrößter Bedeutung“ (Scholz) erörtert. Sie habe die Weltlage „sehr sorgfältig bewertet“ (Scholz). Die Regierung habe „wichtige Themen der Sicherheit besprochen“ (Scholz). Und „Zukunftsfragen“ (Scholz). Die Regierung habe die Gelegenheit genutzt, um auf eine „gute Entwicklung in schwieriger Zeit“ hinzuwirken. Vizekanzler Robert Habeck sagte zudem, „wie gut es ist, dass Olaf Scholz diese Regierung führt“. Dieser regiere das Land mit „Ruhe, Umsicht und Erfahrung“. Worauf Scholz mit dem Satz den Reigen der Stellungnahmen schloss: „Als Regierung der Tat wollen wir weiter wirksam sein.“ Es ist ausgesprochen: Von sich Berauschte senden nicht nur, sie regieren auch.

Noch ein Nachtrag zur Päpstlichkeit von Olaf Scholz. Vor der Bundestagswahl 2021 schrieb ein Autoren-Team des Handelsblatts ein großes Porträt über den damaligen Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidaten der SPD. Deren Bilanz: Er, Scholz, sei — im Unterschied zu Angela Merkel — so sehr von sich eingenommen, dass er seine Defizite nicht wahrzunehmen vermöge. Was er nur wahrnehme, das sei seine Überlegenheit.
Die AutorInnen erzählen diese wunderbare Geschiche: Auf seiner ersten IWF-Tagung 2018 als Bundesfinanzminister habe er, Olaf Scholz, in einer Diskussionsrunde gesagt: „Durch die Kurzarbeit habe ich während der Finanzkrise Massenarbeitslosigkeit verhindert.“ Die neben ihm sitzende damalige IWF-Chefin Christine Lagarde, heute EZB-Präsidentin, habe darauf im Scherz zu ihm gesagt: „Ah, wir haben uns immer gefragt, warum Deutschland so gut durch die Krise gekommen ist, Sie waren das also.“ Scholz darauf: „Ja, genau.“ Die Anwesenden waren sich sicher: Diese Antwort war komplett humorfrei.

Wolfgang Storz
Dr. Wolfgang Storz (sto), (*1954), arbeitet als Publizist, Kommunikationsberater und Coach, zuvor tätig bei Badische Zeitung, IG Metall und Frankfurter Rundschau. Das Foto gibt eine jüngere Ausgabe der Person wieder.

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