Mit Reparieren einfach weiterkommen

Die Freuden der Bastelecke.
Reparaturen als konstruktiver Gegenentwurf zum Wegwerfkapitalismus
(Foto: CC BY-SA 2.0 Martin Abegglen / flickr)

Die Maßnahme, mit der viel erreicht werden könnte, wäre bescheiden, einfach und leicht zu bewerkstelligen, sie öffnete ein Türchen in eine etwas andere Wirtschaft: Der Bundestag senkt den Mehrwertsteuersatz auf Reparaturen von 19 auf sieben Prozent – ist eine Steuer mit diesem Namen bei Reparaturen doch sowieso völlig fehl am Platz. Denn noch ist reparieren (lassen) unrentabel; im Gegensatz zur Verschwendung, zum Neukauf. Schweden hat bereits vor Jahren diesen Weg eingeschlagen. Die Folgen für Natur, Handwerk und den sogenannten kleinen Geldbeutel wären positiv. Negativ wäre es für den Konsumwahn, denn der würde auf Dauer gedämpft, das wäre Sinn der Sache. Weshalb die Handelskonzerne und die sie beliefernden Produzenten alles tun, um das zu verhindern, denn für sie wäre dieser neue Trend die mit Abstand schädlichste Variante. Trotz aller Widerstände tut sich was.


Die schwedische Regierung hat ehrgeizige Klimaschutzziele: CO2-Neutralität bis 2045, also fünf Jahre früher als die Europäische Union das anpeilt. Um das zu erreichen, hat sie viele Maßnahmen beschlossen: unter anderem Subventionen für Solarenergie, Extra-Steuern auf Flug-Tickets. Und: niedrigere Steuern auf Reparaturen. Das Land ist nicht nur hier Vorreiter. Zur Erinnerung ein kurzer Ausflug: Schweden führte bereits 1991 eine CO2-Steuer auf den Verkauf von Brenn- und Treibstoffen ein. Heute müssen private Verbraucher und Unternehmen umgerechnet 115 Euro pro Tonne CO2-Steuer zahlen; konkret: für einen Kubikmeter Heizöl zahlen Hausbesitzer 532 Euro nur an CO2- und Energiesteuern. Die Folge: Kaum noch jemand in Schweden heizt mit Öl. Soviel zu dem Thema einfache politische Maßnahmen, große Wirkung.

Aber nun zurück zu den Reparaturen. Bereits Anfang 2018 wurden in Schweden die Steuern auf das Reparieren von Kleidung, Haushaltsgeräten und Fahrrädern deutlich gesenkt: die Mehrwertsteuer darauf wurde halbiert, von 25 auf 12 Prozent. Das alte Fahrrad mit der rostigen Gangschaltung bestenfalls auf den Flohmarkt und ein neues kaufen — diese Kalkulation kann nun neu gerechnet werden. Und der Handwerker, der im Haus Kühlschrank oder Mikrowelle repariert, kostet jetzt weniger. Das Argument der Politik: Umfragen belegten, viele Menschen wollten weniger verschwenden und nachhaltiger leben, nun hätten sie dazu auch einen handfesten Anreiz.

Als geistiger Vater dieser naheliegenden Idee, die nichts anderes als ein Alltagsverhalten von vor 40 oder 50 Jahren revitalisiert, gilt der Schweizer Walter Stahel. Bereits 1982 gründete er das Institut für Produktdauer-Forschung und berät seitdem Unternehmen und Regierungen in Sachen Kreislaufwirtschaft – so auch in Schweden. Eine weitere seiner Ideen: den Abfall besteuern.

Guerilla-Taktik der Konzerne

In Berichten zu diesem Thema wird gerne auf dieses Beispiel aufmerksam gemacht: Rasierapparate lassen sich gut öffnen und reparieren, ihr Gehäuse ist nicht verklebt. Deshalb braucht ein Mann lebenslang ein bis drei Apparate, aber eventuell viele elektrische Zahnbürsten. Gerne werden Geräte so konstruiert: Wegen eines kaputten Kleinteiles muss ein ganzes Modul ausgewechselt werden, oft lässt sich das Gehäuse nicht öffnen; Kritiker sprechen von einer geplanten Obsoleszenz, einer vom Hersteller beabsichtigten künstlichen Verkürzung der Lebensdauer von technischen Geräten. Vor allem Elektrofirmen setzen Energie in das Ziel, ihre Produkte so zu konstruieren, dass sie schnell kaputt gehen und sich nicht reparieren lassen. Das ist aufgrund ihres banalen egoistischen Gewinninteresses ebenso naheliegend wie für Verbraucher und Gesellschaft das genau entgegengesetzte Ziel. Bisher sind jedoch die Handelskonzerne Sieger: Untersuchungen zeigen, dass technische Geräte immer kürzer genutzt werden. So stammt vom Umweltbundesamt die Erkenntnis, dass Flachbildfernseher heute doppelt so schnell ausgetauscht werden wie einst die Röhrengeräte. Andere Untersuchungen belegen, etwa 20 Prozent der gekauften Kleidung werde nie oder selten getragen.

Sogar die EU robbt sich an das Thema heran

Modular und reparierbar: Das Fairphone setzt auf lange Lebensdauer
(Foto: PKFP / Wikimedia Commons)

In diesem März 2020 wurde von der EU — verbunden mit dem Green Deal — ein Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft verabschiedet. Es soll künftig ein Recht auf Reparaturen geben. Und von 2025 dürfen Geräte, die nicht zu reparieren sind, gar nicht mehr verkauft werden. Bereits von 2021 an müssen Haushaltswaren und Produkte wie Elektromotoren, Kühlschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen, Netzteile, Fernseher so konstruiert sein, dass sie leichter als bisher repariert und am Produktende auch gut recyclt werden können. Und Hersteller sind verpflichtet, Ersatzteile zu liefern, bis zu zehn Jahre nach Verkauf und innerhalb von 15 Arbeitstagen, und sie müssen Handwerkern Produktinformationen zur Verfügung stellen — Vorgaben, die mehr als andere illustrieren, wie ausgeklügelt destruktiv heute in der Regel gewirtschaftet wird, muss schon Selbstverständliches per Gesetz vorgeschrieben und dann vermutlich auch noch gegen Widerstand der Konzerne durchgesetzt werden. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHT) warnte natürlich, die Wirtschaft drohe mit diesen Plänen überfordert zu werden. Und Bitkom, der Branchenverband für Telekommunikation und Digitalwirtschaft, warnt vor allem vor einem Recht auf Reparatur.

Und Deutschland? Von Vorreiter keine Spur

Man könnte auf den ersten Blick meinen, auch in Deutschland habe sich bereits einiges getan, gibt es doch seit einigen Jahren Steuervergünstigungen für „haushaltsnahe Dienstleistungen“; wozu Gartenarbeiten und einfache Reparaturen zählen. Damit wurde jedoch ein ganz anderes Ziel verfolgt: die Verringerung der Schwarzarbeit und die Erhöhung von Steuereinnahmen.

Allerdings: Im Koalitionsvertrag der jetzigen Merkel-Regierung vom März 2018 steht unter anderem: „Wir stehen für eine Weiterentwicklung des erfolgreichen deutschen Modells der Kreislaufwirtschaft. … . Wir wollen (…) Abfallvermeidung und Recycling stärken, die Einsatzmöglichkeiten für recycelte Materialien verbessern und entsprechende Anreize sowie mögliche gesetzliche Pflichten prüfen.“ Ziemlich vage, aber vielleicht kommt ja noch was.

Eine kleine Bewegung …

Leider konnte der Patient nicht wiederbelebt werden… Repair Café in Reading, UK
(Foto: CC0 Karen Blakeman / flickr)

Wuchtig ist die Bewegung nicht gerade, aber mehr als nichts ist das schon: Es gibt in Deutschland den Verein „Runder Tisch Reparatur“; er wurde im Oktober 2015 gegründet, von Unternehmen, der Verbraucherzentrale Bundesverband, dem Netzwerk Reparatur-Initiativen und dem Naturschutzbund „NABU“. Und es gibt inzwischen immerhin beinahe 800 Repair-Cafes. Und es gibt den Spezialversicherer „Wertgarantie“: Der versichert alles, was einen Akku oder Stecker hat. Geht ein versichertes Gerät kaputt, kann sich der Besitzer an den Fachhändler direkt wenden, wenn sich eine Reparatur lohnt, dann zahlt sie der Versicherer.

Das klingt nach Klein-Klein, ist aber mehr:
der Einstieg in eine andere Logik

Da Kapital sich vermehren will, liegt dem Kapitalismus — der strikt von der Marktwirtschaft zu trennen ist — ein Zwang zum Wachstum inne, was in den vergleichsweise wohlhabenden westlichen Wirtschaftsländern bereits vor Jahren dazu geführt hat, dass heute die Produktionskapazitäten weit über den menschlichen Bedürfnissen liegen. So gewinnen Marketing, Preisdumping und allfällige Anstrengungen, eine Mentalität des Wegwerf-Konsums zu stabilisieren, anhaltend an Bedeutung. Der jeweilige Neukauf erscheint vielen — weil beim Blick auf die Neuproduktion alle Folgekosten außer Acht gelassen werden — günstiger als die Reparatur; die zudem oft eben gar nicht möglich ist oder gar nicht angeboten wird. Würde auch in Deutschland das Reparieren steuerlich bevorzugt — mit einem deutlich verringerten Mehrwertsteuersatz und der Möglichkeit, Reparaturkosten generell von der Einkommenssteuer abzusetzen —, dann hätte das wenigstens nach und nach gravierende Folgen: Das (heimische) Handwerk würde gestärkt und mehr anerkannt, machte mehr Umsatz und könnte mehr Menschen beschäftigen. Es würden Ressourcen gespart. Es gäbe weniger Abfall („Elektroschrott“). Viele Leute könnten Geld sparen, ist doch das häufige Neukaufen am Ende erheblich teurer als das wiederholte Reparieren eines guten Produktes, auch für den Einzelnen und nicht nur für die Gesellschaft. Geld sparen, mehr Beschäftigte im arbeitsintensiven Handwerk, weniger Schadstoffe und Ressourcenverbrauch — der Kultur des Wegwerfens stünde eine Alternative entgegen, die sich auch noch rechnet.

Und vielleicht würde diese neue Kultur zum Kult für Massen, nicht nur wie bisher für eine Minderheit. Wer darüber mal was lesen will, dem sei dieses ebenso praktische wie vergnügliche Büchlein des Psychoanalytikers Wolfgang Schmidbauer emfohlen, selbst kein begnadeter Techniker und Handwerker, dem es auch um „die Freude am Reparieren“ geht: „Die Kunst der Reparatur“, erschienen im oekom-Verlag.

Wolfgang Storz
Dr. Wolfgang Storz (sto), (*1954), arbeitet als Publizist, Kommunikationsberater und Coach, zuvor tätig bei Badische Zeitung, IG Metall und Frankfurter Rundschau. Das Foto gibt eine jüngere Ausgabe der Person wieder.

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