Vom Auto befreit sind Stadt und Plätze

Bild: KI-Generator Craiyon

Man könnte denken, das sei alles nur ein Traum. Wer heute durch die Stadtzentren von Berlin und Hamburg, Stuttgart oder Köln flaniert, die herrliche Luft einsaugt und das bunte Treiben auf den Straßen beobachtet, der kann nicht glauben, was geschehen ist. Dieselben Straßen waren noch vor wenigen Jahren mit Tausenden Autos vollgestopft. Die Blechlawinen hatten das Leben der Innenstädte erstickt, die Menschen auf schmale Gehwege und sogenannte Zebrastreifen verbannt. Die Straße – das war Angst, Beklemmung und Feinstaub, Lärm und Dauerstau, Aggressivität und Dichtestress, Hektik und Lebensgefahr. Das war der Todeskampf um die Parklücke, um die Poleposition an der Ampel.

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“Wir: gut. Die: böse.“

Wirkt Franz Emanuel August Geibels Gedicht Deutschlands Beruf, im Jahr 1861 aufgeschrieben, bis heute nach? Oder ist es passe? Aus und vergessen? Endgültig? Soll nichts von Geibels deutschem Wesen übrig geblieben sein? Aber wir haben doch unter anderen den Christian Lindner, seines Zeichens Bundesfinanzminister.

[Foto:AnjaGH auf Pixabay]

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Für sich sorgen – eine Aufgabe oder eine Schimäre?

Bild: geralt auf Pixabay

Ich möchte einen Gedanken überprüfen, der mir, so wie er mir durch den Kopf schoss, überaus schlüssig erschien. Eine solche Überprüfung ist schon deshalb nötig, weil Einfall, Idee oder Erleuchtung Schlüssigkeit als Formmoment haben – schlüssig sind sie per Natur −, so dass man ihren Inhalt womöglich überschätzt. Ich möchte daher prüfen, ob der Gedanke sich entfalten lässt oder ob er so punktförmig ist wie der Moment, in dem er mir durch den Kopf schoss, im Kontinuum der Zeit. Der Gedanke: Das Unglückselige, Fatale und Verhängnisvolle unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation, vor allen anderen Komplikationen, sei dem Widerspruch geschuldet zwischen dem unmittelbaren Dasein der Menschen als Individuen und den überaus mittelbaren Bedingungen ihrer Existenzsicherung.

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Die von der Arbeit Ausgeschlossenen heißen Arbeiter

Bild: 0fjd125gk87 au pixabay

Der Katholizismus kennt das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein. Der Kapitalismus, inzwischen die erfolgreichere Religion, vollbringt das Wunder der Verwandlung von Menschen in Arbeiter, die er – sofern er nicht daran gehindert wird – ausbeutet, wenn er sie braucht, und verhungern lässt, wenn er sie nicht braucht. Um das eine wie das andere abzumildern, gibt es – global gesehen viel zu wenige – gesellschaftspolitische Interventionen: arbeitsrechtliche Gesetze, sozialstaatliche Schutz- und Sicherheitsvorkehrungen, Gewerkschaften, Sozialverbände, Wohltätigkeitsvereine, Verbraucherschutz etc. Am Abend eines „Tages Arbeit“ fällt die Deformation der Arbeit von einem Akt praktischer Vernunft in Dressurakte des Kapitals (mit einem Auffangnetz, das nicht selten als soziale Hängematte diskreditiert wird) besonders auf. Die kapitalistische Deformation der Arbeit scheint den point of no return hinter sich und in der Klimakatastrophe ihren Endgegner gefunden zu haben.

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Weniger und anders arbeiten

Bild: Tumisu auf Pixabay

 Wieviel Arbeitszeit muss für ein Einkommen aufgewandt werden, um mit guter Arbeit ein gutes Leben zu führen? Das ist eine Schlüsselfrage der sozialen Entwicklung. Wieviel Zeit steht mir außerhalb der Erwerbsarbeit zur Verfügung und inwieweit verfüge ich über meine Zeit in der Erwerbsarbeit? Die Dauer der Arbeitszeit, der Inhalt der Arbeit und das Arbeitsentgelt bestimmen auch die Lebensumstände und sind entscheidend für die Teilhabemöglichkeiten in Politik und Kultur, Bildung und sozialem Engagement. Deshalb demonstrieren, protestieren und feiern Menschen am „Tag der Arbeit“, dem 1. Mai.

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So etwas wie das Totenglöcklein für die Berliner SPD

Parteien müssen nach dem Parteiengesetz (Paragraph 6 Ziffer 11) in ihren Satzungen eine Vorschrift haben, wonach sie sich selbst auflösen können. Diese Möglichkeit kommt mit Blick auf die Berliner SPD in den Sinn angesichts der Vorgänge um die Wahl des Regierenden Bürgermeisters.

Obgleich ausreichend Stimmen nach Mehrheitsbeschlüssen in CDU und SPD für einen absolute Mehrheit vorhanden waren, wurde der gemeinsame Kandidat aus der CDU erst im dritten Wahlhang gewählt. Vor allem die SPD-Fraktion hat den Verdacht auf sich geladen, Kai Wegner nicht geschlossen gewählt zu haben, so dass der gemeinsame Kandidat schließlich wegen Stimmen aus der AfD-Fraktion eine ausreichende Mehrheit auf sich ziehen konnte. Gewählt mit Stimmen aus der AfD, was nach Berichten von seriösen Zeitungen wie der FAZ nahe liegt. Die berichtete tags darauf, dass wenigstens zwei SPD-Fraktionsmitglieder zugegeben hätten, den CDU-Mann Wegner nicht gewählt zu haben. Seit 1870 nennt man solche Leute im militärischen Jargon „franc-tireurs“ – Heckenschützen.
Im Fall der Berliner „franc-tireurs“ gibt es nichts im gemeinsamen Vorhabenkatalog, was ein solches Verhalten rechtfertigen würde; auch die Personen-Auswahl für den künftigen Berliner Senat rechtfertigt ein solches Verhalten nicht. Es bleiben zwei Aspekte: Die Person des künftigen Berliner Regierungschefs sowie die Mehrheitsentscheidung der Berliner SPD-Delegierten, nicht mehr mit den Grünen und der Linken zu koalieren, sondern mit der CDU. Der künftige Regierungschef gilt in einigen Verbänden der SPD als zu rechts. Eine Koalition mit der CDU offenkundig als politisch verboten. Beides wird nicht mit wirklich nachvollziehbaren Argumenten begründet.
Es ist – wie man es auch dreht und wendet – so etwas wie das Totenglöcklein für die Berliner SPD. Sie hat sich als nicht tariffähig, vertragstreu, ehrenhaft erwiesen. Bösartig geschrieben: ein Teil der Leute, die dieses Desaster angerichtet haben, wird in seine Milieus zurückgeeilt sein und wieder die unkündbaren Dienstposten und Arbeitsstellen einnehmen, die er – auch oder vor allem – der Regierungspartei SPD in Berlin zu verdanken hat.

Arbeit, ihre Zukunft und die Aktualität des Projekts Arbeitszeitverkürzung

Screenshot: Website IG Metall Krefeld

Der Anteil an Jobangeboten mit verkürzter Arbeitszeit bei voller Bezahlung sei in den vergangenen fünf Jahren um 848 Prozent gestiegen, analysiert laut Spiegel das Jobportal Indeed, die Nachfrage steige weiter. Aber “die Forderung der IG Metall nach einer Vier-Tage-Woche bei gleichem Lohn in der Stahlindustrie stößt bei der Arbeitgeberseite auf Ablehnung. Eine solche Vereinbarung würde ‘zu einer exorbitanten Kostensteigerung’ führen und somit ‘zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition’, sagte der Vorstand des Arbeitgeberverbands Stahl, Gerhard Erdmann, der “Bild”-Zeitung”, schreibt das manager magazin. Auf Forderungen, Arbeits- und Lebensbedingungen von Beschäftigten unterhalb der Führungsebene zu verbessern, reagieren Arbeitgeber, solange es sie gibt, mit der Warnung vor Kostensteigerungen und einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit. Ingrid Kurz-Scherf, frühere Marburger Professorin für Politik und Geschlechterverhältnis, kommt im Gespräch mit Jutta Roitsch auf interessantere Gedanken.

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Gerechte Kompromisse für die Biodiversität

Pyramide der Biodiversität
Bild: Fährtenleser auf wikimedia commons

Die Vereinten Nationen haben mit der Agenda 20301 den Versuch unternommen, die Entwicklung auf unserem Globus nachhaltig zu gestalten. Dazu dienen 17 sogenannte SDG (sustainable developement goals). Für mindestens zwei ihrer Nachhaltigkeitsziele – des SDG 14, die Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu erhalten und nachhaltig zu nutzen, und dem SDG 2, das den Hunger in der Welt bis 2030 beenden soll – war dieses Bestreben bisher nicht erfolgreich. In beiden Fällen, so lauten die Bewertungen der Weltozeankonferenz und des UN-Welternährungsbericht aus dem Jahr 2022, sind die Staaten den Zielen nicht näher gekommen. Auch bei SDG 15, das dem Schutz der Biodiversität gilt, war bestenfalls Stillstand zu verzeichnen. Wie kann und sollte es weitergehen?

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Der Deutsche Evangelische Kirchentag übt Zensur aus

Screenshot: Website Flüchtlingskinder im Libanon

Jetzt ist die Zeit!“ – unter diesem biblischen Motto aus dem Markus-Evangelium findet vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) statt. Erwartet werden bis zu 100.000 Teilnehmer*innen. „Wichtige Themen der Zeit werden diskutiert, Fragen nach Frieden und Gerechtigkeit … und der Würde des Menschen gestellt“, kündigt der DEKT in seinen Einladungen und Werbematerialien für die Großveranstaltung an. Doch die Vertreibung und Flucht von 750.000 Palästinenser:innen im Jahr 1948 darf man dort nicht thematisieren.

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11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen

Losung des 38. Evangelischen Kirchentages in Nürnberg, 7.-11. Juni 2023
Screenshot: https://www.kirchentag.de/losung

Christliche Groß-Events wie »Kirchentage« werden aus Steuergeldern mit Millionen großzügig subventioniert. Warum eigentlich? Gibt es nicht das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und Kirche? Alle Jahre wieder findet hierzulande ein Kirchentag statt, immer im Wechsel, mal ein katholischer, mal ein evangelischer – und immer in einer anderen Stadt. Das Ganze hat Event-Charakter: es gibt Musik, Tanz, gemeinsames Gebet und jede Menge Vorträge über Gott und die Welt. Ein straff organisiertes Himmels-Festival mit Zeltlager-Flair. Im Juni trifft sich die Christengemeinde in Nürnberg, zum 38. Evangelischen Kirchentag. Der Freistaat Bayern unterstützt mit 5,5 Millionen Euro die Kirchen-Veranstaltung großzügig.

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Die Unverbesserlichen

Atommülllager Gorleben: Schutztrupp für Castor-Transporte, 05.03.1997
Foto: ©Kurt Hamann

Zwischen Wut und Trotz bewegen sich die Reaktionen der Nuklearlobby angesichts der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke. Sie verstehen die Welt nicht mehr, weil sie es gewohnt waren, als Besserwisser und Alleskönner aufzutreten, denen eine ängstliche, weil unwissende Gesellschaft Folge zu leisten hätte. Lange Zeit hat ihnen die Politik jeden Wunsch erfüllt, während der mediale Mainstream die vermeintlichen Wunderwerke der Technik pries. Als eine rot-grüne Bundesregierung vor zwei Jahrzehnten den ersten Ausstiegsbeschluss fasste, waren die Nuklearisten zuversichtlich, dass sich in einem so langen Zeitraum Einiges ändern würde. Sie sollten recht behalten, Union und FDP waren ihnen 2010 zu Diensten, doch ein SuperGAU in Japan machte den Ausstieg aus dem Ausstieg alsbald zunichte. Und wieder bekam die Atomwirtschaft eine 11-Jahresfrist, um ihre nächste Renaissance zu organisieren. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert, unter anderem weil sich eine CDU-Kanzlerin kein zweites Mal täuschen lassen wollte.

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“Wir wollen leben, frei und schuldenfrei”

Bild: geralt auf Pixabay

Die Finanzwirtschaft, “die sich gibt, als würde sie getrennt von Körpern, unabhängig von Arbeit existieren”, übe Gewalt aus, sagt Luci Cavarello im Gespräch mit Caroline Kim. Das Vordringen der Finanzwelt in immer breitere Bereiche der sozialen Reproduktion mache aus Gesundheit, Bildung, Ernährung, Wohnen, Kommunikation ein Geschäft, treibe vor allem Frauen, die unbezahlte Arbeit leisten, in die Verschuldung.
Perspektiven, die den herrschenden Sichtweisen fremd sind, Argumente, die der Mainstream kaum kennt, zeigt Luci Cavallero auf – wie auch die Wirtschaftszeitung OXI, von der bruchstücke das Interview übernommen hat. Über die Lage von OXI.Wirtschaft anders denken informiert Chefredakteurin Kathrin Gerlof im Anschluss an das Interview. [at]

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Wie’s Gescherr, so der Herr

Mathias Döpfner, Kai Diekmann, Julian Reichelt
(Foto [bearbeitet]: usbotschaftberlin auf wikimedia commons)

Verstehe das Gedöns wegen der von der Zeit veröffentlichten Döpfner-Mails nicht. Döpfner und der von ihm vor die Tür gesetzte Bild– Chefredakteur, dessen Namen mir nicht einfällt, haben Springer- Periodika immer deutlicher auf das konservativ-mosernde teutsche Ufer gedrängt. Die Zeit-Notizen belegen, dass Döpfner dabei Taktgeber und Anschieber war – bis hin zu de facto Anweisungen in die Redaktionsebene, bitteschön doch endlich die parteipolitisch organisierten Liberalen in bessere Lichter zu rücken. Es hätte verwundert, wenn es anderes gewesen wäre.

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Ein historischer Moment – der Aufbruch hunderttausender Israelis

Demonstration in Jerusalem 20. 2. 2023 (Foto: Hanay auf wikimedia commons)

Wir Israelis dürfen der irreführenden Identitätspolitik, hinter der wir uns zu verstecken gewohnt sind, nicht erlauben, uns von innen zu zersetzen. Wir müssen uns freimachen von unserem Narzissmus der kleinen Differenzen. Das bedeutet auch, diejenigen nicht zu beschimpfen, die mit palästinensischen Fahnen demonstrieren. Nicht ein einziges der Gesetze, die von der israelischen Regierung derzeit in einem Staatsstreich durchgepeitscht werden, kommt sozial Schwachen oder Kranken zugute, geschweige denn den Unterdrückten, Ungebildeten oder Bedürftigen der Gesellschaft. Diese Art der Gesetzgebung – euphemistisch als „Justizreform“ propagiert – hat in der hebräischen Sprache dem Wort für „Reform“ bereits einen zynischen Klang verliehen; sie spottet seiner korrektiven, progressiven Konzeption, denn ihrem Wesen nach ist diese Gesetzgebung regressiv.

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Die Ausbeutung hinter dem KI-Boom

Bild: Mit MidJourney automatisiert generierte Zeichnung. © cc-by-4 MidJourney

Hinter Tools wie Chat GPT stecken nicht nur Roboter: Am Ende der Wertschöpfungskette stehen oftmals Arbeiter aus den Ländern des Südens.  Dies zeigt ein Gastbeitrag der beiden Soziologen Clément Le Ludec (Institut Polytéchnique de Paris) und Maxime Cornet (Telecom Paris). Sie arbeiten am Forschungsprojekt HUSH unter Professor Antonio Casilli. Der Artikel erschien zuerst bei The Conversation auf französisch. Infosperber übernahm ihn im Rahmen der Creative Commons-Lizenz. Bruchstücke übernimmt von Infosperber.

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