Wie braun ist die Arbeitswelt?

Das Erstarken der AfD stellt die Gewerkschaften auch in der Arbeitswelt vor neue Herausforderungen. Bei Daimler-Benz in Stuttgart-Untertürkheim sitzt das “Zentrum Automobil” mit sieben Mitgliedern im Betriebsrat. Die in Opposition zur IG Metall-Liste angetretene Interessenvertretung wird von populistischen Kräften unterstützt, die der AfD nahestehen. Das Zentrum prangert die angebliche Verteufelung des Autos an, wendet sich gegen eine ökologisch orientierte Verkehrswende und verteidigt mit nationalistischen Untertönen den eigenen „Standort“. Lukas Hezel vom DGB-Bildungswerk Baden-Württemberg empfiehlt als Gegenmittel eine langfristig angelegte Strategie. Reine Sachaufklärung allein reiche nicht, wenn man für rechte Ideologien anfällige Beschäftigte überzeugen wolle. Zu einem Umdenken beitragen würden vor allem „praktische Erfahrungen von Solidarität“ – etwa während eines Arbeitskampfes.

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Wider die Omnipotenzansprüche des (politisch dummen) Marketings

Bild: eak_kkk auf Pixabay

Psychologen interessieren sich für Personen und deren Probleme. Sie fangen mit der Diagnose bei der Person an und gelangen zu einer Therapie, die sich um die Person dreht. So auch die Agentur concept m in ihrer Studie über AfD-Wähler:innen, die Dirk Ziems auf bruchstuecke vorgestellt hat: „Im Hinterfragen ihrer Standpunkte und in der geduldigen Diskussion, mit Aufklärung über weitere Hintergründe und Fakten, die in ihren vereinfachten Erklärungsschemata nicht vorkommen, kann man bei den AfD-Sympathisanten durchaus immer wieder ein Nachdenken und Überdenken anstoßen.“ Psychologische Analysen und Lösungsvorschläge können sehr hilfreich sein, solange es um persönliche Beziehungen geht, gesellschaftspolitisch springen sie zu kurz, weil sie aus gesellschaftspolitischen Probleme individuelle machen. Wer sich mit Marketing-Instrumenten in die Politik begibt, verfehlt die Probleme und bietet Scheinlösungen.

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Dem Unbehagen an der Moderne mit Sorgfalt nachgehen

30.11.2019 – AfD-Bundesparteitag Gegendemonstration
(Foto: Marius Angelmann auf wikimedia commons)

Die Tiefeninterviews der Agentur concept m, über die der Beitrag von Dirk Ziems „Ostdeutsche Enttäuschungen, westdeutsche Ohnmachtsgefühle“ berichtet, enthalten interessante und wichtige Hinweise über die Gefühls- und Geistesverfassung der Wählerinnen und Wähler der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Aber die gängigen Deutungen der Abkehr von demokratischen Regeln und Werten haben wenig Erklärungskraft.

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Ostdeutsche Enttäuschungen, westdeutsche Ohnmachtsgefühle

Foto: dmncwndrlch auf Pixabay

In Thüringen wird erstmals ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt. Die Umfragewerte der rechtspopulistischen Partei erreichen bundesweit immer neue Höchstwerte. Die „etablierten“ Parteien haben zurzeit außer staatsbürgerlicher Belehrung und Ritualen der Abgrenzung keine Rezepte, wie sie dem Höhenflug der AfD begegnen können. Im Gegenteil: Im Politikbetrieb scheint eine Panik-Stimmung einzusetzen. Deutschland wird wohl möglich demnächst unregierbar, wenn sich die AfD bei über 20% festsetzt. Höchste Zeit, sich mit den psychologischen Mechanismen auseinanderzusetzen, die hinter dem Aufstieg der AfD stehen.

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Als Ketzer geächtet, bekämpft und bedroht

Gedenktafel am letzten Wohnhaus von Fritz Bauer (Foto: 2017 in der Feldbergstraße in Frankfurt am Main | Simsalabim auf wikimedia commons)

Vor 55 Jahren, am 1. Juli 1968, starb Fritz Bauer. Wie kein anderer Jurist in der Bundesrepublik hat er als hessischer Generalstaatsanwalt nach dem Krieg die NS-Verbrechen verfolgt. Dafür wurde er von vielen bekämpft und geschmäht – vor allem von der CDU. Ende 2022 hat Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) ihn posthum mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille geehrt. Fritz Bauer konnte sich dagegen nicht mehr wehren.

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Klimanotizen: „Reichere Länder drohen in Zukunft ärmere zu grillen“

Bild: cocoparisienne auf Pixabay

Vor 70 Jahren formulierte Gilbert Plass eine wichtige 1,5-Grad-Prognose. Vom Treibhauseffekt wissen wir noch länger, aber ganze Gesellschaften versagen. Auf Kosten anderer Länder. Die sind aber nicht gemeint, wenn hierzulande darauf verwiesen wird, »die Menschen dürfen nicht überfordert werden«.

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Ein öffentlich zerfleddertes Gesetz und die ökologische Transformation

Sonnenuntergang an der Spree im Regierungsviertel
(Foto: reginasphotos auf Pixabay)

„Und daher kann man von der Politik sagen, sie sei gleichsam darauf angewiesen, die Gegenwart vorherzusehen.“ (Walter Benjamin)

Die Entstehungsgeschichte des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) war maßgeblich davon beeinflusst, dass der Entwurf des Wirtschaftsministeriums während der sogenannten Frühkoordinierung zwischen Kanzleramt, Finanzministerium und dem Wirtschaftsressort an die Öffentlichkeit gelangt war. Dies brachte die Fraktionen des Bundestages in die Lage, einem öffentlich bereits zerfledderten Gesetzentwurf zu einer Mehrheit verhelfen zu müssen. Außerdem äußerte sich der Minister mehrfach öffentlich, als Vertraulichkeit, Konzentration und Glaubwürdigkeit geboten waren.

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Wenn man keine Ahnung hat, einfach nicht die Fresse halten

Bild: ashtwinproject auf wikimedia commons

Zur Leistungsfähigkeit dieser Software, die als „künstliche Intelligenz“ bezeichnet wird, erschienen in der letzten Zeit eine ganze Reihe von Artikeln, die meist relativ unkritisch das Potential der Software bewunderten und davon sprachen, damit würden Hausaufgaben für Schüler und Artikel von Journalisten als eigene Arbeit überflüssig, denn ChatGTP erledige dies alles besser und schneller.
Ich hatte schon anfangs meine Zweifel, ob diese Berichte Ergebnisse eigener Beschäftigung mit der Software waren und habe das ausführlich selbst erprobt. Das folgende Chatprotokoll stammt von 24. Februar 2023 (mit Ausnahme zweier nachträglicher Ergänzungen beim Thema Goethe), dauerte ca. zwei Stunden und ist vollständig und ohne Auslassungen wiedergegeben. Meine Bewertung der Antworten von ChatGTP wurde nachträglich eingefügt. Mit ChatGTP darüber zu diskutieren, ist ein ganz eigenes Feld.

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A love that will never die

Die Influencerin Caryn Marjorie bietet ihre wertvolle Lebenszeit jetzt für einen Dollar pro Minute an, denn als CarynAI kann sie zeitgleich und weltweit mit beliebig vielen Männern kommunizieren. «Brauchst du jemanden, der dich liebt und der sich um dich kümmert oder einfach nur eine Person, die dir zuhört, wie dein Tag lief? CarynAI ist für dich da…“ Auch die sogenannte Künstliche Intelligenz folgt offenbar der obersten Regel der Medienökonomie: Je trivialer, desto lukrativer.

Kulturlose KI

Bild: geralt auf Pixabay

Viele suchen nach einem Unterschied zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz, der die „Ehre“ der Menschen rettet – schließlich sind sie die Schöpfer der KI. In der Sache allerdings hat die KI auf allen Gebieten die Nase weit vorn. Fortlaufend gefüttert mit einem Meer von Daten, vermag sie auf beliebige Fragen mit einer Schnelligkeit und Stichhaltigkeit Antworten anzubieten, denen die künstliche Handschrift kaum noch anzumerken ist. Trotz alledem, es gibt den Unterschied, der die KI alt aussehen lässt und jedes Kind als intelligenteres Wesen qualifiziert.

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Industriepolitik und Demokratisierung: Fortschritt im Nanometer-Format

Tag der Industrie 20. Juni 2023 (Screenshot: Website BDI)

Was gut ist für Generals Motors, ist gut für die Vereinigten Staaten. Der Slogan ließe sich abwandeln: Was gut ist für Intel, ist gut für die Bundesrepublik Deutschland. Für sein Werk in Magdeburg pokert der Konzern gerade um zehn Milliarden Euro. Das ist bald ein Drittel der geplanten Investition. Im Jahr 2028 will man die Fertigung von Microchips mit 10.000 Beschäftigten aufnehmen. Die Landes- und die Bundesregierung werden demnach jeden der geplanten Arbeitsplätze mit 10. Mio. Euro vorfinanzieren. Das Kabinett Sachsen-Anhalts bietet Intel zudem einen Billigtarif für Strom und Wasser an.
Die Ampelregierung will die Industrien des Landes mit der Subvention dieser Schlüsseltechnologie vom Ausland unabhängig machen. Die Spannungen zwischen China und Taiwan nehmen zu, und der von China bedrohte Inselstaat ist der wichtigste Produzent ultraviolett belichteter Halbleiter. Das wechselseitige Vertrauen der großen Handelsblöcke China, USA und Europa ist erodiert. Den Rückzug auf den eigenen Markt sieht die Bundesregierung als die mehr Sicherheit versprechende Option an. Ihre Industriepolitik richtet sie an dieser Logik aus. So hat sie es am „Tag der Industrie“ 2023 gerade wieder betont.

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Zustand der Regierung: Vollbeschäftigt mit situativen Dringlichkeiten

Prof. Dr. Wolfgang Schroeder
(Foto: David Ausserhofer auf wikimedia commons)

„Indem die Regierung bislang primär der Logik der situativen Dringlichkeit gefolgt ist, sind die Fragen nachhaltiger Wichtigkeit unzureichend profiliert“, sagt der Politikwissenschaftler und ehemalige Staatssekretär Wolfgang Schroeder im Interview mit Wolfgang Storz zur Lage des Landes und zum Zustand der Ampelkoalition sowie der Opposition. Im Deutschland des Jahres 2023 existiere keine Kanzlerdemokratie, sondern eine Verhandlungsdemokratie, die eher symbolisch oder in verfassungspolitischen Extremsituationen das letzte Wort zulasse. „Die Union als stärkste Oppositionskraft bietet der Ampel durchaus rhetorisches Paroli und Merz scheint seine Fraktion zu führen. Aber man hat nicht den Eindruck, dass es sich dabei um eine Regierungspartei im Wartestand handelt“, analysiert Schroeder. „Da fehlen eigene Vorstellungen, wie die sozial-ökologische Transformation aufgestellt werden kann, wie die Zukunft Deutschlands angesichts von Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demographischem Wandel aussehen könnte.“

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Deutsche Verkehrspolitik, eine Gefangene der Autoindustrie

Foto: Rico Loeb auf Pixabay

Ernst machen beim Energiesparen. Die neue Energiekrise hat das Tempolimit wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Der ewige Streit um die Zähmung des Autos ist aktueller denn je. Souveräne Gemächlichkeit oder das süße Gift Geschwindigkeit. Eine kleine Geschichte der deutschen Raserei.

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„Blind in die Pflegekatastrophe“

Screenshot: opta data Zukunfs-Stiftung

Seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg steht die Fragilität globaler Lieferketten, die sich inzwischen über den gesamten Erdball ziehen, im Fokus der Diskussion. Man habe sich von ausländischen Zulieferern wie China oder Russland zu abhängig gemacht, heißt es. Deshalb werden Forderungen lauter, zumindest »sensible« Güter wie Medikamente, Chips und Batterien künftig wieder im Inland zu produzieren. In den USA und in vielen Ländern Europas wird deshalb in milliardenschwere Industrieförderprogramme investiert. Allerdings wird die Tendenz zur Globalisierung keineswegs grundsätzlich in Frage gestellt. Denn es geht bei der Überwindung räumlicher Grenzen durch das Kapital bekanntlich nicht nur um die Erschließung neuer Rohstoff- und Absatzmärkte, sondern immer auch um die Rekrutierung von billigen Arbeitskräften. Das trifft auch auf das Phänomen globalisierter Sorgeketten (»global care chains«) zu, die allerdings weit weniger im Blickpunkt öffentlicher Diskussionen stehen.

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Historische Botschaft aus Genf

Maksim Pazniakou, amtierender Präsident des Belarusischen Kongresses der Demokratischen Gewerkschaften (BKDP) und Gilbert Houngbo, Generaldirektor der ILO. (Foto: ILO)

Das Regime von Aleksander Lukaschenko hat sich auch in der Internationalen Arbeitsorganisation, die normalerweise selbst in schwierigsten Situationen eine Politik des Konsenses, Dialogs und der kleinen Schritte verfolgt, ins politische Abseits manövriert. Aus Genf kommt ein klare Botschaft. Wegen der fortgesetzten Missachtung von Arbeitnehmerrechten und der Verhaftung zahlloser Gewerkschafter:innen hat die ILO am 12. Juni ein Verfahren nach Artikel 33 der ILO Verfassung gegen Belarus eingeleitet. Zum ersten Mal in der über hundert jährigen Geschichte der ILO haben die Delegiert:innen der internationalen Arbeitskonferenz, Vertreter:innen von Regierungen, Arbeitgebern und Gewerkschaften, wegen der Verletzung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit ein solches Verfahren initiiert. Bis jetzt war dieses Verfahren überhaupt nur einmal im Jahr 2000 wegen staatlicher Zwangsarbeit gegen Myanmar zur Anwendung gekommen.

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