Ganz ohne ‚Bauernkrieg‘

Bild: Christianpackenius auf Pixabay

Ab 2030 müssen dänische Bauern für klimaschädliche Emissionen bezahlen. Von einer Expertenkommission vorgeschlagen sind bisher 300 Dänische Kronen (39 Franken oder 40 Euro) pro Tonne CO2-Äquivalent ab 2030. Bis 2035 soll die CO2-Abgabe auf 750 Kronen (97 Franken oder 100 Euro) pro Tonne steigen. Dabei geht es hauptsächlich um Emissionen wie Methan aus der Tierhaltung, aber auch um Lachgas und CO2. Die formelle Zustimmung des dänischen Parlaments im August gilt als sehr wahrscheinlich. Das Vorhaben schaffte es als «Beef Tax» schon Ende Mai in die großen US-Medien. Dänemark wäre das erste Land, das eine solche Steuer einführt und setzt damit einmal mehr Maßstäbe im Klimaschutz. Und in Konfliktbewältigung.

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Aufrüstung macht Reiche reicher und Arme zahlreicher

Die Linke stellt ihren Kandidaten Christoph Butterwegge (Mitte) für die Bundespräsidentenwahl 2017 vor. (Foto: © Uwe Steinert auf wikimedia commons)

Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler und einst Präsidentschaftskandidat der Linkspartei, hat aktuell zwei Bücher publiziert unter den Titeln „Deutschland im Krisenmodus“ sowie „Umverteilung des Reichtums“. Thomas Gesterkamp sprach mit ihm über die „sozialpolitische Zeitenwende“, vor der Butterwegge warnt. Das Interview wurde vor der Einigung der Ampelkoalition auf Eckpunkte des Bundeshaushalts 2025 geführt.

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Jetzt macht voran in Berlin

In der Münchner Tageszeitung Merkur war zu lesen: „Reparationsforderungen für Kriegsschäden in Billionen-Höhe haben das deutsch-polnische Verhältnis zerrüttet.“ Wahrscheinlich lassen sich weitere Behauptungen dieser Art im Feld der veröffentlichten Meinungen finden. Das ändert nichts daran, dass solche Behauptungen falsch sind. Das polnisch-deutsche Verhältnis ist zerrüttet und kaum belastbar, weil Hitler-Deutschland ab 1939 in Polen einen Vernichtungskrieg gegen Polen, gegen dessen zivile Ordnung und die zivile Bevölkerung, dabei gegen die polnischen Juden, das Militär, seine Funktionseliten, gegen alles geführt hat, was Polen ausmachte. Der Vernichtungskrieg begann nicht erst 1941 mit dem Angriffskrieg gegen die UdSSR, sondern eben 1939 wie der Historiker Jochen Böhler 2006 überzeugend nachgewiesen hat. Bogdan Musial und Hans-Jürgen Bömelburg hatten bereits 2000 auf diese Tatsache aufmerksam gemacht.
Fast ein Vierteljahrhundert ist das her. Und nun ist zu lesen, dass in intensiven Gesprächen herausgefunden werden soll, wie und ob einige Zehntausend Überlebende dieses Vernichtungskrieges eine Rente bekommen sollen und ob das dann Rente genannt werden darf. Über die Frage, ob es ein Mahnmal geben soll, das an diesen Vernichtungskrieg und die polnisch-deutsche Geschichte erinnert, wird seit fast zehn Jahren geredet und gestritten. In dieser Zeit wurde das Berliner Stadtschloss hochgezogen, in Potsdam die Garnisonskirche größtenteils fertig gewerkelt.  Und manches andere mehr. In der Zwischenzeit warnte man vor der  „Renationalisierung der Geschichtsbilder“ (Andreas Wirsching), aber auch davor, Opfern vorzugeben, wie Geschichte gewesen ist und wie die Opfer die zu sehen hätten (Dieter Bingen).

Das alles ist mehr als peinlich. Jetzt macht voran in Berlin! Mehr gibts nicht mehr dazu zu sagen.

Souveräne Gelassenheit? Führungsversagen!

Foto: Raimond Spekking auf wikimedia commons

Der Beitrag „Selbstüberschätzte Kritik, unterschätzte Kritiker“ von Thomas Weber regt zum Nachdenken, aber auch zum Widerspruch an. Man muss nicht den Alterspessimismus von Jürgen Habermas teilen (“vom Idealisten zum Fatalismus“), um die Lage und die Aussichten Deutschlands so einzuschätzen, dass es eines intensiven Ringens angesichts gefährlicher Entwicklungen bedarf. Für diese Debatte ist es nicht hilfreich, wenn Kritikern von Olaf Scholz Befindlichkeiten und Gefühlslagen, dem Kritisierten aber nur politische Vernunft und Rationalität seiner Entscheidungen unterstellt wird. Olaf Scholz wäre nachgerade ein Unmensch, wenn sich sein Handeln nicht auch durch Gefühle und Befindlichkeiten leiten oder beeinflussen ließe. Rationalität und Emotionalität liegen sicher auf beiden Seiten vor. Im Folgenden neun kritische Hinweise.

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Paragraph 218: Noch ein Großkonflikt?

Foto, 1988: Unbekannt auf wikimedia commons

Die SPD- Bundestagsfraktion hat jetzt eine Position zu Schwangerschaft und Abtreibung bezogen, die Beginn eines großen, großen gesellschaftlichen Konflikts ein gutes Jahr vor einer Bundestagswahl werden könnte. Eine traditionell stärkere Verankerung der Sozialdemokratie in den Zweigen der christlichen Glaubensrichtungen als Grüne und Linke und FDP legen die Vermutung eines solchen Konflikts nahe. Die politisch Konservativen in den C-Parteien sind gegen eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs.

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Nützliche Idioten der völkischen Rechten

Umfragen in der deutschen Bevölkerung, das Verhältnis zu den Juden und Israel betreffend, zeigen über Jahre das gleichbleibende Bild. Jeder vierte Befragte stimmt der Aussage zu: Durch die israelische Politik werden mir die Juden immer unsympathischer. Auf über 30 Prozent Zustimmung bringt es der Satz: Israels Politik in Palästina ist genauso schlimm wie die Politik der Nazis im Zweiten Weltkrieg. Diese Daten der Leipziger Autoritarismus-Studie stammen vom vorletzten Jahr; das Massaker der Hamas an 1200 Jüdinnen, Juden und ihren Kindern geht in sie nicht ein. Vermutlich liegen die gemessenen Werte nun deutlich höher. Der Schock des Massakers hat längst nachgelassen, der Militäreinsatz im Gaza zieht die Empörung auf sich. Es ist eine weltweite Empörung. Ingo Elbes kritische Studie „Antisemitismus und postkoloniale Theorie“ seziert sie.

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Ein Lehrstück über die USA

Wie oft reiben wir uns die Augen über Nachrichten aus den Vereinigten Staaten, nicht nur über das TV-Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump, über so vieles, das hier im Namen von „freedom and democracy“ möglich ist bis hin zum Sturm auf das Capitol. Wer historische Zusammenhänge besser verstehen und nachvollziehen will, wie sehr mit Donald Trump andere Seiten der US-Geschichte zu Wort kommen und zur Tat schreiten, kann es in 80 Minuten auf Youtube. Der Bielefelder Soziologe Rudolf Stichweh spricht über

Autoritarismus und Polarisierung im politischen System der USA und die Wahl 2024„.

Zwei Völker am Abgrund

Bild, AI generiert: purpleivy auf Pixabay

Sie schreiben unter dem Druck eines grauenhaften Massakers, eines militärischen Vernichtungsfeldzuges, eines drohenden Mehrfrontenkrieges und einer nationalen wie internationalen Politik ohne Plan: Mit Elias Sanbar (77), dem ehemaligen Botschafter Palästinas bei der Unesco, und Ron Leshem (48), einem ehemaligen Geheimdienstoffizier Israels, Kriegsberichterstatter und in den USA lebenden Schriftsteller, greifen zwei Autoren mit Analysen in den militanten Konflikt ein, die bisherige Gewissheiten, Erwartungen und Hoffnungen auf Lösungen erschüttern. Der Palästinenser und der Israeli beschreiben zwei Völker am Abgrund, Sanbar in: „La dernière guerre? Palestine, 7 octobre 2023 – 2 avril 2024“ und Leshem in: „Feuer. Israel und der 7. Oktober“. Beide stellen Fragen, die derzeit politisch öffentlich kaum bis überhaupt nicht gestellt werden. Die wichtigste ist: Gibt es nach diesem Ausbruch von Hass und Gewalt eine Chance für einen jüdischen und einen palästinensischen Staat auf dem Gebiet des ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina, und wie sähen die Bedingungen aus?

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Das koloniale Erbe des Fußballs

Bananen flogen auf das Feld, von den Zuschauerrängen ertönten Affenlaute, als die ersten dunkelhäutigen Spieler in den europäischen Ligen auftauchten. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Funktionäre von Spitzenklubs wie auch Ehrenamtliche in Amateurvereinen engagieren sich gegen Rassismus. Kicker wie der Schwarze Nationalverteidiger Antonio Rüdiger sind bei den Fans weitgehend akzeptiert, sie werden in der Regel nach ihrer Leistung und nicht nach ihrer Hautfarbe beurteilt. Aber es ist noch nicht so lange her, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Alexander Gauland öffentlich verlauten ließ, einen Jerome Boateng wolle man lieber nicht zum Nachbarn haben. Dafür erntete er nicht nur von anderen Politikern, sondern immerhin auch in den Stadien heftigen Protest. Der Sportjournalist Ronny Blaschke hat ein Buch über das koloniale Erbe des Fußballs vorgelegt.

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Das Stadion, eine karnevaleske Sonderwelt

Foto: Patrik Meyer auf wikimedia commons

Deutschland und die Schweiz, genauer: die Fußballnationalmannschaften beider Länder (was in Fanblocks und Boulevardmedien fast dasselbe ist), treffen während der Vorrunde der Fußballeuropameisterschaft 2024 im Frankfurter Deutsche-Bank-Park aufeinander. Was sich auf dem Rasen und auf den Rängen abspielt, hat am Rande auch etwas mit Sport zu tun, sehr viel mit Wirtschaft, Politik, Massenmedien, Unterhaltung, Kultur. Der Sport-und Sozialwissenschaftler Robert Claus forscht zu Fanszenen, Hooligans und Männlichkeitsbildern und sagt im Interview mit Thomas Gesterkamp, Fußball symbolisiere für Teile der Gesellschaft nationale Stärke und Männlichkeit, wenngleich er sich inzwischen für mehr Vielfalt öffne.

Thomas Gesterkamp: Fußball ist ein milliardenschweres Geschäft, zugleich gibt es eine tiefe Sehnsucht nach weniger Kommerz. Zuletzt zu besichtigen bei den Tennisbällen, die gegen den Einstieg von Finanzinvestoren in die Bundesliga auf die Plätze geworfen wurden…

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Realpolitik auf Abwegen

Bild: Ramdlon auf Pixabay

Immer wieder ist zu lesen und zu hören, wer einen Waffenstillstand mit anschließenden Friedensverhandlungen in der Ukraine haben wolle, der müsse die Ukraine dazu bewegen, Realitäten anzuerkennen. Jüngst sagte der russische Präsident das. Er nannte als Bedingung für einen Waffenstillstand mit anschließender „Friedensregelung“ den Abzug der ukrainischen Streitkräfte aus den kompletten Regionen Donezk, Luhansk, Kherson und Zaporizhzhia. Komplett bedeutet: Auch die Teile, die von der ukrainischen Armee seit Anfang 2022 zurückerobert worden waren, sollen geräumt und der russischen Armee übergeben werden. Von der Krim redete Putin schon nicht mehr. Ähnliches ist, als Realpolitik verbrämt, in der Bundesrepublik zu lesen.

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Putins Realität und die Wirklichkeit

Bild: Asar Studios auf wikimedia commons

Russland sei bereit zu „Friedensverhandlungen auf dem Boden der Realität“ lässt Vladimir Putin verkünden, um dann sogleich realitätsferne Maximalziele zu nennen. Der Westen und die Ukraine haben Putins Forderung nach weiteren Gebietsabtretungen, Regimewechsel in Kiew, Demilitarisierung, Aufhebung der Sanktionen und Ausschluss einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft unmittelbar zurückgewiesen. Putins Maximalforderungen sind nicht nur völkerrechtswidrig und kompromisslos, sie haben nichts mit der Realität zu tun. Was ist die Realität am Boden?

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Selbstüberschätzte Kritik, unterschätzte Kritisierte

Foto: Joschi71 auf wikimedia commons

Kritik am Kanzler, der Bundesregierung und der Ampelkoalition ist eine demokratische Selbstverständlichkeit.  Nachvollziehbar und plausibel ist Kritik dann, wenn sie vor allem auf die politische Ratio und Rationalität der Entscheidungen und des Handelns der Kritisierten zielt und weniger Ausdruck einer Befindlichkeit (z.B. der Schmähung, Enttäuschung, Empörung etc.) der Kritiker ist. Wenn dann noch die Funktionslogik der Sozialen- und Massenmedien dazukommt, für die Erregung und Skandalisierung zum Daseinszweck zu gehören scheinen, werden Kanzler- und Koalitionsbeschimpfung schnell zum täglichen Brot der Öffentlichkeit. Die Kritiker tendieren dazu, die Bedeutung ihrer eigenen Befindlichkeiten zu überschätzen, während sie die Verantwortung und die Vernunft der Regierenden erheblich unterschätzen.

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Gestreikt für Lebenszeit. Erinnerungen an einen gesellschaftspolitischen Konflikt

Für die „Schrotter“ in Espenhain südlich von Leipzig war es ein bitterer Tag. Nach dem bisher längsten Streik der Industriegewerkschaft Metall in Sachsen verkündete Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Leipzig, am 13. Mai das Ende eines Arbeitskampfes in dem Schrott- und Recycling Betrieb SRW metalfloat. Seit dem 8. November 2023 streikten die rund 180 Beschäftigten für einen Tarifvertrag in ihrem Betrieb: Für acht Prozent mehr Lohn, eine Prämie von je 1500 Euro für den Urlaub und zu Weihnachten und für eine 38-Stunden-Woche. Aber die Sonne, mit der die IG Metall vor genau vierzig Jahren in Westdeutschland für die 35-Stunden-Woche und damit eine andere Verteilung von Lebens- und Arbeitszeit auf die Straße ging, ist in Espenhain untergegangen – und es wird auch in der aktuellen Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie bei Sonnenfinsternis bleiben. Christiane Benner und Nadine Boguslawski, die Erste Vorsitzende und die Tarif-Vorständin der IG Metall, informieren am 17. Juni 2024, also heute, in einer Online-Pressekonferenz über die Empfehlung für die Tarifforderungen:7 Prozent mehr Geld. „Begleitet werden sollen die Geldverhandlungen im Herbst von einer Debatte über das Thema Arbeitszeit.“

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Wähl was Gescheit’s. Sei kein Idiot

Bild: geralt auf Pixabay

Entscheidungsbedarf kennt jede Gesellschaft. Für die kollektiv verbindlichen Entscheidungen, an die sich alle zu halten haben, sorgt die Politik – im Bestfall demokratische Politik. Der Mensch ist als Zoon Politikon ein dafür begabtes politisches und soziales Wesen. Die Begabung, in staatlicher Gemeinschaft in Absprache mit anderen Möglichkeiten des guten Lebens auszuhandeln, wird von zwei anderen menschlichen (Un)Fähigkeiten bedroht. Diese negativen Potentiale sind der fehlende Sinn fürs Mitmachen und Miteinander und der bisweilen ausgeprägte Sinn für Feindschaften.

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