Probleme mit kapitalistischem Wasser

Foto: KI generiert

Spätestens mit Margaret Thatcher schwappte in den 1980er-Jahren die Privatisierungswelle über Europa hinweg. Ende der Nullerjahre lebte sie mit den Austeritätsforderungen nach der Bankenkrise nochmals auf. Griechenland musste damit Bekanntschaft machen, Italien auch. Auch so manche deutsche Stadt verkaufte Wohnungen und E-Werke. Private Unternehmen sollten Straßen, Strom, Wasser und Wohnen effizienter handhaben und die Kosten für die Allgemeinheit senken, so die Hoffnung. Gemeingut wurde zum Wirtschaftsgut erklärt. Der Austeritätsdruck verschärfte die Eurokrise, da ist man sich heute weitgehend einig. Den Kundinnen und Kunden hat es auch wenig gebracht. Jedenfalls, was die Wasserversorgung betrifft.

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„Mitte“ ist Merz nur noch in der eigenen Partei

Foto: Olaf Kosinski auf wikimedia commons

Ein gegebenes Wort zu halten ist ein Leichtes, wenn der Wortbruch keinen Vorteil verschafft. Das Versprechen kostet dann nichts, es gleicht einer edlen Geste. Ob das Versprechen etwas taugt und auf die schönen Worte etwas zu geben ist, erweist sich nur in einer Art Stresstest: Bleibe ich bei meinem Wort, auch wenn es mit Verzicht verbunden ist? Merz kann nicht verzichten; zu verlockend erscheint ihm der politische Gewinn, den er aus der Mordtat eines Wahnsinnigen ziehen will. Die Untat eines nicht Zurechnungsfähigen verlockt zu einer kühl kalkulierten Aktion eines Politikers, der sich sehr schlau dabei dünkt. Steht er vor einem Scherbenhaufen, oder geht sein Kalkül auf? Der 23. Februar wird es zeigen.

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Wieder groß, wieder vorn

Bild: KI generiert

Womit „Make America Great Again“ endet, beginnt „Wieder nach vorne“, der Wahlslogan der CDU. Trumps MAGA und die Merz-CDU sind, überflüssig zu sagen, nicht dasselbe, ziehen allerdings am gleichen Strang: der Wiederauferstehungs-Botschaft. Der CDU-Slogan kommt als abwaschbarer Werbespruch daher, versucht aber, ganz auf der Linie des neuen Grundsatzprogramms, eine Weichenstellung, wie sich an dem Zusammengehen mit braunen Remigrations-Politikern zeigt. Das „Wieder“ ruft alle drei Zeiten auf – die Gegenwart, viel schlimmer dargestellt, als es empirischen Fakten entspricht, eine Vergangenheit, glorreicher gemalt, als sie je war, und eine Zukunft, verheißungsvoller geschildert, als sie je sein wird. Der Plot der Wiedergroßwiedervorn-Erzählung umfasst Sündenböcke, die an der desaströsen Gegenwart schuld sind, und den Retter, der die Wiederkehr guter alter Zeiten in einer Zukunft verheißt, in der „wir wieder wer sind“, „wieder stolz sein können auf unser Land“.

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„Es ist leichtfertig, nicht mit dem Schlimmsten zu rechnen“

Gerade in diesen Tagen, in denen sich der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz parlamentarische Mehrheiten mit Hilfe der in großen Teilen als gesichert rechtsradikal eingestuften AfD verschafft und damit ein Tabu in der zweiten Demokratie Deutschlands bricht, ist die Lektüre des Buchs „Die Entscheidung, Deutschland 1929 bis 1934“ von Jens Bisky über das Ende der ersten deutschen Demokratie unverzichtbar. Bisky beschreibt die letzten Jahre der Weimarer Republik und zeichnet nach, dass der Aufstieg der Nazis kein Selbstläufer war, sondern dass sich das Land in die Hitler-Diktatur hineinmanövriert hat. Durch Fehlentscheidungen der anderen Parteien, des bürgerlichen Zentrums, der Sozialdemokraten, vor allem aber der Extremen auf der rechtsnationalen Seite, die glaubten die Nazis einhegen zu können. Und natürlich auch durch die Verblendung der Kommunisten, die lieber mit dem revolutionären Feuer spielten, als sich auf eine Verteidigung der Republik – schon gar nicht mit den Sozialdemokraten – einzulassen.

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Carl Goerdeler, ein rastloser, weitblickender Bürger im Widerstand

Carl Friedrich Goerdeler als Oberbürgermeister von Leipzig, circa 1932
(Foto: unbekannt; © Familie Goerdeler auf wikimedia commons)

Für die einen war er „Kopf“ und „Motor“ des bürgerlichen Widerstands gegen das NS-Regime und der bekannteste zivile Vertreter eines „anderen Deutschlands“; für andere ein Landesverräter, monarchistischer Antidemokrat und verschleierter Antisemit. Für mich war er der Großonkel aus der Rathenaustraße 23 in Leipzig-Leutzsch, der mich zu einer wachsamen Demokratin gemacht hat: Am 2. Februar jährt sich der 80. Todestag von Carl Friedrich Goerdeler. Sieben Monate nach dem missglückten Attentat auf den Diktator Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er in dem Schuppen des Berliner Gefängnisses Plötzensee als zum Tode verurteilter „Volksverräter“ an einem Haken erhängt. An diesem Mann, dem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, reiben sich namhafte Zeithistoriker und Widerstandsforscher bis heute. Für die Familie ist er der große Schatten, der sie begleitet, ermutigt, aber auch belastet.

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Schwarz und Blau-Braun im selben Takt

Bild KI generiert © Bruchstücke

CDU/CSU haben am 29. Januar 2025, unmittelbar vor einem Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung, im Deutschen Bundestag einen Antrag zur Migrationspolitik nur dank der Stimmen der AfD durchgebracht und die blau-braune Zustimmung billigend in Kauf genommen. Die AfD jubelt und sieht sich auf dem Weg zu einem schwarz-blauen Bündnis. Noch vor einem Jahr haben Hunderttausende gegen die Remigrationspolitik der AfD demonstriert, jetzt macht die Union (winzige Fußnote: die FDP auch) gemeinsame Sache mit ihr. Zu diesen beiden Befunden kommt die Geschichtswissenschaft immer aufs Neue: Es beschädigt die Demokratie schwer und stärkt den Rechtsradikalismus nachhaltig, macht die rechte bürgerliche Mitte mit Rechtsradikalen gemeinsame Sache.

Merz schenkt der AfD die Chance, auf die sie schon lange wartet

Kluge Leute vermeiden die High-Noon-Situation; weniger kluge führen eine solche Situation herbei: Du oder ich, die oder wir, jetzt!
Der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Friedrich Merz, hat eine solche Situation herbeigeführt. Er will in dieser Woche im Deutschen Bundestag eine Entscheidung über die künftige Schutzgewährung an den Grenzen der Bundesrepublik herbeiführen. Wie auch immer sie zustande komme und bei Ausschluss jeglicher Kompromisse. So seine Worte.

Wird keine Mehrheit aus den beiden C-Parteien und Teilen der bisherigen Ampelfraktionen gebildet, dann wird eine Mehrheit aus den beiden C-Parteien und der AfD sowie wahrscheinlich aus Teilen des Bündnisses Sahra Wagenknecht zusammenfinden. So sieht die Sache aus.

Der Kanzlerkandidat der beiden christlich firmierenden Parteien schenkt, ja schenkt der  AfD die Chance, sich in einer der schwierigsten politischen Fragen als nützlich, ja als derzeit nicht ersetzbar darzustellen. Das ist die Chance, auf welche die AfD-Führung seit längerem wartet. Diese Führung wird sagen können: Sehr her, wenn man uns lässt, führen wir zusammen mit anderen, überraschend vernünftig Gewordenen das deutsche Volk, Land und  Staat aus einer Schicksals-Gefahr heraus. Das könnte deren „Lyrik“ und Melodie für den Rest der Wahlkampfzeit und darüber hinaus sein.

Ich weiß nicht, was in den nächsten Tagen noch geschieht. Diese Tage können aber so ablaufen, dass darin der Beginn von etwas Neuem steckt. Und dieses Neue ist dann das Ende des – wenngleich schmaler gewordenen – antinazistischen Weges der Bundesrepublik Deutschland.

Wie gesagt: Kluge Leute vermeiden die High-Noon-Situation; weniger…..

Screenshots: X

Was Politik kann und wovor sie sich hüten sollte

Bild: KI generiert

Die Parteien wirken an der demokratischen Willensbildung des Volkes mit (Art. 21 GG). Mitwirken heißt aber nicht, die alleinige Zuständigkeit für alles Politische zu haben. Politik kann viel – aber eben nicht alles. Der Verdruss gegenüber der Politik entsteht auch daraus, dass von der Politik selbst der Eindruck erweckt wird, auch da Abhilfe schaffen zu können, wo sie objektiv an ihre Grenzen stößt. Einige Beispiele sollen das verdeutlichen.

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Der spekulative Irrweg des kreditfinanzierten Generationenkapitals

Bild: geralt auf Pixabay

Angesicht demografischer Herausforderungen und wachsender Staatsverschuldung mehren sich Stimmen, die auf ein Absenken des Rentenniveaus oder eine Erhöhung des Renteneintrittsalters als unabweisbares Gebot der Generationengerechtigkeit drängen. Die Gerechtigkeitsdebatte wird von reich gegen arm auf alt gegen jung verschoben. Mit dem kreditfinanzierten Generationenkapital plante die gescheiterte Koalition das Verteilungsprobleme mit Gewinnen am Aktienmarkt zu entschärfen. Wegen des Koalitionsbruchs liegt die Idee vorerst auf Eis, aber es steht zu befürchten, dass sie die Regierungskrise überlebt, obwohl sie weder zur Generationengerechtigkeit noch zur nachhaltigen Finanzierung der Renten beiträgt.

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Der Mythos der intelligenten Maschine

Kürzlich wies mich ein guter Freund auf den Text „Der Fluch der grünen Nummer alias Hotline“ von Claudio Magris in dem Band Schnappschüsse hin. Darin findet sich folgender Satz: „In Wirklichkeit wohnt dem technischen Fortschritt unvermeidlich der Drang inne – mit seiner Macht, seiner Notwendigkeit, sie ständig zu multiplizieren, und seiner Unmöglichkeit, stehenzubleiben – der Kontrolle des Individuums zu entfliehen.“ Ein irritierender Satz, schließlich kehrte er George Orwells Leitgedanken in 1984 um. „Wer will hier wessen Kontrolle entfliehen,“ fragte ich mich, „die Medien den Individuen?“. „Offenkundig“, dachte ich, „nicht die Individuen wollen der Kontrolle der Technik und Medien entfliehen, sondern umgekehrt!“

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Der eigene Murks von gestern soll heute zum Wahlsieg verhelfen

(Screenshot, bearbeitet: CDU-Website)

Die Brillanz des Slogans und die des beworbenen Kandidaten sind deckungsgleich. Die Merz-CDU zieht mit Wieder nach vorne in den Wahlkampf. Vorne, erschließt sich sofort, ist dort, wo die Parteien der Ampel nie hinreichen. Friedrich Merz hat an Elon Musks Diagnose des völlig zerrütteten Deutschlands eigentlich nichts auszusetzen. Nur die als Therapeut auserkorene Partei stört. Die AfD wiederum teilt Merz‘ Krisenrhetorik. Deutschland, kranker Mann Europas, die Parole der Nullerjahre, ist wieder da. Der heutige kranke Mann leidet vor allem am Phantomschmerz. Heute suchen anderthalb Millionen Arbeitsplätze nach Besetzung, während damals fünf Millionen Arbeitskräfte nach Beschäftigung suchten. Der DAX notiert nahe seines Allzeithochs, und die Inflation nahe der von der Zentralbank angepeilten Größe. Eine veritable Krise an die Wand zu malen und sich als trouble shooter zu plakatieren, ist die Wahlkampfstrategie.

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Europa unter Druck, Deutschland ohne Kompass am Scheideweg

© Federal Election Commission/Christof Leisinger auf infosperber

Es ist dies ein Tag, der Gänsehaut macht, der einen schaudern und schauern lässt – weil man mit diesem Mann nicht in einem Bündnis sein will, weil man nicht glauben möchte, dass so einer ein Anführer einer Welt sein kann, die man früher „die freie Welt“ nannte.
[prantls-blick@newsletter.sueddeutsche.de]

Die heiße Wahlkampfphase hat begonnen. Alle Parteien haben ihre Wahlprogramme beschlossen, ihre Positionen konkretisiert und zugespitzt, ihre Spitzen- oder Kanzlerkandidaten:innen nominiert. Die Zeit für den Wahlkampf ist kurz, aber gerahmt von internationalen Ereignissen, die seinen Verlauf und sein Ergebnis entscheidend beeinflussen können. In der Nacht zum 24. Februar werden Sieger und Verlierer feststehen, aber keine neue Regierung. Einige Skizzen des Denk- und Machbaren angesichts der sichtbaren blau-braunen Überholmanöver.

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Comeback für das milliardenteure Abenteuer Atomkraft?

Bild: Elionas auf Pixabay

Atomkraftwerke: Sie sind unfassbar teuer, belasten mit ihrem Müll Generationen und sind dankbare Ziele für Terroristen und Militärs. Trotzdem wird weiterhin, nicht nur in Deutschland, an einer Renaissance gebastelt. Die Lobbyisten haben zwei Ziele im Blick: die Wiederinbetriebnahme bereits abgeschalteter Atomkraftwerke und die Entwicklung neuer Kraftwerks-Generationen, Kleinreaktoren und Fusionsmaschinen. Mit diesen Zielen haben sie es in die Wahlprogramme von CDU/CSU, AfD und FDP geschafft. In atompolitischer Hinsicht ist die Übereinstimmung der vier Parteien komplett. Bei beiden Zielen lohnt ein Blick ins Nachbarland Frankreich, der europäischen Atommacht.

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Von der Personalisierung zur Verschwörung – ein Katzensprung

Foto: Cherubino auf wikimedia commons

Klaus West [„Alter und neuer Glaube an große Männer“] und Wolfgang Storz [„Verfluchte Personalisierung?“] sind sich nicht einig, was von Personalisierung zu halten sei. Ist sie problematisch, irgendwie irreführend oder vorteilhaft, sogar nützlich? Keine Gedanken machen sie sich darüber, woher sie kommt. Weshalb sollten sie auch! Seit der Glaube an übermenschliche und überirdische Kräfte weitgehend abhanden gekommen ist, werden Ereignisse ebenso wie ihr Ausbleiben mit größter Selbstverständlichkeit dem Handeln oder dem Unterlassen von Personen zugeschrieben. Dass die Folgen des Handelns nicht immer Absicht gewesen sein müssen, wird dabei zur Kenntnis genommen und unter „Irren ist menschlich“ abgehakt. Personalisierung dürfte ein klassisches Beispiel dafür sein, wie wenig unsere ach so aufgeklärte, der Vernunft verpflichtete Gesellschaft sich in ihrem Normalbetrieb dafür interessiert, wie sie funktioniert. Personalisierung ist eines der Märchen, die die Moderne über sich erzählt.

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Die linke Frau Schwerdtner, der böse Herr Bäte, merkwürdige Medien

Preisfrage: Wenn Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender Allianz, zweierlei vorschlägt, was wird dann der Themen-Brecher, über den alle reden: Karenztage oder Erbschaftssteuer? Oliver Bäte ist im Prinzip ein ganz, ganz böser Kapitalist. Weil er als Vorstandsvorsitzender der Allianz vermutlich gar nicht anders kann. Deshalb hat er vor einigen Tagen — natürlich im Handelsblatt — diesen Vorschlag gemacht: Beschäftigte in Deutschland seien auffällig oft krank, weshalb, wie einst in den siebziger Jahren, am ersten Krankheitstag kein Lohn bezahlt werden soll. Die einen sind begeistert, die anderen regen sich auf – aber alle reden nur darüber. Natürlich auch die linke Frau Schwerdtner, als sie auf einer Pressekonferenz für ihre Partei ihren Wahlkampfknüller „Die antifaschistische Wirtschaftspolitik“ steigen lässt.
Auch Ines Schwerdtner stand und steht so sehr im Bann der Karenztag-Debatte, dass sie im Konzert mit fast allen Medien, im Konzert mit fast allen Parteien und Politikern die zweite Idee des bösen Kapitalisten – Überraschung! – einfach links liegen ließ.

Denn zeitgleich mit dem Karenztag schlug Bäte auch das vor, was das exklusiv publizierende Handelsblatt stolz so intonierte: „‘Links‘ dürfte ein Attribut sein, das die Wenigsten mit Oliver Bäte in Verbindung bringen.“ Er fordere eine härtere Besteuerung von Erben. Diese Steuer würde er gerne deutlich anheben; in Verbindung mit höheren Freibeträgen, so dass beispielsweise ein Einfamilienhaus steuerfrei an die Familie vererbbar sei. „Mir geht es darum, die Menschen zu besteuern, die sehr komfortabel leben können, ohne einen einzigen Tag gearbeitet zu haben“, so der Chef des Dax-Konzerns exklusiv im Handelsblatt. Bäte spricht sich für eine gestaffelte Erbschaftsteuer, beispielsweise ab einem Vermögen von einer Million Euro aus; eine Vermögensteuer lehnt er allerdings ab. Aber immerhin.
Übrigens präsentierte Bäte sich bereits im vergangenen Oktober auf einer Konferenz in Berlin als heller kritischer Geist, als er nicht nur der Politik gegenüber kritisierte: „Wir haben in Deutschland die Infrastruktur verfallen lassen, einer Verschlechterung des Bildungssystems zugesehen, und wir haben sehr hohe Ausgaben für Gesundheit.“ Aber vermutlich ist Herr Oliver Bäte von der Allianz für Frau Ines Schwerdtner von der Linken ein so arg Böser, dass sie wie alle anderen ‚das Linke‘ an ihm verschweigen muss.

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