Streik macht Arbeit sichtbar

Screenshot: Twitter

Ein paar Randnotizen zum „Monster-Streik“, zum „schlimmsten Streik seit 31 Jahren“, zu dem „Megastreik, vor dem Deutschland zittert“, der „das ganze Land lahmlegt“. Arbeitsleistungen zu verweigern, wird seit jeher als eine Provokation wahrgenommen: Arbeit soll gehorchen. Streiks werden in nicht wenigen Ländern bis heute von Polizei und Militär niedergeknüppelt. Wer kennt in der modernen Sozialgeschichte einen Streik, der in der Öffentlichkeit, der vom Journalismus begrüßt und befürwortet worden wäre? Unsere Gesellschaft und mit ihr der Journalismus schaut durch die Brille der Wirtschaft auf die Arbeit. Medien haben keine Arbeitsredaktion, sondern eine Wirtschaftsredaktion. So ein Streik verändert die Sichtverhältnisse. Streiks machen die Arbeit sichtbar.

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Die Deutsche Bahn blamiert ihre Mitarbeiter:innen

Foto: Túrelio auf wikimedia commons

Das Ticket, käuflich erstanden, verspricht mir eine Bahnfahrt von Zürich HB mit Umstieg in Basel SBB nach Frankfurt a.M.. Die Schweizerischen Bundesbahnen sind für die Reise von Zürich bis Basel verantwortlich, in Basel SBB soll ein ICE der Deutschen Bahn (DB) übernehmen und mich zusammen mit anderen Fahrgästen nach Frankfurt bringen. Damit geben sich die Schweizerische und Deutsche Bahn kooperativ die Hand. Alles bestens, wir fahren pünktlich ab.

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Präzise, analytisch und emphatisch

Die Hölle, so wusste Jean-Paul Sartre, «das sind die Anderen». In eine besondere Spielart dieser Hölle versetzt uns die Demokratie, die uns als Staatsform nicht nur ein großes Versprechen politischer Freiheit gibt, sondern auch die Zumutung auferlegt, die «Anderen» mit all ihren abweichenden Meinungen, Bedürfnissen und Interessen tatsächlich zu ertragen. Ja, Demokratie ist mitunter anstrengend, langwierig, nicht selten ermüdend. Sophie Schönberger, Parteienforscherin und Professorin für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, lässt Sartre gleich zu Beginn ihres Essays zu Wort kommen, um sich auf den folgenden Seiten ergiebig dem Zustand unserer demokratischen Wirklichkeit zu widmen: präzise, analytisch und emphatisch.

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Der Taube und die Lauten

Bild: gregroose auf Pixabay

Eigentlich wollte Emmanuel Macron nach seiner Wiederwahl alles anders machen. Der ehemalige Investmentbanker und Wirtschaftsminister verkündete, in seiner zweiten fünfjährigen Amtszeit nicht wie Jupiter über den Wolken zu schweben, kein Präsident der Reichen, sondern nahbarer zu sein und hinzuhören, was sein zwischen Wut und Resignation schwankendes Volk bewegt. Nach einem Jahr hat sich am Regierungsstil des 45jährigen wenig geändert: Koste es, was es wolle, zieht er seine Rentenpläne durch, die Dreiviertel der Beschäftigten ablehnen. Warum pocht er schroff, drohend und politisch alles riskierend auf die Anhebung der Altersgrenze von 62 auf 64, auf 43 Jahre Beitragszahlungen für eine abschlagsfreie Rente und bringt seit zwei Monaten von Lyon bis Lille Millionen gegen sich auf die Straße?

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CDU/CSU: Das letzte Aufbäumen der Nuklearisten

Bis zum letzten Tag der Nutzung von Atomenergie in Deutschland versucht eine einflussreiche Lobby, den schlussendlichen Vollzug des Atomausstiegs zu verhindern. Nachdem sie schon im Februar einen entsprechenden Antrag eingereicht hatte, legte die Bundestagsfraktion der CDU/CSU am 14. März einen eigenen Gesetzentwurfzur Sicherung bezahlbarer Stromversorgung“ vor, den das Parlament kurz darauf in erster Lesung behandelte. Darin wird „das bisherige Enddatum für den Leistungsbetrieb von Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland auf den 31. Dezember 2024 verschoben„. Dies soll aber nur ein vorläufiges Datum sein: „Der Deutsche Bundestag entscheidet bis spätestens zum 30. September 2024 über eine weitere Verlängerung der Befristung„. Angeblich ändere das „nichts an der grundsätzlichen Entscheidung zur Beendigung der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Deutschland„. Der unfreiwillig komische Satz kann kaum verbergen, dass in der Union von den Erkenntnissen nach Fukushima nichts mehr vorhanden ist. Hier hat Friedrich Merz Angela Merkel gründlich abgeräumt.

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Rückkehr zum Völkerrecht oder Präventivkrieg als Dauerzustand

Bild: Okan Caliskan auf Pixabay

Gut ein Jahr nach Beginn des Putinschen Angriffskrieges gibt es ein diffuses Bild, was die Parteinahme für die Kriegsparteien anbelangt. Während der Westen, militärisch verkörpert durch die NATO, eindeutig die Ukraine unterstützt, verhalten sich viele Staaten des Globalen Südens ausgesprochen indifferent und abwartend, was eine Verurteilung Russlands anbelangt.

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Diplomatisch tut sich einiges

Foto: Kwerdenker auf wikimedia commons

„Natürlich fragen sich Viele, ob dieser opferreiche Krieg nicht ein Ende haben soll. Er ist auch schwer auszuhalten. Aber Wunschdenken führt gerade nicht zum Frieden, sichert ihn auch nicht in Deutschland“, urteilt der Osteuropa-Experte Andreas Wittkowsky im Interview mit Wolfgang Storz und betont: „Diplomatisch tut sich übrigens einiges. Westliche Regierungen reden nicht nur mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seiner Regierung. Hinter den Kulissen wird auch ausgelotet, ob sich Russland bewegt.“

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„Russland muss spüren, dass es den Krieg verloren hat“

Natalia Chorewa lebt mit ihrer Tochter und ihrem Mann in der ukrainischen Hauptstadt. Mit Ludwig Greven spricht sie über ihren Alltag im Krieg, warum sie sich auch nach über einem Jahr nicht an die ständigen militärischen Angriffe gewöhnen will, und über Friedensaufrufe in Deutschland.
In diesen Tagen hatten wir wieder drei- oder viermal Raketenalarm, genau zähle ich das nicht mehr. Wir versuchen, so viel Normalität zu leben wie möglich. Die Cafés, Restaurants, Clubs und Geschäfte sind voll, die Menschen gehen zur Arbeit, die U-Bahnen fahren. Es gibt allerdings weiter Strombeschränkungen, weil die Russen unsere Infrastruktur angreifen und zerstören. Die meisten Raketen und Drohnen fängt zum Glück unsere Flugabwehr ab. Aber jeden Tag sterben viele vor allem junge Ukrainer in den Kämpfen im Osten und Süden.

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Reaktoren und Raketen: Wir sollten reden. Eine Replik

Bild: Elionas auf Pixaby

In seinem Beitrag „Vero und die Atombombe“ setzt sich Detlef zum Winkel kritisch mit meinem Auftritt in dem HR-Podcast „Studio Komplex“ über Pazifismus und Ukraine auseinander. Er bildet dabei zwei Thesen: Erstens, „Sie macht den Melnyk“, das heißt, ich trommelte im Stil des ehemaligen ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk für eine ukrainische Atombewaffnung. Zweitens, mein Motiv sei verwerflich. Ich täte das, weil ich eine „Publizistin“ sei, die „die vehement für Atomkraft eintritt“ und die angesichts des in diesem Jahr vollzogenen deutschen Atomausstiegs nun nach neuen Betätigungsfeldern Ausschau halte, inklusive neuer Grenzüberschreitungen zwecks Erzeugung von Aufmerksamkeit. Das ist, um es kurz zu machen, ein Argumentum ad hominem, das auf die Delegitimierung meiner Person abzielt, um auf diesem Wege auch meine fachliche Position zu entwerten bzw. sich erst gar nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen.

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Vier Männerakte für einen Männerfilm

Foto: Amdrewcs81 auf wikimedia commons

Wer sich über einen Film informieren will und zu diesem Zweck im Netz sucht, der landet rasch bei „Moviepilot“. Und wer ferner fragt, ob vor allem Männer sich Kriegsfilme anschauen, der findet die lakonische Moviepilot-Antwort: „Die besten Kriegsfilme -Männerfilm.“ Mit Blick auf die neue Verfilmung des Remarque- Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“ sagte der Militärhistoriker Sönke Neitzel: „Die Filmemacher müssten sich viel mehr damit beschäftigen, wer solche Filme guckt. Das sind bei Kriegsfilmen in der Regel Männer.“
Ähnliches konnte man 2004 bereits im Spiegel lesen: Gewalt, Krieg verändere bei Männern die Körperchemie: „Wird auf der Leinwand geballert und gestorben, schießen männliche Hormone in die Blutbahn.“ Demnach hat ein deutscher Männerfilm in Hollywood nun vier Oscars verliehen bekommen. Ein Film, für den sich eine Hälfte der Menschheit nicht besonders interessiert. Ist das irgendwie fortschrittlich oder so enorm beachtenswert?

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Wenn SUV ein Staat wären…

Was ist die größte Gefahr für die Demokratien? Der australische Politologe John Keane nennt »die Zerstörung der lebendigen planetarischen Umwelt« als die langsamste und zugleich beunruhigendste »Form des Demozids«. Umweltschocks seien »manchmal durch beängstigende Quanteneigenschaften gekennzeichnet, die einen eigenen Willen zeigen«, schreibt Keane im Eurozine. Aber das sei »noch nicht alles. Es gibt noch weitere, unmittelbar zu beobachtende 
antidemokratische Auswirkungen der Verwüstung unseres Planeten«. Folgen der Klimakrise würden als katastrophische Ereignisse »das Gewebe aus Vertrauen und Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft durch Gier und Korruption, Angst und Krankheit« zerreißen, der Ausnahmezustand werde in einer Welt, in der »Extremwetterereignisse« keine Ausnahme mehr sind, »normalisiert«.

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Wider dumme Bilder. Resilienz? Renitenz!

Cover-Collage: Robert C. Müller

Was haben Resilienz und Regenschirm miteinander zu tun außer den gleichen Anfangsbuchstaben? Was hatten die Gestalter:innen der vielen Publikationen zum Megathema Resilienz im Sinn, als sie mit der Kreativität eines Einfaltspinsels Regenschirme aufspannten und zum Symbol für Resilienz machten?

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Bröckelt Putins Machtbasis? „Nein“

Bild: lorilorilo auf Pixabay

„Hören wir auf das, was Putin gesagt hat. Er bestreitet die Existenz der Ukraine und spricht ihr folgerichtig jedes Existenzrecht ab. Taktische Rückzüge, von der Ukraine militärisch erzwungen, ändern daran nichts.“ So schätzt Gernot Erler – drei Jahrzehnte als SPD-Außen- und Sicherheitspolitiker im Bundestag, von 2003 bis 2006 und von bis 2014 bis 2018 Russland-Beauftragter der Bundesregierung – das Kriegsziel des Kreml ein. Im Interview mit Wolfgang Storz äußert er sich über die militärische Logik, von der Putin und Selensky zur Zeit bestimmt seien, wie auch zu Fragen nach Friedensverhandlungen und der Wirkung von Sanktionen.

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Slums, Kehrseite des Kasinokapitalismus

Foto: ameeq auf Pixabay

Weltweit wohnen rund 1,2 Milliarden Menschen in Slums, schätzt die Weltbank, mehr als zweieinhalbmal so viel wie die Europäische Union Einwohnerinnen und Einwohner hat. César Rendueles schreibt in „Soziophobie. Politischer Wandel im Zeitalter der digitalen Utopie“ (Berlin, Suhrkamp, 2015, S. 15-18):
“Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts leben zum ersten Mal in der Geschichte mehr Menschen in städtischen Ballungsräumen als auf dem Land. […] Der sich gegenwärtig durchsetzende urbane Raum besteht aus diffusen, hyperverelendeten Siedlungen, die keine einzige jener Eigenschaften aufweisen, die wir normalerweise mit ‚Städten‘ assoziieren. Es handelt sich um Agglomerationen ohne klar Umrisse, Straßen, Wasser- und Stromversorgung oder auch nur Häuser im traditionellen Sinne.“

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Wenn der Staat tötet. Neue Debatte um Todesstrafe

Protest gegen die Todesstrafe, organisiert von Amnesty International und Acat France, Paris 2008 (Foto: World Coalition Against the Death Penalty auf wikimedia commons)

»Du sollst nicht töten!« Gegen dieses Gebot zu verstoßen, gilt weltweit als schlimmes Verbrechen. Sieht ein Staat in seiner Rechtsordnung aber die Todesstrafe vor, ist die Tötung legitimiert. Ein Grundwiderspruch, der besteht, solange es die Todesstrafe gibt. Doch die historischen Legitimations-Argumente verlieren – zumindest in der westlichen Welt – an Zustimmung.

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