Wenn SUV ein Staat wären…

Was ist die größte Gefahr für die Demokratien? Der australische Politologe John Keane nennt »die Zerstörung der lebendigen planetarischen Umwelt« als die langsamste und zugleich beunruhigendste »Form des Demozids«. Umweltschocks seien »manchmal durch beängstigende Quanteneigenschaften gekennzeichnet, die einen eigenen Willen zeigen«, schreibt Keane im Eurozine. Aber das sei »noch nicht alles. Es gibt noch weitere, unmittelbar zu beobachtende 
antidemokratische Auswirkungen der Verwüstung unseres Planeten«. Folgen der Klimakrise würden als katastrophische Ereignisse »das Gewebe aus Vertrauen und Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft durch Gier und Korruption, Angst und Krankheit« zerreißen, der Ausnahmezustand werde in einer Welt, in der »Extremwetterereignisse« keine Ausnahme mehr sind, »normalisiert«.

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Wider dumme Bilder. Resilienz? Renitenz!

Cover-Collage: Robert C. Müller

Was haben Resilienz und Regenschirm miteinander zu tun außer den gleichen Anfangsbuchstaben? Was hatten die Gestalter:innen der vielen Publikationen zum Megathema Resilienz im Sinn, als sie mit der Kreativität eines Einfaltspinsels Regenschirme aufspannten und zum Symbol für Resilienz machten?

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Bröckelt Putins Machtbasis? „Nein“

Bild: lorilorilo auf Pixabay

„Hören wir auf das, was Putin gesagt hat. Er bestreitet die Existenz der Ukraine und spricht ihr folgerichtig jedes Existenzrecht ab. Taktische Rückzüge, von der Ukraine militärisch erzwungen, ändern daran nichts.“ So schätzt Gernot Erler – drei Jahrzehnte als SPD-Außen- und Sicherheitspolitiker im Bundestag, von 2003 bis 2006 und von bis 2014 bis 2018 Russland-Beauftragter der Bundesregierung – das Kriegsziel des Kreml ein. Im Interview mit Wolfgang Storz äußert er sich über die militärische Logik, von der Putin und Selensky zur Zeit bestimmt seien, wie auch zu Fragen nach Friedensverhandlungen und der Wirkung von Sanktionen.

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Slums, Kehrseite des Kasinokapitalismus

Foto: ameeq auf Pixabay

Weltweit wohnen rund 1,2 Milliarden Menschen in Slums, schätzt die Weltbank, mehr als zweieinhalbmal so viel wie die Europäische Union Einwohnerinnen und Einwohner hat. César Rendueles schreibt in „Soziophobie. Politischer Wandel im Zeitalter der digitalen Utopie“ (Berlin, Suhrkamp, 2015, S. 15-18):
“Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts leben zum ersten Mal in der Geschichte mehr Menschen in städtischen Ballungsräumen als auf dem Land. […] Der sich gegenwärtig durchsetzende urbane Raum besteht aus diffusen, hyperverelendeten Siedlungen, die keine einzige jener Eigenschaften aufweisen, die wir normalerweise mit ‚Städten‘ assoziieren. Es handelt sich um Agglomerationen ohne klar Umrisse, Straßen, Wasser- und Stromversorgung oder auch nur Häuser im traditionellen Sinne.“

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Wenn der Staat tötet. Neue Debatte um Todesstrafe

Protest gegen die Todesstrafe, organisiert von Amnesty International und Acat France, Paris 2008 (Foto: World Coalition Against the Death Penalty auf wikimedia commons)

»Du sollst nicht töten!« Gegen dieses Gebot zu verstoßen, gilt weltweit als schlimmes Verbrechen. Sieht ein Staat in seiner Rechtsordnung aber die Todesstrafe vor, ist die Tötung legitimiert. Ein Grundwiderspruch, der besteht, solange es die Todesstrafe gibt. Doch die historischen Legitimations-Argumente verlieren – zumindest in der westlichen Welt – an Zustimmung.

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One dollar, one vote

Offizieller Bildtitel: „IMF family“
(Foto: babella auf wikimedia commons)

Hört man die Warnungen derer, die oft als »Entscheider« tituliert werden, so befindet sich der Weltmarkt in Auflösung. Die Globalisierung, heißt es, schreite rückwärts, es drohe »Fragmentierung«, also eine Aufteilung in konkurrierende Handelsblöcke mit den USA, Europa und China als entgegengesetzten Polen. Dies unterminiere auch die Institutionen der globalen Kooperation. Doch während die Welthandelsorganisation WTO in einer Dauerkrise steckt, erweist sich die zweite Säule der Nachkriegs-Weltwirtschaftsordnung als bemerkenswert stabil: der Internationale Währungsfonds (IWF). Er verfügt über immer größere Mittel und weitet sein Engagement stetig aus. Dies liegt an seiner Funktion als Krisenmanager, die in unruhigen Zeiten an Bedeutung gewinnt – für das globale Geschäft sowie für jene Mächte, die ihn seit Jahrzehnten kontrollieren.

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Katzenklo macht Kernkraft froh

Dies ist die Geschichte eines Nuklearunfalls im US-Bundesstaat New Mexico. Obwohl es der erste schwere Unfall in einem unterirdischen Endlager für Atommüll war, fand das Ereignis weltweit und speziell in Deutschland kaum Beachtung. Dabei ist es eine aufschlussreiche Geschichte, wenn man verstehen will, wie sich Atomkatastrophen ankündigen und schließlich tatsächlich passieren. In der geheimnisvollen Welt des Nuklearen geht es nämlich genauso zu wie überall anders auch. Das heißt, dass immer irgendwo irgendetwas schiefgeht. Im Fall des Waste Isolation Pilot Plant (WIPP), der Pilotanlage zur Entsorgung von Abfällen aus dem US Atombomben-Programm, summierten sich kleine Unachtsamkeiten und aufgeschobene Erledigungen zu einem Ereignis, das eigentlich erst in vielen tausend Jahren hätte stattfinden dürfen. Am späten Abend des 14. Februar 2014, 22:50 Uhr Ortszeit, klingelte das Telefon in der Leitstelle von WIPP, keine fünf Meilen von der Kleinstadt Carlsbad im Bundesstaat New Mexico entfernt.

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#TOMORROWISTOOLATE: Endlich die erste große sozial-ökologische Allianz

Wird es eine Eintagsfliege bleiben oder Schule machen? Hand in Hand machen ver.di und Fridays for Future aus diesem 3. März 2023 ein brisanten Tag. In öffentlichen Aktionen verwirklichen Gewerkschaftsmitglieder und Umweltaktivist:innen, was in der wissenschaftlichen und politischen Kommunikation seit Jahrzehnten angemahnt und eingefordert wird: Dass nur sozial-ökologische Allianzen den großen Transformationsbedarf unserer Gesellschaft, wie er in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen beschrieben wird, auf einen erfolgversprechenden Weg bringen können. „Im Schulterschluss rufen wir von Verdi und Fridays for Future diesen Freitag gemeinsam dazu auf, auf die Straßen zu gehen. Beschäftigte aus dem Nahverkehr und Klimabewegte, alle zusammen, für eine klima- und sozial gerechte Mobilitätswende“ heißt es in einem „Gastbeitrag zum gemeinsamen Streikaufruf“ von Verdi-Chef Frank Werneke und Luisa Neubauer.
Ernährung, Wohnen, Verkehr, Gesundheit, Bildung – die sozialen und ökologischen Krisenszenarien haben dieselben Ankerpunkte, aber die alten sozialen und die neuen ökologischen Bewegungen der Zivilgesellschaft lassen sich immer wieder auseinander dividieren. Ihre Zerrissenheit trägt dazu bei, dass Armut und soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und Klimakrise unseren Planeten für Milliarden Menschen zu einem immer weniger bewohnbaren Ort machen. „Klimabewegung und Gewerkschaft lassen sich längst nicht mehr gegeneinander ausspielen. Wir verstehen, dass wir nur gemeinsam die Klimaziele von Paris einhalten und eine sozial und ökologisch gerechtere Gesellschaft schaffen können“, schreiben Werneke und Neubauer. Ob es ein PR-Text ist oder eine ernst zu nehmende politische Botschaft, wird sich erst erweisen müssen.

Deutschlands Arbeitgeber wittern bereits „eine gefährliche Grenzüberschreitung“. Große Unternehmen treffen tagtäglich wirtschaftliche Entscheidungen mit weitreichenden und tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Auswirkungen. Aber ihr oberstes Verbandsfunktionär moniert, es würden „Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele miteinander vermischt“, und prangert einen „politischen Streik“ an, wenn ver.di und Fridays for Future zusammen für eine klima- und sozial gerechte Mobilitätswende auf die Straße gehen. Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall.

 

Die Vergangenheit nicht »bewältigen«, sondern vergegenwärtigen

„Der Führer als Tierfreund“ (Bild: Adrian Drozdek auf wikimedia commons)

Der Historiker Götz Aly hat sich der Aufklärung der NS-Verbrechen verschrieben. Ein neues Buch versammelt seine wichtigsten Reden, Aufsätze und Vorträge der vergangenen Jahre. Eine lesenswerte Lektüre: aufklärend, klug und – aktuell. Nein, Hitler war nicht über die Deutschen gekommen, sagt Götz Aly, Deutschland war zu Hitler gekommen. Es hat ihn gewählt, verehrt und bejubelt.

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Warum hat bei den Gewerkschaften niemand den Mumm, groß zu denken?

Foto: Edward Kimmel auf wikimedia commons

„Viele Konzerne, egal in welcher Branche, verteilen ihre oft exorbitanten Gewinne nach einem ‚asozialen‘ Muster kreuz und quer über die Welt“, sagt Klaus Lang im zweiten Teil des Interviews mit Wolfgang Storz. „Die Gewinne sollen, egal wo erwirtschaftet, in Ländern verrechnet werden, in denen die Steuern am niedrigsten, Gewerkschaften schwächer und die Beschäftigten weniger an Gegenwehr interessiert sind. So bitter das ist: Ohne globale Regeln der Umverteilung wird es unmöglich, den unternehmerischen Reichtum fair zu verteilen, nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Nationalstaaten. Teil eins endete mit der Feststellung, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt, Stichwort Arbeitskräftemangel, die gewerkschaftlichen Möglichkeiten verbessert, die vierte industrielle Revolution human und sozial zu gestalten.

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Gute Arbeit: 28-Stunden-Woche mit Lohnausgleich

Klaus Lang

„Ich halte zwei Themen für herausragend, die beide in den Gewerkschaften auch schon diskutiert werden: Die Regelarbeitszeit wird verkürzt, in Form einer Vier-Tage- oder einer 28-Stunden-Woche [siehe aktuell 05-04-2023]. Und: Die arbeitenden Menschen müssen im Arbeitsprozess viel mehr als bisher zu sagen haben, viel mehr als bisher im Arbeitsalltag mitentscheiden können“, sagt Klaus Lang im Interview mit Wolfgang Storz, das Bruchstücke in zwei Teilen publiziert. Teil zwei erscheint unter dem Titel „Warum hat bei den Gewerkschaften niemand den Mumm, groß zu denken?

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Die Politik, die ‚wir‘ wollen, bleibt nebulös

Es ist ein halbes Jahrhundert her, dass die (heute immer noch) größte Industriegewerkschaft der (freien) Welt zu einer Internationalen Arbeitstagung nach Oberhausen bat. Auf Einladung des Ersten Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Metall, Otto Brenner, kamen vom 11. bis 14. April 1972 Politiker, Intellektuelle, Zukunftsforscher und Gewerkschaftsführer aus aller Welt zusammen, um über die „Qualität des Lebens“ als „Aufgabe Zukunft“ nachzudenken. Die männliche Form ist bewusst gewählt, denn unter den Rednern befand sich keine einzige Frau. In einer Reihe von zehn Taschenbüchern dokumentierte die Europäische Verlagsanstalt diese außergewöhnliche Veranstaltung. Vereinzelt noch tauchen sie in Antiquariaten auf: Bildung (Band 2), Umwelt (Band 4), Qualitatives Wachstum (Band 7) oder Demokratisierung (Band 8). Kommen heutigen Leserinnen und Lesern diese Themen nicht bekannt vor?

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Vero und die Atombombe

Screenshot: hr iNFO

Der Hessische Rundfunk hat einen Kanal für Podcasts unter dem Titel STUDIO KOMPLEX eingerichtet. Hier werde „Show gewordener Journalismus“ dargeboten, heißt es in der Selbstdarstellung. Auch wolle man „die schmerzhaften Graubereiche des Lebens“ ergründen. Von dieser Programmankündigung, die in der Tat schon Pein bereitet, weil sie wie Durchschnittsware von Werbeagenturen verfasst ist, haben sich Hörer:innen des hr nicht abhalten lassen. So mussten sie eine unheimliche Entdeckung machen.

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Iran, Atom, das Interesse von Siemens und die deutsche Politik. Ein Vortrag

Der iranische Staatschef stimmte dem Atomabkommen unter Vorbehalt zu
Bild: Unknown auf wikimedia commons

Von Tagesschau bis Handelsblatt berichten (nicht nur) deutsche Medien, Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hätten im Iran Uran mit einem Reinheitsgrad gefunden, der mit 84 Prozent nur knapp unter dem zum Bau einer Atombombe nötigen Wert liege. Die UN-Atomenergiebehörde prüfe nun die Hintergründe. Über die Hintergründe der Hintergründe hatte Detlef Zumwinkel im Dezember 2022 bei der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Frankfurt a. M. einen Vortrag gehalten, den Bruchstücke in zwei Teilen dokumentiert hatte. Aus aktuellem Anlass präsentieren wir den gesamten Vortrag.

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„Leute kauft Hering, so fett wie der Göring“

Bild: scanned by NobbiP auf wikimedia commons

Der Karneval, der Fasching, Fastelovend, Fasteleer, wie auch immer die „tollen Tage“ im Februar genannt werden, sie sind eine verdammt ernste Angelegenheit. Es ist nämlich so: Beim Geld und im Karneval hört der Spaß rasch auf. Dass das so ist, merkt Mensch am Streit um selbigen. So hatte das Kölner Arbeitsgericht 2018 festzustellen, wie lange der Kölner Fasteleer überhaupt dauert. Andere würden sagen: anhält beziehungsweise: nervt. Der dauert von Donnerstag („Wiivefastelovend“) bis zum nächsten Mittwoch (Aschermittwoch), allerdings nicht den vollen Donnerstag. Die Deutsche Welle, gewissermaßen die Speerspitze der weltweiten Information über die deutsche Kultur, hat nachgerechnet. Sie kam 2019 bezüglich der Dauer des Karnevals auf 132 Stunden und 49 Minuten.

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