Jugendliche auf der Suche nach Sinn und Zugehörigkeit

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Alarmierende Entwicklungen: Knapp drei Millionen junge Erwachsene im Alter von 20 bis 34 Jahren verfügen über keinen beruflichen Abschluss. Jeder vierte bis fünfte Schüler (seltener Schülerin), der jetzt die Schule verlassen hat, verzichtet auf eine Lehre und will – oder soll? – nur Geld verdienen. Und hinzu kommt: 56 000 Jugendliche (oder knapp über sieben Prozent eines Jahrgangs) haben die allgemeinbildenden Schulen ohne den niedrigsten Abschluss, den der Hauptschule, verlassen. Die erschreckend hohen Zahlen haben Bildungs-und Arbeitsmarktforscher in den letzten Wochen und Monaten vorgelegt, warnend und mahnend angesichts von fehlenden fachlich ausgebildeten Menschen im Handwerk, im Handel, in den Dienstleistungen und von unbesetzten Lehrstellen. Was geschieht da in den Schulen und beim Übergang in die Berufsbildung?

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Der Sozialstaat, die sehr alte Dame Zeit und eine ewig junge Debatte

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Dem früheren, 2018 verstorbenen Bundesarbeitsminister Herbert Ehrenberg wurde ein mit hoher Wahrscheinlichkeit erfundenes, sprachlich auf seine ostpreußische Einfärbung zielendes Bonmot nachgesagt. Er soll im Bundestag erklärt haben: Meine Damen und Herren, wie jeht´s denn weiter mit die Renten? Es jeht ja weiter mit den Renten. Und wenn es weiterjeht, dann jehts ja. Wie gesagt, wahrscheinlich mehr oder weniger jut erfunden. Ehrenberg war von 1976 bis 1982 Bundesarbeitsminister. Der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung lag während seiner Amtszeit auf 18 Prozent. Heute liegt der Beitragssatz bei 18,6 v.H. So schrecklich groß ist die Differenz also nicht.

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Im Wagen vor mir sitzt nur die KI

Die Tesla-Saga einer autonomen Fahrt von Küste zu Küste und ein aktueller Test: Zwei Influencer scheitern mit einem Model Y und der Full-Self-Driving-Software nach nicht einmal 100 km auf der großen Reise in die Zukunft. Marketing und Realitäten klaffen weit auseinander. Statt selbstfahrendem Wunderwerk ein gebrochenes Fahrwerk und ein Versprechen, das seit Jahren im Graben liegt.

„Der Kampfpanzer ist etwas libidinös Besetztes“

Screenshot: Website Deutsches Panzermuseum Munster

Der Soziologe und Militärexperte Lutz Unterseher lehnt die deutschen Aufrüstungspläne ab, er versteht sich aber nicht als Pazifist. Unterseher schlägt eine gemeinsame europäische Armee vor, die nicht nur verbal, sondern auch strategisch rein defensiv ausgerichtet ist. Das verringere die Kriegsgefahr und sei zudem viel kostengünstiger. Nicht fünf, wie derzeit postuliert, sondern lediglich ein Prozent der Wirtschaftsleistung würden dafür benötigt, erläutert er im Interview mit Thomas Gesterkamp.

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Zum Welttag des Friedens im Alltag der Kriege

Bild: VectorOpenStock auf wikimedia commons

Am 1. September wird in Deutschland alljährlich der Antikriegstag begangen. Anlass ist Hitler-Deutschlands Überfall auf Polen als Beginn des 2. Weltkriegs. In Demonstrationen wurde in diesem Jahr Israel angeklagt und Russland „vergessen“, in vermeintlicher Gleichheit der Stopp von Waffenlieferungen an Israel und die Ukraine gefordert. Dominierend waren Parolen wie „Nie wieder Faschismus“ und „Nie wieder Krieg“, zu Recht. Denn Krieg ist allgegenwärtig, der Faschismus hebt in Europa und den USA an allen Ecken und Enden sein Haupt.. Kaum im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist der 21. September als Welttag des Friedens, von der UNO-Generalversammlung 1983 ausgerufen und seit 2001 auf den 21. September festgesetzt. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „act now for a peaceful world“.

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Die große Volksgemeinschaft des Zerstörens, Mordens, Eroberns

Screenshot: Youtube

In den 1950er Jahren wirbt das Waschmittel Persil mit einer Zeichentrick-Reklame, in der ein Marine-Matrose verdreckten Pinguinen die Bäuche wieder strahlend reinwäscht. Immer mehr Pinguine springen daraufhin an Bord und rufen im Chor ”PERSIL – PERSIL- PERSIL! “… Dabei recken sie die Flügel wie weit ausgestreckte Arme. Mit stolzgeschwellter Brust defilieren sie schließlich in Reih und Glied an Land, zu Marschmusik singend: ”Ja, unsere weiße Weste verdanken wir PERSIL!” Die Deutschen haben ihren Humor also noch nicht verloren, oder schon wiedergefunden. In Fridolin Schleys Roman Die Verteidigung, in dem er die Ereignisse um den Nürnberger Wilhelmstraßen-Prozess in ein fesselndes Drama über Moral und Verantwortung verwandelt, taucht die Reklame für blütenweiße Wäsche kurz auf – als filmische Metapher, die veranschaulicht, wie die »Entnazifizierung« schon frühzeitig funktionierte.

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Die intellektuelle und politische Kraft des Peter Glotz

Foto: Engelbert Reineke auf wikimedia commons

Der Medienwissenschaftler, Sozialdemokrat und langjährige SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz starb vor 20 Jahren. Seine Mahnungen an die eigene Partei, seine Befürchtungen zu kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa und seine frühen Warnungen vor der nicht bezähmbaren Macht zukünftiger Tech-Giganten sind erstaunlich aktuell. Sie machen noch einmal deutlich, welche politische und intellektuelle Kraft in dem Denker mit der hohen Stirn steckten.

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„Bloquons tout“: Schafft es Lecornu bis zur Regierungserklärung?

Kann ein Land wie Frankreich regiert werden, wenn es in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von Misstrauen und einer allseitigen Blockade („bloquons tout“ ) beherrscht wird? Wenn „Kompromiss“ zum Schimpfwort wird? Vor drei Jahren ist Emmanuel Macron zwar als Präsident zum zweiten Mal für fünf Jahre gewählt worden, aber er verlor bei den anschließenden Wahlen zur Nationalversammlung die absolute Mehrheit: Vier (la oder le) premiers ministres haben seither versucht, im Palais Bourbon eine Rentenreform oder ein Budget auf geordnetem parlamentarischem Weg und nicht über ein Ausnahmerecht zu verabschieden. Elisabeth Borne, Gabriel Attal, Michel Barnier und François Bayrou sind gescheitert – entweder an Macron (durch vorschnell vorgezogene Neuwahlen im vorigen Jahr) oder am Misstrauensvotum der Rechts- und Linksextremen im Parlament (Barnier). Oder an einer selbst beantragten Vertrauensfrage, von der Bayrou wusste, dass er sie verliert: Im Scheitern nach neun Monaten ein trotziger Abgang eines alten Politkämpen der liberalkonservativen Mitte.

Nun also der fünfte Premier, Macrons getreuer Gefolgsmann Sébastien Lecornu (39), die „letzte Patrone“ des unbeliebten Staatspräsidenten, wie von Rechtsaußen gelästert wird. So jung er ist, Lecornu ist seit zwanzig Jahren Berufspolitiker (vom Bürgermeister bis zum Verteidigungsminister) und kein Absolvent einer der elitären Kaderschmieden. Er pflegt diskreten Umgang von sehr weit rechts bis zu den Sozialisten, aber ob er die Blockaden auflösen und die Wut auf der Straße befrieden kann? Die Medef (Mouvement des entreprises de France), der sturköpfig-mächtige Arbeitgeberverband, lehnte im Juni ein weites Entgegenkommen der pragmatischen Gewerkschaft CFDT in der Frage ab, die die Gesellschaft nach wie vor besonders umtreibt, die Rentenfrage. Ob die Sozialisten ihre „taxe Zucmann“ durchsetzen können (eine zweiprozentige Steuer für die 1.800 Haushalte, die über ein Vermögen von über 100 Millionen Euro verfügen)? Ob überhaupt ein Sparhaushalt in diesem hochverschuldeten und von den Ratingagenturen herabgestuften Land bis Ende Dezember verabschiedet werden kann? Niemand weiß es. Am 2. Oktober will Lecornu im Parlament seine Regierungserklärung abgeben. Wenn er es bis dahin überhaupt schafft.
 

Stimmenkauf und Lobby-Filz in der Confoederatio Helvetica (CH)

Anzeigenmotiv zum Schweizer Volksentscheid am 21.5.2017, bei dem sich die Mehrheit für ein AKW-Neubauverbot entschied.

Im Frühsommer hat der trinationale Atomschutzverband TRAS seine Studie zur Bedrohungslage in Deutschland durch die Schweizer Altmeiler vorgestellt, im Spätsommer geistern Träume von AKW-Neubauten am Hochrhein durch die Presse. Die ZEIT titelte «Das Risiko tragen die Nachbarn» und zitierte TRAS-Vorstand Stefan Auchter (BUND Freiburg), der vor einer Zementierung der bereits bestehenden Import-Abhängigkeit der Schweizer Atomwirtschaft von der russischen Brennstoff-Lieferkette warnte. Seit dem Volksentscheid vom 21. Mai 2017 gilt in der Alpenrepublik ein AKW-Neubauverbot. Doch diesen Beschluss wollen Atom-Missionare unter anderem aus dem Umfeld der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) die mit Albert Rösti auch den Energieminister stellt, wieder kippen. Brisant dabei ist zweierlei: Stimmenkauf und Lobby-Filz.

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Welch ein Mut in Zeiten brutaler Gewalt

Freiheit wäre, nicht zwischen Schwarz und Weiß zu wählen, sondern aus solcher vorgeschriebenen Wahl herauszutreten.“ Mit diesem Satz des deutsch-jüdischen Philosophen Theodor W. Adorno, geschrieben im kalifornischen Exil, publiziert in den Minima Moralia, wendet sich der 1954 in Zürich geborene israelische Wissenschaftler José Brunner an seine Leserinnen und Leser. „Brutale Nachbarn. Wie Emotionen den Nahostkonflikt antreiben – und entschärfen können“ ist der Titel seines Buches, das jetzt in Deutsch und bisher nur in Deutsch erschienen ist. Eindringlich beschwört er auf knapp 300 Seiten, „sich nicht mit der einen oder anderen Seite zu identifizieren“. Und führt fort: „ Lassen Sie sich durch die Opferdiskurse beider Seiten weder abschrecken noch verführen.“

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„Zölle korrigieren das Handelsdefizit jedenfalls nicht“

Foto: Syadthabigo auf wikimedia commons

Die zweite Amtszeit des US-Präsidenten Trump werde eine erhebliche Schieflage für die US-Wirtschaft bedeuten und eine tiefgreifende Veränderung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen mit sich bringen, „denn alle Industrieländer werden tendenziell Handel und Auslandsinvestitionen einschränken“, sagt der spanische Wirtschaftswissenschaftler Rafael Myro im Gespräch mit Klaus West, der auch die Übersetzung aus dem Spanischen besorgte. Die Unkenntnis des Unternehmers Trump in Wirtschaftsfragen sei sehr groß, betont Myro. „Erstens ermöglicht die unternehmerische Tätigkeit keinen vollständigen Überblick über das Verhalten einer Wirtschaft und die Wechselbeziehungen zwischen ihren verschiedenen Bereichen und Akteuren. Zweitens hat sich Trumps Praxis als Unternehmer auf das Baugewerbe und Spekulationsgeschäfte beschränkt. Drittens hört er seinen Beratern nicht besonders aufmerksam zu. Und viertens sind einige von ihnen nicht besonders brillant.“

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Stürzt bei der FR auch noch der Säulenheilige?

Karl Gerold (Screenshot FR |Fotograf: Kurt Weinerundatiert © FR / Kurt Weiner)

Interessieren Sie sich (ein bisschen) für links- oder sozialliberalen Journalismus, dessen Elend und Glanz, für seine Gefäße wie taz, konkret, Freitag, Neues Deutschland, Frankfurter Rundschau (FR) — dann lesen Sie weiter, droht doch bei der Frankfurter Tageszeitung — wenige Tage vor den Feierlichkeiten zum heutigen 80.Geburtstag — bisher erfolgreich Verdrängtes ans Tageslicht zu dringen. Muss die Geschichte der FR, ganz ohne Tagebücher, in Teilen neu … . Die letzten 25 Jahre war meist die Gegenwart dieser Zeitung turbulent, und jetzt die Vergangenheit… . Alles eben zu seiner Zeit.

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Das Buch der Triaden

Wie Scharfsinn und analytische Kraft in sprudelnden Ideen ertrinken und mit uferlosem Schreiben zugeschüttet werden, dafür hat „Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität“ 2011 ein 780seitiges Beispiel geliefert. Im Deutschlandfunk bescheinigte Ariadne von Schirach den Autoren Markus Metz und Georg Seeßlen, „die obszöne Totalität einer blödmaschinenenvermittelten Wirklichkeit“ verleite sie „zu einem ebenfalls obszönen Exzess an Kritik“. Thomas Neumann schrieb, problematisch werde das Buch nur, „wenn die brillante Analyse in undifferenziertes Geschwätz übergeht“. Inzwischen ist „Blödmaschinen II. Die Fabrikation der politischen Paranoia“ erschienen. Nicht halb so dick, genau so gestrickt. Den Verdacht, dass Verblödungs- und Verschwörungserzählungen verwandt sein könnten, hat Hans Magnus Enzensberger schon vor rund 40 Jahren formuliert. Schauen wir genauer hin.

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Eine Ideengeschichte des Grundeinkommens trifft viele alte Bekannte

Ein garantiertes soziales Grundeinkommen zur Abwendung von Notlagen ist in Deutschland als Sozialhilfe, als Arbeitslosengeld II bzw. neuerdings Bürgergeld oder als Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit als fester Bestandteil der sozialen Daseinsvorsorge etabliert. Es gibt Debatten über die Höhe, die Gestaltung und die Konditionalität des sozialen Grundeinkommens. Aber dass man so etwas in einer entwickelten Gesellschaft braucht, ist unumstritten. Das ist nicht überall so. In Italien etwa wurde ein garantiertes „Bürgereinkommen“ erst 2019 eingeführt. Bis dahin waren Menschen in Not auf private Netzwerke und ihre Familien angewiesen, um Hilfe zu bekommen. In Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien ist die finanzielle Grundsicherung noch ein relativ neues Thema. Aber es gibt hier durchaus schon eine Reihe von Erfolgsgeschichten, etwa die „Bolsa Familia“, die in Brasilien 2004 in der ersten Amtsperiode des Präsidenten Lula da Silva eingeführt worden war. Selbst in Entwicklungsländern mit niedriger Wirtschaftskraft gibt es inzwischen eine Reihe von Ansätzen für eine Mindestsicherung. Im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015, in denen die Bekämpfung von Armut höchste Priorität hat, haben Überlegungen in diese Richtung weltweit neuen Schub bekommen.

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