Gebt mir, gebt mir ein Leitbild

Um Kärnten zumindest topografisch von slawischen Ursprüngen abzugrenzen, gibt es die Karawanken. Dahinter, so die Befürchtung, könnte in Slowenien das kärntnerischste Kärnten sein. Die Slowenen wiederum werden von einigen im Vielvölkerland Jugoslawien als piefige ›Deutsche‹ verunglimpft. Weiter südlich wird es auf dem Balkan gänzlich unübersichtlich Für Nichteingeweihte. Aus dem Schmelztiegel Jugoslawien ist seit dem Tod des Staatsgründers Tito (wieder) ein Pulverfass unterschiedlichster Identitäts- und Nationalitätsvorstellungen geworden. Da hilft nur noch Kunst, um die festgelegten Weltbilder gänzlich zu irritieren. Für Aufsehen und Hören sorgt seit Anfang der 80er Jahre die Rockband ›Laibach‹ als lautstarker Kern des Künstlerinnenkollektivs »Neue Slowenische Kunst« (NSK).

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Tickt der ländliche Raum weitrechts?

Die letzten Wahlergebnisse der AfD belegten nicht nur deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch ein signifikantes Gefälle zwischen Großstädten und der Provinz. In ländlich geprägten, weit von den Ballungsgebieten entfernt liegenden Regionen sind extrem konservative oder gar rechtsextreme Einstellungen sowie die dahinter steckenden autoritären Haltungen offenbar weiter verbreitet. Das gilt auch für das Thema Antifeminismus: Althergebrachte patriarchale Geschlechterbilder und festgelegte Rollenzuschreibungen passen perfekt zur Romantisierung der guten alten Zeit und eines harmonischen Landlebens – einer Welt, die (scheinbar) noch in Ordnung ist. Johanna Niendorf, Fiona Kalkstein, Henriette Rodemerk und Charlotte Höcker arbeiten gemeinsam am Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig. Mit ihrem Sammelband, an dem zahlreiche weitere Autor*innen beteiligt waren, gehen die Wissenschaftlerinnen einen Überblick über ein bislang wenig untersuchtes Forschungsfeld: Wie hängen Autoritarismus und Provinzialität zusammen?

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»Wir verändern die Erde auf zehntausende Jahre hinaus«

Waldbrand in der Gohrische Heide, von Glaubitz aus gesehen
(Foto, 3. Juli 2025: Mosbatho auf wikimedia commons)

Wo stehen wir? Es werden extreme Temperaturen in aller Welt registriert. Laut ECMWF (European Center for Medium-Range Weather Forecasts) war der Juni 2025 global der drittwärmste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – knapp ein halbes Grad wärmer als der Monatsdurchschnitt der Jahre 1991bis 2020 und etwa 1,3 Grad Celsius wärmer als der geschätzte vorindustrielle Juni-Durchschnitt von 1850 bis 1900. Vierzehn der letzten 24 Monate lagen deutlich über 1,5 Grad darüber. Die jüngste Hitzewelle in Westeuropa ist nach einer Studie des Imperial College London um bis zu vier Grad heißer ausgefallen und hat so auch die Zahl der Hitzetoten erheblich ansteigen lassen. „Über 50 Grad Celsius. Türkei meldet Hitzerekord.“

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Olivgrün im Vormarsch

Foto: Kürschner auf wikimedia commons

2023 fanden in Deutschland die “Invictus Games” statt. Das Sportereignis, gesponsert vom Flugzeugbauer Boeing, verfolgte auch ein durchaus honoriges Ziel: Mit Hilfe der ausgetragenen Wettbewerbe sollte sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Leid von Kriegsversehrten richten. Darüber berichtete auch das Aktuelle Sportstudio im Zweiten Deutschen Fernsehen. Eingeladen waren der gediente Verteidigungsminister Boris Pistorius sowie der britische Prinz Harry, der einst im Irak seinen Militärdienst absolvierte. Zwei weitere Ex-Soldaten traten auf: Der eine hatte bei seinem Einsatz in Afghanistan beide Beine verloren, der andere berichtete über seine andauernde posttraumatische Belastungsstörung.

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Die Sozialpolitik braucht dringend neue Impulse

„Soziales Unternehmertums“ stärker zu beachten und besser zu fördern, wird als probates Mittel zur Überwindung der Innovationsschwäche und der oft enttäuschenden Wirksamkeit der Sozialpolitik empfohlen. Seit den späteren 1990er Jahren gab es eine Vielzahl von Initiativen auf europäischer wie auf nationaler Ebene, unternehmerische Elemente im Bereich sozialer Interventionen im weiteren Sinne zu entwickeln, nicht nur im Bereich staatlich programmierter und finanzierter sozialer Praxis, sondern auch im Bereich zivilgesellschaftlichen Engagements und sozial verantwortlicher Unternehmensführung in der Wirtschaft. Die Literatur zum sozialen Unternehmertum in Wissenschaft und sozialpolitischer Praxis ist inzwischen nur noch schwer zu überschauen. Das Handbuch „Social Entrepreneurship in Deutschland“ gibt einen guten Überblick über konzeptionelle Ansätze, den fachlichen Entwicklungsstand und Problemfelder bei der Umsetzung sozialunternehmerischer Initiativen.

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„Das BVerfG ist kein verlängerter Biertisch der Nation“

Foto: Evilboy auf wikimedia commons

„Einen Kommentar zur derzeit schwebenden Wahl eines Richters und zweier Richterinnen an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abzugeben, fällt mir nicht leicht, weil man sich den Betroffenen fachlich wie menschlich verbunden fühlt. Der beschämende Umgang mit dem Wahlvorgang und zwei fachlich offenkundig hervorragend geeigneten Kolleginnen hat viele empört – auch mich. Empörung ist aber nie ein guter Ratgeber. Die Causa bietet jedoch einen Anlass, sich die rechtliche Funktion des Wahlverfahrens, dessen ungeschriebene Voraussetzungen und damit die Gelingensbedingungen von überzeugenden Richterwahlen näher anzusehen“, schreibt Klaus Ferdinand Gärditz auf dem Verfassungsblog. Bruchstücke dokumentiert seinen Beitrag

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Katholische Kulturkämpfer in Hochform

Katholische Pfarrkirche St. Martinus, Nottuln, Kreuzwegstation aus der Zeit des Kulturkampfs im 19. Jahrhundert mit dem Portrait Bismarcks als römischer Soldat, 3. v. l. (Bild: Westerdam auf wikimedia commons)

Das Drama oder Trauerspiel der gescheiterten Wahl neuer Verfassungsrichter im Deutschen Bundestag hat viele Aspekte. Es zeigt ein eklatantes Führungsversagen der Fraktionsspitze von CDU/CSU. Es offenbart auch die Einflussnahme von Repräsentanten der katholischen Kirche in einer Intensität, die schon lange nicht mehr erlebt wurde, und öffnet das Verfahren der Richterwahl zu einem Feld gesellschaftspolitischer, kulturkämpferischer Auseinandersetzung. Die aktuellen Interventionen der Kirche sind in Ton und Form ungewöhnlich und erheben einen Anspruch, der verkennt, so der Verfassungsrechtler Alexander Thiele, dass „das Grundgesetz keine ‚christliche’ Verfassung“ ist.

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Aggressor Putin hart entgegentreten, Daddy Trump beschwichtigen?

Der klassische Appeasement-Fall, das Münchner Abkommen
(Foto, 29. September 1938: Unbekannt auf wikimedia commons)

Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine warnen Politiker, Experten, Journalisten und bekehrte Friedensaktivisten davor, Putin zu appeasen. Sie argumentieren, dass autoritäre Führer nicht mit netten Worten oder Zugeständnissen gestoppt werden können, sondern nur mit dem klaren Willen zum Widerstand. Gewalt müsse mit Gewalt beantwortet werden. Während Richtung Putin viel von Appeasement gesprochen wird, wo es keins gibt, ist kaum ein Wort von Beschwichtigungspolitik zu hören, wo sie, Richtung Trump, stattfindet.

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Auschwitzprozess: Eine Spurensuche im historischen Saal

Teil der Gedenkinstallation am Frankfurter Saalbau Gallus an die Auschwitz-Prozesse, entworfen von Michael Sander
(Foto, 2021: Spitzahorn auf wikimedia commons)

Vor sechzig Jahren endete in Frankfurt der Auschwitzprozess, den der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer initiiert hatte. Gegen 20 Angeklagte wurden am 19. und 20. August 1965 die Urteile verkündet. An diesen Einschnitt in der bundesdeutschen Justizgeschichte erinnerte jetzt der Förderverein Fritz Bauer Institut e.V. am historischen Ort, dem Frankfurter Saalbau Gallus. „Gelungene Aufarbeitung?“ hieß die Veranstaltung, die Dieter Wesp für den Förderverein organisiert hat. Mit ihm und dem Zeitzeugen Peter Kalb, der als junger Frankfurter Student die Zeugen, Überlebende der Vernichtung in Auschwitz, betreut hatte, sprach Jutta Roitsch.

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Eine hundertjährige Blödmaschine

Am 18. Juli 1925 erschien die Erstauflage von Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“. Bis heute ist es das meisterverkaufte Buch deutscher Sprache. Nach dem Krieg wurde der Nachdruck verboten. Heute findet sich eine kommentierte digitale Fassung im Internet. „Als glückliche Bestimmung gilt es mir heute, dass das Schicksal mir zum Geburtsort gerade Braunau am Inn zuwies. Liegt doch dieses Städtchen an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint!” So beginnt „Mein Kampf“.

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Das Pathos des Atheismus

Bild: Jack Ryan auf wikimedia commons

Facebook mag für Theoriedebatten kein geeigneter Ort sein, aber vermutlich ist es einer, um Formen des Alltagsbewusstseins nachzugehen. Neulich die Gretchenfrage im Forum Philosophie, eine rege, von einer Federzeichnung eröffnete Debatte um Atheismus und Religion. Zwei Rücken an Rücken Sitzende in Denkerpose, darunter zugeordnet die Zeilen Philosophy: Questions that may never be answered. Religion: Answers that must never be questioned. Die Religionsallegorie zeigt eine ihr Kreuz lässig unter den Arm haltende Jesuskarikatur. Zu Wort melden sich etwa 70, um Orthographie meist unbesorgte Diskussionsteilnehmer. Ein verschwindender Teil nur nimmt Partei für die heftig attackierte religiöse Sache. Dann fallen Formulierungen, die auf eine Art Privatreligion hindeuten. So das 13. Statement: Wenn du nicht Gott anbeten willst, bete das Universum an und verbinde dich damit. Es ist Fakt dass alles schwingt, alles Energie und Frequenzen ist. Wenn du durch Gedanken und Positiv bist, schwingst du auf diese Ebene und du bekommst was du willst. Das Leben wird schöner. Die Kraft der Anziehung.

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Das (menschliche) Leben, die Würde und die Kandidatin

Menschenwürde (in der Deutschen Einheitskurzschrift)
Bild: Thirunavukkarasye-Raveendran auf wikimedia commons
Frauke Brosius-Gersdorf hat inzwischen eine Stellungnahme publiziert.
Siehe auch „Stellungnahme zur Causa ‚Frauke Brosius-Gersdorf‚“

Um was geht es beim Streit über die Neu- und Nachbesetzung dreier Sitze des Bundesverfassungsgerichts? Pardon: Um eine Neu- und Nachbesetzung, denn zwei Vorschläge sind für eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag offenkundig nicht strittig. Aber da die drei Vorschläge in einem „Paket“ stecken, wird vorläufig niemand gewählt. Begonnen hat – über eine durchaus angesehene Wissenschaftlerin initiiert – eine Menschenwürde-Debatte.

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Inklusion statt Aussonderung, Mobbing, Stigmatisierung

Auch auf Youtube

Diese Schule steht für ein reformpädagogisches Konzept von Inklusion. Ihr langjähriger Leiter blickt im Interview mit Thomas Gesterkamp zurück auf zähe politische Auseinandersetzungen. Reinhard Stähling leitete zwei Jahrzehnte lang die heutige Primus-Schule Berg Fidel-Geist in Münster. Sie liegt in einem von Hochhäusern und Einwanderung geprägten Ortsteil im Süden der ansonsten sehr bürgerlich geprägten westfälischen Großstadt. Der in den Kinos erfolgreiche Dokumentarfilm Berg Fidel – Eine Schule für alle stellte vor gut zehn Jahren das wegweisende inklusive Schulkonzept vor. Den Begriff “Inklusion” interpretiert das reformpädagogisch orientierte Team sehr weitreichend: Neben Kindern mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen schließt es durch Krieg, Flucht und Armut Traumatisierte explizit mit ein. Viele stammen aus Roma-Familien und leben in den Unterkünften der Nachbarschaft.

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Jens Spahn – unfähig oder berechnend

Foto:Olaf Kosinsky auf wikimedia commons

Das Desaster um die RichterInnen-Wahl hat an der Oberfläche eine politisch-handwerkliche Dimension und darunter eine tiefgreifende, die daran erinnert, dass diese Republik überraschend schnell vor tektonischen Verschiebungen stehen kann.
Wie die aktuellen Medien und die PolitikerInnen in ihren ersten Stellungnahmen kann man/frau sich auf das Handwerkliche konzentrieren: „Das geht auf die Kappe von Unionsfraktionschef Jens Spahn. Der Ärger wäre vermeidbar gewesen“, kommentiert Der Spiegel. Aus einer solchen Beschreibung leitet sich die berechtigte Frage ab: Jens Spahn ist erfahren und intelligent. Wenn dieser Ärger – Ärger? Auf die Idee, einen Tabubruch so zu verharmlosen, auf die muss man erst einmal kommen – vermeidbar gewesen wäre, warum hat Spahn ihn nicht vermieden?

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Männer – kollektiv privilegiert, persönlich unsicher

Die Soziologin Sylka Scholz legt eine Bestandsaufnahme der Männlichkeitsforschung vor. Ein Schwerpunkt sind die Verbindungslinien zu Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Als Lehrbuch konzipiert, bietet es anregendes Material zur Geschichte eines unterbelichteten Fachgebiets. Analysiert werden zunächst Schlüsselbegriffe wie hegemoniale Männlichkeit, männlicher Habitus und männliche Sozialisation. Scholz liefert einen Überblick über die wichtigsten Bereiche der Konstruktion von Männlichkeiten wie Erwerbsarbeit, Vaterschaft, Paarbeziehung, Migration und Rechtspopulismus. Auch neuere alternative Ansätze wie Queer- und Transtheorien hat die Autorin eingearbeitet.

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