Die Unverbesserlichen

Atommülllager Gorleben: Schutztrupp für Castor-Transporte, 05.03.1997
Foto: ©Kurt Hamann

Zwischen Wut und Trotz bewegen sich die Reaktionen der Nuklearlobby angesichts der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke. Sie verstehen die Welt nicht mehr, weil sie es gewohnt waren, als Besserwisser und Alleskönner aufzutreten, denen eine ängstliche, weil unwissende Gesellschaft Folge zu leisten hätte. Lange Zeit hat ihnen die Politik jeden Wunsch erfüllt, während der mediale Mainstream die vermeintlichen Wunderwerke der Technik pries. Als eine rot-grüne Bundesregierung vor zwei Jahrzehnten den ersten Ausstiegsbeschluss fasste, waren die Nuklearisten zuversichtlich, dass sich in einem so langen Zeitraum Einiges ändern würde. Sie sollten recht behalten, Union und FDP waren ihnen 2010 zu Diensten, doch ein SuperGAU in Japan machte den Ausstieg aus dem Ausstieg alsbald zunichte. Und wieder bekam die Atomwirtschaft eine 11-Jahresfrist, um ihre nächste Renaissance zu organisieren. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert, unter anderem weil sich eine CDU-Kanzlerin kein zweites Mal täuschen lassen wollte.

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„Wir wollen leben, frei und schuldenfrei“

Bild: geralt auf Pixabay

Die Finanzwirtschaft, „die sich gibt, als würde sie getrennt von Körpern, unabhängig von Arbeit existieren“, übe Gewalt aus, sagt Luci Cavarello im Gespräch mit Caroline Kim. Das Vordringen der Finanzwelt in immer breitere Bereiche der sozialen Reproduktion mache aus Gesundheit, Bildung, Ernährung, Wohnen, Kommunikation ein Geschäft, treibe vor allem Frauen, die unbezahlte Arbeit leisten, in die Verschuldung.
Perspektiven, die den herrschenden Sichtweisen fremd sind, Argumente, die der Mainstream kaum kennt, zeigt Luci Cavallero auf – wie auch die Wirtschaftszeitung OXI, von der bruchstücke das Interview übernommen hat. Über die Lage von OXI.Wirtschaft anders denken informiert Chefredakteurin Kathrin Gerlof im Anschluss an das Interview. [at]

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Wie’s Gescherr, so der Herr

Mathias Döpfner, Kai Diekmann, Julian Reichelt
(Foto [bearbeitet]: usbotschaftberlin auf wikimedia commons)

Verstehe das Gedöns wegen der von der Zeit veröffentlichten Döpfner-Mails nicht. Döpfner und der von ihm vor die Tür gesetzte Bild– Chefredakteur, dessen Namen mir nicht einfällt, haben Springer- Periodika immer deutlicher auf das konservativ-mosernde teutsche Ufer gedrängt. Die Zeit-Notizen belegen, dass Döpfner dabei Taktgeber und Anschieber war – bis hin zu de facto Anweisungen in die Redaktionsebene, bitteschön doch endlich die parteipolitisch organisierten Liberalen in bessere Lichter zu rücken. Es hätte verwundert, wenn es anderes gewesen wäre.

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Ein historischer Moment – der Aufbruch hunderttausender Israelis

Demonstration in Jerusalem 20. 2. 2023 (Foto: Hanay auf wikimedia commons)

Wir Israelis dürfen der irreführenden Identitätspolitik, hinter der wir uns zu verstecken gewohnt sind, nicht erlauben, uns von innen zu zersetzen. Wir müssen uns freimachen von unserem Narzissmus der kleinen Differenzen. Das bedeutet auch, diejenigen nicht zu beschimpfen, die mit palästinensischen Fahnen demonstrieren. Nicht ein einziges der Gesetze, die von der israelischen Regierung derzeit in einem Staatsstreich durchgepeitscht werden, kommt sozial Schwachen oder Kranken zugute, geschweige denn den Unterdrückten, Ungebildeten oder Bedürftigen der Gesellschaft. Diese Art der Gesetzgebung – euphemistisch als „Justizreform“ propagiert – hat in der hebräischen Sprache dem Wort für „Reform“ bereits einen zynischen Klang verliehen; sie spottet seiner korrektiven, progressiven Konzeption, denn ihrem Wesen nach ist diese Gesetzgebung regressiv.

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Die Ausbeutung hinter dem KI-Boom

Bild: Mit MidJourney automatisiert generierte Zeichnung. © cc-by-4 MidJourney

Hinter Tools wie Chat GPT stecken nicht nur Roboter: Am Ende der Wertschöpfungskette stehen oftmals Arbeiter aus den Ländern des Südens.  Dies zeigt ein Gastbeitrag der beiden Soziologen Clément Le Ludec (Institut Polytéchnique de Paris) und Maxime Cornet (Telecom Paris). Sie arbeiten am Forschungsprojekt HUSH unter Professor Antonio Casilli. Der Artikel erschien zuerst bei The Conversation auf französisch. Infosperber übernahm ihn im Rahmen der Creative Commons-Lizenz. Bruchstücke übernimmt von Infosperber.

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Die Ampelregierung steht auf opportunistisch

Die Minderheitenpolitik der Ampel-Koalition ist opportunistisch und unehrlich. Geht es um Minderheiten mit einer anderen sexuellen Orientierung als die heterosexuelle, geht es um Gruppen mit einer anderen Hautfarbe als die der sogenannten “Bio“- Bewohner:innen Europas, sind alle eilig an Deck. Da werden rasch die Segel gesetzt, damit Fahrt aufgenommen werden kann. Mir soll´s recht sein. Geht es um andere Minderheiten, bleiben Deck leer und Segel schlaff.

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Kampflustige Promis: Männlichkeit in Zeiten des Krieges

Foto: Magnussen, Friedrich (1914-1987) auf wikimedia commons

In der Raucherecke unseres Jungengymnasiums trafen sich die Meinungsführer, manche pafften nur. Optisch dominierte die Farbe olivgrün, das lag an den Bundeswehr-Parkas, in den 1970er Jahren trug sie mindestens jeder zweite Schüler. Ich mochte den Military-Look nicht, bevorzugte meinen Dufflecoat mit den altmodischen Knebel-Verschlüssen. Der Kampfanorak mit Deutschland-Fahne am Revers passte weder zu den langen Haaren noch zu unserer Haltung zum Militär. Denn wir waren fast alle Pazifisten, und als die Musterung kam, versuchten manche, untauglich zu sein, andere flohen nach (West)Berlin, wo man wegen des Vier-Mächte-Status unbehelligt blieb. Der Rest verweigerte und leistete Zivildienst.

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Wie unterscheidet Pazifismus zwischen Angreifer und Opfer?

Plakat (1946) auf wikimedia commons

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ So lautete eine Parole der Friedensbewegungen in BRD und DDR. Eine Konsequenz aus dem deutschen Nationalsozialismus: Holocaust und Angriffskriege, Völkermord und Militarismus waren jeweils zwei untrennbare Seiten derselben braunen Medaille. Die DDR beanspruchte Antifaschismus als offizielle Staatsdoktrin. Im Westen musste er in jahrzehntelangen Kämpfen gegen reaktionäre Kräfte durchgesetzt werden. Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen und von Militarismus war für Friedensbewegte untrennbar miteinander verbunden. Sie wurde zum Wesensgehalt des deutschen Nachkriegs-Pazifismus. Bis heute bietet dieser Handlungsanleitungen für viele, die sich für einen ökologischen Humanismus und die Zivilisierung der Außenpolitik einsetzen.

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Vernichtungs- contra Verteidigungswillen. Wer stärkt wen?

 „Offenheit, Transparenz und Berechenbarkeit sind in der Politik ohne jede Alternative, aber die Anwendung von Gewalt sollte ebenso ausgeschlossen sein wie die Anwendung der Todesstrafe in den Rechtssystemen einiger Staaten… Ich bin überzeugt, dass der einzige Mechanismus zur Entscheidung über die Anwendung von Gewalt als letzte Maßnahme nur die UN-Charta sein darf.“ So Wladimir Putin als russischer Präsident auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Jahre 2007. Diese Aussagen sind auch heute noch gültig. In der Tat, die UN- Charta und die Menschenrechtskonvention bieten alle Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben der Völker und die gewaltfreie Lösung von Konflikten. Mit dem kriegerischen Überfall auf die Ukraine und schon mit der Besetzung der Krim hat Putin seine Aussagen konterkariert.

43rd Munich Security Conference 2007: The President of the Russian Federation, Vladimir V. Putin and the Federal Chancellor Dr. Angela Merkel during the Conference. (Foto: Sebastian Zwez auf wikimedia commons)
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„Ziviler Ungehorsam gehört dazu“

Prof. Dr. Hedwig Richter
(Foto: Studio Fabian Hammerl auf wikimedia commons)

Ein später Nachmittag in Neubiberg bei München. Hinter hohen Zäunen die Universität der Bundeswehr. Nach freundlicher Kontrolle der Passagierwürdigkeit führt eine wissenschaftliche Hilfskraft zu dem Gebäude, in dem Seminare und Vorlesungen stattfinden. Ein herzliches Willkommen durch die aktuell wohl berühmteste Historikerin der Bundesrepublik, Hedwig Richter. Ihr Buch „Demokratie“ entwickelte sich zum Bestseller. Im Hinblick auf aktuelle Diskurse zählt sie zu den entschiedensten Stimmen einer demokratisch gestützten Klima­-Krisenpolitik.
In ihrer, so offiziell, „Kleinen Vorlesung zur Geschichte des Anthropozäns“ sitzen knapp zwei Dutzend Studierende. Vortrag wie Diskussion: spannungsgeladen, respektvoll und verblüffend lebendig. Die meisten Teilnehmenden sind Männer, eine Frau sitzt unter den Zuhörenden. Das Gespräch findet danach im „Brandl“ statt, der Kantine der Universität. Bruchstuecke übernimmt mit freundlicher Genehmigung von Jan Feddersen und der wochentaz. Das Original erschien am 4. 02. 2023.

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Beispielhaft: das AKW Monticello oder Risse naja, Hauptsache kein Bruch

Mülheim-Kärlich, Hamm-Uentrop, Niederaichbach, Krümmel, Gundremmingen-A, Lingen, Würgassen – deutsche Atomkraftwerke, die alle wegen Defekten vorzeitig vom Netz mussten oder wie im Fall von Kalkar gar nicht erst in Betrieb gingen. Es handelt sich national wie international um die gleiche anfällige Technik, im Folgenden um die Risse-Problematik, die es bekanntermaßen in Belgien, Schweiz, Frankreich, USA gibt, die aber auch in Russland, China, Japan, Südkorea, Finnland, Schweden, Ukraine usw. vorhanden sein muss: Weil die auch keine besseren Stähle haben. Aus den USA kommt die Nachricht, dass aus dem AKW Monticello – am Ufer des Mississippi gelegen, ungefähr 50 Kilometer nordwestlich von Minneapolis, der Hauptstadt des Bundesstaats Minnesota – 400.000 Gallonen Wasser ausgelaufen sind. Ein Leck im Kühlsystem, das jahrelang vertuscht wurde. Knapp zwei Wochen vor dem Abschalten (nicht nur die FDP stemmt sich dagegen) der letzten drei deutschen Atomkraftwerke sei dieses typische Beispiel aus der Nuklearwirtschaft beschrieben.

Screenshot: CBS News
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„Irgendwie doof“

Screenshot: ZDF heute journal

Der 29. März 2023 war ein Mittwoch; am Abend dieses Tages, genauer gesagt um 22:01 Uhr, gab es eine gute Gelegenheit, der interessierten Öffentlichkeit Einblick in den schwierigen Weg zum Schutz des Klimas zu geben.
In den Tagen zuvor hatten die Spitzen der drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP lange Verhandlungen geführt, um regierungsfähig zu bleiben. Waren die Verhandlungen für den Klimaschutz und die ökologische Transformation der Gesellschaft ein Erfolg oder ein Misserfolg? Die ZDF-Moderatorin interessierte etwas anderes mehr.

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Mal heißt ein Sputnik Schröder…

Der Vernichtungskrieg Putins und seiner Kamarilla gegen die Ukraine hat in Deutschland manch Außen- und Parteipolitisches hoch gespült. In „Die Moskau Connection“, dem Buch der beiden FAZ– Redakteure Reinhard Bingener und Markus Wehner kann man eine Menge dessen besichtigen, was an die Oberfläche gestrudelt wurde. Das riecht, weiß Gott, nicht gut, was da zu besichtigen ist. Präzision und Belegbarkeit von Feststellungen wurden von den beiden Autoren freilich nicht immer erreicht. Ich will ein Beispiel etwas breiter darstellen, denn das Thema, die Frage, warum sich ein Teil der politischen Linken in Deutschland freiwillig in Putins stinkende Fallgruben begeben hat, ist ja nicht nebensächlich.

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150 Billionen Franken Spekulationsgelder sind ausser Kontrolle

Im Zeitraum von 2009 bis 2020 beliefen sich die Kosten der Credit Suisse für Bußgelder, Anwalts- und Gerichtskosten auf 15,7 Milliarden Franken. (Foto: Klimademo vor der Credit Suisse 2019 in Bern | Hadi auf wikimedia commons)

Die Bankenregulierung erwies sich im Fall CS als untauglich. Weitere Zeitbomben ticken im gigantischen Schattenbanken-Geschäft. Die Banken sorgten nicht nur dafür, dass die Regulierungen schwach und voller Löcher sind, sondern sie haben die riskantesten Spekulations-Aktivitäten einfach in Schattenbanken ausgelagert. Die gesamte Summe der nicht regulierten Spekulationsgeschäfte beträgt weltweit 150 Billionen Franken oder Dollar. Das jedenfalls erklärte Finanzjournalistin und Buchautorin Myret Zaki in der Sendung «Infrarouge» des Westschweizer Fernsehens und warnte: «Wenn die Zinsen weiter steigen, kracht dies alles zusammen, doch niemand interessiert sich dafür.»

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Einzug ohne Anzug

Screenshot: Website gruene.de

Die Premiere hatten sie sich anders vorgestellt. Als die Grünen nach der Bundestagswahl am 6. März 1983 zur ersten Sitzung des neu gewählten Parlaments in den Plenarsaal einzogen, sollte einer der ihren als Alterspräsident die Legislaturperiode eröffnen. Doch ausgerechnet die selbsternannte „Antiparteienpartei“ hatte die braune Vergangenheit eingeholt, die sie manchen Repräsentanten der Altparteien zu Recht vorwarf. Wenige Tage vor der konstituierenden Sitzung am 29. März 1983 platzte für die neue Fraktion ein Traum.

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bruchstücke