
Hintergrund der Vorbemerkungen ist die These, dass moderne Politik permanent eine doppelte Enttäuschung bereitet: Zum einen schürt sie die Erwartung, alles im Griff zu haben oder zumindest es wieder in den Griff zu bekommen, aber faktisch entgleitet ihr das meiste. Zum anderen erweckt sie die Erwartung, dass alle Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden können, aber faktisch fallen die politischen Sachentscheidungen in kleinen Kreisen.
Moderne Politik nenne ich die Einheit der Differenz von Konjunktiv und Indikativ – sie könnte alles, aber tatsächlich kann sie relativ wenig. Jede Idee, jedes Interesse, jede Barbarei kann in die Politik eingebracht werden. Der Krümmungsgrad von Gurken, das Tragen von Kopftüchern, der Bau von Grenzmauern, Weltraumfahrt und Völkermord, alles ist politisch entscheidbar und staatlich durchsetzbar. Aber was tut die Politik gegen Armut, Hungersnöte, Flüchtlingselend, Rassendiskriminierung, Waldsterben, Meeresverschmutzung, globale Erwärmung? Die Differenz zwischen Alleskönner und Vielesunterlasser birgt das Risiko, dass die Politik den Vorwurf erntet, weder die richtigen Dinge zu machen, noch die Dinge richtig zu machen, sozusagen „avanti dilettanti“ oder auf gut deutsch „setzen, sechs“ oder in der aktuellen Spiegel-Diagnose „Mehrheit der Deutschen mit allen Ampelministern unzufrieden„.